VwGH Ra 2017/17/0969

VwGHRa 2017/17/096927.3.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofrätinnen Mag.a Nussbaumer-Hinterauer sowie Dr. Koprivnikar als Richterinnen bzw. Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision des TM in S in U, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 10. Mai 2017, LVwG-S-974/001-2016, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Niederösterreich), zu Recht erkannt:

Normen

AbgÄG 2014;
GSpG 1989 §12a Abs2;
GSpG 1989 §2 Abs3;
GSpG 1989 §52 Abs1 Z1;
GSpG 1989 §52 Abs2;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017170969.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 14. März 2016 wurde der Revisionswerber als das zur Vertretung nach außen berufene Organ einer näher bezeichneten Gesellschaft der Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 erster Fall Glücksspielgesetz (GSpG) mit fünf "Glücksspielgeräten", eines davon ein sogenanntes "Cash-Center" schuldig erkannt; es wurden über ihn fünf Geldstrafen in der Höhe von jeweils EUR 3.000,- (sowie Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt, weil diese Gesellschaft in einem näher bezeichneten Wettbüro verbotene Ausspielungen mit in ihrem Eigentum stehenden Glücksspielgeräten veranstaltet habe.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde mit der Maßgabe ab, dass sich die Strafnorm auch auf § 52 Abs. 2 GSpG stütze. Weiters sprach es aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichthof nicht zulässig sei.

3 Begründend führte das Landesverwaltungsgericht aus, in einem von der Gesellschaft des Revisionswerbers gemieteten Raum in einem näher bezeichneten Wettbüro sei eine Kontrolle nach dem Glücksspielgesetz durchgeführt worden, wobei vier namentlich bezeichnete Glücksspielgeräte (Geräte Nr. 1-4) und ein sogenanntes "Cash-Center" (Gerät Nr. 5) vorgefunden worden seien. Das "Cash-Center" diene ausschließlich dem Aufbuchen und Ausbezahlen von Guthaben.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtwidrigkeit des Inhalts bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

5 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte Aufwandersatz.

6 In der Revision wurde unter anderem vorgebracht, das Landesverwaltungsgericht habe entgegen dem klaren Gesetzeswortlaut auch für Gegenstände eine Bestrafung nach § 52 Abs. 1 Z 1 dritter Fall GSpG bestätigt, bei welchen es sich um keine (gesonderten) Eingriffsgegenstände iSd § 52 Abs. 2 GSpG handle; Cash-Centern seien allenfalls technische Hilfsmittel, weshalb keine gesonderte Bestrafung hätte erfolgen dürfen.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

7 Das Landesverwaltungsgericht ist - wie auch die belangte Behörde - von fünf Übertretungen des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG ausgegangen und hat die Verhängung von fünf Geldstrafen dem Grunde und der Höhe nach bestätigt. Dagegen wendet sich die vorliegende Revision, die in ihrem Zulässigkeitsvorbringen unter anderem geltend macht, dass der Revisionswerber für das "Cash-Center" nicht gesondert hätte bestraft werden dürfen. Schon mit diesem Vorbringen erweist sich die Revision als zulässig. Sie ist auch berechtigt.

8 Nach § 2 Abs. 1 GSpG sind Ausspielungen solche Glücksspiele,

1. die ein Unternehmer veranstaltet, organisiert, anbietet oder zugänglich macht und

2. bei denen Spieler oder andere eine vermögenswerte Leistung in Zusammenhang mit der Teilnahme am Glücksspiel erbringen (Einsatz) und

3. bei denen vom Unternehmer, von Spielern oder von anderen eine vermögenswerte Leistung in Aussicht gestellt wird (Gewinn).

9 Verbotene Ausspielungen sind nach § 2 Abs. 4 GSpG Ausspielungen, für die eine Konzession oder Bewilligung nach diesem Bundesgesetz nicht erteilt wurde und die nicht vom Glücksspielmonopol des Bundes gemäß § 4 GSpG ausgenommen sind.

10 Nach § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG (i.d.F. BGBl. I Nr. 13/2014) begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde in den Fällen der Z 1 mit einer Geldstrafe von bis zu 60.000 Euro zu bestrafen, wer zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 4 veranstaltet, organisiert oder unternehmerisch zugänglich macht oder sich als Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 2 leg. cit. daran beteiligt.

11 Bei Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG mit bis zu drei Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenständen ist nach § 52 Abs. 2 GSpG für jeden Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenstand eine Geldstrafe in der Höhe von 1.000 Euro bis zu 10.000 Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 3.000 Euro bis zu 30.000 Euro, bei Übertretung mit mehr als drei Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenständen für jeden Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenstand eine Geldstrafe von 3.000 Euro bis zu 30.000 Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 6.000 Euro bis zu 60.000 Euro zu verhängen.

12 § 52 Abs. 2 GSpG findet nur dann Anwendung, wenn eine Übertretung nach Abs. 1 Z 1 leg. cit. mit einem Glücksspielautomaten oder einem anderen Eingriffsgegenstand erfolgt. Diese Bestimmung wurde durch das Abgabenänderungsgesetz 2014 (AbgÄG 2014), BGBl. I Nr. 13/2014, eingefügt. Nach dem Wortlaut und den Materialien zum AbgÄG 2014 soll mit Abs. 2 leg. cit. aus Gründen der General- und Spezialprävention eine Staffelung der zu verhängenden Strafen je nach Schwere des Eingriffes erfolgen und dabei insbesondere auf die Anzahl der Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenstände abgestellt werden (vgl. die ErläutRV 24 BlgNR XXV. GP  22 zum AbgÄG 2014). Je mehr Eingriffsgegenstände beim Verstoß nach § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG verwendet werden, desto schwerwiegender ist der Eingriff in das Glücksspielmonopol und desto höher ist die Strafdrohung. Eine verbotene Ausspielung, bei der beispielsweise in einem Lokal gleichzeitig zehn Glücksspielautomaten bespielt werden können, stellt jedenfalls einen stärkeren Eingriff in das Monopol dar als die Einzelaufstellung eines Glücksspielautomaten und soll daher insgesamt zu einer höheren Strafe führen.

13 Unbeschadet des Fehlens einer Legaldefinition ist unter "Eingriffsgegenstand" als Oberbegriff jedenfalls eine körperliche Sache zu verstehen, mit der in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen wird, indem damit verbotene Ausspielungen veranstaltet, organisiert oder unternehmerisch zugänglich gemacht werden. Darunter fallen etwa Glücksspielautomaten (§ 2 Abs. 3 GSpG), Video Lotterie Terminals (VLT, § 12a Abs. 2 GSpG), Roulettetische, Glücksräder oder Kartenspiele (vgl. VwGH vom 15.2.2018, Ra 2017/17/0718).

14 Nicht unter den Begriff des "Eingriffsgegenstandes" fallen hingegen Sachen, die lediglich als Komponente einer (technischen) Vorrichtung Verwendung finden, mit der einem Kunden die Teilnahme an einem Glücksspiel ermöglicht wird, wie etwa Bildschirme, Stromkabel oder Graphikkarten. Diese Komponenten (Bestandteile, Zubehör, etc.) einer solcher Vorrichtung können nicht als selbstständige Eingriffsgegenstände einer Bestrafung nach § 52 Abs. 2 GSpG zugrunde gelegt werden. Vielmehr wird insoweit von einem einheitlichen Eingriffsgegenstand auszugehen sein. Am Unrechtsgehalt einer verbotenen Ausspielung vermag der Umstand, dass ein Eingriffsgegenstand allenfalls aus mehreren Komponenten besteht, nichts zu ändern (vgl. VwGH vom 15.2.2018, Ra 2017/17/0718).

15 Im Revisionsfall wurde der Revisionswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer Gesellschaft wegen fünf Übertretungen des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG mit insgesamt fünf "Eingriffsgegenständen" bestraft. Weder aus dem Straferkenntnis noch aus der angefochtenen Entscheidung ergeben sich aber Hinweise, wonach mit dem sogenannten "Cash-Center" (Gerät Nr. 5) selbst Glücksspiele durchgeführt werden konnten. Vielmehr hat dieses Gerät ausschließlich dazu gedient, Guthaben aufzubuchen und auszuzahlen. Da der bloße Betrieb dieses "Cash-Centers" demnach noch keine Ausspielung darstellt, konnte damit allein auch nicht gegen § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG verstoßen werden, sodass sich eine diesbezügliche Bestrafung nach § 52 Abs. 2 GSpG als rechtswidrig erweist.

16 Das angefochtene Erkenntnis war daher bereits aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

17 Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 47 ff. VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 27. März 2018

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