Normen
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
GSpG 1989 §52 Abs1 Z1;
GSpG 1989 §52 Abs2 idF 2010/I/111;
StGB §168;
VStG §44a Z1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017170045.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien vom 11.6.2015 wurde der Revisionswerber der Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 (1. Fall) iVm § 2 Abs. 4 Glücksspielgesetz (GSpG) in Bezug auf ein Glücksspielgerät im Tatzeitraum vom 1.1.2013 bis 7.1.2015 für schuldig erkannt und über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 6.000,-- sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien die vom Revisionswerber erhobene Beschwerde einerseits hinsichtlich der Schuldfrage als unbegründet ab, andererseits gab es der Beschwerde betreffend der verhängten Strafhöhe insofern Folge, als es die Geldstrafe von EUR 6.000,-- auf EUR 3.000,-- und die Ersatzfreiheitsstrafe herabsetzte; im Übrigen sprach es aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei.
3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und/oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben. Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
4 Die Revision erweist sich bereits im Hinblick auf die zur Zulässigkeit dargelegte Rechtsfrage, wonach die angefochtene Entscheidung im Hinblick auf den bis zum Inkrafttreten der GSpG-Novelle BGBl. I Nr. 13/2014 inkriminierten Tatzeitraum (1.1.2013 bis 28.2.2014) im Widerspruch zur hg. Judikatur zur Subsidiarität der verwaltungsgerichtlichen gegenüber der strafgerichtlichen Zuständigkeit ausgehend von der zu diesem Tatzeitraum geltenden Fassung des GSpG stehe, als zulässig und berechtigt.
5 Dem angefochtenen Erkenntnis liegt ein Sachverhalt zugrunde, in dem zu Beginn des Zeitraums der dem Revisionswerber vorgeworfenen Begehung der strafbaren Handlung und zwar vom 1.1.2013 bis 28.2.2014 die GSpG-Novelle BGBl. I Nr. 13/2014 noch nicht in Geltung stand. Die in diesem Tatzeitraum geltende Fassung des § 52 Abs. 2 GSpG, BGBl. I Nr. 111/2010, bestimmte, dass eine allfällige Strafbarkeit nach dem GSpG hinter eine allfällige Strafbarkeit nach § 168 StGB zurücktritt, wenn im Zusammenhang mit der Teilnahme an Ausspielungen vermögenswerte Leistungen für ein Spiel von über EUR 10,-- von Spielern oder anderen geleistet werden.
6 Der Verwaltungsgerichtshof hat zu dieser Rechtslage ausgesprochen, dass im Ergebnis keine (verfolgbare) Verwaltungsübertretung anzunehmen ist, wenn eine an sich bestehende verwaltungsrechtliche Strafbarkeit hinter die gerichtliche Strafbarkeit zurücktritt. Der Täter verwirklicht allein den einschlägigen Kriminalstraftatbestand. Für den Fall der Verwirklichung des Straftatbestandes des § 168 StGB wegen der Ermöglichung von Ausspielungen mit Einsätzen von über EUR 10,-- verbleibt kein Raum für eine weitere Verfolgung wegen des Verdachtes einer Verwaltungsübertretung nach § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG. Im Hinblick auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 13.6.2013, B 422/2013 (VfSlg. 19.754) ist nach Feststehen der Möglichkeit zur Überschreitung der Einsatzhöhe von EUR 10,-- vom Vorliegen der ausschließlichen Gerichtszuständigkeit auszugehen, weshalb in solchen Fällen auch nicht länger die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden nach den Bestimmungen des GSpG besteht (vgl. u.a. VwGH 9.9.2013, 2012/17/0578; 7.10.2013, 2012/17/0507; 20.1.2016, Ra 2015/17/0068).
7 Das Verwaltungsgericht Wien hat festgestellt, dass beim gegenständlichen Glücksspielgerät Höchsteinsätze von EUR 11,--, somit über EUR 10,-- möglich waren.
8 Entgegen den Ausführungen in der Revision hat das Verwaltungsgericht die Feststellungen über die höchstmöglichen Einsätze und Gewinnmöglichkeiten durch Hinweis auf die vom Revisionswerber ausdrücklich nicht bestrittenen und als zutreffend bezeichneten Angaben der Kontrollorgane anlässlich der Kontrolle (Seite 3 des Verhandlungsprotokolls des Verwaltungsgerichts Wien vom 10.5.2016), hinreichend und nachvollziehbar begründet. Da allein aus der vom Revisionswerber in der Beschwerde behaupteten Genehmigung sämtlicher (am gegenständlichen Apparat verfügbarer) Spiele durch den Wiener Spielapparatebeirat nicht auf die tatsächliche Funktionsweise des gegenständlichen Apparates zum Zeitpunkt der Kontrolle geschlossen werden kann, stellt die unterlassene Einvernahme der zum Beweis einer solchen Genehmigung beantragten Mitglieder des Beirats keinen Verfahrensmangel dar. Ebenso war das Verwaltungsgericht im Hinblick auf die unbestrittenen Wahrnehmungen der Kontrollorgane insbesondere betreffend das durchgeführte Testspiel aufgrund des Vorbringens des Revisionswerbers in der Beschwerde, dass die Kontrollorgane offenbar nicht ein Spiel mit einem Einsatz in der Höhe von EUR 11,-
-, sondern mehrere Spiele mit einem jeweiligen Einsatz von EUR 0,50 gespielt hätten, nicht gehalten, von Amts wegen einen Sachverständigen zur Klärung der Einsatzhöhe beizuziehen. Einen entsprechenden Beweisantrag hat sich der Revisionswerber lediglich vorbehalten, jedoch letztlich nicht gestellt.
9 Da nach den unbedenklichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts beim gegenständlichen Glücksspielgerät Höchsteinsätze von EUR 11,--, somit über EUR 10,-- möglich waren, tritt für den inkriminierten Tatzeitraum bis zum Inkrafttreten der Novelle BGBl. I Nr. 13/2014 am 1.3.2014 (somit vom 1.1.2013 bis 28.2.2014) die verwaltungsbehördliche hinter die gerichtliche Strafbarkeit zurück und liegt eine ausschließliche gerichtliche Zuständigkeit vor.
10 Das Verwaltungsgericht Wien hat daher in Bezug auf den inkriminierten Tatzeitraum vom 1.1.2013 bis 28.2.2014 das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
11 Hinsichtlich jenes Tatzeitraumes ab 1.3.2014, für den eine verwaltungsstrafbehördliche Zuständigkeit bestand, führt das Verwaltungsgericht Wien in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses aus, dass ein Verstoß gegen § 52 Abs. 1 Z 1 1. Fall GSpG lediglich bis 31.12.2014 vorliege, weil das gegenständliche Glücksspielgerät ab dem 1.1.2015 nicht mehr betriebsbereit gehalten worden sei. Demgegenüber wies das Verwaltungsgericht jedoch die Beschwerde ohne Einschränkung des Tatzeitraumes in der Schuldfrage ab, obwohl das erstinstanzliche Straferkenntnis den Tatzeitraum über den 1.1.2015 hinaus bis 7.1.2015 angenommen hatte.
12 Damit liegt, wie der Revisionswerber richtig aufzeigt, ein unlösbarer Widerspruch zwischen Spruch und Begründung vor, weshalb das angefochtene Erkenntnis auch diesbezüglich mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet ist (vgl. VwGH 21.2.2017, Ro 2017/12/0001, mwN).
13 Das angefochtene Erkenntnis war daher aufgrund der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
14 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 und 6 VwGG abgesehen werden. Den Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 EMRK wurde durch die Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Genüge getan.
15 Die Kostenentscheidung gründet sich auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 31. Jänner 2018
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