VwGH Ra 2016/11/0122

VwGHRa 2016/11/012215.12.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und den Hofrat Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des Finanzamts Bregenz in 6900 Bregenz, Brielgasse 19, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 20. Juni 2016, Zl. LVwG-1- 354/2016-R8, LVwG-1-355/2016-R8, betreffend Sicherheitsleistung gemäß § 7m AVRAG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Bezirkshauptmannschaft Bregenz; mitbeteiligte Partei: A GmbH in D, vertreten durch Dr. Arnold Trojer, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Marktplatz 10), zu Recht erkannt:

Normen

31996L0071 Entsende-RL Art3;
31996L0071 Entsende-RL Art5;
31996L0071 Entsende-RL;
32014L0067 Durchsetzung-RL Entsendung Arbeitnehmern Art13;
AVRAG 1993 §7m Abs3;
AVRAG 1993 §7m;
EURallg;
EU-VStVG 2008;
RHStRÜbk Eur 2005;
VStG §37 Abs1;
VStG §37;
VwRallg;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1.1. Nach der Aktenlage führten Organe der Revisionswerberin (Finanzpolizei für das Finanzamt Bregenz) am 18. Februar 2016 eine Kontrolle auf einer näher bezeichneten Baustelle in Höchst durch, bei der acht ungarische Dienstnehmer der M Kft. - ein Unternehmen mit Sitz in Ungarn - bei Trockenbauarbeiten angetroffen wurden, die nach Ansicht der Kontrollorgane vom genannten ungarischen Unternehmen (im Folgenden auch: Überlasser) der in Österreich niedergelassenen Mitbeteiligten (Beschäftiger) überlassen worden seien.

Noch am selben Tag verfügten die Organe der Revisionswerberin schriftlich einen Zahlungsstopp gemäß § 7m Abs. 1 AVRAG, in dem sie der Mitbeteiligten auftrugen, das an den ungarischen Überlasser noch zu leistende, näher bezeichnete Überlassungsentgelt nicht zu leisten. Dazu wurde auf den gegebenen Verdacht (u.a.) der Übertretung des § 7d Abs. 2 zweiter Satz iVm § 7i Abs. 4 Z 2 AVRAG durch den ungarischen Überlasser (Nichtbereitstellung von Lohnunterlagen betreffend die acht ungarischen Dienstnehmer) hingewiesen und ausgeführt, es sei anzunehmen, dass die Strafverfolgung oder der Strafvollzug gegenüber dem Überlasser aus Gründen, die in seiner Person gelegen seien, unmöglich oder wesentlich erschwert sein werde.

1.2. Mit weiterem Schreiben vom 18. Februar 2016 beantragte die Revisionswerberin bei der belangten Behörde gemäß § 7m Abs. 2 AVRAG, der Mitbeteiligten gemäß Abs. 3 leg. cit. den Erlag einer Sicherheit (in Höhe des noch ausstehenden Überlassungsentgelts) aufzutragen, wobei sie auf den genannten Verdacht einer Verwaltungsübertretung durch den ungarischen Überlasser verwies. Eine vorläufige Sicherheit (§ 7l AVRAG) habe vor Ort nicht eingehoben werden können, weil auf der Baustelle weder Bargeld noch Firmenwerte des ungarischen Überlassers vorhanden gewesen seien. Zu der gemäß § 7m Abs. 3 AVRAG erforderlichen Annahme der Unmöglichkeit oder wesentlichen Erschwerung der Strafverfolgung des Überlassers bzw. des Strafvollzugs diesem gegenüber führte die Revisionswerberin an, dass dieser seinen Sitz in Ungarn habe, wo es "allein schon aufgrund der geübten Verwaltungspraxis schwierig bis unmöglich" sei, ungarische Täter zu ahnden und über diese ausgesprochene Strafen zu vollstrecken. Der ungarische Überlasser sei in Österreich auch nicht steuerlich veranlagt.

1.3. Mit Bescheid vom 3. März 2016 trug die belangte Behörde der Mitbeteiligten den Erlag einer Sicherheit im Ausmaß von EUR 10.000,-- gemäß § 7m Abs. 3 AVRAG auf.

In der Begründung folgte die belangte Behörde der Ansicht der Revisionswerberin, dass das genannte ungarische Unternehmen die Arbeitnehmer der Mitbeteiligten überlassen habe, ohne die Lohnunterlagen für diese Arbeitnehmer bereit zu stellen (Verdacht der Übertretung des § 7d Abs. 2 zweiter Satz AVRAG). Der Überlasser mit Sitz in Ungarn habe nur wenige Tage nach der geschilderten Kontrolle die Baustelle verlassen und den Vertrag mit der Mitbeteiligten vorzeitig aufgelöst. Der Geschäftsführer des Überlassers habe bei seiner Vernehmung erklärt, für die erbrachten Leistungen weder in Österreich noch in Ungarn Steuern zu bezahlen. Insgesamt sei vor diesem Hintergrund zumindest von einer wesentlichen Erschwerung der Strafverfolgung des Überlassers auszugehen.

Zur Höhe der auferlegten Sicherheitsleistung verwies die belangte Behörde auf den dem Überlasser von der Mitbeteiligten noch geschuldeten Werklohn (gemeint: Überlassungsentgelt) in Höhe von maximal EUR 10.000,--.

1.4. Gegen diesen Bescheid erhob die Mitbeteiligte Beschwerde, welcher das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis stattgab und den angefochtenen Bescheid gemäß § 50 VwGVG aufhob.

Gleichzeitig wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

1.5. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision des Finanzamtes Bregenz, dessen Revisionslegitimation sich aus § 7m Abs. 2 letzter Satz AVRAG ergibt.

Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie im Wesentlichen der Argumentation der Revisionswerberin folgte. Die Mitbeteiligte beantragte in einer Revisionsbeantwortung die Zurückweisung, in eventu Abweisung der Revision.

 

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Das AVRAG, BGBl. Nr. 459/1993 in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 152/2015, lautet auszugsweise:

"Verpflichtung zur Bereithaltung von Lohnunterlagen

§ 7d. (1) Arbeitgeber/innen im Sinne der §§ 7, 7a Abs. 1 oder 7b Abs. 1 und 9 haben während des Zeitraums der Entsendung insgesamt (§ 7b Abs. 4 Z 6) den Arbeitsvertrag oder Dienstzettel (§ 7b Abs. 1 Z 4), Lohnzettel, Lohnzahlungsnachweise oder Banküberweisungsbelege, Lohnaufzeichnungen, Arbeitszeitaufzeichnungen und Unterlagen betreffend die Lohneinstufung zur Überprüfung des dem/der entsandten Arbeitnehmers/in für die Dauer der Beschäftigung nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelts in deutscher Sprache am Arbeits(Einsatz)ort bereitzuhalten, auch wenn die Beschäftigung des/der einzelnen Arbeitnehmers/in in Österreich früher geendet hat. ...

(2) Bei einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung trifft die Verpflichtung zur Bereithaltung der Lohnunterlagen den/die inländische/n Beschäftiger/in. Der/Die Überlasser/in hat dem/der Beschäftiger/in die Unterlagen nachweislich bereitzustellen.

...

Strafbestimmungen

§ 7i. ...

(4) Wer als

1. Arbeitgeber/in im Sinne der §§ 7, 7a Abs. 1 oder 7b

Abs. 1 und 9 entgegen § 7d die Lohnunterlagen nicht bereithält, oder

2. Überlasser/in im Falle einer grenzüberschreitenden

Arbeitskräfteüberlassung nach Österreich entgegen § 7d Abs. 2 die

Lohnunterlagen dem/der Beschäftiger/in nicht nachweislich

bereitstellt, oder

3. Beschäftiger/in im Falle einer grenzüberschreitenden

Arbeitskräfteüberlassung entgegen § 7d Abs. 2 die Lohnunterlagen

nicht bereithält

begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der

Bezirksverwaltungsbehörde für jede/n Arbeitnehmer/in mit einer

Geldstrafe von 1 000 Euro bis 10 000 Euro, im Wiederholungsfall

von 2 000 Euro bis 20 000 Euro, sind mehr als drei

Arbeitnehmer/innen betroffen, für jede/n Arbeitnehmer/in von

2 000 Euro bis 20 000 Euro, im Wiederholungsfall von 4 000 Euro

bis 50 000 Euro zu bestrafen.

...

Sicherheitsleistung - Zahlungsstopp

§ 7m. (1) Liegt der begründete Verdacht einer Verwaltungsübertretung nach den §§ 7b Abs. 8, 7i oder 7k Abs. 4 vor und ist auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Strafverfolgung oder der Strafvollzug aus Gründen, die in der Person des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin (Auftragnehmer/in) oder in der Person des Überlassers oder der Überlasserin liegen, unmöglich oder wesentlich erschwert sein wird, können die Organe der Abgabenbehörden in Verbindung mit den Erhebungen nach § 7f sowie die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse dem/der Auftraggeber/in, bei einer Überlassung dem/der Beschäftiger/in schriftlich auftragen, den noch zu leistenden Werklohn oder das noch zu leistende Überlassungsentgelt oder Teile davon nicht zu zahlen (Zahlungsstopp). § 50 Abs. 6 erster Satz VStG findet sinngemäß Anwendung. Der Zahlungsstopp ist in jenem Ausmaß nicht wirksam, in dem der von ihm genannte Betrag höher ist als der noch zu leistende Werklohn oder das noch zu leistende Überlassungsentgelt. Der Zahlungsstopp darf nicht höher sein als das Höchstmaß der angedrohten Geldstrafe. Leistet der/die Auftraggeber/in oder der/die Beschäftiger/in entgegen dem Zahlungsstopp den Werklohn oder das Überlassungsentgelt, gilt im Verfahren nach Abs. 3 der Werklohn oder das Überlassungsentgelt als nicht geleistet. Die Organe der Abgabenbehörden sowie die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse dürfen einen Zahlungsstopp nur dann auftragen, wenn eine vorläufige Sicherheit nach § 7l nicht festgesetzt oder nicht eingehoben werden konnte. Leistet der/die Auftragnehmer/in oder der/die Überlasser/in die vorläufige Sicherheit nachträglich oder eine Sicherheit, ohne dass eine solche festgesetzt wurde, aus eigenem, ist der Zahlungsstopp von der Bezirksverwaltungsbehörde durch Bescheid aufzuheben; ein allfälliges Verfahren nach Abs. 3 ist einzustellen.

(2) Die Abgabenbehörden und die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse haben nach Verhängung eines Zahlungstopps nach Abs. 1 binnen drei Arbeitstagen bei der Bezirksverwaltungsbehörde die Erlegung einer Sicherheit nach Abs. 3 zu beantragen, widrigenfalls der Zahlungsstopp außer Kraft tritt. Die Bezirksverwaltungsbehörde hat darüber innerhalb von zehn Arbeitstagen ab Einlangen des Antrages zu entscheiden, widrigenfalls der Zahlungsstopp außer Kraft tritt. In diesen Verfahren haben die im ersten Satz genannten Einrichtungen Parteistellung, soweit diese den Antrag auf Erlegung einer Sicherheit gestellt haben. Diese können gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde Beschwerde beim Verwaltungsgericht und gegen das Erkenntnis oder den Beschluss eines Verwaltungsgerichts Revision beim Verwaltungsgerichtshof erheben.

(3) Liegt der begründete Verdacht einer Verwaltungsübertretung nach den §§ 7b Abs. 8, 7i oder 7k Abs. 4 vor und ist auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Strafverfolgung oder der Strafvollzug aus Gründen, die in der Person des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin (Auftragnehmer/in) oder in der Person des Überlassers oder der Überlasserin liegen, unmöglich oder wesentlich erschwert sein werde, kann die Bezirksverwaltungsbehörde dem/der Auftraggeber/in, bei einer Überlassung dem/der Beschäftiger/in durch Bescheid auftragen, den noch zu leistenden Werklohn oder das noch zu leistende Überlassungsentgelt oder einen Teil davon als Sicherheit binnen einer angemessenen Frist zu erlegen. Die §§ 37 und 37a VStG sind in diesen Fällen, sofern in dieser Bestimmung nichts anderes vorgesehen ist, nicht anzuwenden. Mit Erlassung eines Bescheides fällt der Zahlungsstopp weg.

(4) Als Werklohn oder als Überlassungsentgelt gilt das gesamte für die Erfüllung des Auftrages oder der Überlassung zu leistende Entgelt.

..."

2.2. Das Verwaltungsgericht führte im angefochtenen Erkenntnis zur Begründung der Aufhebung der vorgeschriebenen Sicherheitsleistung (unmittelbar anschließend an die Wiedergabe des Verfahrensgeschehens und der maßgebenden Rechtsvorschriften) rechtlich aus, es fehle gegenständlich an bestimmten Tatsachen iSd § 7m Abs. 3 AVRAG, welche die Annahme der Unmöglichkeit oder der wesentlichen Erschwerung bzw. Unmöglichkeit der Strafverfolgung oder des Strafvollzugs aus Gründen, die in der Person des ungarischen Überlassers liegen, rechtfertigten. Diese Annahme lasse sich weder mit dem Umstand, dass der genannte Überlasser in Österreich und in Ungarn keine Steuern entrichte, noch damit, dass dieser den Vertrag mit der Mitbeteiligten aufgelöst und die Baustelle verlassen habe, rechtfertigen.

Entscheidungswesentlich sei nach Ansicht des Verwaltungsgerichts das Übereinkommen über die Rechtshilfe zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, BGBl. III Nr. 65/2005, dem Ungarn beigetreten sei und das die Rechtshilfe in Verfahren wegen Verwaltungsübertretungen regle. Mit diesem Übereinkommen habe sich die belangte Behörde nicht auseinander gesetzt, sodass sich deren Auffassung über die unmögliche oder wesentlich erschwerte Strafverfolgung des Überlassers als verfehlt erweise.

Gleiches gelte nach Ansicht des Verwaltungsgerichts für die behauptete Erschwerung der Strafvollstreckung, da die belangte Behörde hierbei den Rahmenbeschluss 2005/214/JI des Rates vom 24. Februar 2005 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen sowie das zu dessen Umsetzung erlassene EU-Verwaltungsvollstreckungsgesetz (EU-VStVG), BGBl. I Nr. 3/2008, nicht beachtet habe. Letzteres betreffe auch die Vollstreckung österreichischer Entscheidungen in einem anderen EU-Mitgliedstaat, sodass für das Verwaltungsgericht nicht erkennbar sei, wieso im konkreten Fall der Strafvollzug gegenüber dem ungarischen Überlasser wesentlich erschwert oder unmöglich sein solle.

Vor diesem Hintergrund stünden nach Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts einer Strafverfolgung und einem Strafvollzug in EU-Mitgliedstaaten wie Ungarn keine Hindernisse entgegen, sodass schon die diesbezügliche Tatbestandsvoraussetzung des § 7m Abs. 3 AVRAG für die Vorschreibung einer Sicherheitsleistung nicht erfüllt sei (das Vorliegen des begründeten Verdachtes einer Verwaltungsübertretung sei daher nicht mehr zu prüfen gewesen).

2.3. Die Revision weist zu ihrer Zulässigkeit zunächst zutreffend auf das Fehlen von Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen die Annahme von Tatsachen iSd § 7m Abs. 3 AVRAG, welche die Strafverfolgung oder den Strafvollzug aus Gründen, die in der Person des Arbeitgebers oder des Überlassers liegen, wesentlich erschweren oder verunmöglichen, gerechtfertigt ist.

Abgesehen davon weicht das angefochtene Erkenntnis, wie von der Revision ebenfalls zutreffend vorgebracht wird, von der hg. Judikatur ab, weil in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Erkenntnisses eine Feststellung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes fehlt und dieser durch die bloße Wiedergabe des Verfahrensgeschehens nicht ersetzbar ist (vgl. Pkt. 5.2.1. des hg. Erkenntnisses vom 21. Oktober 2014, Zl. Ro 2014/03/0076, und die daran anknüpfende Judikatur).

2.4. In den Revisionsgründen führt die Revisionswerberin zusammengefasst aus, das Verwaltungsgericht habe sich zu Unrecht mit dem Verweis auf das Bestehen der genannten Vorschriften über die Rechtshilfe begnügt. Nicht nur in einem Schreiben des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienstes vom März 2011 werde aber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Ungarn die Rechtshilfe verweigere. Auch in einem aktuellen Rundschreiben des Bundeskanzleramtes vom 9. Februar 2015 (das im Internet unter "BKA Wiki Internationale Rechtshilfe" abrufbar sei) werde darauf hingewiesen, dass in Ungarn von einer "systematischen Verweigerung der Rechtshilfe" ausgegangen werden müsse.

Beim genannten Revisionsvorbringen handelt es sich um keine Neuerung, hat doch die Revisionswerberin schon im eingangs erwähnten Antrag vom 18. Februar 2016 auf die Situation in Ungarn hingewiesen, wo die Ahndung entsprechender verdächtiger Personen und die Strafvollstreckung "allein schon aufgrund der geübten Verwaltungspraxis schwierig bis unmöglich" sei.

2.5.1. Die Frage, wann von einer wesentlichen Erschwernis bzw. Unmöglichkeit der Strafverfolgung oder des Strafvollzuges iSd § 7m Abs. 3 AVRAG auszugehen ist, wird in den Gesetzesmaterialien (vgl. die Erläuterungen 1076 BlgNR XXIV. GP , Seite 8f., zur Novelle BGBl. I Nr. 24/2011, welche die Regelung der Sicherheitsleistung im damaligen § 7k AVRAG vorsah) nicht näher erläutert. Die genannten Erläuterungen weisen jedoch darauf hin, dass - unbeschadet der weitgehend nicht direkten Anwendbarkeit des § 37 VStG - die Sicherheitsleistung im AVRAG zur Sicherstellung der Durchführung des Verwaltungsstrafverfahrens und des Vollzuges einer Geldstrafe "in Anlehnung an § 37 Abs. 1

2. Satz VStG" geregelt wurde.

2.5.2. Schon nach dem aus den genannten Erläuterungen ersichtlichen Gesetzeszweck des § 7m AVRAG (Verhinderung von Lohn- und Sozialdumping durch die effektive Sicherstellung von Geldstrafen) ergibt sich, dass es bei der Beantwortung der Frage, wann bei einem nicht in Österreich ansässigen Beschuldigten bzw. Bestraften eine wesentliche Erschwernis bzw. Unmöglichkeit der Strafverfolgung oder des Strafvollzuges iSd § 7m Abs. 3 AVRAG anzunehmen ist, nicht alleine auf die Existenz von Regelungen über die Rechtshilfe ankommt, sondern dass dabei auch auf die tatsächlichen Verhältnisse - insbesondere ob bestehende Rechtshilfeübereinkommen im Regelfalls reibungslos angewendet werden - abzustellen ist (vgl. in diesem Sinne das sowohl vom Verwaltungsgericht als auch vom Mitbeteiligten angesprochene, zur Sicherheitsleistung gemäß § 37 VStG ergangene, hg. Erkenntnis vom 18. Mai 2011, Zl. 2010/03/0191).

2.5.3. Zu diesem Ergebnis gelangt man auch bei der gebotenen unionsrechtskonformen Auslegung des in Rede stehenden § 7m Abs. 3 AVRAG. Gemäß Art. 3 der Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern vom 16. Dezember 1996 haben die Mitgliedstaaten u.a. für die Einhaltung der Mindestlohnsätze gegenüber Arbeitnehmern, die in ihr Hoheitsgebiet entsendet wurden, zu "sorgen", und gemäß Art. 5 "geeignete" Maßnahmen für den Fall der Nichteinhaltung vorzusehen.

Im vorliegenden Fall geht es um die Sicherstellung einer Sanktion (Geldstrafe) für die Nichtbereitstellung von Lohnunterlagen.

Um die erforderliche Effektivität staatlicher Sanktionsmaßnahmen (Geldstrafen bei Verstößen gegen die Vorschriften betreffend den Mindestlohn) zu gewährleisten, kann bei nicht in Österreich ansässigen Verdächtigen auf die Sicherheitsleistung zur Sicherstellung der Geldstrafe daher nur dann verzichtet werden, wenn davon auszugehen ist, dass die Vorschriften über die Rechtshilfe bei der Strafverfolgung und im Strafvollzug im betreffenden Staat im Regelfall auch tatsächlich angewendet werden (vgl. neben den vom Verwaltungsgericht angeführten Übereinkommen - künftig - auch Art. 13 ff der Richtlinie 2014/67/EU vom 15. Mai 2014 zur Durchsetzung der Richtlinie 96/71/EG ), sodass die Strafverfolgung nach dem AVRAG und der entsprechende Strafvollzug nicht wesentlich erschwert oder gar verunmöglicht werden.

3. Da das Verwaltungsgericht diesem Umstand zu Unrecht keine Bedeutung beigemessen hat, erweist sich das angefochtene Erkenntnis als inhaltlich rechtswidrig, sodass es gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Eine Kostenzuspruch an die obsiegende Revisionswerberin kommt gemäß § 47 Abs. 4 VwGG iVm Art. 133 Abs. 8 B-VG nicht in Betracht.

Wien, am 15. Dezember 2016

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