VwGH Ra 2017/21/0207

VwGHRa 2017/21/020714.11.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Pfiel als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Samonig, über die Revision der Z A in F, vertreten durch die Weh Rechtsanwalt GmbH, Dr. Wilfried Ludwig Weh, Mag. Stefan Harg, 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 1. März 2017, Zl. W103 2130541-2/2E, betreffend Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Festsetzung einer Ausreisefrist und Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

12010P/TXT Grundrechte Charta Art47;
BFA-VG 2014 §21 Abs7;
BFA-VG 2014 §9;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die im Dezember 1960 geborene Revisionswerberin ist Staatsangehörige der Russischen Föderation und Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe. Sie hatte sich bereits zwischen Juli 2007 und November 2012 in Österreich aufgehalten und in dieser Zeit dreimal erfolglos die Gewährung von internationalem Schutz begehrt. In Vollziehung einer (zuletzt mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 23. März 2012 ergangenen) rechtskräftigen Ausweisungsentscheidung wurde sie am 28. November 2012 in die Russische Föderation abgeschoben.

2 Am 14. Oktober 2015 beantragte die (neuerlich) illegal nach Österreich eingereiste Revisionswerberin im Inland die Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot-Karte plus" mit Bezug auf ihren im Bundesgebiet lebenden und über einen Aufenthaltstitel verfügenden Ehegatten.

3 Mit Bescheid vom 10. November 2016 sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) aus, dass der Revisionswerberin ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt werde. Es erließ gegen die Revisionswerberin gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass ihre Abschiebung in die Russische Föderation nach § 46 FPG zulässig sei und setzte die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 1. März 2017 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) eine dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin als unbegründet ab. Es sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass eine Revision gegen sein Erkenntnis gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

Begründend hob das BVwG (zusammengefasst) hervor, dass die illegale Wiedereinreise in das Bundesgebiet zur Umgehung der den Familiennachzug regelnden Bestimmungen des NAG, die eine Antragstellung aus dem Ausland vorsähen, erfolgt sei. Eine Verschlechterung der für die Revisionswerberin (als alleinstehende Frau) relevanten Situation im Herkunftsstaat, wo zwischen November 2012 und Oktober 2015 ein Leben insbesondere in der Herkunftsregion Tschetschenien problemlos möglich gewesen sei, sei nicht konkret behauptet worden. Dem entsprechend sei kein neuerlicher Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden. Die geltend gemachte - bereits im Jahr 2012 vorgelegene - psychische Erkrankung der Revisionswerberin sei auch in ihrem Heimatstaat behandelbar. Ebenso fehlten aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK Gründe, den Aufenthalt der Revisionswerberin vom Inland aus zu legalisieren. Ihr sei es daher insgesamt möglich und zumutbar, das Verfahren zur Erlangung einer "Rot-Weiß-Rot-Karte plus" im Ausland abzuwarten.

Die Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung habe gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben können, weil in der Beschwerde an das BVwG kein Vorbringen oder neue Sachverhaltselemente substantiiert worden seien, die geeignet wären, die zutreffende Beweiswürdigung des BFA in Frage zu stellen.

5 Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung mit Beschluss vom 9. Juni 2017, E 1252/2017-7, ablehnte und sie über nachträglichen Antrag mit weiterem Beschluss vom 31. August 2017 dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

6 In der Folge brachte die Revisionswerberin beim BVwG fristgerecht die vorliegende (außerordentliche) Revision ein, über deren Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtshof nach der gemäß § 30a Abs. 7 VwGG erfolgten Aktenvorlage erwogen hat:

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

9 Diesbezüglich releviert die Revisionswerberin ein Abweichen von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wobei sie sich gegen das Ergebnis der vom BVwG gemäß § 9 BFA-VG vorgenommenen Interessenabwägung wendet und in diesem Zusammenhang Ermittlungsmängel und die Verletzung einer "absoluten Verhandlungsgarantie" durch das BVwG geltend macht.

10 Dem ist zu erwidern, dass die angesprochene Interessenabwägung, bei der vom BVwG alle maßgeblichen Aspekte ausreichend einbezogen wurden, im Ergebnis nicht als unvertretbar anzusehen ist. Das steht nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Zulässigkeit einer (außerordentlichen) Revision in Bezug auf die Rückkehrentscheidung entgegen (vgl. beispielsweise den hg. Beschluss vom 30. Juni 2015, Ra 2015/21/0059 bis 0062, unter anderem mit dem Hinweis auf den grundlegenden Beschluss vom 25. April 2014, Ro 2014/21/0033).

11 Bei dieser Beurteilung durfte das BVwG vor allem einbeziehen, dass die Wiedereinreise der Revisionswerberin nach Österreich (im Revisionsverfahren unbestritten) missbräuchlich zur von Anfang an beabsichtigten Umgehung der Regeln über den Familiennachzug erfolgte. In einer solchen - von der Revision gänzlich unbeachtet gelassenen - Konstellation wiegt das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besonders schwer, zumal von den Beteiligten zu keiner Zeit von einem (rechtmäßigen) Verbleib der Revisionswerberin in Österreich hätte ausgegangen werden dürfen (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 23. Februar 2017, Ra 2016/21/0235, Rn. 10, mwN).

Der Erwerb von Deutschkenntnissen auf dem Niveau A2 fällt in diesem Zusammenhang hingegen nicht entscheidend ins Gewicht.

12 Vor diesem Hintergrund lag mangels klärungsbedürftigen Sachverhalts im Sinne des § 21 Abs. 7 BFA-VG entgegen der Meinung der Revisionswerberin, die - von der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abweichend - in Fällen wie dem vorliegenden eine "absolute Verhandlungsgarantie" unterstellt, auch keine Verletzung der Pflicht zur Durchführung einer Beschwerdeverhandlung vor (vgl. etwa die hg. Beschlüsse vom 30. Juni 2016, Ra 2016/21/0076, Rn. 10, und vom 23. Februar 2017, Ra 2016/21/0235, Rn. 12).

Der Verwaltungsgerichtshof hat auch bereits mehrfach dargelegt, dass § 21 Abs. 7 BFA-VG im Einklang mit Art. 47 GRC steht (vgl. etwa den Beschluss vom 11. Mai 2017, Ra 2016/21/0144, Rn. 12, mwN).

13 Schließlich unterlässt die Revisionswerberin, offenbar ausgehend von ihrem unrichtigen Standpunkt des Vorliegens einer unbedingten Pflicht des BVwG zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung, jede fallbezogene Präzisierung, welche ergänzenden und für den Ausgang des Verfahrens wesentlichen Sachverhaltsfeststellungen die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konkret ermöglicht hätte.

14 In der Revision wird somit insgesamt keine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG dargetan, sodass sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unzulässig zurückzuweisen war.

Wien, am 14. November 2017

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