VwGH Ra 2015/09/0139

VwGHRa 2015/09/013930.3.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Höhl, über die außerordentliche Revision des Mag. Dr. XY in Z, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs Kai 5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 1. Oktober 2015, Zl. LVwG-AB-14-4251, betreffend Disziplinarstrafe der Entlassung nach der Dienstpragmatik der Landesbeamten 1972 (vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde:

Disziplinarkommission beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung, weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §7 Abs1 Z3;
AVG §7 Abs1 Z4;
EMRK Art6 Abs1;
EMRK Art6;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §27;
VwGVG 2014 §6;
VwGVG 2014 §9 Abs1 Z3;
AVG §7 Abs1 Z3;
AVG §7 Abs1 Z4;
EMRK Art6 Abs1;
EMRK Art6;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §27;
VwGVG 2014 §6;
VwGVG 2014 §9 Abs1 Z3;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Revisionswerber hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der im Jahr 1965 geborene Revisionswerber stand bis zu seiner mit dem angefochtenen Erkenntnis ausgesprochenen Entlassung als Beamter der Landesbuchhaltung der Verwendungsgruppe B in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Niederösterreich.

2 Mit Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung vom 16. Oktober 2014 wurde der Revisionswerber nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung für schuldig erkannt, eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 26 Abs. 1 erster Satz der Niederösterreichischen Dienstpragmatik für Landesbeamte 1972 (DPL 1972) in Verbindung mit § 31 Abs. 2 DPL 1972 dadurch begangen zu haben, dass er infolge der Verweigerung der zumutbaren Mitwirkung an einer von der Dienstbehörde mit Weisung vom 27. Dezember 2010 angeordneten testpsychologischen Untersuchung bei Frau Mag. ES (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof), indem er sich innerhalb des Zeitraumes vom 10. Jänner 2011 bis 7. Juni 2011 dieser Untersuchung nicht unterzog, wobei diese testpsychologische Untersuchung einen unbedingt erforderlichen Teil einer für die Erstellung des endgültigen fachärztlichen Gutachtens durch Frau Dr. SF bildete, in der Zeit vom 11. Jänner 2011 bis zum 7. Juni 2011 ungerechtfertigt vom Dienst abwesend war.

3 Über den Revisionswerber wurde gemäß § 95 DPL in Verbindung mit § 174 Abs. 1 Z. 3 des Niederösterreichischen Landesbeamtengesetzes (LBG) wegen dieser Dienstpflichtverletzung als Disziplinarstrafe eine Geldstrafe in der Höhe von fünf Dienstbezügen, nämlich von EUR 11.040,90 verhängt. Gemäß § 95 DPL in Verbindung mit § 208 Abs. 1 und 2 NÖ LBG wurde die Abstattung der Disziplinarstrafe in zwölf Monatsraten bewilligt. Dem Revisionswerber wurden gemäß § 95 DPL iVm § 199 Abs. 2 LBG die Kosten des Verfahrens im Ausmaß von 20 % des Dienstbezuges, nämlich EUR 441,64 auferlegt.

4 Gegen dieses Disziplinarerkenntnis erhoben sowohl der Revisionswerber als auch die Disziplinaranwältin beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung Beschwerde.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 1. Oktober 2015 wurde der Bescheid der Disziplinarkommission nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Stattgebung der Beschwerde der Disziplinaranwältin dahingehend abgeändert, dass anstelle der verhängten Geldstrafe die Disziplinarstrafe der Entlassung ausgesprochen wurde. Die Beschwerde des Revisionswerbers wurde als unbegründet abgewiesen. Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG als nicht zulässig erklärt.

6 Ebenso wie die Disziplinarkommission führte das Landesverwaltungsgericht aus, dass der Revisionswerber der Aufforderung der Dienstbehörde, sich einer testpsychologischen Untersuchung zu unterziehen, ungerechtfertigt nicht nachgekommen sei, dass die Untersuchung ihm sowohl objektiv als auch subjektiv zumutbar gewesen sei und er daher im Zeitraum vom 11. Jänner 2011 bis zum 7. Juni 2011 schuldhaft ungerechtfertigt vom Dienst abwesend gewesen sei.

7 Die Verhängung der Disziplinarstrafe der Entlassung begründete das Verwaltungsgericht zusammenfassend wie folgt:

"Zusammenfassung:

Durch die im Beschwerdeverfahren hervorgekommenen Beweise zur persönlichen Motivation des Beschuldigten einerseits und zu den für ihn erkennbaren Irrtümern der untersuchenden Ärzte über seine dienstliche Verwendung und damit auch über die Plausibilität der durch sie allfällig verursachten Depression andererseits hat der Beschuldigte eine Haltung zu erkennen gegeben, die untrennbar mit der von seiner akademischen Vorbildung abweichenden besoldungsrechtlichen Stellung und faktischen Verwendung zusammenhängt, die er nach Zusammenschau aller Verfahrensergebnisse für seine weitere berufliche Zukunft nicht akzeptieren will. Ob die dem rechtskundigen Beschuldigten bekanntermaßen mangels subjektiv-öffentlich-rechtlichen Anspruchs nicht erzwingbare Verwendung auf einem dem Dienstzweig 1 zugehörigen Dienstposten im Umwege eines ärztlichen ‚Therapievorschlages' erreichbar wäre, war im vorliegenden Fall nicht zu prüfen. Seinem nachgewiesenen Leidenszustand unter dieser fehlenden Durchsetzbarkeit kommt der Wert eines Schuldausschließungsgrundendes nicht zu. Die im Zuge des Beschwerdeverfahrens festgestellten Charaktereigenschaften des Beschuldigten decken sich mit der Beurteilung der Disziplinarkommission, der Disziplinaranwältin und des Gutachters der Firma R Management GmbH. Diese Tatsache lässt ungeachtet seiner unbestrittenen Unbescholtenheit allein aus spezialpräventiven Gründen einzig eine Entlassung als Disziplinarstrafe als ausreichend erscheinen, da jede geringere Strafe mit einem Verbleib im Landesdienst verbunden wäre und schon aus diesem Grund keine Änderung der Motivationslage des Beschuldigten - an welcher Dienststelle auch immer - erwarten lassen würde. Allein aus diesen spezialpräventiven Überlegungen ergibt sich die Notwendigkeit einer Entlassung. Dass diese auf Grund der - soweit überblickbar einzigartig - langen Dauer der somit auch schuldhaft verursachten ungerechtfertigten Dienstabwesenheit von ca. fünf Monaten auch generalpräventiv geboten wäre, hat aufgrund der Anhängigkeit des Disziplinarverfahrens am 1. Jänner 2013 gemäß der Übergangsbestimmung des Art. II Z. 4 zu der erst mit diesem Tag in Kraft getretenen 14. Novelle zum NÖ LGB, LGBl. 2100-14, außer Betracht zu bleiben.

Somit ist der Beschwerde der Disziplinaranwältin Folge zu geben und jener des Beschuldigten der Erfolg zu versagen."

8 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Der Verwaltungsgerichtshof hat das Vorverfahren eingeleitet und die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde sowie die Niederösterreichische Landesregierung haben Revisionsbeantwortungen erstattet.

9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 nicht gebunden; er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3) zu überprüfen.

12 Die vorliegende Revision hängt im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht von der Lösung einer Rechtsfrage ab, der grundsätzliche Bedeutung zukäme:

13 Die Revision enthält zu ihrer Zulässigkeit das Vorbringen, das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts sei im Hinblick darauf rechtswidrig, weil der Vorsitzende des Verwaltungsgerichts befangen gewesen sei und sich der Ausübung seines Amtes hätte enthalten müssen. Die Begründung des Erkenntnisses sei sehr einseitig und denunzierend. Die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht sei darauf hinausgelaufen, dass der vorsitzende Richter vom Sachverständigen dargelegt habe wollen, dass der Revisionswerber Sachverständige getäuscht und Gutachten erschlichen hätte. Fragen seines Verteidigers habe der Vorsitzende nicht zugelassen. Weiters habe der Vorsitzende in einem Parallelverfahren vor der mündlichen Verhandlung telefonische Erkundigungen angestellt und gegenüber einer Zeugin erklärt, dass ein Umstand "ohnedies schon jetzt ohne Zweifel feststehe".

14 Zwar trifft es zu, dass die Mitwirkung eines befangenen Richters eines Verwaltungsgerichts bei der Entscheidung die Rechtswidrigkeit des Erkenntnisses zur Folge hätte, und zwar ungeachtet davon, ob die Befangenheit für das Ergebnis des Verfahrens von Relevanz gewesen wäre (vgl. das hg. Erkenntnisse vom 24. April 2014, 2013/09/0049, und vom 18. Februar 2015, Ra 2014/03/0057).

15 Jedoch zeigt der Revisionswerber die Zulässigkeit der Revision nicht auf, weil es sich dabei, soweit er sich gegen das Verhalten des Vorsitzenden des Verwaltungsgerichts in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht wendet, um unsubstanziierte und durch keine Beweisanbote untermauerte Behauptungen handelt, die auch nach dem Protokoll der mündlichen Verhandlung, das von der Rechtsvertreterin des Revisionswerbers unterfertigt und gegen welches vom Revisionswerber kein Einwand erhoben wurde, nicht nachvollzogen werden können.

16 Soweit der Revisionswerber den Vorsitzenden des Verwaltungsgerichts deswegen für befangen hält, weil die Begründung des Erkenntnisses einseitig und denunzierend sei, zeigt er im Hinblick auf eine Befangenheit schon deswegen keinen Zulässigkeitsgrund auf, weil es sich dabei um einen inhaltlichen Einwand gegen das Erkenntnis handelt, den der Revisionswerber ohnehin insbesondere als Begründungsmangel gegen das angefochtene Erkenntnis geltend machen kann.

17 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 20. Mai 2015, Ro 2014/09/0053, im Zusammenhang mit einem Disziplinarverfahren darauf hingewiesen, dass der Befangenheitsgrund des § 7 Abs. 1 Z 4 AVG, wonach sich Verwaltungsorgane der Ausübung ihres Amtes zu enthalten haben, wenn "sonstige wichtige Gründe vorliegen, die geeignet sind, ihre volle Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen", im Lichte des Art. 6 Abs. 1 EMRK auszulegen und anzuwenden ist, und dass für die Beurteilung, ob eine Befangenheit in diesem Sinne vorliegt, maßgebend ist, ob ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller konkreten Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Organwalters zu zweifeln (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. März 2012, 2009/10/0167). Im Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK ist die Befangenheit eines Mitglieds eines Tribunals in verfassungskonformer Weise dann anzunehmen, wenn einem Organwalter auch nur der äußere Anschein der Unparteilichkeit mangelt (Hengstschläger/Leeb, AVG, 1. Teilband 2004 RZ 14 zu § 7 AVG, vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. April 2014, Zl. 2013/09/0049, und zB das Urteil des EGMR vom 15. Dezember 2005, Kyprianou, Zl. 73797/01, par. 118 ff). Solche Gründe hat der Revisionswerber nicht ausreichend dargetan.

18 Soweit der Revisionswerber nämlich meint, der Vorsitzende habe bereits in einem anderen Verfahren eine vorgefasste Meinung in einem Rechtsfall des Revisionswerbers zum Ausdruck gebracht, zeigt er die Zulässigkeit der Revision im Hinblick auf die behauptete Befangenheit des Vorsitzenden nicht auf, weil diese behauptete Voreingenommenheit ein Beweisthema in einem anderen Verfahren betreffend ein Verhalten des Revisionswerbers im Jahr 2014 und nicht den Gegenstand des vorliegenden Disziplinarverfahrens betraf (vgl. zur Betrachtung der Befangenheit im Zusammenhang mit einem bestimmten Verfahrensgegenstand das hg Erkenntnis vom 20. Mai 2015, Ro 2014/09/0053).

19 Mit dem Vorbringen, das Verwaltungsgericht wäre hinsichtlich der Erhöhung der Strafe an die in der Beschwerde der Disziplinaranwältin geltend gemachten Gründe gebunden gewesen, zeigt der Revisionswerber nicht die Zulässigkeit der Revision auf, weil eine Bindung des Verwaltungsgerichts gemäß § 27 VwGVG an die Beschwerdegründe nicht anzunehmen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 9. September 2015, Ro 2015/03/0032, und vom 27. Jänner 2016, Ra 2014/10/0003).

20 Im Übrigen kann nicht erkannt werden, das Verwaltungsgericht hätte angesichts der von ihm herangezogenen Sachverhaltselemente durch die Verhängung der Disziplinarstrafe der Entlassung bei Anwendung der Strafbemessungsregel des § 175 Abs. 1 des niederösterreichischen Landes-Bedienstetengesetzes sein Ermessen offensichtlich missbraucht.

21 Auch im Übrigen zeigt der Revisionswerber ein Abweichen des angefochtenen Erkenntnisses von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und damit die Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht auf.

22 Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 30. März 2016

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