VwGH Ra 2017/10/0169

VwGHRa 2017/10/016924.10.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl, den Hofrat Dr. Fasching sowie die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bleiweiss, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Krems in 3500 Krems, Drinkweldergasse 15, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 5. September 2017, Zl. LVwG-S-258/001-2017, betreffend Übertretung nach dem LMSVG (mitbeteiligte Partei: M S in P, vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schottenring 19), zu Recht erkannt:

Normen

32011R1169 Verbraucherinformation Lebensmittel Art17 Abs1;
32011R1169 Verbraucherinformation Lebensmittel Art9 Abs1 lita;
EURallg;
LMSVG 2006 §90 Abs3 Z1;
VStG §27 Abs1;
VStG §44a Z1;
VStG §45 Abs1 Z3;
VwGG §41;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §29 Abs1;
VwGVG 2014 §38;
VwGVG 2014 §50 Abs1;
VwGVG 2014 §50 Abs2 Z1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017100169.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Die revisionswerbende Partei (die belangte Behörde im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht) hat den Mitbeteiligten mit Straferkenntnis vom 27. Dezember 2016 als zur Vertretung der R GmbH & Co OG nach außen Berufenen der Übertretung des § 90 Abs. 3 Z 1 des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes (LMSVG) in Verbindung mit Art. 9 Abs. 1 lit. a und Art. 17 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel für schuldig erkannt und wegen dieser Verwaltungsübertretung über ihn eine Geldstrafe von EUR 150,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Stunden) verhängt. Weiters sprach die belangte Behörde gemäß § 9 Abs. 7 VStG die Haftung der R GmbH & Co OG zur ungeteilten Hand aus. Gemäß der - hier verkürzt wiedergegebenen - Tatbeschreibung habe der Mitbeteiligte als unbeschränkt haftender Gesellschafter und sohin als zur Außenvertretung der R GmbH & Co OG mit Sitz in S. Berufener zu verantworten, dass diese Gesellschaft als Lebensmittelunternehmerin ein näher bezeichnetes, vorverpacktes Lebensmittel an die P GmbH in T. und in der Folge an die U Handelsges.m.b.H. CO KG in R. geliefert hat und dieses dort am 4. April 2016 gegen 13.35 Uhr im Verkaufslokal zum Verkauf bereitgehalten wurde, sohin für die Lieferung/Abgabe an den Endverbraucher bestimmt war, wobei sich laut Prüfbericht näher bezeichnete Mängel in der Bezeichnung des Lebensmittels ergeben hätten. Der Mitbeteiligte habe sohin als Lebensmittelunternehmer zu verantworten, dass die Bezeichnung des beanstandeten Lebensmittels iSd Art. 9 Abs. 1 lit. a der VO (EU) Nr. 1169/2011 mangelhaft gewesen sei.

2 Das Verwaltungsgericht hat der dagegen vom Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde stattgegeben, den angefochtenen Bescheid wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 VStG eingestellt. Die Revision hat es als unzulässig erklärt.

3 Nach der auf den Spruch des Straferkenntnisses der belangten Behörde Bezug nehmenden Begründung des angefochtenen Erkenntnisses sei aufgrund der Qualifikation als Begehungsdelikt - das Verwaltungsgericht stellt dabei offenkundig auf ein "Inverkehrbringen" ab - nicht der von der belangten Behörde angegebene Tatort in S., sondern der Ort der Anlieferung an die Filiale der U Handelsges.m.b.H. CO KG in R. als Tatort heranzuziehen. Dies habe zur Folge, dass das behördliche Straferkenntnis durch eine örtlich unzuständige Behörde erlassen worden sei. Es sei "daher aus den genannten Gründen" spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision der belangten Behörde.

5 Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

6 Die Revision wendet sich in ihrer Zulässigkeitsbegründung unter anderem gegen die Annahme des Anlieferungsortes der Waren als Tatort im Fall des vom Verwaltungsgericht seiner Beurteilung zugrunde gelegten "Inverkehrbringens" von Lebensmitteln.

7 Die Revision ist im Hinblick auf die diesbezüglich behauptete Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. Art. 133 Abs. 4 B-VG) zulässig und auch begründet.

8 Das Verwaltungsgericht legt - ohne dies näher zu erörtern - seiner Entscheidung zugrunde, dass dem Mitbeteiligten ein "Inverkehrbringen von Lebensmitteln" vorgeworfen wurde. Dabei handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung um ein Begehungsdelikt (vgl. VwGH 21.10.2010, 2010/10/0144; 14.6.2012, 2009/10/0080; sowie zum Inverkehrbringen nach dem LMG 1975 VwGH 9.3.1998, 97/10/0232; 25.2.2003, 2001/10/0257).

9 Tatort ist der Ort, wo das Lebensmittel in Verkehr gebracht wurde (vgl. etwa VwGH 16.12.1996, 93/10/0180; und wiederum 9.3.1998, 97/10/0232; 25.2.2003, 2001/10/0257).

10 Im Fall der Lieferung durch einen Erzeugungs- oder Handelsbetrieb wird die Verwaltungsübertretung am Sitz dieses Betriebes in dem Augenblick begangen, in dem die Ware expediert wird (VwGH 30.6.1997, 97/10/0045, mwN). Korrespondierend zum Tatzeitpunkt ist Tatort der Ort, von dem aus das Lebensmittel ausgeliefert wird.

11 Abweichend davon ging das Verwaltungsgericht davon aus, der Ort der Anlieferung an die Filiale der U Handelsges.m.b.H CO KG in R. sei als Tatort zu behandeln und verneinte daher zu Unrecht die Zuständigkeit der belangten Behörde, die nach Abtretung des Verfahrens durch die nach dem Sitz der R GmbH & Co OG zuständige Behörde gemäß § 29a VStG zuständig geworden war.

12 Eine Begründung, weshalb das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen war, enthält das angefochtene Erkenntnis nicht. Insofern ist es auch diesbezüglich, weil der Verwaltungsgerichtshof insoweit an der Überprüfung des angefochtenen Erkenntnisses iSd § 41 VwGG gehindert ist, rechtswidrig (vgl. VwGH 22.2.2017, Ra 2015/17/0059). Aufgrund der fehlenden Begründung ist auch nicht ersichtlich, weshalb das Verwaltungsgericht - bei Zugrundelegung seiner Auffassung der Unzuständigkeit der belangten Behörde - daran gehindert gewesen wäre, die Befassung der seiner Meinung nach zuständigen Strafbehörde zu veranlassen (vgl. zu dieser Pflicht VwGH 15.12.1995, 95/11/0267).

13 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 24. Oktober 2018

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