Normen
62011CJ0470 Garkalns VORAB;
62012CJ0367 Sokoll-Seebacher VORAB;
62015CO0634 Sokoll-Seebacher VORAB;
ApG 1907 §10 Abs2 Z3;
ApG 1907 §10 Abs6a idF 2016/I/103;
B-VG Art7 Abs1;
EURallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1 1. Zur Vorgeschichte wird zunächst auf die hg. Erkenntnisse vom 30. Jänner 2014, Zl. 2013/10/0197, und vom 8. Oktober 2014, Zl. Ro 2014/10/0096, verwiesen.
2 Mit dem zuletzt genannten Erkenntnis wurde das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 28. Mai 2014 wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben, mit dem dem Antrag des Mitbeteiligten auf Erweiterung des Standortes seiner Apotheke "auf das Gemeindegebiet Leonding, südlich der Paschingerstraße (einschließlich beider Straßenseiten)" mit der Maßgabe stattgegeben worden war, dass "durch den neuen Standort die Entfernung zwischen der in Aussicht genommenen Betriebsstätte seiner Apotheke und der Betriebsstätte einer der nächstgelegenen bestehenden öffentlichen Apotheken gemäß § 10 Abs. 2 Z. 2 ApG nicht weniger als 500 m betragen darf".
3 2. Mit dem nunmehr angefochtenen (Ersatz‑)Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich dem Antrag des Mitbeteiligten - inhaltlich betrachtet - wieder auf dieselbe Weise statt (nunmehr mit der Maßgabe, die Entfernung zur Betriebsstätte einer der nächstgelegenen öffentlichen Apotheken müsse "mindestens 500 Meter betragen"), wobei es die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zuließ.
4 Diese Entscheidung stützte das Verwaltungsgericht im Kern auf den aufgrund seines Vorabentscheidungsersuchens ergangenen Beschluss des EuGH vom 30. Juni 2016, Rechtssache C-634/15 ("Sokoll-Seebacher II"), in dem der EuGH ausgesprochen hatte, sein Urteil vom 13. Februar 2014, Rechtssache C-367/12 ("Sokoll-Seebacher I"), sei so zu verstehen, "dass das in der im Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Regelung festgelegte Kriterium einer starren Grenze der Zahl der ‚weiterhin zu versorgenden Personen' bei der Prüfung des Bedarfs an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke allgemein in keiner konkreten Situation, die einer Prüfung unterzogen wird, Anwendung finden darf" (Rz 36 und Tenor des genannten Beschlusses).
5 Davon ausgehend stelle sich - so das Verwaltungsgericht - die um ihren unionsrechtswidrigen materiellen Gehalt bereinigte Bestimmung des § 10 Apothekengesetz (ApG) nunmehr so dar, dass der Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke im Sinn des § 10 Abs. 1 Z. 2 ApG bereits dann als gegeben anzusehen sei, wenn weder der Ausschlussgrund des § 10 Abs. 2 Z. 1 ApG noch jener des § 10 Abs. 2 Z. 2 ApG vorliege.
6 Da im vorliegenden Fall nach dem Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer vom 23. April 2014 in der Gemeinde des vom Mitbeteiligten beabsichtigten Standortes "mehrere Ärzte ihren ständigen Berufssitz" hätten und "sich innerhalb eines 4 km-Umkreises um den beabsichtigten Standort" keine Arztordination mit einer Hausapothekenbewilligung befinde, komme dem Mitbeteiligten im Ergebnis - unter der Voraussetzung, dass die Entfernung der Betriebsstätte der "geplanten" zu den nächstgelegenen bereits bestehenden öffentlichen Apotheken jeweils mindestens 500 Meter betrage - gemäß § 46 Abs. 5 ApG ein subjektivöffentliches Recht auf Erweiterung seines Standortes zu.
7 Gegen die Auffassung, dass im vorliegenden Fall das Unionsrecht mangels Auslandsbezug nicht zum Tragen komme, führte das Verwaltungsgericht die Judikatur des Verfassungsgerichtshofs zum Verbot der "Inländerdiskriminierung" ins Treffen (Hinweis auf dessen Erkenntnis vom 6. Oktober 2011, Zl. G 41/10
u. a. = VfSlg. 19.529). Um eine darin bestehende Inländerdiskriminierung, dass nämlich "ein Ausländer" in einer vergleichbaren Situation dadurch besser gestellt wäre, dass für diesen § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG "direkt unanwendbar" sei, hintanzuhalten, gebiete es eine verfassungskonforme Interpretation dieser Bestimmung, diese auch bei Sachverhalten ohne Auslandsbezug unionsrechtskonform auszulegen, d.h. ihren unionsrechtwidrigen Inhalt nicht anzuwenden.
8 Die Nichtzulassung der Revision an den Verwaltungsgerichtshof begründete das Verwaltungsgericht damit, dass seine Entscheidung von der von ihm dargestellten "Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union" nicht abweiche; diese sei auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Es lägen schließlich auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.
9 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Antrag, dieses wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.
10 Die belangte Behörde hat von der Erstattung einer Revisionsbeantwortung abgesehen. Der Mitbeteiligte hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der er (u.a.) die Zurückbzw. Abweisung der Revision beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
11 1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Apothekengesetzes - ApG, RGBl. Nr. 5/1907 in der zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses geltenden Fassung BGBl. I Nr. 30/2016, lauteten wie folgt:
"§ 9.
Konzession
Der Betrieb einer öffentlichen Apotheke, welche nicht auf einem Realrechte beruht (radizierte, verkäufliche Apotheken), ist nur auf Grund einer besonderen behördlichen Bewilligung (Konzession) zulässig.
Im Konzessionsbescheid ist als Standort der Apotheke eine Gemeinde, eine Ortschaft, ein Stadtbezirk oder ein Teil eines solchen Gebietes zu bestimmen. Bei Apotheken, welche schon früher betrieben worden sind, ist der bisherige Standort aufrecht zu erhalten. Die Konzession hat nur für den Standort Geltung.
Sachliche Voraussetzungen der Konzessionserteilung
§ 10. (1) Die Konzession für eine neu zu errichtende
öffentliche Apotheke ist zu erteilen, wenn
1. in der Gemeinde des Standortes der öffentlichen Apotheke
ein Arzt seinen ständigen Berufssitz hat und
2. ein Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen
Apotheke besteht.
(2) Ein Bedarf besteht nicht, wenn
1. sich zum Zeitpunkt der Antragstellung in der Gemeinde
der in Aussicht genommenen Betriebsstätte eine ärztliche
Hausapotheke befindet und weniger als zwei Vertragsstellen nach
§ 342 Abs. 1 ASVG (volle Planstellen) von Ärzten für
Allgemeinmedizin besetzt sind, oder
2. die Entfernung zwischen der in Aussicht genommenen
Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke und
der Betriebsstätte der nächstgelegenen bestehenden öffentlichen
Apotheke weniger als 500 m beträgt oder
3. die Zahl der von der Betriebsstätte einer der
umliegenden bestehenden öffentlichen Apotheken aus weiterhin zu versorgenden Personen sich in Folge der Neuerrichtung verringert und weniger als 5 500 betragen wird.
(...)
(6a) Die Zahl der von der Betriebsstätte einer oder mehrerer der umliegenden bestehenden öffentlichen Apotheken aus weiterhin zu versorgenden Personen gemäß Abs. 2 Z 3 ist zu unterschreiten, wenn es in ländlichen und abgelegenen Regionen auf Grund besonderer örtlicher Verhältnisse im Interesse einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung unter Berücksichtigung des Versorgungsangebots durch bestehende Apotheken einschließlich Filialapotheken und ärztlichen Hausapotheken dringend erforderlich ist.
(7) Zur Frage des Bedarfes an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke ist ein Gutachten der österreichischen Apothekerkammer einzuholen. (...)
(...)
Verlegung
§ 14. (1) (...)
(2) Die Verlegung einer öffentlichen Apotheke an einen anderen Standort ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bewilligen, wenn die Voraussetzungen des § 10 zutreffen und überdies von dem neuen Standort aus der Bedarf des Gebietes besser befriedigt werden kann.
Gesuch um die Konzession zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke.
§ 46.
(...)
(5) Über einen Antrag auf Erweiterung des bei Erteilung der Konzession zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke gemäß § 9 Abs. 2 festgesetzten Standortes oder um nachträgliche Festsetzung des Standortes, wenn dieser bei Erteilung der Konzession nicht gemäß § 9 Abs. 2 bestimmt wurde, ist das für die Konzessionserteilung vorgesehene Verfahren durchzuführen."
12 Durch die Novelle BGBl. I Nr. 103/2016 wurde § 10 Abs. 6a ApG dahingehend geändert, dass er nunmehr lautet:
"(6a) Die Zahl der von der Betriebsstätte einer oder mehrerer der umliegenden bestehenden öffentlichen Apotheken aus weiterhin zu versorgenden Personen gemäß Abs. 2 Z 3 ist zu unterschreiten, wenn es auf Grund besonderer örtlicher Verhältnisse im Interesse einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung unter Berücksichtigung des Versorgungsangebots durch bestehende Apotheken einschließlich Filialapotheken und ärztlichen Hausapotheken geboten ist."
13 2. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
15 3. Die vorliegende außerordentliche Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit insbesondere vor, es gehe in diesem Zusammenhang nicht um das Abweichen oder Fehlen von Judikatur des EuGH, sondern vielmehr von jener des Verwaltungsgerichtshofs; es bestehe eine grundsätzliche Rechtsfrage hinsichtlich der Bemessung der Größe des Standortes einer Apotheke aus dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit. Der dem Mitbeteiligten zugebilligte Standort sei unverhältnismäßig groß, weil er rund die Hälfte des Gemeindegebiets von Leonding umfasse und dort bereits fünf öffentliche Apotheken situiert seien.
16 4. Die Revision ist zulässig. Sie erweist sich im Ergebnis auch als berechtigt.
17 4.1. In dem vom Verwaltungsgericht angeführten Beschluss des EuGH vom 30. Juni 2016, Rechtssache C-634/15 ("Sokoll-Seebacher II"), wurde ausgeführt, dass die in § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG festgelegte "starre Grenze der Zahl der ‚weiterhin zu versorgenden Personen'" (mit 5 500 Personen) es der zuständigen Behörde nicht ermögliche, die Besonderheiten jeder einzelnen geprüften Situation gehörig zu berücksichtigen und auf diese Weise die kohärente und systematische Erreichung des mit dieser Regelung angestrebten Hauptziels zu gewährleisten, welches - wie im Urteil des EuGH vom 13. Februar 2014, Rechtssache C-367/12 ("Sokoll-Seebacher I"; dort Rz 25 mit weiteren Nachweisen aus der EuGH-Rechtsprechung), ausgesprochen - darin besteht, eine sichere und qualitativ hochwertige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln zu gewährleisten (Rz 33).
18 Die Unionsrechtswidrigkeit dieser Regelung liege darin, dass die Anwendung des Kriteriums einer starren Grenze der Zahl der "weiterhin zu versorgenden Personen" mit dem Gebot der Kohärenz bei der Verfolgung des angestrebten Zieles gemäß Art. 49 AEUV in Widerspruch stehe, weshalb dieses Kriterium bei der Prüfung des Bedarfs an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke "allgemein in keiner konkreten Situation, die einer Prüfung unterzogen wird, Anwendung finden darf" (Rz 34 bis 36 und Tenor des Beschlusses vom 30. Juni 2016).
19 Aus dem angeführten Beschluss des EuGH geht somit klar hervor, dass der EuGH nicht etwa die Prüfung des Bedarfs an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke als solche, sondern lediglich die "allgemeine" Zugrundelegung einer unveränderlich festgelegten Anzahl von "weiterhin zu versorgenden Personen" dabei als unionsrechtswidrig erachtet (so etwa auch Schmelz/Wolfbauer, ecolex 2016, 1020 (1022), sowie Schneider, RdM 2016, 187 (191f)).
20 4.2. Eine unmittelbare Anwendbarkeit der wiedergegebenen Aussagen des EuGH auf den vorliegenden Fall lässt sich allerdings - anders, als das dem Verwaltungsgericht offenbar vor Augen steht - auch aus dem Urteil des EuGH vom 19. Juli 2012, Rechtssache C- 470/11 (Rz 20), nicht ableiten.
21 In der zitierten Aussage wird nämlich lediglich klargestellt, dass der EuGH ein Vorabentscheidungsersuchen auch bei "reinem Inlandsbezug" des Ausgangsstreitverfahrens beantworten kann, wenn das nationale Recht vorsieht, dass dem inländischen Staatsangehörigen die gleichen Rechte zustehen, die einem Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaates in der gleichen Lage kraft Unionsrecht zustehen. Dann könne die Antwort des EuGH dem vorlegenden Gericht nämlich von Nutzen sein. Dass die Antwort auf das Vorabentscheidungsersuchen unmittelbar anzuwenden wäre, ist daraus allerdings nicht abzuleiten.
22 Das Verwaltungsgericht hat allerdings seinem Erkenntnis im Weiteren - wie oben ersichtlich (vgl. Rz 7) - die Auffassung zugrunde gelegt, das verfassungsrechtliche Verbot der Inländerdiskriminierung gebiete im vorliegenden Fall die Nichtanwendung des § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG im Wege einer verfassungskonformen Interpretation.
23 4.3. Dies trifft jedoch nicht zu.
24 Selbst wenn man - was im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben kann - davon ausgeht, dass eine Ermächtigung des Verwaltungsgerichtes bestehe, Bestimmungen, die eine "inländerdiskriminierende" Wirkung entfalten, in verfassungskonformer Interpretation unangewendet zu lassen, so übersieht das Verwaltungsgericht, dass eine "inländerdiskriminierende" Norm nicht automatisch gegen den Gleichheitssatz verstößt und daher verfassungswidrig ist; Letzteres wäre aber wohl unabdingbare Voraussetzung für die Notwendigkeit einer verfassungskonformen Interpretation.
25 Nun ergibt sich allerdings aus der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, dass ein erhebliches öffentliches Interesse an der grundsätzlichen Aufrechterhaltung des nationalen - in seiner konkreten Ausgestaltung unionsrechtswidrigen - Regelungsregimes während der Dauer einer für die Neuregelung erforderlichen Übergangszeit die aus (allein) unionsrechtlicher Ursache entstandene "inländerdiskriminierende" Wirkung der Norm für die Dauer dieses Zeitraumes sachlich zu rechtfertigen vermag. Insoweit verletzt eine Schlechterstellung österreichischer Staatsbürger gegenüber Ausländern den Gleichheitssatz nicht.
26 Ein solcher Fall liegt hier vor:
27 Aus Anlass des genannten Beschlusses des EuGH änderte der Bundesgesetzgeber durch BGBl. I Nr. 103/2016, ausgegeben am 6. Dezember 2016, § 10 Abs. 6a ApG dahin, dass die Zahl der von der Betriebsstätte einer oder mehrerer der umliegenden bestehenden öffentlichen Apotheken aus weiterhin zu versorgenden Personen gemäß § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG zu unterschreiten ist, "wenn es auf Grund besonderer örtlicher Verhältnisse im Interesse einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung unter Berücksichtigung des Versorgungsangebots durch bestehende Apotheken einschließlich Filialapotheken und ärztlichen Hausapotheken geboten ist".
28 Nach dem Willen des Gesetzgebers (vgl. dazu die Begründung des Antrages 1863/A BlgNR XXV. GP ) solle demnach die Behörde im Einzelfall prüfen, ob besondere örtliche Verhältnisse vorliegen, die ein Unterschreiten der Grenze von 5 500 zu versorgenden Personen rechtfertigen. Um der Rechtsprechung des EuGH zu entsprechen, habe die Behörde dabei "in jedem einzelnen Fall zu prüfen", ob allenfalls besondere örtliche Verhältnisse vorlägen, und ihre Entscheidung entsprechend zu begründen.
29 Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, dass mit dieser Novelle die in den angeführten Entscheidungen des EuGH in den Rechtssachen C-367/12 und C-634/15 geforderte Flexibilität der der Prüfung des Bedarfs an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke zugrunde liegenden nationalen Regelung hergestellt ist. Der Gesetzgeber hat somit binnen sechs Monaten nach Fassung des Beschlusses des EuGH vom 30. Juni 2016 durch eine entsprechende Neuregelung der Entscheidung des EuGH Rechnung getragen.
30 Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 6. Oktober 2011, Zl. G 41/10 u.a. = VfSlg. 19.529, ausgesprochen hat, kann selbst ein sich zwischen Fällung eines Urteils des EuGH und entsprechender gesetzlicher Neuregelung ergebender längerer Zeitraum (damals 16 Monate), während dessen das Gesetz eine diskriminierende Wirkung gegenüber Sachverhalten ohne Gemeinschaftsrechtsbezug entfalten konnte, angesichts eines erheblichen öffentlichen Interesses - etwa an der medizinischen Versorgung - als angemessen erachtet werden, sodass die daraus entstehende "inländerdiskriminierende" Wirkung einer Norm vorübergehend, nämlich für die Dauer einer für einen "geordneten Gesetzgebungsprozess" erforderlichen Übergangszeit, sachlich zu rechtfertigen und daher hinzunehmen ist.
31 Nichts anderes kann im vorliegenden Fall gelten, in dem - wie auch der EuGH hervorgehoben hat - das öffentliche Interesse an einer sicheren und qualitativ hochwertigen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln auf dem Spiel steht.
32 Im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses durfte das Verwaltungsgericht in Bezug auf die im Beschluss des EuGH vom 30. Juni 2016 zum Ausdruck gebrachte Rechtsauffassung jedenfalls nicht davon ausgehen, dass der Zeitraum, in dem eine "inländerdiskriminierende Wirkung" nach der Rechtsprechung des VfGH hinzunehmen ist, bereits überschritten wurde.
33 5. Im fortzusetzenden Verfahren wird der Bedarf an der vom Mitbeteiligten beantragten Standorterweiterung unter Zugrundelegung der neu gefassten Bestimmung des § 10 ApG - und gemäß § 10 Abs. 7 ApG auf Grundlage eines Gutachtens der Österreichischen Apothekerkammer - zu beurteilen sein.
34 6. Nach dem Gesagten ist das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
35 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 29. März 2017
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