VwGH Ra 2018/16/0209

VwGHRa 2018/16/020915.4.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Mag. Straßegger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., in der Revisionssache des M H in W, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 21. Juni 2018, Zl. VGW- 002/V/011/1358/2018-1, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien), zu Recht erkannt:

Normen

VwGVG 2014 §29
VwGVG 2014 §32 Abs1 Z4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018160209.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von 1.346,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis vom 22. Dezember 2016 erkannte die Landespolizeidirektion Wien den Revisionswerber schuldig, neun Verwaltungsübertretungen nach § 52 Abs. 1 Z 1 dritter Fall des Glücksspielgesetzes (GSpG) begangen zu haben, indem er zu einem näher genannten Zeitpunkt an einem näher genannten Ort hinsichtlich neun näher bezeichneter funktionsfähiger und in betriebsbereitem Zustand aufgestellter Glücksspielgeräte gegen Entgelt verbotene Ausspielungen geduldet und an der Auszahlung der erzielten Gewinne mitgewirkt habe, an denen Personen die Möglichkeit zur Teilnahme an Glücksspielen geboten worden sei, um fortgesetzt Einnahmen aus dem Glücksspiel zu erzielen. Über ihn wurden gemäß § 52 Abs. 2 GSpG neun Geldstrafen zu jeweils 5.000 EUR (Ersatzfreiheitsstrafen für den Fall deren Uneinbringlichkeit jeweils ein Tag und zwölf Stunden) verhängt. Ferner wurde ausgesprochen, dass der Revisionswerber als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens 500 EUR für jede Verwaltungsübertretung zu zahlen habe.

2 Mit Schriftsatz vom 25. Jänner 2017 erhob der Revisionswerber dagegen Beschwerde.

3 Am Ende der vor dem Verwaltungsgericht Wien über diese Beschwerde abgeführten mündlichen Verhandlung vom 14. November 2017 verkündete der Verhandlungsleiter das Erkenntnis mit folgendem Spruch:

"I. Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG hat die beschwerdeführende Partei den Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von EUR 9.000,00 (das sind 20 % der verhängten Geldstrafe, jedoch mindestens EUR 10,--) zu leisten."

4 Mit Punkt II. des Spruchs dieses Erkenntnisses sprach das Verwaltungsgericht aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

5 Die schriftliche Ausfertigung dieses Erkenntnisses vom 21. Juni 2018 enthält folgenden Spruch:

"I. Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG wird die Beschwerde in Bezug auf die 6 Glücksspielgeräte als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis diesbezüglich bestätigt.

II. Auf Grund der jüngsten Judikaturänderung des

VwGH (Ra 2017/17/0969 vom 27.03.2018) zur Zulässigkeit der Bestrafung ausschließlich von Glücksspielgeräten wird der Beschwerde in Bezug auf die 3 Cashcenter Folge gegeben und diesbezüglich das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt, als diese keinen eigenen Eingriffsgegenstand bilden.

III. Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG hat die beschwerdeführende Partei einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in Bezug auf die 6 Glücksspielgeräte in der Höhe von EUR 6.000,00 (das sind 20 % der verhängten Geldstrafe, jedoch mindestens EUR10,--) zu leisten."

6 Unter Punkt IV. des Spruches erklärte das Verwaltungsgericht "gegen die mündliche Verkündung als auch gegen die nunmehr vorliegende Entscheidung" eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG als unzulässig.

7 Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 24. September 2018, E 3154/2018-7, die Behandlung der vor ihm dagegen erhobenen Beschwerde ab und trat die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof ab.

8 Die sodann erhobene außerordentliche Revision legte das Verwaltungsgericht Wien unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vor.

9 Der Verwaltungsgerichtshof leitete das Vorverfahren ein (§ 36 VwGG); Revisionsbeantwortungen langten beim Verwaltungsgerichtshof keine ein.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

10 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11 Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden und hat er die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12 Der Revisionswerber trägt zur Zulässigkeit seiner Revision ua vor, die schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses vom 21. Juni 2018 weiche vom mündlich verkündeten Erkenntnis ab.

13 Die Revision ist zulässig und berechtigt.

14 Gemäß § 47 Abs. 4 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes

(VwGVG) ist nach Schluss der Verhandlung und - im Verfahren vor dem Senat nach Beratung und Abstimmung - der Spruch des Erkenntnisses und seine wesentliche Begründung nach Möglichkeit sofort zu beschließen und zu verkünden.

15 Gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG ist den Parteien eine schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses zuzustellen, wobei das Erkenntnis unter den in § 29 Abs. 5 leg. cit. festgelegten Voraussetzungen in gekürzter Form ausgefertigt werden kann.

16 Mit der Verkündung einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung steht einer neuerlichen im Wesentlichen gleichen Entscheidung der Einwand der entschiedenen Sache entgegen. An die Verkündung dieser Entscheidung knüpft daher auch ihre Unwiderrufbarkeit an, weshalb die schriftliche Entscheidungsausfertigung nicht in einem wesentlichen Spruchelement von der verkündeten Entscheidung abweichen darf (vgl. etwa VwGH 28.2.2017, Ra 2016/01/0164).

17 Eine wesentliche Abweichung, eine Änderung wesentlicher Spruchelemente, liegt nicht vor, wenn die schriftliche Ausfertigung bloß formell etwas abweichend von der mündlich verkündeten Entscheidung formuliert ist, der normative Inhalt der ausgefertigten Fassung aber mit jenem der mündlich verkündeten übereinstimmt (vgl. etwa VwGH 16.9.2009, 2008/09/0218).

18 Dem Verwaltungsgericht Wien ist bei der schriftlichen Ausfertigung vom 21. Juni 2018 nicht lediglich ein berichtigbarer Schreibfehler (§ 17 VwGVG iVm § 62 Abs. 4 AVG) unterlaufen. Das Verwaltungsgericht hat vielmehr ausdrücklich vom mündlich verkündeten Spruch des Erkenntnisses abweichen wollen und der schriftlichen Ausfertigung einen anderen normativen Inhalt verliehen als der mündlich verkündeten Entscheidung vom 14. November 2017. Solcherart stellt das schriftlich ausgefertigte Erkenntnis vom 21. Juni 2018 eine neuerliche, inhaltlich geänderte Entscheidung in dem in Rede stehenden Verwaltungsstrafverfahren dar, welcher das Hindernis der (durch das mündlich verkündete Erkenntnis vom 14. November 2017) entschiedenen Sache (res iudicata) entgegenstand.

19 Das mit 21. Juni 2018 datierte schriftliche Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

20 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 15. April 2019

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