Normen
DurchschnittssatzV Werbungskosten 2001 §1 Z9;
DurchschnittssatzV Werbungskosten 2001;
EStG 1988 §17 Abs6;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung für die Jahre 2007 bis 2009 beantragte der Mitbeteiligte die Zuerkennung des sogenannten "Vertreterpauschales" gemäß § 1 Z 9 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für Werbungskosten von Angehörigen bestimmter Berufsgruppen, BGBl. II Nr. 382/2001.
Das Finanzamt erließ zunächst erklärungsgemäße Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2007 bis 2009, in denen das geltend gemachte Pauschale in Höhe von jeweils 2.190 EUR berücksichtigt wurde. Im Zuge der Überprüfung der Anspruchsberechtigung des Werbungskostenpauschales im Rahmen einer nachträglichen Bescheidkontrolle forderte das Finanzamt den Mitbeteiligten auf, eine Bestätigung seines Arbeitgebers, der ITA GmbH, über die genaue Art der Beschäftigung im Außendienst sowie den zugrundeliegenden Dienstvertrag vorzulegen.
Im Ergebnis dieser Überprüfung hob das Finanzamt die Einkommensteuerbescheide der Jahre 2007 bis 2009 gemäß § 299 BAO auf und ersetzte sie durch Bescheide, in welchen dem Mitbeteiligten das "Vertreterpauschale" nicht mehr zuerkannt wurde. Begründend führte es aus, das Vertreterpauschale stehe gemäß § 17 EStG jenen Steuerpflichtigen zu, die ausschließlich eine Vertretertätigkeit ausüben und ständig damit betraut seien, Geschäfte anzubahnen und im Namen und für Rechnung ihres Arbeitgebers abzuschließen. Dies treffe auf den Mitbeteiligten laut dem im vorgelegten Dienstvertrag angegebenen Tätigkeitsbereich ("Kontakt- und Datenpflege, Betreuung des Kundenstammes, sowie Platzierung von Werbemitteln") nicht zu, weshalb die entsprechenden Werbungskosten zu Unrecht in Anspruch genommen worden seien.
Der Mitbeteiligte erhob Berufung gegen die Einkommensteuerbescheide der genannten Jahre. Darin führte er aus, Vertreter seien Personen, die regelmäßig im Außendienst zum Zweck der Anbahnung und des Abschlusses von Geschäften und zur Kundenbetreuung tätig seien. Diese Voraussetzungen erfülle der Mitbeteiligte. Dazu legte er eine Dienstbestätigung seines Arbeitgebers vor, wonach er für die Betreuung der Handelspartner aus dem Einzelhandelsbereich zuständig und mehr als die Hälfte seiner Arbeitszeit im Außendienst unterwegs gewesen sei. Zu seinen Hauptaufgaben habe neben der Betreuung der Handelspartner auch das Abschließen und Aktualisieren von Werbeplatzierungsvereinbarungen gezählt.
Das beschwerdeführende Finanzamt legte die Berufung ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung der belangten Behörde zur Entscheidung vor und führte im Vorlagebericht aus, es habe aufgrund der vorgelegten Unterlagen nicht zweifelsfrei festgestellt werden können, dass der Kundenverkehr im Außendienst in Form des Abschlusses von Kaufgeschäften im Namen und für Rechnung des Arbeitgebers im Vordergrund der Tätigkeit des Mitbeteiligten gestanden sei und der Innendienst die für konkrete Aufträge erforderliche Tätigkeit umfasst habe.
Die belangte Behörde gab der Berufung nach Durchführung ergänzender Erhebungen Folge. Begründend wird im angefochtenen Bescheid ausgeführt, laut Aussage des Zeugen G, eines Mitarbeiters der ITA GmbH, habe 80% der Gesamttätigkeit des Mitbeteiligten in Zusammenhang mit der Anbahnung und dem Abschließen von Werbeplatzierungsvereinbarungen gestanden. Dabei handle es sich unzweifelhaft um eine Vertretertätigkeit. Geschäftsgegenstand sei die Anmietung von Geschäftsflächen gewesen, die der Anbringung von Werbeträgern dienen sollten, welche vor dem Hintergrund der klaren und eindeutigen Intention der ITA GmbH erfolgt sei, ihre Produkte kundennah zu bewerben und so ihre Umsätze zu erhöhen. Zwar seien keine Kaufgeschäfte iSd §§ 1053 ff ABGB angebahnt und abgeschlossen worden, wohl aber zweiseitig verbindliche Rechtsgeschäfte, welche für die ITA GmbH Voraussetzung für die Verwirklichung ihrer Werbestrategie und damit ihrer Absatzförderung gewesen seien. Das zweite Haupttätigkeitsfeld des Mitbeteiligten, die (Neu‑)Distribution von Tabakprodukten, enthalte ebenfalls typische Elemente einer Vertretertätigkeit, wenngleich hierbei die Kundenbetreuung durch individuelle Beratung vordergründig gewesen sei. Das Präsentieren und Anbieten neuer Produkte und die Entgegennahme diesbezüglicher Bestellungen im Rahmen von Verkaufsrunden stelle nach Ansicht der belangten Behörde eine vertretertypische Tätigkeit dar.
In Ansehung dieser Umstände belaufe sich der Anteil der vom Mitbeteiligten ausgeübten Vertretertätigkeit wohl auf über 80% seiner Gesamttätigkeit. Dies reiche aus, um die Tätigkeit des Mitbeteiligten unter das Berufsbild "Vertreter" zu subsumieren.
Des Weiteren habe die belangte Behörde geprüft, ob die vom Mitbeteiligten getragenen Aufwendungen ausreichen, um einen Anspruch auf Zuerkennung des Vertreterpauschales zu begründen. Im gegenständlichen Fall seien dem Mitbeteiligten laut Aussage des Zeugen nahezu alle Aufwendungen ersetzt worden, die im Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit angefallen seien. Es gebe jedoch einzelne Positionen, wie Strom- und Internetkosten, die wirtschaftlich nicht vom Dienstgeber getragen worden seien. Gemäß der Diktion des § 1 der gegenständlichen Verordnung werde für Steuerpflichtige, deren Tätigkeit unter jene in der Verordnung taxativ geregelten Berufsgruppen falle, anstelle des Werbungskostenpauschbetrages nach § 16 Abs. 3 EStG 1988 ein Berufsgruppenpauschale als pauschalierte Werbungskosten festgelegt. Voraussetzung dafür sei lediglich, dass Werbungskosten dem Grunde nach anfielen, aber nicht, dass die im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit anlaufenden Aufwendungen einen gewissen Betrag überstiegen.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die Amtsbeschwerde. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift. Der Mitbeteiligte beteiligte sich nicht am verwaltungsgerichtlichen Verfahren.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für Werbungskosten von Angehörigen bestimmter Berufsgruppen, BGBl. II Nr. 382/2001, lautet auszugsweise:
"Auf Grund des § 17 Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes 1988, BGBl. Nr. 400/1988, wird verordnet:
§ 1. Für nachstehend genannte Gruppen von Steuerpflichtigen werden nach den jeweiligen Erfahrungen der Praxis anstelle des Werbungskostenpauschbetrages gemäß § 16 Abs. 3 EStG 1988 folgende Werbungskosten auf die Dauer des aufrechten Dienstverhältnisses festgelegt:
...
9. Vertreter
5% der Bemessungsgrundlage, höchstens 2.190 Euro jährlich. Der Arbeitnehmer muss ausschließlich Vertretertätigkeit ausüben. Zur Vertretertätigkeit gehört sowohl die Tätigkeit im Außendienst als auch die für konkrete Aufträge erforderliche Tätigkeit im Innendienst. Von der Gesamtarbeitszeit muss dabei mehr als die Hälfte im Außendienst verbracht werden.
...
§ 4. Kostenersätze gemäß § 26 EStG 1988 kürzen die
jeweiligen Pauschalbeträge, ausgenommen jene nach § 1 Z 9
(Vertreter).
..."
Das beschwerdeführende Finanzamt rügt, die belangte Behörde sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Mitbeteiligte eine Vertretertätigkeit ausgeübt habe.
Eine nähere Definition des Vertreterbegriffs ist der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für Werbungskosten von Angehörigen bestimmter Berufsgruppen, BGBl. II Nr. 382/2001, nicht zu entnehmen, sodass nach der ständigen Rechtsprechung auf die Erfahrungen des täglichen Lebens und die Verkehrsauffassung abzustellen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2013, 2009/13/0261). Danach sind Vertreter Personen, die im Außendienst zum Zwecke der Anbahnung und des Abschlusses von Geschäften und zur Kundenbetreuung tätig sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2012, 2008/15/0231).
Der Vertreter muss eine ausschließliche Vertretertätigkeit ausüben. Eine völlig untergeordnete andere Tätigkeit steht der Inanspruchnahme des Vertreterpauschales allerdings nicht entgegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 2005, 2003/15/0044).
Wenn das beschwerdeführende Finanzamt vorbringt, in der von der ITA GmbH vorgelegten Stellenbeschreibung für die Position "Bezirksleiter Einzelhandel" seien die beiden unbestritten als Vertretertätigkeit einzustufenden Tätigkeiten - das Abschließen von Werbeplatzierungsvereinbarungen und der Direktverkauf von Tabakprodukten - lediglich zwei von insgesamt über zwanzig angeführten Tätigkeiten, ist ihm zum einen entgegenzuhalten, dass dieser Auflistung keine Gewichtung der einzelnen Tätigkeiten entnommen werden kann. Zum anderen stellen viele der dort angeführten Tätigkeiten (Bearbeitung der elektronischen Post, Pflege der Kundestammdaten, Vertretung anderer Außendienstmitarbeiter,...) wohl Hilfstätigkeiten der Vertretertätigkeiten dar. Da sich das Aufgabengebiet des "Bezirksleiters" in den letzten Jahren laut Aussage des Zeugen G stark verändert hat, ist zudem fraglich, inwieweit eine im Jahr 2011 aktualisierte Stellenbeschreibung zur Beurteilung der Tätigkeit des Mitbeteiligten in den Streitjahren 2007 bis 2009 herangezogen werden kann.
Das beschwerdeführende Finanzamt bringt weiters vor, seinen Berechnungen zufolge sei aufgrund der (langen) Laufzeit der Werbeplatzierungsvereinbarungen durchschnittlich nur bei einem von sechs Kundenbesuchen ein solcher Vertrag abgeschlossen worden, sodass die restlichen Termine für den Mitbeteiligten keine Vertretertätigkeit dargestellt hätten.
Eine Außendiensttätigkeit, deren vorrangiges Ziel nicht die Herbeiführung von Geschäftsabschlüssen ist, zählt grundsätzlich nicht als Vertretertätigkeit (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2013, 2009/13/0261, sowie Hofstätter/Reichel, EStG 1988, § 17 Tz 71).
Die belangte Behörde konnte aufgrund der Zeugenaussagen annehmen, dass die Kundenbesuche - neben dem Abschluss der genannten Werbeplatzierungsvereinbarungen - zugleich der Präsentation und dem Direktverkauf neuer Tabakprodukte dienten. Auch wenn bei diesen Gesprächen die individuelle Beratung durch Kundenbetreuung im Vordergrund gestanden haben mag, so sind doch auch diese Kundentermine zumindest mittelbar auf den Abschluss von Geschäftsabschlüssen zwischen der ITA GmbH und ihren Kunden gerichtet oder dienten zumindest deren Anbahnung. Die Kundenbesuche, die nicht direkt auf den Abschluss einer Werbeplatzierungsvereinbarung gerichtet waren, durfte die belangte Behörde somit ebenfalls als Vertretertätigkeit qualifizieren.
Die belangte Behörde konnte sich weiters auf die Aussage des Zeugen G stützen, wonach alleine das Abschließen von Werbeplatzierungsvereinbarungen rund 80% der Gesamttätigkeit des Mitbeteiligten in den Jahren 2007 bis 2009 ausmachte. Unter Berücksichtigung der übrigen, der Präsentation neuer Produkte dienenden, Kundenbesuche als weitere Vertretertätigkeit, zeigt das beschwerdeführende Finanzamt insgesamt nicht auf, dass allfällige andere Tätigkeiten des Mitbeteiligten im Beschwerdefall ein für die Inanspruchnahme des Vertreterpauschales schädliches Ausmaß angenommen hätten.
Das beschwerdeführende Finanzamt moniert weiters, der Mitbeteiligte habe überhaupt keine Werbungskosten nachgewiesen, die er selbst wirtschaftlich zu tragen gehabt habe. Bei den glaubhaft gemachten Aufwendungen für Strom und Internet habe es sich lediglich um grobe Schätzwerte gehandelt.
Mit der Verordnung BGBl. II Nr. 382/2001 werden Durchschnittssätze für Werbungskosten für bestimmte Gruppen von Steuerpflichtigen nach den jeweiligen Erfahrungen der Praxis festgelegt. Die Verordnung geht also davon aus, dass die Tätigkeiten von bestimmten Gruppen von Steuerpflichtigen mit einem bestimmten Ausmaß von Werbungskosten verbunden sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 2005, 2003/15/0044). Es liegt im Wesen der Pauschalierung, zum Zweck der Vereinfachung der Steuererhebung nicht auf die Verhältnisse des Einzelfalls abzustellen, sodass die in der Verordnung vorgesehenen Durchschnittssätze für Werbungskosten auch dann zur Anwendung kommen, wenn der Einzelfall dem vom Gesetzgeber angedachten idealtypischen Anwendungsfall nicht völlig entsprechen sollte.
Im Beschwerdefall hat der Mitbeteiligte den Anfall beruflich veranlasster Aufwendungen, die nicht vom Arbeitgeber ersetzt wurden, durch eine formlose Kostenaufstellung der belangten Behörde glaubhaft gemacht. Weiters ist unbestritten, dass dem Mitbeteiligten typischerweise mit einer Vertretertätigkeit verbundene Aufwendungen erwachsen sind (insbesondere Reisekosten), welche aber überwiegend von seinem Dienstgeber getragen wurden. Dass dieser Umstand der Zuerkennung der Vertreterpauschale nicht schadet, ergibt sich bereits aus der ausdrücklichen Bestimmung des § 4 der genannten Verordnung, demgemäß Kostenersätze gemäß § 26 EStG 1988 die Pauschbeträge für Vertreter nicht kürzen.
Aus den dargelegten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am 30. September 2015
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