Normen
BewG 1955 §1 Abs1;
BewG 1955 §10 Abs2;
BewG 1955 §10;
GGG 1984 §26 Abs1 idF 2013/I/001;
GGG 1984 §26 Abs3 idF 2013/I/001;
LiegenschaftsbewertungsG 1992 §2 Abs2;
Spruch:
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von 1.106,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Schenkungsvertrag vom 20. September 2011 schenkte H.H. dem Mitbeteiligten eine Liegenschaft unter Vorbehalt des lebenslangen höchstpersönlichen Wohnungsgebrauchsrechts.
2 Mit Beschluss vom 22. Mai 2013 bewilligte das Bezirksgericht Donaustadt die Einverleibung des Eigentums an dieser Liegenschaft für den Mitbeteiligten sowie die Einverleibung des Wohnungsgebrauchsrechtes für H.H. auf Grund des näher bezeichneten Schenkungsvertrages.
3 Mit Zahlungsauftrag vom 9. Dezember 2015 schrieb die Präsidentin des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien dem Mitbeteiligten dafür eine Eintragungsgebühr nach TP 9 lit. b Z 1 GGG von einer Bemessungsgrundlage von 98.291 EUR und eine Einhebungsgebühr nach § 6a Abs. 1 GEG von 8 EUR vor.
4 Der Mitbeteiligte erhob mit Schriftsatz vom 15. Jänner 2016 dagegen eine Beschwerde mit der Begründung, der Wert des einzutragenden Rechtes betrage lediglich 47.080,05 EUR, der sich aus dem Durchschnittswert für Einfamilienhäuser mit einfachem Wohnwert von 73.468,80 EUR abzüglich der Belastung durch das Wohnrecht im Wert von 26.388,55 EUR errechne.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde insoweit statt, als es den angefochtenen Bescheid dahingehend änderte, dass eine Eintragungsgebühr von einer Bemessungsgrundlage von 71.902,45 EUR vorgeschrieben werde. Das Bundesverwaltungsgericht sprach aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
6 Nach Schilderung des Verwaltungsgeschehens stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, die in Rede stehende Liegenschaft sei auf Grund eines Schenkungsvertrages aus dem Jahr 2011 ins Eigentum des nunmehrigen Mitbeteiligten übergegangen. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes vom 22. Mai 2013 sei die vom Revisionswerber beantragte Einverleibung dieses Eigentumsrechtes sowie eines Wohnungsgebrauchsrechtes zugunsten der Geschenkgeberin bewilligt worden. Der Verkehrswert der Liegenschaft habe zum Antragszeitpunkt 98.291 EUR betragen, sei durch den Wert des im Grundbuch eingetragenen Wohnungsgebrauchsrechtes von 26.388,55 EUR vermindert worden und betrage daher 71.902,45 EUR.
7 Bemessungsgrundlage sei der Verkehrswert im Zeitpunkt der Eintragung und nicht - wie der Mitbeteiligte vertrete - im Zeitpunkt der Übertragung durch den Schenkungsvertrag. Nach § 26 Abs. 1 GGG komme es ausdrücklich auf den Verkehrswert an, welcher durch das Wohnungsgebrauchsrecht gemindert werde.
8 Die dagegen von der Präsidentin des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien erhobene außerordentliche Revision legte das Bundesverwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vor.
9 Nach Einleitung des Vorverfahrens (§ 36 VwGG) brachte der Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung bei, in welcher er die kostenpflichtige Abweisung der Revision beantragt.
10 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden und hat er die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11 Die revisionswerbende Präsidentin begründet die Zulässigkeit ihrer Revision damit, dass zur Frage keine Rechtsprechung bestehe, ob bei unentgeltlichen Geschäften vorbehaltene Rechte (Wohnrechte) bei der Wertberechnung für die Eintragungsgebühr nach § 26 Abs. 1 GGG abzuziehen seien.
12 Die Revision ist zulässig, jedoch nicht berechtigt. 13 Gemäß TP 9 lit. b Z 1 des Gerichtgebührengesetzes (GGG)
ist für Eintragungen (Einverleibungen) zum Erwerb des Eigentums eine Gebühr in Höhe von 1,1 vH vom Wert des Rechtes zu entrichten.
14 Die Gebühr entsteht gemäß § 2 Z 4 GGG mit der Vornahme der Eintragung.
15 § 26 Abs. 1 und 3 GGG lauten:
"§ 26. (1) Die Eintragungsgebühr ist bei der Eintragung des Eigentumsrechts und des Baurechts - ausgenommen in den Fällen der Vormerkung - sowie bei der Anmerkung der Rechtfertigung der Vormerkung zum Erwerb des Eigentums und des Baurechts vom Wert des jeweils einzutragenden Rechts zu berechnen. Der Wert wird durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bei einer Veräußerung üblicherweise zu erzielen wäre.
(2) .....
(3) Soweit keine außergewöhnlichen Verhältnisse vorliegen,
die offensichtlich Einfluss auf die Gegenleistung gehabt haben,
ist bei den nachstehend eingeführten Erwerbsvorgängen der Wert der
Gegenleistung als Bemessungsgrundlage heranzuziehen,
1. bei einem Kauf der Kaufpreis zuzüglich der vom Käufer
übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer
vorbehaltenen Nutzungen,
2. bei einem Erwerb gegen wiederkehrende Geldleistungen .....
3. bei einer Leistung an Zahlungs statt .....
4. bei der Enteignung die Entschädigung.
Der Gegenleistung sind Belastungen hinzuzurechnen, die auf dem Grundstück ruhen, soweit sie auf den Erwerber kraft Gesetzes übergehen."
16 Die revisionswerbende Präsidentin trägt vor, der Wortlaut des § 26 Abs. 1 GGG lehne sich bewusst an die Formulierung des § 10 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes an. Auch nach § 10 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes werde der gemeine Wert durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. § 10 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes gehe insofern über § 26 Abs. 1 GGG hinaus, als er ausdrücklich anordne, dass bei der Bewertung alle Umstände, die den Preis beeinflussen, zu berücksichtigen seien, hingegen seien ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse nicht zu berücksichtigen.
17 Das im Revisionsfall in Rede stehende Wohnrecht betreffe persönliche Verhältnisse und habe außer Betracht zu bleiben. Wenngleich die bezügliche Formulierung des § 10 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes nicht in § 26 Abs. 1 GGG übernommen worden sei, könne kein Zweifel daran bestehen, dass diese Grundsätze auch bei der Wertberechnung für die Eintragungsgebühr Anwendung fänden. Auch § 26 Abs. 3 GGG stelle auf den inneren Wert des Grundstücks, als auf den Wert des Grundstücks in unbelastetem Zustand ab. Die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene Interpretation des § 26 Abs. 1 GGG führe zu einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung von entgeltlichen und unentgeltlichen Erwerben. Während bei einem Kauf gemäß § 26 Abs. 3 GGG unstrittig der innere Wert des Grundstücks maßgeblich sei, sollte nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes bei einer Schenkung lediglich ein um die Belastung geminderter Verkehrswert herangezogen werden. Dafür bestehe keine sachliche Rechtfertigung.
18 Gemäß § 1 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes 1955 (BewG) gelten die Bestimmungen des ersten Teiles des BewG (§§ 2 bis 17), soweit sich nicht aus den abgabenrechtlichen Vorschriften oder aus dem zweiten Teil dieses Gesetzes etwas anderes ergibt, für die bundesrechtlich geregelten Abgaben sowie für die bundesrechtlich geregelten Beiträge an sonstige Körperschaften des öffentlichen Rechtes und an Fonds.
19 Der im ersten Teil des Bewertungsgesetzes enthaltene
§ 10 BewG lautet samt Überschrift:
"Bewertungsgrundsatz, gemeiner Wert.
§ 10. (1) Bei Bewertungen ist, soweit nichts anderes
vorgeschrieben ist, der gemeine Wert zugrundezulegen.
(2) Der gemeine Wert wird durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Dabei sind alle Umstände, die den Preis beeinflussen, zu berücksichtigen. Ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse sind nicht zu berücksichtigen.
(3) Als persönliche Verhältnisse sind auch Verfügungsbeschränkungen anzusehen, die in der Person des Steuerpflichtigen oder eines Rechtsvorgängers begründet sind. Dies gilt insbesondere für Verfügungsbeschränkungen, die auf letztwilligen Anordnungen beruhen."
20 Bei der Gerichtsgebühr handelt es sich um eine bundesrechtlich geregelte Abgabe, weshalb gemäß § 1 Abs. 1 BewG die Bestimmungen des § 10 BewG maßgebend sein können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 2014, 2013/16/0168).
21 Allerdings enthält § 26 Abs. 1 GGG eine eigenständige Definition des Werts als Bemessungsgrundlage der Eintragungsgebühr, weshalb § 10 BewG nicht anzuwenden ist.
22 § 26 GGG in seiner für den Revisionsfall maßgebenden Fassung (die Neufestsetzung durch die Verordnung BGBl. II Nr. 280/2013 und die Änderung durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 19/2015 betreffen nicht die Absätze 1 und 3 und sind für den Revisionsfall unerheblich) erhielt seinen Wortlaut durch die Grundbuchsgebührennovelle (GGN), BGBl. I Nr. 1/2013. Dies war die Reaktion des Gesetzesgebers auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 21. September 2011, G 34/11 u.a., VfSlg 19.487, womit der Verfassungsgerichtshof die Absätze 1 und 1a des § 26 GGG idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 131/2001 als verfassungswidrig aufgehoben hatte, weil die darin enthaltene Anknüpfung der Eintragungsgebühr an die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage zu einer differenzierten Behandlung verschiedener Arten des Grundstückserwerbs bei der Eintragungsgebühr führte, die mit dem Belastungskonzept der Eintragungsgebühr, welche sich damals am Wert des Grundstücks orientierte, nicht vereinbar und unsachlich war.
23 Die nunmehr eigenständige Formulierung der Bemessungsgrundlage der Eintragungsgebühr in § 26 Abs. 1 und 3 GGG weicht dem Wortlaut nach wesentlich von jener des gemeinen Wertes nach § 10 Abs. 2 BewG ab.
24 Ein Wohnrecht ist bei der Ermittlung des gemeinen Wertes nach § 10 Abs. 2 BewG deshalb nicht zu berücksichtigen, weil unter der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes im Sinn des § 10 Abs. 2 BewG die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu verstehen sind, die dem zu bewertenden Wirtschaftsgut arteigen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. April 1994, 93/16/0186, VwSlg 6.890/F) und es sich bei einem eingeräumten Wohnrecht um nicht zu berücksichtigende persönliche Verhältnisse im Sinn des § 10 Abs. 2 BewG handelt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. September 2011, 2011/16/0024 bis 0026).
25 Gerade die Regelung des § 10 Abs. 2 zweiter und dritter Satz BewG fehlt jedoch in § 26 Abs. 1 GGG. Außerdem stellt § 10 Abs. 2 BewG - anders als § 26 Abs. 1 GGG - ausdrücklich auf die Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes ab.
26 Die Regelung des § 26 Abs. 1 letzter Satz GGG weicht von der Bestimmung des § 10 Abs. 2 BewG ab und entspricht vielmehr dem § 2 Abs. 2 des Liegenschaftsbewertungsgesetzes, wonach der Verkehrswert der Preis ist, der bei einer Veräußerung der Sache üblicherweise im redlichen Geschäftsverkehr für sie erzielt werden kann.
27 Dass bei einer Ermittlung des Verkehrswertes Abschläge vom Sachwert betreffend ein auf der Liegenschaft lastendes Wohnrecht vorzunehmen sind, hat der Verwaltungsgerichtshof in dem vom Bundesverwaltungsgericht zutreffend zitierten Erkenntnis vom 24. November 2011, 2009/15/0115, VwSlg 8.684/F, bereits ausgesprochen. Der Verkehrswert kann wegen der auf einer Liegenschaft ruhenden Belastungen und der damit erschwerten Veräußerbarkeit unter dem Sachwert liegen (vgl. auch den Beschluss des OGH vom 24. April 2014, 1 Ob 241/13t).
28 Die in den Materialien zur GGN (ErlRV 1984 BlgNR, 24. GP , 1) im Vorblatt gelieferte Begründung vermag der Ansicht der revisionswerbenden Präsidentin, welche im Wesentlichen den gemeinen Wert als Bemessungsgrundlage heranziehen möchte, nicht zum Erfolg zu verhelfen. Dort wird nämlich davon gesprochen, dass für sämtliche Arten des Liegenschaftserwerbs einheitliche Bemessungsgrundlagen vorgesehen werden sollen, nämlich "den Verkehrswert (gemeinen Wert) der betroffenen Liegenschaft".
29 Die revisionswerbende Präsidentin sieht durch die vom Bundesverwaltungsgericht vertretene Auffassung eine ungleiche Behandlung einer unentgeltlichen Liegenschaftsübertragung unter Vorbehalt eines Wohnrechtes (§ 26 Abs. 1 GGG) und eines Kaufs einer Liegenschaft zu einem wegen eines vorbehaltenen Wohnrechts geringeren Preis. Bei einem solchen Kauf, welchen die revisionswerbende Präsidentin unter § 26 Abs. 3 GGG fallen lassen möchte, wäre der Wert des Wohnrechts zum Preis wieder hinzuzurechnen.
30 Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Bedenken der revisionswerbenden Präsidentin nicht. Denn im Umstand, dass bei einer allenfalls Gegenstand eines Kaufvertrags darstellenden Liegenschaft ein Wohnrecht vorbehalten wird, liegen außergewöhnliche Verhältnisse im Sinn des § 26 Abs. 3 GGG vor, welche die Anwendung dieser Bestimmung ausschließen und somit auch beim Kauf einer Liegenschaft mit vorbehaltenem Wohnrecht wieder zurück zu § 26 Abs. 1 GGG führen.
31 Die revisionswerbende Präsidentin zeigt somit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses auf, mit welchem das Bundesverwaltungsgericht von dem der Höhe nach unbestrittenen als "Verkehrswert" bezeichneten Betrag von 98.291 EUR, wie er sich aus dem "Immobilienspiegel 2013" ergebe, den insoweit ebenso unbestrittenen Betrag von 26.388,55 EUR für das Wohnungsgebrauchsrecht abgezogen hat und den Differenzbetrag als Bemessungsgrundlage der Eintragungsgebühr herangezogen hat.
32 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-AufwErsV.
Wien, am 30. März 2017
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