VwGH Ra 2018/18/0075

VwGHRa 2018/18/007521.3.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Dr. Sutter als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wech, über die Revision des B A M in W, vertreten durch Dr. Anton Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/2/23, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. August 2017, Zl. L519 1427240-3/10E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §45 Abs2;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs1 Z5;
VwGG §28 Abs3;
VwGVG 2014 §17;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018180075.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein pakistanischer Staatsangehöriger, stellte am 17. Mai 2012 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet. Als Begründung brachte er im Wesentlichen vor, dass er einerseits von seinem Cousin verfolgt werde, weil er gegen dessen Willen dessen Schwester geheiratet habe, und andererseits ein Abgeordneter von Freunden des Revisionswerbers umgebracht worden sei, weshalb der Revisionswerber in diesen Mord verwickelt worden sei und von der Familie des Opfers verfolgt werde.

2 Das Bundesasylamt (BAA) wies diesen Antrag mit Bescheid vom 30. Mai 2012 ab und den Revisionswerber nach Pakistan aus. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies der Asylgerichtshof (AsylGH) mit Erkenntnis vom 18. Juli 2012 als unbegründet ab.

3 Am 2. Jänner 2013 stellte der Revisionswerber den zweiten, nunmehr verfahrensgegenständlichen, Antrag auf internationalen Schutz. Diesen begründete er damit, dass seine Fluchtgründe zwar gleich geblieben seien, jedoch habe er nun die erforderlichen Beweise zur Untermauerung seiner Angaben (diverse Anzeigebestätigungen, Zeitungsberichte, eidesstattliche Erklärungen).

4 Mit Bescheid vom 5. Juli 2013 wurde dieser Folgeantrag vom BAA gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und der Revisionswerber nach Pakistan ausgewiesen. Mit Erkenntnis des AsylGH vom 6. August 2013 wurde der dagegen erhobenen Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

5 Nach Zulassung des Verfahrens und neuerlichen Einvernahmen des Revisionswerbers wurde der Folgeantrag mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 4. Februar 2016 zur Gänze abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Pakistan zulässig sei. Die Frist für eine freiwillige Ausreise betrage zwei Wochen.

6 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und erklärte die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

7 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, deren Behandlung mit Beschluss vom 1. Dezember 2017, E 3453/2017-7, abgelehnt wurde. Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 22. Dezember 2017, E 3453/2017-9, wurde die Beschwerde über nachträglichen Antrag des Revisionswerbers dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

8 Am 5. Februar 2018 brachte der Revisionswerber beim BVwG die vorliegende außerordentliche Revision ein, in der - zusammengefasst - zum einen ein Abgehen von der hg. Rechtsprechung im Zusammenhang mit der unterlassenen Würdigung des Parteivorbringens und dem nicht gesetzmäßig durchgeführten Ermittlungsverfahren, und zum anderen die Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung geltend gemacht wird. Weiters bringt der Revisionswerber eine drohende Verletzung seiner Rechte nach Art. 23 EMRK mangels konkreter Feststellungen und rechtlicher Beurteilung im Einzelfall vor, wodurch ebenfalls ein Abgehen von der hg. Rechtsprechung vorliege. Zuletzt wird ein Abgehen von der hg. Judikatur hinsichtlich der Beurteilung des Vorliegens eines Eingriffs in das Recht auf Privatleben gemäß Art. 8 EMRK und § 9 Abs. 2 BFA-VG vorgebracht.

9 Die Revision erweist sich als unzulässig.

10 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11 Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird.

12 Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

13 Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wird dem Erfordernis der gesonderten Darstellung der Gründe für die Zulässigkeit der Revision nach § 28 Abs. 3 VwGG nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung Genüge getan. Ferner hat der Verwaltungsgerichtshof bereits betont, dass die Gründe für die Zulässigkeit der Revision (insbesondere auch) gesondert von den Revisionsgründen gemäß § 28 Abs. 1 Z 5 VwGG darzustellen sind. Auch wird der Darstellung von Revisionsgründen nicht dadurch entsprochen, dass auf die Ausführungen zu den Zulässigkeitsgründen verwiesen wird. Auf Vorbringen zur Revisionsbegründung im Zusammenhang mit der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision ist nicht einzugehen, selbst wenn es als Vorbringen zur Zulässigkeit der Revision bezeichnet ist (vgl. VwGH 14.12.2016, Ra 2016/19/0300, mwN).

14 Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung erweist sich die gegenständliche Revision, die inhaltlich eine Trennung der Gründe der Zulässigkeit der Revision im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG und der Revisionsgründe nicht erkennen lässt, als nicht gesetzmäßig ausgeführt. Daran ändert auch nichts, dass die Darstellung der Gründe für die Zulässigkeit und der Revisionsgründe unter der Überschrift "Zulässigkeit der Revision" erfolgt und überdies eine eigene Rubrik "Revisionsgründe" vorhanden ist, zumal unter den wesentlichen Revisionsgründen auf die zuvor getätigten Ausführungen unter der "Zulässigkeit der Revision" verwiesen wird, um Wiederholungen zu vermeiden (vgl. VwGH 18.10.2017, Ra 2017/19/0238, mwN).

15 Soweit sich - ungeachtet dessen - die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung gegen die Beweiswürdigung des BVwG richtet, ist ihr entgegenzuhalten, dass eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vorliegen würde, wenn das BVwG die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. VwGH 22.2.2017, Ra 2017/19/0043, mwN).

16 Die Beweiswürdigung ist damit nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges (nicht aber die konkrete Richtigkeit) handelt bzw. darum, ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind. Unter Beachtung dieser Grundsätze hat der Verwaltungsgerichtshof auch zu prüfen, ob das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat (vgl. VwGH 23.2.2016, Ra 2015/20/0233, mwN).

17 Das BVwG kam im Rahmen einer nicht als unschlüssig zu erkennenden und insbesondere auf mehrfache Widersprüche im Vorbringen des Revisionswerbers verweisenden, freien Beweiswürdigung, in der auch die vorgelegten Beweismittel im Einzelnen berücksichtigt wurden, zum Schluss, der Revisionswerber habe keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft machen können. Dem Revisionswerber gelingt es mit seinem Revisionsvorbringen nicht, eine vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmende Fehlerhaftigkeit dieser Beweiswürdigung darzulegen.

18 Die vorliegende Revision vermag ferner ebenso wenig darzutun, dass die Beurteilung des BVwG hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten rechtswidrig wäre.

19 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Beurteilung betreffend die Zuerkennung von subsidiärem Schutz eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen. Eine solche einzelfallbezogene Beurteilung ist im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (vgl. VwGH 30.1.2018, Ra 2017/20/0406, sowie 12.01.2018, Ra 2017/18/0298, mwN).

20 Entgegen den Ausführungen in der Revision traf das BVwG im angefochtenen Erkenntnis konkrete, sowohl die persönliche Situation des Revisionswerbers als auch die allgemeine Lage (Sicherheits- und Versorgungslage) im Herkunftsstaat betreffende Feststellungen. So führte das BVwG einzelfallbezogen aus, der Revisionswerber sei jung, gesund, mobil, arbeitsfähig, spreche Urdu wie auch Punjabi, verfüge über familiäre Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat und habe die Möglichkeit sich allenfalls durch Gelegenheitsarbeiten eine Existenzgrundlage zu sichern. Schließlich kam das BVwG zum Schluss, dass dem Revisionswerber bei einer Rückkehr nach Pakistan keine Verletzung des Art. 23 EMRK drohe.

21 Soweit die Revision die vom BVwG vorgenommene Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK moniert, ist festzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. VwGH 29.11.2017, Ra 2017/18/0425, mwN). Entgegen dem Revisionsvorbringen nahm das BVwG die Interessenabwägung im Rahmen der von der hg. Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vor und legte seiner Entscheidung sämtliche relevante Umstände zu Grunde.

22 Im Übrigen hat ein Revisionswerber, der eine Abweichung von der Rechtsprechung im Sinn von Art. 133 Abs. 4 B-VG behauptet, konkret anzuführen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht (vgl. VwGH 18.10.2017, Ra 2017/19/0420, mwN). Diesem Erfordernis wird die Revision, in welcher lediglich mehrmals pauschal ein Abgehen von der hg. Rechtsprechung - ohne konkrete Anführung von hg. Entscheidungen bzw. Darlegung der Abweichung - geltend gemacht wird, nicht gerecht.

23 In Anbetracht der Unzulässigkeit der Revision erübrigt sich das nähere Eingehen auf das Vorbringen betreffend § 120 Abs. 1b FPG.

24 Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

25 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 21. März 2018

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