Normen
BAO §115 Abs1
BAO §119
BAO §166
BAO §167 Abs2
BAO §183 Abs3
EStG 1988 §2 Abs2
EStG 1988 §2 Abs3 Z6
EStG 1988 §28
UStG 1994 §2 Abs5 Z2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019130036.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1 Beim Revisionswerber, der im Streitzeitraum Einkünfte aus Gewerbebetrieb und negative Einkünfte sowie Vorsteuerüberschüsse im Zusammenhang mit der Vermietung mehrerer Liegenschaften erklärte, wurde eine Außenprüfung durchgeführt.
2 Im Anschluss an die Außenprüfung erließ das Finanzamt u.a. Umsatz- und Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2002 und 2003 sowie Bescheide betreffend die Festsetzung von Umsatzsteuer für die Zeiträume August bis Dezember 2004 und Jänner bis September 2005, in welchen es die im Zusammenhang mit der Vermietung von drei Liegenschaften stehenden negativen Einkünfte und Vorsteuerüberschüsse außer Ansatz ließ.
3 Der Revisionswerber brachte gegen die im Anschluss an die Außenprüfung ergangenen Bescheide Berufung ein.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Berufung (nunmehr Beschwerde) ‑ nach Durchführung eines Vorhalteverfahrens und einer mündlichen Verhandlung ‑ teilweise statt. Es stellte fest, dass der Revisionswerber betreffend die verfahrensgegenständlichen Häuser B‑Gasse, S‑Gasse und K‑Gasse ausschließlich negative Ergebnisse erklärt habe.
5 Die Werbungskostenüberschüsse im Zusammenhang mit der Vermietung der Liegenschaft B‑Gasse, die der Revisionswerber am 3. September 2001 um 2,300.000 S (167.147,52 €) ersteigert und durch einen am 31. Oktober 2011 rückzahlbaren Kredit von 2,500.000 S (181.682,09 €) finanziert habe, hätten in den Jahren 2002 bis 2006 insgesamt 98.264,23 € betragen. Laut Gutachten eines Sachverständigen für Immobilienwesen hätten sich die auf der Liegenschaft B‑Gasse befindlichen ‑ in der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts errichteten ‑ Gebäude zum Zeitpunkt der Versteigerung in einem teils abbruchreifen und teils mäßigen Zustand befunden. Mit der Vermietung von zwei Wohnungen seien Mieten von insgesamt 1.694,31 S (123,68 €) erzielt worden, der Rest des Objektes sei leer gestanden. Die Lage des Objektes sei vom Sachverständigen als mäßige Wohngegend und minder gute Geschäftslage bewertet worden. Der Revisionswerber habe im November 2001 und im Jänner 2002 mit den beiden Mietern des Objektes Gespräche betreffend Aussiedlung geführt und im November 2002 einem Architekten die Ermächtigung zur Planeinsicht und Kontaktaufnahme mit den Baubehörden erteilt. Der Architekt habe verschiedene Grobkonzepte betreffend Nutzflächenherstellung mit Baukosten zwischen 222.380 € und 889.690 € erstellt und mögliche Erträge im Falle einer Vermietung oder eines Verkaufes der Wohnungen und Geschäftsflächen berechnet. Es liege ein mit 24. Mai 2004 datiertes Schreiben eines Immobilienmaklers vor, der dem Revisionswerber mitgeteilt habe, dass er das Objekt B‑Gasse vorgemerkten Kunden ‑ nach einer Sanierung ‑ um 4,50 bis 5,50 € pro m² anbieten würde. Zu einer Vermietung sei es nicht gekommen, weil der Revisionswerber die Liegenschaft vor Fertigstellung der dafür erforderlichen Renovierungsarbeiten um 300.000 € verkauft habe (Kaufvertrag vom 9. Juni 2006).
6 Die Werbungskostenüberschüsse im Zusammenhang mit der Vermietung der Liegenschaft S‑Gasse, die der Revisionswerber am 18. Dezember 2002 um 890.000 € ersteigert und durch einen am 31. Jänner 2023 rückzahlbaren Kredit von 700.000 € finanziert habe, hätten in den Jahren 2002 bis 2010 insgesamt 411.715,70 € betragen. Laut Gutachten eines Sachverständigen für Immobilienwesen sei das auf der Liegenschaft S‑Gasse befindliche ‑ im Jahr 1905 errichtete ‑ Gebäude zum Zeitpunkt der Versteigerung devastiert und frei zugänglich gewesen. Auf Grund des devastierten Gebäudezustandes seien keine Bestandverhältnisse angenommen worden. Es liege ein mit 24. Mai 2004 datiertes Schreiben eines Immobilienmaklers vor, der dem Revisionswerber mitgeteilt habe, dass mehrere Personen Interesse an einer Anmietung von im Objekt S‑Gasse gelegenen Räumlichkeiten hätten. Das Objekt sei zu dieser Zeit eine Baustelle gewesen, laut Immobilienmakler genau der richtige Zeitpunkt, um den Kunden eine Mitsprachemöglichkeit bei Planung und Ausstattung zu geben. Ein weiterer Makler habe dem Revisionswerber mit Schreiben vom 24. Mai 2004 mitgeteilt, er würde das Objekt S Gasse vorgemerkten Kunden nach einer Sanierung um 10 bis 12 € pro m² anbieten. Zu einer Vermietung sei es nicht gekommen, weil der Revisionswerber die Liegenschaft vor Fertigstellung der für eine Vermietung notwendigen Renovierungsarbeiten um 1,200.000 € verkauft habe (Kaufvertrag vom 24. März 2010).
7 Im Zusammenhang mit der Liegenschaft K‑Gasse, die der Revisionswerber am 26. September 2002 um 175.000 € ersteigert und durch einen am 31. Oktober 2017 rückzahlbaren Kredit von 180.000 € finanziert habe, seien in den Jahren 2002 bis 2006 Werbungskostenüberschüsse von insgesamt 87.560,67 € erklärt worden. Laut Gutachten eines Sachverständigen für Immobilienwesen sei das auf der Liegenschaft K‑Gasse befindliche ‑ im Jahr 1903 errichtete ‑ Gebäude zum Zeitpunkt der Versteigerung nicht vermietbar gewesen. Die Wohnlage sei vom Sachverständigen als nicht vorteilhaft und eine Geschäftslage als nicht gegeben beurteilt worden. Eine Meldeabfrage des Prüfers habe ergeben, dass im Zeitraum 2002 bis 2003 rund 40 bulgarische Staatsangehörige an der Adresse K‑Gasse gemeldet gewesen seien. Demgegenüber habe der Revisionswerber im Jahr 2003 Mieteinahmen von 2.172,73 € erklärt. Im November 2002 habe der Revisionswerber einem Architekten die Ermächtigung zur Planeinsicht und Kontaktaufnahme mit den Baubehörden erteilt. Der Architekt habe verschiedene Grobkonzepte betreffend Nutzflächenherstellung mit Baukosten zwischen 242.400 € und 1,108.380 € erstellt und mögliche Erträge im Falle einer Vermietung oder eines Verkaufes der Wohnungen und Geschäftsflächen berechnet. Weiters liege das Schreiben einer näher bezeichneten GmbH vom 19. April 2004 vor, laut dem eine Renovierung des auf der Liegenschaft K‑Gasse befindlichen Objekts auf Kategorie A 120.000 € (netto) kosten würde. Der Revisionswerber habe zudem ein Schreiben eines Immobilienmaklers vom 24. Mai 2004 vorgelegt, der das Objekt K‑Gasse ‑ nach erfolgter Sanierung ‑ vorgemerkten Kunden um 4,50 bis 5,50 € pro m² anbieten würde. Zu einer Vermietung sei es nicht gekommen, weil der Revisionswerber die Liegenschaft vor Fertigstellung der dafür erforderlichen Renovierungsarbeiten um 250.000 € verkauft habe (Kaufvertrag vom 23. Februar 2006).
8 Unter der Überschrift rechtliche Beurteilung führte das Bundesfinanzgericht sodann zusammenfassend aus, es werde nicht in Abrede gestellt, dass die Vermietung ‑ aus subjektiver Sicht des Revisionswerbers ‑ als eine der sich bietenden Verwertungsmöglichkeiten in Erwägung gezogen worden sei. Die Absicht, künftig vermieten zu wollen, reiche für sich allein aber nicht aus, die strittigen Aufwendungen als Vorwerbungskosten steuerlich anzuerkennen.
9 Der Revisionswerber habe die beschwerdegegenständlichen Liegenschaften innerhalb eines kurzen Zeitraumes von einem Jahr (zwischen September 2001 und September 2002) um rund 1,232.000 € ersteigert, wobei die Fremdfinanzierung 1,047.000 € betragen habe (zwei Liegenschaften seien zur Gänze fremdfinanziert worden, eine Liegenschaft zu rund 80%.) Alle auf den Liegenschaften befindlichen Objekte seien um die Jahrhundertwende bzw. davor errichtet worden und hätten sich in einem schlechten baulichen Zustand befunden. Umfangreiche Sanierungsaufwendungen seien unumgänglich gewesen, um die Objekte überhaupt in einen vermietungsfähigen Zustand zu versetzen.
10 Gegen die von der Judikatur geforderte ernsthafte Vermietungsabsicht spreche zunächst, dass der Revisionswerber alle beschwerdegegenständlichen Objekte in den Jahren 2006 und 2010 wieder veräußert habe, wobei das bis zur jeweiligen Veräußerung nach außen in Erscheinung getretene Verhalten des Revisionswerbers nicht zweifelsfrei und eindeutig ausschließlich auf die Aufnahme einer Vermietungstätigkeit gerichtet gewesen sei. Bereits die von einem Architekten zeitnah zum Erwerb erstellten Grobkonzepte für die Objekte B‑Gasse und K‑Gasse zeigten das Entwicklungspotential der Liegenschaften durch Vermietung und Verkauf auf. Der Revisionswerber habe auch keine Finanzierungspläne für die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen vorgelegt, obwohl die vom Architekten veranschlagten zusätzlichen Baukosten zwischen 222.000 € und 899.000 € (B‑Gasse) bzw. 242.000 € und 1,108.000 € (K‑Gasse) gelegen seien. Aus den vom Revisionswerber vorgelegten Unterlagen sei auch nicht zu entnehmen, dass bis zur Veräußerung der beiden Objekte im Jahr 2006 relevante Sanierungsmaßnahmen durchgeführt worden seien.
11 Beim Objekt S‑Gasse habe der Revisionswerber zwar Investitionen im Umfang von 380.000 € getätigt, ungeachtet dessen sei das Objekt in einem noch nicht vermietbaren Zustand veräußert worden. Der Immobiliensachverständige im Versteigerungsverfahren habe den voraussichtlichen Aufwand für eine Revitalisierung mit 20.000 S pro m² beziffert, was bei einer Gesamtnutzfläche von ca. 620 m² rund 12,4 Mio. S ausmache. Mit anderen Worten, die vom Revisionswerber innerhalb eines Zeitraumes von 10 Jahren durchgeführten Sanierungsarbeiten hätten rund 40% der für eine Revitalisierung insgesamt erforderlichen Kosten ausgemacht. Auch hier habe der Revisionswerber nicht aufgezeigt, welche konkreten Finanzierungsmöglichkeiten ihm für die Sanierung zur Verfügung gestanden seien.
12 Es stehe fest, dass sich alle beschwerdegegenständlichen Objekte durch Jahre hindurch ‑ nämlich bis zu ihrer Veräußerung ‑ in einem nicht vermietbaren Zustand befunden hätten. Die vom Revisionswerber nach außen gerichteten Handlungen ‑ dokumentiert durch Vorlage des Schriftverkehrs mit diversen Immobilienmaklern ‑ seien vor allem unter Bedachtnahme auf die über Jahre hindurch nicht bzw. nur zum Teil umgesetzten Sanierungsmaßnahmen nicht geeignet, als realistische Vorbereitungshandlungen für die Erzielung von Einnahmen bzw. Aufnahme einer unternehmerischen Vermietungstätigkeit beurteilt zu werden. Dies ergebe sich vor allem aus den von Maklern stammenden Schreiben, die übereinstimmend auf den für eine mögliche Vermietung erforderlichen Abschluss der Sanierungsarbeiten hinwiesen.
13 Vom Revisionswerber sei im Verwaltungsverfahren ein „neuropsychiatrischer Befund“ vom 3. November 2004 vorgelegt worden, laut dem er sich seit ca. zwei Jahren wegen zunehmender depressiver Symptomatik in Behandlung befinde und ihm eine kaufmännische Tätigkeit wie der Betrieb einer Trafik oder die „Hausverwaltung“ derzeit und in den nächsten Jahren nicht möglich sei. Unter Hinweis auf diesen Befund habe er sodann vorgebracht, dass die Veräußerung der Liegenschaften auf seinen schlechten Gesundheitszustand zurückzuführen gewesen sei.
14 Der im „neuropsychiatrischen Befund“ angegebene Behandlungsbeginn wegen psychischer Beeinträchtigung und damit verbundener Schwächung der Arbeitskraft falle genau in die Zeit der gegenständlichen Liegenschaftserwerbe. Das im Beschwerdeverfahren wiederholt ins Treffen geführte Argument der „Unwägbarkeit“ überzeuge schon deshalb nicht, weil im Hinblick auf den zeitlichen Konnex die Krankheitssymptome weder nachträglich noch nicht vorsehbar aufgetreten seien. Eine durch Depressionen hervorgerufene psychische Beeinträchtigung stelle auch deshalb keine „Unwägbarkeit“ dar, weil die zielgerichtete Umsetzung mehrerer Sanierungsprojekte kein persönliches Tätigwerden des Revisionswerbers erfordere, sondern die Beauftragung eines fachkundigen Generalunternehmers hätte erfolgen können.
15 Zum Beweis einer ernsthaften Vermietungsabsicht wäre die Vorlage eines Finanzierungskonzeptes für die zu erwartenden Renovierungskosten notwendig gewesen. Auch eine Finanzierung aus allfälligen Zuschüssen anderer Personen oder eigenen Geldmitteln (egal ob Ersparnisse und/oder die Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb) hätte der Revisionswerber mit einem solchen Konzept nachweisen müssen. Der steuerliche Vertreter des Revisionswerbers habe mehrmals (zuletzt in der mündlichen Verhandlung) angegeben, die finanzierende Bank habe niemals Geld fällig gestellt. Zitat aus der Beschwerdeverhandlung: „Abschließend halte ich fest, dass die Finanzierung in Bezug auf die Banken nie ein Problem war. Die Banken waren immer auf der sicheren Seite, zumal der entsprechende Substanzwert vorhanden war, zumal auch in den letzten zehn bis 15 Jahren die Immobilienpreise, vor allem hinsichtlich der Zinshäuser, massiv gestiegen sind. Für die Banken war kein Risiko durch einen Verkauf oder eine Vermietung gegeben gewesen.“ Dass die Bank danach auch tatsächlich durch den Verkauf der Liegenschaften bedient worden sei, entspreche der wahrscheinlicheren Verwertungsvariante des Verkaufs; eine Vermietbarkeit sei niemals hergestellt worden und es sei auch keine Vermietung erfolgt. Auch das vom steuerlichen Vertreter angesprochene Steigen der Liegenschaftspreise spreche eher für eine Verwertung durch Verkauf.
16 Die Objekte B‑Gasse, S‑Gasse und K‑Gasse stellten aus den angeführten Gründen keine unternehmerische Betätigungen und keine Einkunftsquelle dar.
17 Die Einvernahme des Bankmitarbeiters Mag. H könne unterbleiben, weil das Bundesfinanzgericht den Angaben des steuerlichen Vertreters, die Kreditfinanzierung der Liegenschaften sei nie ein Problem gewesen, da die Bank immer mit dem Substanzwert der Zinshäuser abgesichert gewesen sei, folge. Die zum Beweis dafür genannten Zeugen, dass eine Vermietungsabsicht jedenfalls gegeben gewesen sei, seien nicht einvernommen worden, weil die von einem Architekten erstellten Konzepte für zwei Liegenschaften und der Umstand, dass auf keiner der drei Liegenschaften vermietbare Wohnungen hergestellt worden seien, gegen eine Vermietung als wahrscheinlichste Verwertungsvariante sprächen.
18 Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht für nicht zulässig, weil die Entscheidung auf Grundlage der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen sei und die vom Bundesfinanzgericht getroffenen Tatsachenfeststellungen in freier Beweiswürdigung, die einer ordentlichen Revision nicht zugänglich sei, getroffen worden seien.
19 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 24. September 2018, E 2370/2017‑7, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
20 Die vorliegende außerordentliche Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen vor, der Revisionswerber habe im Hinblick auf die vom Finanzamt zunächst geprüfte Liebhaberei umfangreiche Unterlagen, insbesondere steuerliche Dokumentationen und Prognoserechnungen vorgelegt. Auch zum weiteren Vorhalt, dass die ernsthafte Absicht zur Vermietung in Zweifel gezogen werde, habe der Revisionswerber entsprechende Unterlagen und Beweise vorgelegt und auf seine ‑ durch Krankengeschichten, Befundberichte und ärztliche Bestätigungen dokumentierte ‑ Erkrankung hingewiesen, auf Grund der er ab dem Jahr 2004 nur eingeschränkt arbeitsfähig und daher nicht in der Lage gewesen sei, die erworbenen Liegenschaften gemäß den ursprünglichen Planungen baulich zu adaptieren und zu sanieren sowie anschließend zu vermieten. Genau diese durch den Revisionswerber nicht vorhersehbare Entwicklung stelle ein im Zuge der rechtlichen Beurteilung zu beachtendes unvorhersehbares Ereignis dar, das zu einer auch gegenständlich zu beachtenden „Unwägbarkeit“ führe. Als „Unwägbarkeit“ gälten nach Rechtsprechung und Lehre auch der Verlust der persönlichen Arbeitskraft und andere Ereignisse, die den Bereich der privaten Lebensführung beträfen. Zudem habe das Bundesfinanzgericht eine grobe Verletzung von Verfahrensvorschriften zu vertreten, indem es Beweisanträge, die ausdrücklich aufrechterhalten worden seien, negiert und sämtliche angebotenen Beweise aufgrund vorgreifender Beweiswürdigung nicht aufgenommen habe. Die Nichtaufnahme von beantragten Beweisen zu relevanten Beweisthemen, gegenständlich zur vom Bundesfinanzgericht herangezogenen nicht gegebenen Vermietungsabsicht als Hauptargument, stelle eine jedenfalls grobe Verletzung von Verfahrensvorschriften dar.
21 Das Finanzamt hat ‑ nach Einleitung des Vorverfahrens ‑ eine Revisionsbeantwortung erstattet.
22 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
23 Die Revision ist aus den in ihr angeführten Gründen zulässig und auch begründet.
24 Es muss der Ertragsfähigkeit einer Vermietungsbetätigung nicht entgegen stehen, wenn die Liegenschaft vor der tatsächlichen Erzielung eines gesamtpositiven Ergebnisses übertragen wird. Dies gilt entsprechend für den Fall der Einstellung einer Vermietung. Die Behörde kann allerdings in der Regel keine Kenntnis davon haben, ob der Steuerpflichtige geplant hat, die Vermietung unbegrenzt (bzw. zumindest bis zum Erzielen eines gesamtpositiven Ergebnisses) fortzusetzen, oder ob er die Vermietung für einen zeitlich begrenzten Zeitraum geplant hat. Daher wird es, wenn der Steuerpflichtige die Vermietung tatsächlich einstellt, an ihm gelegen sein, den Nachweis dafür zu erbringen, dass die Vermietung nicht von vornherein auf einen begrenzten Zeitraum geplant gewesen ist, sondern sich die Beendigung erst nachträglich, insbesondere durch den Eintritt konkreter Unwägbarkeiten, ergeben hat (vgl. z.B. VwGH 27.6.2017, Ra 2017/13/0029, mwN).
25 Die vom Verwaltungsgerichtshof entwickelte Rechtsprechung zur vorzeitigen Beendigung einer Vermietung aufgrund konkreter Unwägbarkeiten muss in gleicher Weise gelten, wenn eine sanierungsbedürftige Liegenschaft zum Zwecke der Vermietung angeschafft und aufgrund konkreter Unwägbarkeiten vor Beginn der Vermietung wieder veräußert wird.
26 Das Bundesfinanzgericht ging im angefochtenen Erkenntnis davon aus, die vom Revisionswerber ins Treffen geführte Erkrankung stelle keine Unwägbarkeit dar, weil der im dazu vorgelegten „neuropsychiatrischen Befund“ angegebene Behandlungsbeginn wegen psychischer Beeinträchtigung und damit verbundener Schwächung der Arbeitskraft genau in die Zeit der gegenständlichen Liegenschaftserwerbe falle. Eine durch Depressionen hervorgerufene psychische Beeinträchtigung sei ‑ so das Bundesfinanzgericht weiter ‑ auch deshalb nicht als „Unwägbarkeit“ anzusehen, weil die zielgerichtete Umsetzung mehrerer Sanierungsprojekte kein persönliches Tätigwerden des Revisionswerbers erfordere, sondern die Beauftragung eines fachkundigen Generalunternehmers hätte erfolgen können.
27 Das vom Bundesfinanzgericht gegen das Vorliegen einer Unwägbarkeit sprechende Argument, wonach der im vorgelegten „neuropsychiatrischen Befund“ angegebene Behandlungsbeginn in die Zeit der gegenständlichen Liegenschaftserwerbe falle, überzeugt schon deswegen nicht, weil es an Feststellungen dahingehend fehlt, dass das tatsächliche Ausmaß der mit der psychischen Beeinträchtigung verbundenen Schwächung der Arbeitskraft schon zu Beginn der Erkrankung absehbar war. Das Gleiche gilt für das Argument, wonach die zielgerichtete Umsetzung mehrerer Sanierungsprojekte kein persönliches Tätigwerden des Revisionswerbers erfordere, sondern die Beauftragung eines fachkundigen Generalunternehmers hätte erfolgen können, zumal auch die Tätigkeit eines Generalunternehmers einer laufenden Kontrolle und abschließenden Prüfung bedarf, zu welcher der Revisionswerber laut vorgelegtem „neuropsychiatrischen Befund“ gerade nicht in der Lage war.
28 Soweit das Bundesfinanzgericht im angefochtenen Erkenntnis den Standpunkt vertritt, die nahezu gänzliche Fremdfinanzierung der Liegenschaftsankäufe, die von einem Architekten zeitnah zum Erwerb erstellten Grobkonzepte für die Objekte B‑Gasse und K‑Gasse, welche das Entwicklungspotential der Liegenschaften sowohl durch Vermietung als auch durch Verkauf aufzeigten, der fehlende Finanzierungsplan für die vom Architekten veranschlagten zusätzlichen Baukosten und der Verkauf aller gegenständlichen Liegenschaften in den Jahren 2006 und 2010 sprächen gegen die von der Judikatur geforderte ernsthafte Vermietungsabsicht, ist ihm zu entgegnen, dass der hohe Fremdfinanzierungsgrad nicht von vornherein gegen eine Vermietungsabsicht spricht und der Entschluss, die für die Liegenschaftserwerbe aufgenommener Kredite durch den Verkauf der Liegenschaften abzudecken, entweder Teil eines von vornherein bestehenden Planes gewesen sein kann, oder auch erst nachträglich infolge unvorhergesehener Umstände entstanden sein konnte (vgl. idS etwa VwGH 14.12.2005, 2002/13/0001).
29 In den für die Objekte B‑Gasse und K‑Gasse erstellten Grobkonzepten eines Architekten wird zwar ‑ wie vom Bundesfinanzgericht festgestellt ‑ auch das Entwicklungspotential der besagten Liegenschaften im Falle eines Verkaufs aufgezeigt. Dieses Potential wurde aber ‑ wie vom Bundesfinanzgericht ebenfalls festgestellt ‑ nicht annähernd ausgeschöpft, zumal die Liegenschaft B‑Gasse um nur 300.000 € und nicht um den vom Architekten prognostizierten Verkaufspreis von 840.000 € verkauft worden ist. Auch für die Liegenschaft K‑Gasse hat der Revisionswerber lediglich 250.000 € und nicht die vom Architekten prognostizierten 1,108.380 € erhalten. Die Grobkonzepte des Architekten wurden offenkundig nie umgesetzt und lassen daher auch keinen eindeutigen Schluss dahingehend zu, dass der Verkauf der Liegenschaften Teil eines von vornherein bestehenden Planes war.
30 Hinsichtlich der fehlenden Finanzierungspläne für die Sanierungskosten ist darauf zu verweisen, dass der Revisionswerber im Beschwerdeverfahren die Einvernahme des Bankmitarbeiters Mag. H beantragt hat, die ‑ entgegen der Darstellung im angefochtenen Erkenntnis ‑ nicht nur dazu erfolgte, dass die Kreditfinanzierung der Liegenschaften nie ein Problem gewesen sei. In diesem Zusammenhang ist auf die Niederschrift über den Verlauf der mündlichen Senatsverhandlung zu verweisen, in welcher der steuerliche Vertreter des Revisionswerbers u.a. vorgebracht hat:
„Es wurden damals die Ankaufsobjekte überwiegend fremdfinanziert, wobei der Steuerpflichtige aus seinen aus vielen Jahren entstandenen Gewinnen aus seiner [gewerblichen Tätigkeit] und auch früheren Vermietungstätigkeiten Eigenmittel zur Verfügung hatte, aus denen auch die bereits erfolgten Sanierungsarbeiten bezahlt wurden und gab es auch seitens der Banken gekoppelt an jeweils durchgeführte Sanierungsabschnitte Finanzierungszusagen, dies war primär die damals finanzierende Bank [Anm: Dienstgeberin von Mag. H]. Nur konnte der [Revisionswerber] die Sanierung aus Krankheitsgründen nicht mehr durchführen und hat daher auch das Geld nicht mehr abgerufen.“
31 Das Bundesfinanzgericht hat die Einvernahme des Bankmitarbeiters Mag. H zur Frage, ob es hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Liegenschaften an jeweils durchgeführte Sanierungsabschnitte gekoppelte Finanzierungszusagen der Bank gegeben hat, unterlassen. Dies stellt einen Akt der vorgreifenden Beweiswürdigung dar, der auch dann unzulässig ist, wenn wie im Revisionsfall die Beweislast hinsichtlich des Vorliegens von Finanzierungsplänen beim Revisionswerber liegt.
32 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
33 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014. Das auf den Ersatz von Umsatzsteuer gerichtete Mehrbegehren findet in diesen Vorschriften keine Deckung.
Wien, am 27. August 2020
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