VwGH 2008/15/0231

VwGH2008/15/023128.6.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser, MMag. Maislinger und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des Finanzamtes Kirchdorf Perg Steyr in 4400 Steyr, Handel-Mazzetti-Promenade 14, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom 10. Juni 2008, Zl. RV/0204-L/08, betreffend Einkommensteuer 2005 und 2006 (mitbeteiligte Partei: PS in P, vertreten durch die Schwarz & Kallinger Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung GmbH in 4400 Steyr, Bahnhofstraße 11-15), zu Recht erkannt:

Normen

DurchschnittssatzV Werbungskosten 2001 §1 Z9;
DurchschnittssatzV Werbungskosten 2001 §2;
DurchschnittssatzV Werbungskosten 2001 §1 Z9;
DurchschnittssatzV Werbungskosten 2001 §2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Der Mitbeteiligte erzielt u.a. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Geschäftsführer zweier im metallverarbeitenden Gewerbe tätigen Gesellschaften mit beschränkter Haftung, an denen er selbst keine Anteile hält.

In den Einkommensteuererklärungen für 2005 und 2006 beantragte er das so genannte Vertreterpauschale nach der zu § 17 Abs. 6 EStG 1988 ergangenen Verordnung, BGBl. II Nr. 382/2001 (im Folgenden VO), im Ausmaß von jährlich 2.180 EUR.

Das Finanzamt anerkannte den Werbungskostenpauschbetrag mit der Begründung nicht, dass keine ausschließliche Vertretertätigkeit vorläge. Der Mitbeteiligte sei auch als Geschäftsführer tätig, wobei in der Geschäftsordnung seines Arbeitergebers festgehalten sei, dass er für Unternehmensstrategie, Finanz- und Rechnungswesen, Controlling, Risikomanagement, Verkauf und Vertrieb, Beschaffung, Logistik und Versand sowie Marketing und externe Kommunikation zuständig sei. Da er als Geschäftsführer diese Aufgaben in nicht nur untergeordnetem Ausmaß erfülle, könne der Pauschbetrag nicht gewährt werden.

In seiner dagegen erhobenen Berufung brachte der Mitbeteiligte vor, er sei "angestellter Geschäftsführer im Außendienst" der P GmbH sowie der R GmbH. Zu seinen Aufgaben zählten die Anbahnung von Aufträgen, die Entgegennahme von Bestellungen, der Abschluss von Verträgen und die laufende Betreuung der Kunden. Laut Geschäftsordnung des Arbeitgebers sei er ausschließlich für die spartenübergreifende Großkundenbetreuung zuständig. Auch lägen Dienstgeberbestätigungen vor, wonach er überwiegend im Außendienst tätig sei. Als weiteres Beweismittel könne eine Übersicht seiner Dienstreisen aus dem Jahr 2005 dienen. Bei 127 Tagen im Außendienst erfülle der Mitbeteiligte auch das Erfordernis, "mehr als die Hälfte der Gesamtarbeitszeit im Außendienst" tätig zu sein.

Die Gesellschaften beschäftigten sechs bzw. 270 Mitarbeiter. Bei beiden Gesellschaften gebe es jeweils zwei Geschäftsführer, die das Unternehmen entweder gemeinsam oder zusammen mit einem Prokuristen vertreten würden.

Laut Geschäftsordnung der R GmbH seien die Führungsaufgaben auf beide Geschäftsführer aufgeteilt. Der Mitbeteiligte sei für die Geschäftsführungsbereiche Einkaufskoordination inklusive Logistik, Vertriebsorganisation Europa, Forschung und Entwicklung und Management zuständig. In der Praxis sei er fast ausschließlich vor Ort bei Kunden im Außendienst tätig.

Geschäftsführungstätigkeiten erledige er während der Kundenbesuche telefonisch oder mittels E-Mail. Der zweite Geschäftsführer hätte mehr Führungsaufgaben zu erfüllen, ihm oblägen die "bürokratischen" Bereiche Controlling, Finanz- und Rechnungswesen, Steuern, Revision und Personal. Somit fielen die Geschäftsführungsaufgaben bei der R GmbH für ihn nur in völlig untergeordnetem Ausmaß an.

Bei der P GmbH (270 Mitarbeiter) sei er laut Geschäftsordnung für die Unternehmensstrategie, das Finanz- und Rechnungswesen, das Controlling, das Risikomanagement, den Verkauf und Vertrieb, die Beschaffung, Logistik und Versand sowie das Marketing zuständig. In der Praxis gelte aber dasselbe wie für die R GmbH:

Er sei mehr als die Hälfte seiner Arbeitszeit auswärts bei Kunden tätig. Er pflege engen Kontakt, auch noch nach Auftragserteilung. Seinen Führungsaufgaben komme er unterwegs per Telefon und Mail nach. Auch habe die P GmbH eigene Mitarbeiter für Einkauf, Marketing und Controlling, sodass auch bei dieser Gesellschaft Führungsaufgaben nur in völlig untergeordnetem Ausmaß anfielen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Mitbeteiligten Folge.

Der Begriff des Vertreters iSd VO sei nur unklar bestimmt und bedürfe daher einer Präzisierung bzw. Auslegung. Da der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung davon ausginge, dass ein Vertreter iSd VO nicht ausschließlich Geschäftsanbahnungen und Vertragsabschlüsse "ausüben" müsse (Hinweis auf die hg. Erkenntnisse vom 24. Februar 2005, 2003/15/0044, und vom 10. März 1981, 2885, 2994/80), könne auch ein Geschäftsführer, der überwiegend im Außendienst im Vertrieb und Verkauf tätig sei, prinzipiell unter den Anwendungsbereich der VO fallen.

Die VO setze die für Vertreter zu berücksichtigenden pauschalen Werbungskosten mit 5% der Bemessungsgrundlage, höchstens aber 2.190 EUR fest, wobei nach den Intentionen der VO dabei auf "Erfahrungen in der Praxis" zurückgegriffen werde und daneben keine weiteren Werbungskosten geltend gemacht werden könnten. Bemerkenswert sei, dass bei der Berufsgruppe der Vertreter Kostenersätze des Arbeitgebers - im Gegensatz zu allen anderen in der VO enthaltenen Berufsgruppen - das Pauschale nicht kürzten. Nach Ansicht der belangten Behörde ermögliche die VO somit z.B. die Abzugsfähigkeit von im Zusammenhang mit dem Abschluss von Geschäften einhergehenden Kosten (etwa Bewirtungsaufwand) oder anderen Aufwendungen zur Erhaltung der Geneigtheit und Abschlussfreudigkeit potentieller Kunden (Weihnachtsgeschenke, etc.) - und somit durchaus von Aufwendungen, bei denen eine Abgrenzung zum an sich nicht abzugsfähigen Repräsentationsaufwand schwierig wäre. Somit könnten jedenfalls Aufwendungen als Werbungskosten berücksichtigt werden, die vom Arbeitgeber - wohl auch auf Grund der Nähe zu deren Repräsentationscharakter - dem Arbeitnehmer nicht ersetzt werden.

In weiterer Folge befasste sich die belangte Behörde mit eigenen Entscheidungen zur gegenständlichen Streitfrage und zog daraus folgenden Schluss:

Aus abgabenrechtlicher Sicht sei ein ausschließliches Abstellen auf die Tätigkeit eines Vertreters nach herkömmlichem Sprachgebrauch bzw. den Usancen des Wirtschaftslebens zu eng. Vielmehr sei der Begriff "erweiterungsfähig".

Gegenständlich übe der Mitbeteiligte mit seiner Tätigkeit in ihrer konkreten Ausgestaltung gerade jene Tätigkeit aus, die die VO offenbar vor Augen habe. Er verbringe von seiner Gesamtarbeitszeit mehr als die Hälfte im Außendienst, wodurch ihm im Kundenkontakt gerade jene Aufwendungen entstehen könnten, die durch das Vertreterpauschale abgegolten werden sollten. Die - vom zeitlichen Umfang her jedenfalls geringere - Restarbeitszeit, "in denen der Bw. möglicherweise sogar tatsächlich seinen Geschäftsführungsagenden nachkommt, ist von der VO insoweit ohnehin nicht umfasst, als ihm dort allenfalls anfallende Aufwendungen, die mit jenen von Innendienstmitarbeitern vergleichbar sind, durch das Vertreterpauschale dem Grunde nach ohnehin nicht abgegolten werden sollen. Mit anderen Worten: Sofern Außendienstzeit im erforderlichen Ausmaß erbracht wird und in dieser Arbeitszeit Vertretertätigkeit ausgeübt wird, darf das Tätigkeitsfeld während der zeitlich geringeren Restarbeitszeit im Innendienst für die Zuerkennung des Vertreterpauschales keine Rolle spielen. Sofern der unpräzis formulierten VO insofern ein anderer Inhalt unterstellt würde, als Wert auf eine konkrete Betätigung im Innendienst gelegt würde, deren Aufwendungen gerade nicht von ihr umfasst sind, wäre dies nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenates in Anlehnung an die Ausführungen im VwGH-Erk. vom 24.2.2005, 2003/15/0044, jedenfalls unsachlich."

Die dem Mitbeteiligten zugewiesenen Geschäftsführeragenden stünden mit einer Verkaufs- und Vertriebstätigkeit in engem Zusammenhang. Die Koordination des Einkaufs und des Vertriebs sowie das Marketing könne einer Vertretertätigkeit ebenso zugeordnet werden, wie die Beschaffung, Logistik und der Versand. Gegen die Darstellung des Mitbeteiligten, dass die übrige - einer Vertretertätigkeit nicht zuordenbare - Tätigkeit zeitlich untergeordnet gewesen sei, habe das Finanzamt nichts Konkretes vorgebracht.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vom Finanzamt gemäß § 292 BAO erhobene Beschwerde. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und ebenso wie der Mitbeteiligte eine Gegenschrift erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Die Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für Werbungskosten von Angehörigen bestimmter Berufsgruppen vom 31. Oktober 2001, BGBl. II Nr. 382/2001, lautet auszugsweise:

"Auf Grund des § 17 Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes 1988, BGBl. Nr. 400/1988, wird verordnet:

§ 1. Für nachstehend genannte Gruppen von Steuerpflichtigen werden nach den jeweiligen Erfahrungen der Praxis anstelle des Werbungskostenpauschbetrages gemäß § 16 Abs. 3 EStG 1988 folgende Werbungskosten auf die Dauer des aufrechten Dienstverhältnisses festgelegt:

9. Vertreter

5 % der Bemessungsgrundlage, höchstens 2.190 EUR jährlich.

Der Arbeitnehmer muss ausschließlich Vertretertätigkeit ausüben. Zur Vertretertätigkeit gehört sowohl die Tätigkeit im Außendienst als auch die für konkrete Aufträge erforderliche Tätigkeit im Innendienst. Von der Gesamtarbeitszeit muss dabei mehr als die Hälfte im Außendienst verbracht werden."

Vertreter sind Personen, die im Außendienst zum Zwecke der Anbahnung und des Abschlusses von Geschäften und zur Kundenbetreuung tätig sind. Der Arbeitnehmer muss eine ausschließliche Vertretertätigkeit ausüben (vgl. Hofstätter/Reichel, EStG 1988, § 17 Tz 71),

Das beschwerdeführende Finanzamt bringt vor, im Beschwerdefall liege keine ausschließliche Vertretertätigkeit im Sinne der VO vor. Der Mitbeteiligte habe im Verwaltungsverfahren selbst erläutert, dass das Ausmaß seiner Vertretertätigkeit (nur) zwei Drittel seiner Arbeitszeit im Außendienst betragen habe. Damit sei offensichtlich, dass er die Voraussetzung der ausschließlichen Vertretertätigkeit nicht erfülle.

Im Erkenntnis vom 24. Februar 2005, 2003/15/0044, auf das die belangte Behörde ihre Entscheidung stützt, hat der Verwaltungsgerichtshof zum Tatbestandsmerkmal der ausschließlichen Vertretertätigkeit erkannt, dass die Ausübung einer "völlig untergeordneten anderen Tätigkeit" der Inanspruchnahme des Vertreterpauschales nicht entgegenstünde. Das genannte Erkenntnis betraf einen Vertreter, der zugleich auch handelsrechtlicher Geschäftsführer einer GmbH war, welche "nahezu nur aus dem Beschwerdeführer selbst bestanden" hat. Eine ähnliche "völlig untergeordnete Leitungstätigkeit" liegt im Beschwerdefall - der Mitbeteiligte ist Geschäftsführer für zwei Gesellschaften mit insgesamt 276 Dienstnehmern - nicht vor.

Der belangten Behörde kann aber auch nicht in der Ansicht gefolgt werden, dass "die vom zeitlichen Umfang her jedenfalls geringere Restarbeitszeit", in der der Mitbeteiligte seinen Geschäftsführeragenden nachkomme, von der VO ohnehin nicht erfasst sei. Bemessungsgrundlage für die Ermittlung der Pauschbeträge sind gemäß § 2 der VO die Bruttobezüge abzüglich der steuerfreien Bezüge, soweit diese nicht wie ein laufender Bezug nach dem Lohnsteuertarif zu versteuern sind. Die von der VO vorgenommene Pauschalierung knüpft daher - worauf das beschwerdeführende Finanzamt zu Recht hinweist - an die gesamten und nicht etwa nur an die auf die Vertretertätigkeit entfallenden Einnahmen an.

Soweit die belangte Behörde die Ansicht vertritt, die VO sei unpräzise formuliert und der Begriff des Vertreters deshalb "erweiterungsfähig", ist ihr zu entgegnen, dass die konstatierte Unbestimmtheit der VO Ergebnis ihrer Beurteilung ist, wonach der Begriff des Vertreters nicht "nach dem herkömmlichen Sprachgebrauch oder den Usancen des Wirtschaftslebens", sondern nach eigenen Kriterien auszulegen sei. Dass der Begriff des Vertreters nicht nach der Verkehrsauffassung auszulegen wäre, kann der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht entnommen werden. Vielmehr nimmt der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom 10. März 1981, 2885, 2994/80, auf die "Erfahrungen des täglichen Lebens" und die Verkehrsauffassung Bezug.

Schließlich beschreibt die VO auch jene Innendiensttätigkeiten, die "zur Vertretertätigkeit" gehören. Anders als die belangte Behörde meint, fallen allgemeine Aufgaben der Geschäftsführung nicht unter die "für konkrete Aufträge" erforderliche Tätigkeit im Innendienst. Indem die belangte Behörde auch Angelegenheiten der Geschäftsführung in den Bereichen "Einkauf, Vertrieb, Marketing, Logistik, Versand" der Vertretertätigkeit zugeordnet hat, steht der angefochtene Bescheid somit gleichfalls nicht auf dem Boden der VO.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als inhaltlich rechtswidrig und war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 28. Juni 2012

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