VwGH Ra 2017/21/0249

VwGHRa 2017/21/024926.4.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Samonig, über die Revision des N I, zuletzt in W, vertreten durch Dr. Markus Fidler, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Trappelgasse 11/16, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15. November 2017, I405 1253094- 6/5E, betreffend (insbesondere) Rückkehrentscheidung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

BFA-VG 2014 §21 Abs7;
BFA-VG 2014 §9;
B-VG Art133 Abs4;
FrPolG 2005 §52 Abs2 Z2;
VwGG §34 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017210249.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber ist nigerianischer Staatsangehöriger. Er reiste nach eigenen Angaben im Jänner 2003 nach Österreich ein und stellte hier einen Asylantrag. Das Verfahren über diesen Antrag wurde im September 2008 im Beschwerdestadium wegen unbekannten Aufenthalts des Revisionswerbers eingestellt.

2 Mittlerweile war gegen den Revisionswerber wegen der Begehung von Suchtgiftdelikten ein letztlich mit Gültigkeit bis 24. September 2014 befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden.

3 Im Oktober 2010 wurde der Revisionswerber gemäß der Dublin II-Verordnung aus Großbritannien nach Österreich überstellt. Im Zuge seiner nachfolgenden niederschriftlichen Einvernahme gab er an, sich von 2005 (nach Entlassung aus der wegen der erwähnten Suchtgiftdelikte verhängten Strafhaften) bis zu seiner Überstellung in Großbritannien befunden zu haben. Außerdem stellte er einen asylrechtlichen Folgeantrag. Dieser wurde letztlich mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 16. Juni 2011 vollinhaltlich - in Verbindung mit einer Ausweisung nach Nigeria - abgewiesen.

4 Der Revisionswerber verließ erneut Österreich. Er wurde dann aber im Oktober 2011 nach der Dublin II-Verordnung von Norwegen wieder nach Österreich überstellt, wo er einen dritten Antrag auf internationalen Schutz stellte. Dieser Antrag blieb ebenfalls erfolglos (Zurückweisung gemäß § 68 Abs. 1 AVG iVm einer Ausweisung nach Nigeria, zuletzt mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 17. November 2011).

5 Im Jänner 2013 stellte der Revisionswerber einen vierten Antrag auf internationalen Schutz, den er nun erstmals damit begründete, dass er homosexuell sei. Mit Bescheid vom 28. Oktober 2013 wies das Bundesasylamt auch diesen Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück, außerdem wies es den Revisionswerber gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aus Österreich nach Nigeria aus. Mit Erkenntnis vom 18. März 2014 gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) der dagegen erhobenen Beschwerde, soweit sie sich gegen die Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz richtete, keine Folge. Im Übrigen, in Bezug auf die erlassene Ausweisung, verwies das BVwG das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zurück. Dieses sprach sodann - im zweiten Rechtsgang - mit Bescheid vom 10. März 2017 aus, dass dem Revisionswerber ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt werde. Unter einem erließ es gegen den Revisionswerber gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG, stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig sei und setzte die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest. Diesem Bescheid legte das BFA u. a. zu Grunde, dass seitens des Revisionswerbers keinerlei Bindungen zu Österreich bestünden; außerdem ging es erkennbar davon aus, dass die Behauptung des Revisionswerbers, er sei homosexuell, nicht glaubwürdig sei.

6 Der Revisionswerber erhob Beschwerde, in der er den eben erwähnten Annahmen des BFA und der daraus gezogenen Schlussfolgerung, die Erlassung einer Rückkehrentscheidung sei unter dem Blickwinkel der nach § 9 BFA-VG gebotenen Interessenabwägung zulässig, nur insoweit entgegentrat, als er ausführte, er sei "im Verfahren nicht ordentlich gehört" worden; angesichts der langen Aufenthaltsdauer, der nicht mehr bestehenden familiären Verankerung in Nigeria, seiner bisherigen Unbescholtenheit und seiner ausgezeichneten Deutschkenntnisse sowie der "oftmals gezeigten Fähigkeit auch ohne soziale Unterstützung zu überleben", sei ihm ein humanitärer Aufenthaltstitel zu erteilen.

7 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 15. November 2017 wies das BVwG diese Beschwerde als unbegründet ab. Außerdem sprach es gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

8 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist eine Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das angefochtene Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

10 Der Revisionswerber bringt in diesem Zusammenhang nur vor, die angefochtene Entscheidung weiche von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, weil das BVwG von der Durchführung der in der Beschwerde ausdrücklich beantragten Beschwerdeverhandlung abgesehen habe. Entgegen dessen Annahme wäre kein geklärter Sachverhalt vorgelegen, sodass die Voraussetzungen des § 21 Abs. 7 BFA-VG für ein Unterbleiben der beantragten Beschwerdeverhandlung nicht vorgelegen hätten; "in Folge" sei auch die Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG (verfehlt) zum Nachteil des Revisionswerbers ausgefallen.

11 Unter erkennbarer Bezugnahme auf Letzteres verweist der Revisionswerber dann noch auf Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach im Falle eines mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthaltes eines Fremden Aufenthaltsbeendigungen nur dann verhältnismäßig sind, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genutzt hat, um sich sozial, beruflich und sprachlich zu integrieren.

12 Dem Hinweis auf diese Judikaturlinie ist zu entgegnen, dass der Revisionswerber zwar (erstmals) bereits 2003 nach Österreich eingereist ist. Er hat sich allerdings nach eigenen Angaben von 2005 bis 2010 - bis zu seiner dann erfolgten Überstellung nach der Dublin II-Verordnung - mehr als fünf Jahre in Großbritannien (und dann noch 2011 mehrere Monate in Norwegen) aufgehalten, sodass sich selbst bei Zusammenzählen aller im Inland verbrachten Zeiten insgesamt kein zehnjähriger Inlandsaufenthalt ergibt. Auch in seiner Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 10. März 2017 hat der Revisionswerber zwar eine "lange Aufenthaltsdauer" geltend gemacht, er hat jedoch eingeräumt, sich "zwischendurch" in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union aufgehalten zu haben. Von daher ist nicht davon auszugehen, er hätte seine ursprünglichen Angaben über den mehr als fünfjährigen Aufenthalt in Großbritannien relativiert oder gar die entsprechende, auf diese Angaben gestützte Feststellung im genannten Bescheid des BFA bestritten.

13 Auch die weiteren vom BFA im Bescheid vom 10. März 2017 getroffenen Feststellungen - insbesondere über eine fehlende Integration in Österreich und die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens zur Homosexualität des Revisionswerbers - wurden in der dagegen erhobenen Beschwerde, anders als in der Revision zum Ausdruck gebracht, nicht konkret bestritten. Einzig die Behauptung, der Revisionswerber verfüge über ausgezeichnete Deutschkenntnisse, ging der Sache nach über die getroffenen Feststellungen des BFA hinaus. Im Hinblick auf die mehrfache Stellung eines unbegründeten Antrags auf internationalen Schutz, auf die in der Anfangsphase des Aufenthalts in Österreich zu Tage getretene Suchtgiftkriminalität des Revisionswerbers sowie das deswegen verhängte und letztlich nicht befolgte Aufenthaltsverbot kommt es aber darauf nicht wesentlich an. Vor dem Hintergrund der eben genannten Umstände und in Anbetracht der sonstigen Lage des Falles erweist sich die Annahme eines geklärten Sachverhaltes - auch unter dem Aspekt der Verschaffung eines persönlichen Eindruckes vom Revisionswerber - und damit das Absehen von der beantragten Beschwerdeverhandlung unter Berufung auf § 21 Abs. 7 BFA-VG nämlich als nicht unvertretbar und daher als nicht revisibel (siehe etwa VwGH 4.8.2016, Ra 2016/21/0232, Rn. 9).

14 Somit zeigt die Revision keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unzulässig zurückzuweisen.

Wien, am 26. April 2018

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