European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018010179.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit den angefochtenen Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) wurden in der Sache die Anträge der Revisionswerber, alle afghanische Staatsangehörige, vom 15. Februar 2016 auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen, den Revisionswerbern ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, Rückkehrentscheidungen gegen sie erlassen, festgestellt, dass eine Abschiebung der Revisionswerber nach Afghanistan zulässig sei und eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.
2 Begründend führte das BVwG (nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung) im Wesentlichen aus, das Fluchtvorbringen der Revisionswerber sei nicht glaubwürdig. Auch könne keine "westliche" Orientierung der Zweitrevisionswerberin festgestellt werden. Auch unter Berücksichtigung der Minderjährigkeit des Drittrevisionswerbers und des Gesundheitszustandes des Erstrevisionswerbers sei eine Rückkehr der Revisionswerber in ihr Heimatdorf in der Provinz Balkh, beziehungsweise nach Mazar-e Sharif möglich.
3 Gegen diese Erkenntnisse richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Die Revision begründet ihre Zulässigkeit insbesondere mit dem Vorliegen eines relevanten Begründungsmangels. Das BVwG habe sich unzureichend mit den aktuellen Berichten zur Sicherheitslage in der Herkunftsprovinz der Revisionswerber und der Stadt Mazar-e Sharif, dem Vorbringen der Zweitrevisionswerberin betreffend ihre wesentliche Orientierung sowie der Situation Minderjähriger in Afghanistan und dem als Prüfmaßstab heranzuziehenden Kindeswohl auseinandergesetzt.
8 Hinsichtlich der Heranziehung veralteter Länderberichte ist auszuführen, dass es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ausreicht, die Heranziehung veralteter Länderberichte zu behaupten, ohne die Relevanz des geltend gemachten Verfahrensmangels darzulegen (vgl. VwGH 20.6.2017, Ra 2017/01/0076, mwN). Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensmängel ist in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 4.5.2018, Ra 2018/01/0178, mwN). Die Ausführungen in der Zulässigkeitsbegründung werden dieser Anforderung nicht gerecht.
9 Soweit sich die Revision gegen die Beweiswürdigung des BVwG hinsichtlich der westlichen Orientierung der Zweitrevisionswerberin und einer drohenden Gefahr von Gewalt und Misshandlungen des Drittrevisionswerbers wendet, ist auszuführen, dass sich das Revisionsmodell nach dem Willen des Verfassungsgesetzgebers an der Revision nach den §§ 500 ff ZPO orientieren soll (vgl. RV 1618 BlgNR 24. GP , 16). Ausgehend davon ist der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig, zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt (vgl. VwGH 24.4.2014, Ra 2014/01/0010; vgl. aus jüngerer Zeit etwa VwGH 30.4.2018, Ra 2018/01/0172).
10 Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 15.2.2018, Ra 2018/01/0061, mwN). Eine derart krasse Fehlbeurteilung des BVwG im Rahmen der Beweiswürdigung wird in der Revision nicht dargetan.
11 Zur behaupteten westlichen Orientierung ist zunächst auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach nicht jede Änderung der Lebensführung einer Asylwerberin während ihres Aufenthalts in Österreich, die im Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht mehr aufrecht erhalten werden könnte, dazu führt, dass ihr deshalb internationaler Schutz gewährt werden müsste (vgl. VwGH 3.5.2018, Ra 2018/19/0191-0195, mwN).
12 Die anhand der getroffenen Feststellungen, wonach die Zweitrevisionswerberin kein selbstbestimmtes Leben führe, ein solches auch nicht anstrebe und ihre innere Überzeugung nicht in Widerspruch zu den in ihrem Herkunftsstaat vorherrschenden gesellschaftlich-religiösen Zwängen stehe, erfolgte Einschätzung des BVwG, eine "westliche Lebensweise" sei nicht wesentlicher Bestandteil der Identität der Zweitrevisionswerberin geworden, ist nicht unvertretbar.
13 Wenn die Revision moniert, das BVwG habe sich nicht hinreichend mit der Wahrung des Kindeswohls auseinandergesetzt, ist auszuführen, dass das "Kindeswohl" zwar grundsätzlich im Rahmen der Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG zu berücksichtigen ist (vgl. VwGH 20.9.2017, Ra 2017/19/0163-0164, mwN). Dies hat das BVwG vorliegend getan. Mit der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird nicht aufgezeigt, dass diese im Einzelfall vorgenommene Abwägung des BVwG unvertretbar erfolgt wäre, zumal sich das BVwG mit dem anpassungsfähigen Alter des Drittrevisionswerbers auseinandergesetzt hat (vgl. VwGH 24.1.2018, Ra 2016/01/0127, mwN).
14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 5. September 2018
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