VwGH Ra 2016/08/0149

VwGHRa 2016/08/01499.8.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofräte Dr. Strohmayer und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision des Mag. G F in I, vertreten durch die Korn Rechtsanwälte OG in 1040 Wien, Argentinierstraße 20, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 26. Juli 2016, LVwG-2016/41/0309-8, betreffend Bestrafung nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeisterin der Stadt Innsbruck), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Revisionswerber in Bestätigung des Straferkenntnisses der Bürgermeisterin der Stadt Innsbruck vom 7. Jänner 2016 gemäß § 111 Abs. 1 Z 1 iVm § 33 Abs. 1 ASVG mit einer Geldstrafe von EUR 730,-- bestraft, weil er es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen Berufener der TL GmBH, die unbeschränkt haftende Gesellschafterin der T GmBH & Co KG sei, zu verantworten habe, dass die T GmBH & Co KG es als Dienstgeberin unterlassen habe, den im Zeitraum von 5. November 2014 bis 26. Jänner 2015 als pflichtversicherten Dienstnehmer beschäftigten LB vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden.

5 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit seiner außerordentlichen Revision vor, die Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, die von LB für die T GmBH & Co KG ausgeübte Tätigkeit als Zeitungszusteller begründe ein Dienstverhältnis, widerspreche dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Februar 2012, 2009/09/0128, in dem auf Grundlage eines gleichen Sachverhaltes davon ausgegangen worden sei, dass die Tätigkeit nicht einmal als arbeitnehmerähnlich im Sinn des AuslBG anzusehen sei. Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Oktober 2015, 2013/08/0226, auf das sich das Landesverwaltungsgericht berufe, sei dagegen nicht einschlägig, zumal LB es insbesondere offen gestanden sei, sich vertreten zu lassen. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur "Qualifikation von Vertragsverhältnissen mit Zeitungszustellern" sei jedoch, wie bei Einsicht in die dazu ergangenen Erkenntnisse klar werde, auch uneinheitlich bzw. lasse eine einheitliche und begründete Linie vermissen. Dies betreffe sowohl die Entscheidungen zur Qualifikation der Tätigkeit nach dem ASVG als auch nach dem AuslBG. Als Folge dessen sei auch die Rechtsprechung der Landesverwaltungsgerichte uneinheitlich. Auf gleicher vertraglicher Grundlage beruhende Rechtsverhältnisse würden gänzlich unterschiedlich qualifiziert, obwohl sich Unterschiede bei den in den Entscheidungen festgestellten Sachverhalten lediglich dahingehend ergäben, ob das Vertretungsrecht tatsächlich genutzt werde, mit welchen konkreten Betriebsmitteln der Zustellpartner den Vertrag erfülle und ob der Zustellpartner über weitere Auftraggeber verfüge. Sämtliche dieser Faktoren seien jedoch vom Auftraggeber nicht beeinflussbar und könnten daher zur Abgrenzung auch nicht herangezogen werden. Allein entscheidend könne nur sein, wie vom Auftraggeber das Vertriebssystem generell organisiert werde. Im vorliegenden Fall sei vom Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit auszugehen, zumal die Vertragserfüllung von den "Vertriebspartnern" autonom ausschließlich mit eigenen Betriebsmitteln gestaltet worden sei und es ihnen offen gestanden sei, sich vertreten zu lassen oder sich Hilfskräften zu bedienen. Ausgehend von den "unterschiedlichen gerichtlichen Entscheidungen" zur Qualifikation der Vertragsverhältnisse von Zeitungszustellern verstoße das angefochtene Erkenntnis auch gegen den Grundsatz in "dubio pro reo", weil für den Revisionswerber nicht die für eine Verurteilung "erforderliche Gewissheit", dass er eine Verwaltungsübertretung begehe, habe bestehen können.

6 Entgegen den Ausführungen in der Revision ist das Verwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgewichen und ist diese Rechtsprechung auch nicht uneinheitlich.

7 Das Verwaltungsgericht konnte sich bei der Qualifikation der Tätigkeit des LB als Dienstverhältnis im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG aufgrund des in allen für die Entscheidung wesentlichen Punkten übereinstimmenden Sachverhaltes insbesondere auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Oktober 2015, 2013/08/0226, stützen. Dieses Erkenntnis entspricht - entgegen den Ausführungen in der Revision - im Übrigen auch der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

8 Soweit der Revisionswerbers vorbringt, im vorliegenden Fall sei - anders als im Erkenntnis 2013/08/0226 und in anderen vom Verwaltungsgerichtshof behandelten Fällen - schon aufgrund der Vereinbarung eines "generellen Vertretungsrechtes" (vgl. zu diesem Begriff etwa die hg. Erkenntnisse vom 1. Oktober 2015, Ro 2015/08/0020, und vom 15. Oktober 2015, 2013/08/0175) die persönliche Arbeitspflicht des LB und damit das Vorliegen eines Dienstverhältnisses nach § 4 Abs. 2 ASVG ausgeschlossen, entfernt er sich vom festgestellten Sachverhalt, hat doch das Verwaltungsgericht festgestellt, dass LB im Fall seiner Verhinderung den "Auftraggeber" verständigen musste, der dann aus einem "Pool von Personen" einen Ersatz stellte.

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat auch bereits wiederholt ausgesprochen, dass in Konstellationen wie im vorliegenden Fall auch der Umstand, dass ein notwendiges Betriebsmittel - hier ein Kraftfahrzeug - nicht vom "Auftraggeber" zur Verfügung gestellt worden ist, im Rahmen der nach § 4 Abs. 2 ASVG gebotenen Gesamtabwägung nicht ein Überwiegen der Merkmale der persönlichen Unabhängigkeit bewirkt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 15. Mai 2013, 2013/08/0051, und nochmals vom 24. April 2014, 2013/08/0258).

10 Die Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, es liege ein Dienstverhältnis im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG vor, entspricht somit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Februar 2012, 2009/09/0128, auf das der Revisionswerber sich beruft, ist dagegen im vorliegenden Fall nicht einschlägig, zumal es nicht zum ASVG ergangen ist und der einzelfallbezogenen Beurteilung in diesem Erkenntnis, ob eine Beschäftigung im Sinn des § 2 Abs. 2 AuslBG - insbesondere ein arbeitnehmerähnliches Verhältnis - vorlag, entgegen den Ausführungen in der Revision eine andere Tätigkeit (Aufstellen der Selbstbedienungsgeräte für Sonntags- und Feiertagsausgaben der Zeitungen) als im vorliegenden Fall zu Grunde lag.

11 Soweit der Revisionswerber weitere Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes zum ASVG und AuslBG anführt, zeigt er nicht konkret ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. eine Uneinheitlichkeit dieser Rechtsprechung auf (vgl. zu diesem Erfordernis etwa den hg. Beschluss vom 24. Jänner 2017, Ra 2017/05/0005, mwN).

Eineuneinheitliche Rechtsprechung verschiedener Verwaltungsgerichte wirft dagegen in der Regel keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf, wenn es zu der betreffenden Frage eine einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gibt (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 15. Februar 2017, Ra 2017/08/0002).

12 Damit ist aber auch dem Vorbringen in der Revision, es habe für den Revisionswerber nicht die "erforderliche Gewissheit" des Vorliegens eines Dienstverhältnisses bestanden, die die Verhängung einer Verwaltungsstrafe rechtfertigen könnte, die Grundlage entzogen (vgl. im Übrigen zur Erkundigungspflicht eines Meldepflichtigen etwa den hg. Beschluss vom 2. September 2015, Ra 2015/08/0073, mwN).

13 Im Rahmen seiner Ausführungen zur Zulässigkeit der Revision wendet sich der Revisionswerber - unter dem (unrichtigen) Titel der "Aktenwidrigkeit der getroffenen Feststellungen und Mangelhaftigkeit des Beschwerdeverfahrens" - auch gegen die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung wäre in diesem Zusammenhang aber nur dann gegeben, wenn das Verwaltungsgericht die diesbezügliche Würdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. etwa die hg. Beschlüsse vom 18. Februar 2015, Ra 2015/08/0008, und vom 13. Oktober 2015, Ra 2015/03/0075). Einen derartigen Mangel der Beweiswürdigung zeigt der Revisionswerber jedoch nicht auf.

14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen. Wien, am 9. August 2017

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