VwGH Ra 2019/21/0103

VwGHRa 2019/21/010319.9.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision des H S in W, vertreten durch Dr. Gustav Eckharter, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Museumstraße 5/15, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19. März 2019, W220 1412007-2/6E, betreffend Zurückweisung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 iVm der Abweisung eines Heilungsantrages nach § 4 AsylG-DV 2005 und Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen sowie Zurückweisung eines Kostenbegehrens (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §58 Abs11 Z2
AsylG 2005 §58 Abs9
AsylGDV 2005 §4
AsylGDV 2005 §4 Abs1 Z2
AsylGDV 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG 2014 §9
B-VG Art133 Abs4
FrPolG 2005 §52 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019210103.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein indischer Staatsangehöriger, reiste spätestens im Februar 2010 nach Österreich ein und stellte hier einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde im Beschwerdeweg mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes (bereits) vom 22. März 2010 - iVm mit einer Ausweisung des Revisionswerbers nach Indien - vollinhaltlich abgewiesen.

2 Der Revisionswerber verblieb im Bundesgebiet und stellte im Dezember 2016 in Abänderung eines vorangegangenen Antrags nach § 56 AsylG 2005 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies diesen Antrag mit Bescheid vom 25. Februar 2017 gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 als unzulässig zurück und den damit in Verbindung stehenden Antrag auf Heilung eines Mangels nach § 8 Abs. 1 Z 1 und 2 AsylG-DV 2005 gemäß § 4 Abs. 1 Z 2 und 3 AsylG-DV 2005 ab. Unter einem erließ es gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG, stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung nach Indien zulässig sei, und setzte gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3 Mit Erkenntnis vom 19. März 2019 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet ab und ein in der Beschwerde gestelltes Begehren, die belangte Behörde gemäß § 53 VwGVG zum Ersatz der Kosten des Beschwerdeverfahrens zu verpflichten, gemäß § 17 VwGVG iVm § 74 AVG als unzulässig zurück.

4 Das BVwG stellte - schon im Rahmen der Wiedergabe des Verfahrensganges - fest, dass dem Revisionswerber aufgetragen worden sei, "Urkunden gem. § 8 Abs. 1 AsylG-DV" (gemeint:

Reisepass im Original sowie Geburtsurkunde im Original und in deutscher Übersetzung) vorzulegen. Dem habe er nur in Bezug auf die Geburtsurkunde entsprochen. Dass ihm sonst die Beschaffung "der notwendigen Urkunden" (also des Reisepasses) nicht möglich gewesen sei, habe er nicht nachgewiesen; die Beschaffung wäre ihm (auch) zumutbar gewesen.

5 Damit komme eine Heilung des Mangels nach § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG-DV 2005 (Vorlage eines gültigen Reisedokuments) nach § 4 Abs. 1 Z 3 AsylG-DV 2005 nicht in Betracht. Aber auch eine ohnehin vorrangig zu prüfende Heilung nach § 4 Abs. 1 Z 2 AsylG-DV 2005 sei nicht zuzulassen, weil die insoweit wie bei einer inhaltlichen Behandlung des Antrags vorgenommene Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG bzw. Art. 8 EMRK kein Überwiegen der Interessen des Revisionswerbers an einem Verbleib im Bundesgebiet aufgezeigt habe. Zwar könne er auf eine neunjährige Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet verweisen, verfüge über grundlegende Deutschkenntnisse, sei selbsterhaltungsfähig und habe eine österreichische Freundin; auch habe er soziales Engagement (Spenden an die Johanniter) bewiesen. Allerdings lebten keine Familienangehörigen des Revisionswerbers in Österreich und habe er sich nahezu über die ganze Aufenthaltsdauer in Österreich darüber im Klaren sein müssen, dass er eingegangene Bindungen im Bundesgebiet nicht werde aufrechterhalten können. (Zudem) sei zu berücksichtigen, dass die die Selbsterhaltungsfähigkeit bewirkende Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit (Vornahme von Essenszustellungen im Rahmen des Gewerbes der Güterbeförderung) den Bestand eines Aufenthaltstitels erfordert hätte, den der Revisionswerber jedoch nie innegehabt habe. Was aber die Beziehung zu einer österreichischen Freundin anlange, so bestehe kein gemeinsamer Haushalt und kein Zusammenleben, was "entsprechend (zu) bemessen ist". Insoweit sei daher davon auszugehen, dass die privaten Interessen des Revisionswerbers an einem Verbleib in Österreich hinter die öffentlichen Interessen an seiner Aufenthaltsbeendigung - abgeleitet aus dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens - zurückzutreten hätten.

6 Die Abweisung des Heilungsantrages des Revisionswerbers nach § 4 AsylG-DV 2005 sei daher gerechtfertigt. Insoweit sei dann auch der Zurückweisungstatbestand nach § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 erfüllt, was wiederum zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung - samt Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung des Revisionswerbers nach Indien und Festlegung einer 14-tägigen Frist für die freiwillige Ausreise - führe.

7 Der vom Revisionswerber angesprochene Kostenersatz für das Beschwerdeverfahren sei nicht vorgesehen.

8 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das BVwG dann noch aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. 9 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision nur zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

11 In dieser Hinsicht macht der Revisionswerber - versucht man seine ungeordneten, zum Teil widersprüchlichen und überdies unsachliche Vorwürfe gegenüber dem BVwG enthaltenden Ausführungen in ein System zu bringen - in erster Linie geltend, das Unterbleiben der Vorlage eines Reisepasses verwirkliche nicht den Zurückweisungstatbestand nach § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005, weil ein Reisepass "keineswegs zu den erkennungsdienstlichen Daten" im Sinne dieser Bestimmung zähle. Demgegenüber hat der Verwaltungsgerichtshof aber schon mehrfach ausgesprochen, dass die Nichtvorlage eines gültigen Reisepasses grundsätzlich, wenn es nicht zu einer Heilung nach § 4 AsylG-DV 2005 zu kommen hat, eine auf § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 gestützte Zurückweisung rechtfertigt (vgl. nur die Zurückweisungsbeschlüsse VwGH 17.5.2017, Ra 2017/22/0059, Rn. 24, und VwGH 21.9.2017, Ra 2017/22/0128, Rn. 15, jeweils auch vom gegenständlichen Vertreter des Revisionswerbers verfasste Revisionen betreffend). 12 Der Revisionswerber verweist dann, damit im Ergebnis das eben Gesagte selbst zugrunde legend, aber in weiterer Folge ohnehin auf "herrschende Judikatur", wonach bei einem Antrag nach § 55 AsylG 2005 - in Bezug auf die "Nichtvorlage von Personaldokumenten" - vorrangig eine Heilung nach § 4 Abs. 1 Z 2 AsylG-DV 2005 in Betracht komme. Er setzt - grundsätzlich richtig - fort, dass es auf Basis dieses Heilungstatbestandes unzulässig sei, den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 trotz Vorliegens der hiefür erforderlichen Voraussetzungen "wegen Nichtvorlage von Personaldokumenten" zurückzuweisen (zutreffend der Verweis insbesondere auf VwGH 17.11.2016, Ra 2016/21/0314, Rn. 16). Dem steht dann allerdings die Rüge gegenüber, dass das BVwG den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens überschritten, "Sachverhaltsfragen" beurteilt und insoweit eine meritorische Entscheidung vorgenommen habe. Damit wird offensichtlich die Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG angesprochen, die allerdings - entgegen der insoweit geäußerten Ansicht des Revisionswerbers - auch schon bei Prüfung des Heilungstatbestandes nach § 4 Abs. 1 Z 2 AsylG-DV 2005 und damit im Zusammenhang mit der Frage der Erfüllung des Zurückweisungstatbestandes nach § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 vorzunehmen war (VwGH 26.1.2017, Ra 2016/21/0168, Rn. 29 und 30). Die Vorgangsweise des BVwG entsprach damit der höchstgerichtlichen Judikatur.

13 In Bezug auf die angesprochene Interessenabwägung bringt der Revisionswerber weiter vor, das BVwG habe die gebotene Gesamtbetrachtung vermissen lassen. Das trifft indes nicht zu. Aber auch sonst lässt sich der Revision nichts Konkretes entnehmen, was die vom BVwG insoweit vorgenommene einzelfallbezogene Beurteilung nach der gefestigten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe dazu etwa VwGH 16.5.2019, Ra 2019/21/0113, Rn. 6, mwN) revisibel machen könnte; es wird nicht aufgezeigt, dass das BVwG, das alle zugunsten des Revisionswerbers sprechenden Umstände in seine Beurteilung einbezogen hat, in unvertretbarer Weise von den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen abgegangen wäre. 14 Offenkundig allein im Zusammenhang mit der Interessenabwägung steht die weitere Rüge, das BVwG hätte nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht von der Durchführung der beantragten Beschwerdeverhandlung absehen dürfen. Anders als der Revisionswerber meint, war im Zusammenhang mit der Interessenabwägung fallbezogen aber auch das Unterbleiben einer Beschwerdeverhandlung vertretbar und ist mithin auch dieser Umstand nicht revisibel (vgl. etwa VwGH 26.4.2018, Ra 2017/21/0249, Rn. 13).

15 Der Revisionswerber vertritt dann noch die Auffassung, die Zurückweisung seines Antrags hätte nicht mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung verbunden werden dürfen. Diese Auffassung, die übersieht, dass § 10 Abs. 3 AsylG 2005 nur für die Fälle des - hier nicht vorliegenden - § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 AsylG 2005 eine Ausnahme von der grundsätzlich angeordneten Pflicht zur Verbindung einer Zurückweisungsentscheidung mit einer Rückkehrentscheidung vorsieht, ist verfehlt (siehe nur VwGH 17.5.2017, Ra 2017/22/0059, Rn. 14 und 15).

16 Verfehlt ist auch die Ansicht, aus § 53 VwGVG lasse sich ein Anspruch auf Ersatz der Kosten eines Bescheidbeschwerdeverfahre ns ableiten. Das versteht sich in Anbetracht der systematischen Stellung dieser Bestimmung, die sich ausschließlich auf Beschwerdeverfahren nach Art. 130 Abs. 2 Z 1 BVwG bezieht, von selbst und bedarf daher keiner weiteren Erläuterung. 17 Zusammenfassend ergibt sich damit, dass der Revisionswerber keine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzuzeigen vermag. Seine Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 19. September 2019

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