Normen
DurchschnittssatzV Werbungskosten 2001 §1 Z9;
EStG 1988 §17 Abs6;
Spruch:
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1 In seinen Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2010 und 2011 beantragte der Mitbeteiligte die Zuerkennung des so genannten "Vertreterpauschales" gemäß § 1 Z 9 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für Werbungskosten von Angehörigen bestimmter Berufsgruppen, BGBl. II Nr. 382/2001.
2 Über Ergänzungsersuchen des revisionswerbenden Finanzamtes legte der Mitbeteiligte Bestätigungen seines Arbeitgebers vor, wonach er vom 1. Juli 2010 bis einschließlich 31. Dezember 2010 sowie vom 1. Jänner 2011 bis 31. Dezember 2011 ausschließlich als Außendienstmitarbeiter für die Gebiete Oberösterreich und Bayern tätig gewesen sei.
3 In den Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 2010 und 2011 wurde das beantragte Vertreterpauschale nicht berücksichtigt.
4 In seiner dagegen erhobenen Berufung erläuterte der Mitbeteiligte, seine Tätigkeit sei im Dienstvertrag als Vertreter mit der Aufgabe der Vermittlung von Kaufaufträgen definiert. Für erfolgreich abgeschlossene Verträge erhalte er zusätzlich zum Fixum eine Provision. Das vom Mitbeteiligten vermittelte Produkt könne nur über den Großhandel von Installationsunternehmen erworben werden. Bei Interesse und Kontaktaufnahme seitens eines Installateurs führe der Mitbeteiligte nach Terminvereinbarung eine Produktpräsentation durch. Im Rahmen dieser Präsentation werde versucht, eine Probebaustelle für dieses Produkt zu vereinbaren. Bei Einverständnis des Installateurs biete der Mitbeteiligte als Serviceleistung an, die Abwicklung der Bestellung zu übernehmen. Vor allem im Falle großer Baustellen würden die benötigten Produkte gemeinsam mit dem Installateur in dessen Unternehmen ausgewählt. Die schriftliche Bestellung werde in den meisten Fällen vom Mitbeteiligten direkt beim Arbeitgeber abgegeben, weil der Kunde den Großhändler bereits bekanntgegeben habe. Außerdem biete diese Vorgehensweise sogar den Vorteil für den Großhändler, dass dieser keine Auswahl der einzelnen benötigten Komponenten vornehmen müsse. Die Bestellung sei für den Kunden (Installateur) bindend und die Lieferung durch den Großhändler erfolge direkt an die Baustelle, auf der der Installateur das Produkt einbauen wolle. Abschließend werde eine kurze (einmalige) Einschulung direkt auf der Baustelle vorgenommen. Entspreche das Produkt den Erwartungen des Installationsunternehmens seien Folgebestellungen beim Großhändler für zukünftige Baustellen zu erwarten.
5 In einer Vorhaltsbeantwortung trat der Mitbeteiligte der Ansicht des Finanzamtes entgegen, wonach ihm nur eine beratende Tätigkeit obliege. Der Mitbeteiligte sei als Provisionsvertreter im Außendienst tätig. Ihm obliege die Vermittlung von Kaufverträgen über die von seinem Arbeitgeber entwickelten Montagesysteme. Die Neugewinnung von Kunden würde auch eine beratende Tätigkeit bedingen. Diese sei jedoch lediglich eine Begleiterscheinung der eigentlichen Tätigkeit des Mitbeteiligten, die im Verkauf von Waren für seinen Arbeitgeber liege. Lediglich der Abschluss der Rechtsgeschäfte könne nicht im Namen und auf Rechnung des Arbeitgebers erfolgen, weil diese Produkte nur über den Großhandel bezogen werden könnten. Der Mitbeteiligte habe - von dieser Besonderheit abgesehen - wie jeder "normale Vertreter" auch, entsprechend viele Dienstreisen zu absolvieren.
6 Auf Grund eines weiteren Ergänzungsersuchens des Finanzamtes legte der Mitbeteiligte umfangreiche excel-Listen vor, mit denen die Reisetätigkeit des Mitbeteiligten (Ort, Tätigkeit, Kunde) dokumentiert wurde.
7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der als Beschwerde geltenden Berufung statt. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.
8 Begründend führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, den vorgelegten Arbeitsaufzeichnungen sei zu entnehmen, dass der Mitbeteiligte im weitaus überwiegenden Ausmaß die offensive Marktbearbeitung im Außendienst betreibe. Er besuche Unternehmen, die potentielle Abnehmer des Produktes seines Arbeitgebers werden könnten (im Wesentlichen Installationsbetriebe). Er könne allerdings die Produkte diesen Abnehmern nicht unmittelbar verkaufen, sondern lediglich einen Großhändler vermitteln, über den der Abnehmer das Produkt seines Arbeitgebers beziehen könne. Er erhalte bei entsprechenden Umsätzen zusätzlich zu seinem Fixum auch einen Provisionsanteil. Abgesehen vom unmittelbaren Verkauf des Produktes seines Arbeitgebers weiche die Tätigkeit des Mitbeteiligten nicht von der Tätigkeit herkömmlicher Vertreter ab, welche die Produkte ihres Arbeitgebers unmittelbar verkaufen. Vorrangiges Ziel der Tätigkeit des Mitbeteiligten sei - wie für die Gewährung des Vertreterpauschales gefordert - die Anbahnung und der Abschluss von Geschäften. Er trete nach außen als Vertreter auf und betreibe aktiv den Verkauf der Produkte seines Arbeitgebers. Die Präsentation der Produkte wie auch die "Einschulung" auf das Produkt des Arbeitgebers seien Teil der Auftragsdurchführung und nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Zuerkennung des Vertreterpauschales nicht abträglich (Hinweis auf VwGH vom 24. Februar 2005, 2003/15/0044).
9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision des Finanzamtes, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
10 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
13 Das Vorbringen des Finanzamtes zur Zulässigkeit der Revision zeigt im Ergebnis auf, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der hier strittigen Sachverhaltskonstellation einer mehrgliedrigen Lieferkette nicht besteht. Die Revision erweist sich daher entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes als zulässig.
14 Die Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für Werbungskosten von Angehörigen bestimmter Berufsgruppen vom 31. Oktober 2001, BGBl. II Nr. 382/2001, lautet auszugsweise:
"Auf Grund des § 17 Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes 1988, BGBl. Nr. 400/1988, wird verordnet:
§ 1. Für nachstehend genannte Gruppen von Steuerpflichtigen werden nach den jeweiligen Erfahrungen der Praxis anstelle des Werbungskostenpauschbetrages gemäß § 16 Abs. 3 EStG 1988 folgende Werbungskosten auf die Dauer des aufrechten Dienstverhältnisses festgelegt:
...
9. Vertreter
5 % der Bemessungsgrundlage, höchstens 2.190 Euro jährlich.
Der Arbeitnehmer muss ausschließlich Vertretertätigkeit ausüben. Zur Vertretertätigkeit gehört sowohl die Tätigkeit im Außendienst als auch die für konkrete Aufträge erforderliche Tätigkeit im Innendienst. Von der Gesamtarbeitszeit muss dabei mehr als die Hälfte im Außendienst verbracht werden."
15 Eine nähere Definition des Vertreterbegriffs ist der Verordnung nicht zu entnehmen, sodass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs auf die Verkehrsauffassung abzustellen ist (vgl. VwGH vom 18. Dezember 2013, 2009/13/0261, mit weiteren Nachweisen).
16 Danach sind Vertreter Personen, die im Außendienst zum Zwecke der Anbahnung und des Abschlusses von Geschäften und zur Kundenbetreuung tätig sind (vgl. VwGH vom 28. Juni 2012, 2008/15/0231, mit weiteren Nachweisen.).
17 Nach Ansicht des Finanzamtes steht die vorliegende Beschwerdeentscheidung in Widerspruch zum Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 24. Februar 2005, 2003/15/0044.
18 Im Erkenntnis vom 24. Februar 2005, 2003/15/0044, VwSlg. 8008/F, hat der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf Vorjudikatur klargestellt, dass auch Tätigkeiten der Auftragsdurchführung zur Tätigkeit eines Vertreters gehören können, "solange der Kundenverkehr in Form des Abschlusses von Geschäften im Namen und für Rechnung seines Arbeitgebers (über Verkauf von Waren oder Erbringung von Dienstleistungen) eindeutig im Vordergrund steht".
19 Die Aussage bezog sich auf den damals vorliegenden Sachverhalt eines im Außendienst tätigen Gesellschafter-Geschäftsführers, der schon auf Grund seiner Funktion berechtigt war, Geschäfte für die GmbH abzuschließen. Daraus kann aber nicht abgeleitet werden, dass nur mit Abschlussvollmacht ausgestatteten Vertretern das Vertreterpauschale zustünde. Vertreter im hier maßgebenden Sinne ist auch, wer Geschäftsabschlüsse lediglich anbahnt. Wesentlich ist, dass eine Außendiensttätigkeit vorliegt, deren vorrangiges Ziel die Herbeiführung von Geschäftsabschlüssen für den Arbeitgeber ist (vgl. VwGH vom 30. September 2015, 2012/15/0125, mit weiterführenden Hinweisen).
20 Dass die Tätigkeit des Mitbeteiligten in den Streitjahren darauf abgezielt hat, die Produkte des Arbeitgebers zu vertreiben, also Geschäftsabschlüsse zu vermitteln, bestreitet das revisionswerbende Finanzamt nicht. Der in der Revision erhobene Vorwurf des Finanzamtes, das bloße Entstehen von Aufwendungen im Rahmen einer Außendiensttätigkeit reiche nicht aus, um eine Person als Vertreter iSd Verordnung einzustufen, geht daran vorbei, dass das Bundesfinanzgericht auf die inhaltliche Gleichartigkeit der Betätigung des Mitbeteiligten mit der eines "herkömmlichen Vertreters" abgestellt hat, welche auch mit dem Anfall gleichartiger Aufwendungen verbunden sei. Gegen diese Sachverhaltsfeststellungen wendet sich das Finanzamt auch in den Revisionsgründen nicht. Wenn das Bundesfinanzgericht, die Zwischenschaltung von Großhändlern in die Lieferkette als dem Vertreterpauschale nicht abträglich beurteilt hat, war dies nicht rechtswidrig.
21 Da sohin bereits der Inhalt der Revision erkennen lässt, dass die vom Revisionswerber behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Revision ohne weiteres Verfahren gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 27. April 2017
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