VwGH 2012/17/0578

VwGH2012/17/05789.9.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, sowie Hofrätin Mag. Nussbaumer-Hinterauer und Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fries, über die Beschwerde der Bundesministerin für Finanzen, 1010 Wien, Johannesgasse 5, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 1. Oktober 2012, Zl. UVS-1-104/K1-2012, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (mitbeteiligte Partei: S V in G, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4), zu Recht erkannt:

Normen

GSpG 1989 §52 Abs1;
GSpG 1989 §52 Abs2;
MRKZP 07te Art4 Abs1;
StGB §168;
VStG §45 Abs1;
VwRallg;
GSpG 1989 §52 Abs1;
GSpG 1989 §52 Abs2;
MRKZP 07te Art4 Abs1;
StGB §168;
VStG §45 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 9. Dezember 2011 wurde die mitbeteiligte Partei als verantwortliches, zur Vertretung nach außen berufenes Organ der R. GmbH gemäß § 9 VStG der Übertretung der §§ 1 Abs 1, 2 Abs. 1 und 4 iVm. § 52 Abs. 1 Z 1 Glücksspielgesetz (GSpG) für schuldig erkannt und über ihn eine Geldstrafe von EUR 2.400,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 36 Stunden) wegen des Betriebs von zwei Glücksspielautomaten verhängt.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der mitbeteiligten Partei gegen das Straferkenntnis Folge, hob dieses auf und stellte das Verwaltungsstrafverfahren ein.

In der Begründung führte die belangte Behörde aus, das Beweisverfahren habe ergeben, dass für die Durchführung von Spielen während des maßgeblichen Zeitraums auf beiden verfahrensgegenständlichen Geräten tatsächlich Einsätze von mehr als EUR 10,00 geleistet worden seien. Insofern trete eine eventuelle Strafbarkeit nach dem Glücksspielgesetz hinter eine allfällige Strafbarkeit nach § 168 StGB zurück. Überdies sei auch mangels Vorliegens des negativen Tatbestandsmerkmals des § 168 Abs 1 StGB (Spielen bloß zum Zeitvertreib) bei geleisteten Einsätzen von unter EUR 10,00 vom Vorliegen eines strafbaren Versuchs gemäß § 15 StGB iVm § 168 StGB auszugehen, weshalb spruchgemäß zu entscheiden sei.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Amtsbeschwerde der Bundesministerin für Finanzen mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte - ebenso wie die mitbeteiligte Partei in ihrer Gegenschrift - die Beschwerde abzuweisen.

4. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Keine Verwaltungsübertretung bildet das Verhalten des Beschuldigten dann, wenn es entweder nicht oder nicht nach dem Verwaltungsrecht strafbar ist. Tritt eine an sich bestehende verwaltungsrechtliche hinter der gerichtlichen Strafbarkeit zurück (Scheinkonkurrenz), so ist im Ergebnis auch keine (verfolgbare) Verwaltungsübertretung anzunehmen; auch in diesem Fall ist das Verfahren daher einzustellen (Kneihs in Raschauer/Wessely, VStG, § 45 Rz 6 mwN).

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 13. Juni 2013, Zl. B 422/2013-9, ausgeführt, dass bei einer verfassungskonformen, das Verbot der Doppelbestrafung gemäß Art. 4 Abs. 1 7. ZPEMRK berücksichtigenden Auslegung darauf abzustellen sei, ob derjenige, der eine Ausspielung etwa mit einem Glücksspielapparat oder Glücksspielautomaten bzw. mit einem darauf installierten Programm veranstalte, organisiere, anbiete oder unternehmerisch zugänglich mache, dabei Einsätze von höchstens EUR 10,-- oder mehr als EUR 10,-- ermögliche. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich dieser Auffassung im Erkenntnis vom 23. Juli 2013, Zl. 2012/17/0249, angeschlossen. Der Verwaltungsgerichtshof ist insoweit auch von der im hg. Erkenntnis vom 15. März 2013, Zl. 2012/17/0365 und 0366, in Fortführung seiner Rechtsprechung zur Subsidiarität der Straftatbestände nach § 52 Abs. 1 GSpG gegenüber der Strafbarkeit nach § 168 StGB geäußerten Rechtsauffassung abgegangen, der Fortsetzung des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens hinsichtlich jener Spiele, bei denen mit einem Einsatz von bis zu EUR 10,-- gespielt worden sei, stehe Art. 4 7. ZPMRK nicht entgegen. Die von der Beschwerde ins Treffen geführte gegenteilige Rechtsansicht ist insofern als überholt anzusehen.

Ausgehend von der unbestritten gebliebenen Feststellung, auf beiden Glücksspielapparaten sei mit Einsätzen von über EUR 10,00 gespielt worden, ist daher im Sinne der oben wiedergegebenen Rechtsprechung zur Subsidiarität des Verwaltungsstraftatbestandes nach § 52 Abs 2 GSpG für den vorliegenden Beschwerdefall davon auszugehen, dass wegen des Verbots der Doppelverfolgung im Sinne des Art 4 7. ZPEMRK keine verfolgbare Verwaltungsübertretung vorliegt. Für die Verwaltungsstrafbehörde bleibt keinesfalls Raum für eine weitere Verfolgung wegen des Verdachts einer Verwaltungsübertretung nach § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG.

Die belangte Behörde hat daher bei dem vorliegenden Sachverhalt zu Recht der Berufung der mitbeteiligten Partei stattgegeben und die Einstellung des gegen sie geführten Verwaltungsstrafverfahrens verfügt.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr. 455.

Wien, am 9. September 2013

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