VwGH Ra 2019/10/0087

VwGHRa 2019/10/008718.12.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie den Hofrat Dr. Fasching und die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Wurzer, über die Revision der Salzburger Landesregierung gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 11. April 2019, Zl. 405‑9/692/1/24‑2019, betreffend Hilfe nach dem Salzburger Behindertengesetz 1981 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Zell am See; mitbeteiligte Partei: A R in M, vertreten durch Dr. Alexander Bosio, Rechtsanwalt in 5700 Zell/See, Strubergasse 9), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019100087.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die revisionswerbende Partei hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 13. Dezember 2018 wies die belangte Behörde den am 27. September 2018 eingelangten Antrag des durch seine Mutter vertretenen Mitbeteiligten auf Gewährung von Behindertenhilfe in Form der Übernahme der Schultransportkosten vom Wohnort in M zur nächstgelegenen Allgemeinen Sonderschule in A (ASO A) und retour ab. Die Übernahme der Transportkosten, die sich aus dem organisierten Sammeltransport vom Wohnort zur nächstgelegenen Allgemeinen Sonderschule in Z (ASO Z) und retour, abzüglich der Förderung, die laut Vertrag mit dem Finanzamt S für den Transport bezahlt würde, ergäben, bewilligte die belangte Behörde für vorerst zwei Jahre. Die Hilfeleistung werde ab Eintritt des Mitbeteiligten in die ASO Z für vorerst zwei Jahre des Schulbesuchs gewährt, längstens für die Dauer des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen bzw. solange der Schulweg nicht selbstständig mit öffentlichen Verkehrsmitteln bewältigt werden könne.

2 Mit Erkenntnis vom 11. April 2019 gab das Landesverwaltungsgericht Salzburg (Verwaltungsgericht) der dagegen erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten insoweit Folge, als es dem Antrag auf Behindertenhilfe in Form der Übernahme der Schultransportkosten vom Wohnort zur ASO A und zurück ab Eintritt in die ASO A für vorerst zwei Jahre dieses Schulbesuchs, dabei nur für Tage des Schulbesuchs und bei tatsächlicher Inanspruchnahme der Beförderung, längstens für die Dauer des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen, stattgab. Den Ausspruch der belangten Behörde über die Übernahme der Transportkosten vom Wohnort zur ASO Z und zurück behob das Verwaltungsgericht ersatzlos. Abschließend sprach es aus, dass die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

3 Begründend ging das Verwaltungsgericht im Wesentlichen davon aus, dass der Mitbeteiligte seit 28. Februar 2018 ‑ vor Antragstellung ‑ einen Schulplatz an der ASO A habe. Dies sei mit den besonderen Umständen des Einzelfalls und den unerwarteten Schwierigkeiten bei der Einschulung in die Volksschule T zu begründen und könne nicht dazu führen, dass die ASO A als „Wunschschule“ zu qualifizieren sei. Die ASO A sei die für den Mitbeteiligten am besten geeignete und seinen persönlichen Erfordernissen entsprechende, angemessene Schule.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision der Salzburger Landesregierung. Die belangte Behörde erstattete in dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren ebenso eine Revisionsbeantwortung wie der Mitbeteiligte; letzterer beantragte auch Aufwandersatz.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss sich die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, die nach Ansicht des Revisionswerbers die Zulässigkeit der Revision begründet, aus der gesonderten Darstellung der Zulässigkeitsgründe ergeben. Der Verwaltungsgerichtshof überprüft die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B‑VG sohin (nur) im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe. Eine wesentliche Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG liegt nur dann vor, wenn die Beurteilung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes von der Lösung dieser Rechtsfrage „abhängt“. Dies ist dann der Fall, wenn das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt. In der Revision muss daher gemäß § 28 Abs. 3 VwGG konkret dargetan werden, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. VwGH 30.3.2020, Ra 2019/10/0180‑0182, 0187; 25.3.2020, Ra 2020/10/0015; 27.2.2020, Ra 2019/10/0121).

9 Die Zulässigkeitsbegründung bringt zunächst vor, es handle sich „bei der rückwirkenden Zusprechung einer, beschwerdeführerseits, gewählten Maßnahme gemäß §§ 3 iVm § 18 Abs 1 SBG“ um eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung. Weiters sei die „Beantwortung der Frage der Zulässigkeit der Kostenübernahme einer bestimmten Maßnahme nach Antragstellung“ von essentieller Bedeutung, weil den Behörden bei Zulassung einer solchen Vorgehensweise jegliche Entscheidungsbefugnis in Zusammenhang mit den zu genehmigenden Maßnahmen im Rahmen der Behindertenhilfe entzogen werden würde; die Behörde würde stets vor vollendete Tatsachen seitens der Parteien gestellt und hätte etwaige Kosten der Eingliederungshilfe in allen Fällen zu übernehmen.

10 Mit diesen Ausführungen wird allerdings nicht konkret dargelegt, welche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG, von deren Lösung das Schicksal der vorliegenden Revision abhängt, vom Verwaltungsgerichtshof erstmals zu lösen wäre. Ein pauschales oder nur ganz allgemein gehaltenes Vorbringen ohne Herstellung eines Fallbezuges und ohne jede fallbezogene Verknüpfung mit der angefochtenen Entscheidung reicht nicht aus, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen (vgl. VwGH 12.10.2020, Ra 2020/10/0131, mwN). Mit der einleitenden Kurzzusammenfassung der Begründung des Verwaltungsgerichtes, wonach es sich auf Basis der persönlichen Erfordernisse des Mitbeteiligten immer um eine Einzelfallentscheidung handle und die persönlichen und gesundheitlichen Umstände des Mitbeteiligten (auch bei der Schulwahl) zu berücksichtigen seien, wird ein solcher Fallbezug nicht konkret hergestellt.

11 Das Zulässigkeitsvorbringen legt auch nicht offen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Damit wird das Zulässigkeitsvorbringen den Anforderungen an die Darlegung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung in der gesonderten Zulässigkeitsbegründung nicht gerecht (vgl. in diesem Sinne VwGH 29.10.2020, Ra 2020/18/0374; 14.9.2020, Ra 2020/02/0200).

12 Insoweit in diesem Zusammenhang weiters auf eine divergierende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts hingewiesen wird, ist dem zu entgegnen, dass eine uneinheitliche oder abweichende Rechtsprechung eines oder mehrerer Verwaltungsgerichte für sich genommen nicht den Tatbestand des Art. 133 Abs. 4 B‑VG erfüllt (vgl. etwa VwGH 27.7.2020, Ra 2020/01/0223; 17.9.2019, Ra 2019/22/0108 bis 0110).

13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

14 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 51 VwGG, iVm der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014. Die Abweisung des Mehrbegehrens des Mitbeteiligten betrifft den beantragten Ersatz von Umsatzsteuer, weil neben den Pauschalsätzen der zitierten Verordnung ein Kostenersatz nicht zusteht (vgl. VwGH 27.8.2020, Ra 2019/13/0036; 24.8.2020, Ro 2020/10/0008 und 0009).

Wien, am 18. Dezember 2020

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