VwGH Ra 2016/20/0070

VwGHRa 2016/20/007028.9.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie die Hofräte Mag. Eder und Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin MMag. Ortner, in Revisionssache des *****gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29. Februar 2016, Zl. W185 2118948- 1/5E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 und dem FPG, den Beschluss gefasst:

Normen

32013R0604 Dublin-III Art5;
AsylG 2005 §28 Abs2;
AsylG 2005 §5 Abs1;
AVG §45 Abs3;
B-VG Art133 Abs4;
EURallg;
FrPolG 2005 §61;
VwGG §34 Abs1;
32013R0604 Dublin-III Art5;
AsylG 2005 §28 Abs2;
AsylG 2005 §5 Abs1;
AVG §45 Abs3;
B-VG Art133 Abs4;
EURallg;
FrPolG 2005 §61;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 11. Dezember 2015, mit dem der Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen wurde, dass für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Dublin III-VO) Italien zuständig sei, und unter einem gemäß § 61 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) die Außerlandesbringung des Revisionswerbers angeordnet und gemäß § 61 Abs. 2 FPG die Zulässigkeit der Abschiebung nach Italien festgestellt wurde, als unbegründet ab. Weiters wurde ausgesprochen, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

2 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

3 Zur Zulässigkeit der außerordentlichen Revision wird im Wesentlichen geltend gemacht, der Revisionswerber sei weder im (Zulassungs‑)Verfahren vor dem BFA noch im darauffolgenden Beschwerdeverfahren vor dem BVwG persönlich einvernommen worden. Sowohl das BFA als auch das BVwG hätten sich beim Absehen von der verpflichtend durchzuführenden Einvernahme (§ 19 Abs. 2 AsylG 2005) bzw. dem persönlichen Gespräch (Art. 5 Abs. 1 Dublin III-VO) auf die vermeintliche Flüchtigkeit des Revisionswerbers gestützt, die jedoch zu keinem Zeitpunkt vorgelegen sei. Es stelle sich daher die Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen das BFA von der Durchführung einer Einvernahme im Zulassungsverfahren absehen könne; dies insbesondere deshalb, weil der Revisionswerber nicht über die Einleitung von Konsultationen mit Italien informiert und ihm daher keine Möglichkeit geboten worden sei, im Rahmen seines Rechts auf Parteiengehör zu den Gründen, welche einer Überstellung entgegenstünden, in einem persönlichen Gespräch Stellung zu nehmen. Es stelle sich in diesem Zusammenhang auch die Rechtsfrage, ob eine Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes den Anforderungen der Dublin III-VO genüge. Schließlich weiche das BVwG mit der angefochtenen Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Begriff der "Flüchtigkeit" ab; in diesem Zusammenhang stelle sich die Frage, ob für das Absehen von einer nach § 19 Abs. 2 AsylG 2005 vorgesehenen Einvernahme dieselben Maßstäbe anzusetzen seien wie im Hinblick auf die Überstellungsregelungen im Falle der Flüchtigkeit.

4 Die Zulässigkeit der Revision setzt neben einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufwerfenden Verfahrensmangel voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass dieser abstrakt geeignet sein muss, im Falle eines mängelfreien Verfahrens zu einer anderen - für den Revisionswerber günstigeren - Sachverhaltsgrundlage zu führen (vgl. die hg. Beschlüsse vom 18. Mai 2016, Ra 2016/04/0050 und vom 25. Februar 2016, Ra 2015/19/0272, mwN). Im Zusammenhang mit einer ins Treffen geführten Verletzung des Parteiengehörs erfordert dies, konkret vorzubringen, welchen Verfahrensschritt - etwa Erstattung eines weiteren Tatsachenvorbringens - der Revisionswerber im Falle der Wahrung des Parteiengehörs unternommen hätte, der im Ergebnis zu für ihn günstigeren Tatsachenfeststellungen führen hätte können (vgl. den hg. Beschluss vom 16. März 2016, Ro 2014/04/0001).

5 Soweit in der vorliegenden Revision eine Verletzung des Rechts auf Parteiengehör zu jenen Gründen, die einer Überstellung des Revisionswerbers nach Italien entgegenstünden, moniert wird, fehlt es an einer entsprechenden Relevanzdarstellung. Mit dem - auch im Rahmen der Beschwerde vorgetragenen - (bloßen) Hinweis auf das vom Revisionswerber bereits in der Erstbefragung erstattete Vorbringen, er sei in Italien Leuten jener Sekte begegnet, vor welcher er aus seinem Herkunftsstaat Nigeria geflüchtet sei, wird die Relevanz des gerügten Verfahrensmangels nicht hinreichend aufgezeigt. Vor diesem Hintergrund hängt die Revision von der Lösung der geltend gemachten Rechtsfragen zu § 19 Abs. 2 AsylG 2005, Art. 5 Dublin III-VO und zum Begriff der "Flüchtigkeit" nicht entscheidungswesentlich ab.

6 Auf Basis des weiteren Vorbringens in der Zulassungsbegründung, das BVwG hätte zumindest eine mündliche Beschwerdeverhandlung nach § 21 Abs. 6a BFA-VG durchzuführen gehabt - insbesondere deshalb, weil der Sachverhalt angesichts des mit der Beschwerde erfolgten Eingehens auf die Situation in Italien sowie die Bedrohung des Revisionswerbers durch die Anwesenheit gewisser Personen in Italien nicht ausreichend geklärt gewesen sei -, ist nicht erkennbar, dass das BVwG fallbezogen gegen die im Erkenntnis vom 30. Juni 2016, Ra 2016/19/0072, in dem sich der Verwaltungsgerichtshof näher mit dem Verhältnis der Abs. 3, 6a und 7 des § 21 BFA-VG auseinandergesetzt hat, aufgestellten Leitlinien verstoßen hätte.

7 Soweit der Revisionswerber ferner geltend macht, das BVwG habe die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch deshalb missachtet, weil die 20-Tages-Frist des § 28 Abs. 2 AsylG 2005 verfahrensgegenständlich (mangels Verständigung des Revisionswerbers vom Führen von Konsultationen gemäß der Dublin III-VO) bereits abgelaufen und das Verfahren demnach zuzulassen gewesen sei, ist ihm zu entgegnen, dass "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem BVwG die Frage war, ob die Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Antrags auf internationalen Schutz durch das BFA gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 und die Anordnung einer Außerlandesbringung nach § 61 FPG zu Recht erfolgte. Da die Zulassung des Verfahrens nicht die Rechtsfolge nach sich zieht, dass der Asylantrag nicht mehr zurückgewiesen werden dürfte - die Zulassung also keine Bindungswirkung hinsichtlich der Frage, ob der Antrag zurückzuweisen ist, entfaltet - (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 23. September 2014, Ra 2014/01/0121, sowie grundlegend das hg. Erkenntnis vom 25. November 2008, 2006/20/0624), hängt die Revision, der auch sonst nicht entnommen werden kann, weshalb die Zulassung des Verfahrens Auswirkungen auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts hätte haben können, auch von der Lösung der Frage, ob das Verfahren des Revisionswerbers (zwischenzeitig) zuzulassen gewesen wäre, nicht ab.

8 Schließlich bringt der Revisionswerber vor, das BVwG habe sich auf veraltete Feststellungen des BFA berufen und dabei verabsäumt miteinzubeziehen, dass sich die Lage in Italien durch das Schließen der sogenannten "Balkan-Route" wieder maßgeblich verschärft habe. Er legt aber nicht dar, aus welchen konkret festzustellenden Umständen der Schluss gezogen werden könnte, dass eine Verschlechterung der (Unterbringungs- und Versorgungs‑)Lage in Italien ein solches Ausmaß erreicht habe, dass davon ausgegangen werden könne, die in § 5 Abs. 3 AsylG 2005 zum Ausdruck gebrachte Sicherheitsvermutung wäre erschüttert. Es gelingt der Revision daher nicht die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels aufzuzeigen.

9 Die Revision war sohin gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 28. September 2016

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