Normen
AVG §7 Abs1 Z4;
AVG §7 Abs1 Z4;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Österreichischen Apothekerkammer Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Disziplinarberufungssenates der Österreichischen Apothekerkammer beim Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend wurde der Beschwerdeführer Disziplinarvergehen nach § 39 Abs. 2 Z. 1 und 2 Apothekerkammergesetz 2001 (AKG) schuldig erkannt, wobei über ihn gemäß § 41 Abs. 1 Z. 5 AKG die Disziplinarstrafe der Entziehung des Rechtes zur Leitung einer Apotheke für die Dauer von zwei Jahren verhängt wurde; diese Disziplinarstrafe wurde nach § 41 Abs. 3 AKG bedingt unter Festsetzung einer Bewährungsfrist von drei Jahren verhängt.
Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen zugrunde, der Beschwerdeführer habe (Punkt 1.) gegen die Bestimmung des § 8 Abs. 3 Apothekengesetz (ApG), wonach in Orten mit nur einer öffentlichen Apotheke der Apothekenleiter oder ein anderer vertretungsberechtigter Apotheker auch außerhalb der festgesetzten Betriebszeiten rasch erreichbar zu sein habe, verstoßen, indem er am 30. Jänner 2002 in der Zeit nach etwa
22.40 Uhr für C.K. nicht erreichbar gewesen sei; weiters habe er (Punkt 2.) am 23. Dezember 2006 für die Einhaltung des § 8 Abs. 5 ApG, wonach der Apothekenleiter oder ein anderer Apotheker während des Bereitschaftsdienstes anwesend sein müsse, nicht gesorgt, sodass G.I. ohne ein dringend benötigtes Medikament zurückfahren habe müssen; schließlich habe sich der Beschwerdeführer (Punkt 3.) bei mehreren Gelegenheiten gegenüber Kunden unhöflich bzw. beleidigend verhalten, indem er
- J.G., der in der Apotheke Medikamente habe kaufen wollen, am 30. Jänner 2002 zunächst vertrösten habe wollen und diesem dann sinngemäß die Frage gestellt habe, warum die Patienten alle am Wochenende krank würden,
- am 27. Dezember 2006 G.I. gefragt habe, warum sie immer in der Nacht läute, und
- am 20. Jänner 2007 die Kundin C.B. als "asozial" bezeichnet habe.
Der Beschwerdeführer habe durch die zu den Punkten 1. und 2. angeführten Verhaltensweisen Berufspflichten verletzt, zu deren Einhaltung er nach den angeführten Vorschriften verpflichtet gewesen sei, und durch sein zu Punkt 3. angeführtes Verhalten gegenüber Kunden das Ansehen der Apothekerschaft beeinträchtigt.
Der Beschwerdeführer sei bereits mit Disziplinarerkenntnis vom 21. Jänner 2004, Zl. D 5/2000, wegen Nichteinhaltung der Bestimmung des § 8 Abs. 5 ApG sowie unsachlichen bzw. beleidigenden Verhaltens gegenüber Kunden in mehreren Fällen nach § 39 Abs. 1 Z. 1 und 2 AKG für schuldig befunden worden, wobei über ihn eine Geldstrafe verhängt worden sei. (Eine gegen den diesbezüglichen Berufungsbescheid gerichtete Beschwerde wurde mit hg. Erkenntnis vom 13. Mai 2011, Zl. 2007/10/0032, als unbegründet abgewiesen.)
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde mit Blick auf die vom Beschwerdeführer gegen das Disziplinarerkenntnis erster Instanz erhobene Berufung - soweit für das verwaltungsgerichtliche Verfahren wesentlich - aus, im erstinstanzlichen Verfahren seien zwei Beweisanträge des Beschwerdeführers zu Recht abgewiesen worden, weil die diesen zugrunde liegenden Ausführungen nichts an den gesetzlichen Verpflichtungen nach § 8 Abs. 3 und 5 ApG änderten. Soweit der Beschwerdeführer in seiner Berufung erneut die Befangenheit von zwei Mitgliedern der Behörde erster Instanz mit der Begründung vorbringe, dass diese ihm gegenüber sehr unhöflich aufgetreten seien, werde damit eine tatsächliche Befangenheit nicht einmal behauptet.
Im Übrigen führte die belangte Behörde aus, die Taten des Beschwerdeführers bedeuteten einen "so starken Verstoß gegen standesrechtliche Vorschriften", dass die im Spruch genannten Tatbestände erfüllt seien; es bestehe kein Anhaltspunkt für das Vorliegen des Strafaufhebungsgrundes nach § 39 Abs. 5 AKG. Bei der Strafbemessung sei insbesondere hervorzuheben, dass der Beschwerdeführer auch nach der bereits erfolgten früheren Verurteilung und völlig ungeachtet derselben weiter delinquiert habe; das zuletzt gegen ihn geführte Disziplinarverfahren habe offensichtlich beim Beschwerdeführer überhaupt keinen Eindruck hinterlassen, weil er sein Verhalten in keiner Weise geändert habe. Da der Beschwerdeführer ohne entsprechende massive Maßnahme nicht bereit sei, sein nicht tolerierbares Verhalten zu ändern, sei die Verhängung einer entsprechend strengen Unrechtsfolge unerlässlich.
Dabei sei auch auf die generalpräventive Wirkung Rücksicht zu nehmen, weil eine milde Strafe beinahe einer Aufforderung an Berufskollegen des Beschwerdeführers gleichkäme, sich - ähnlich wie dieser - selber den gesetzlichen Verpflichtungen eines Apothekers wiederholt und massiv zu entziehen. Allerdings erscheine es vertretbar, die verhängte Strafe unter Setzung einer Bewährungsfrist bedingt nachzusehen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 16. Juni 2009, B 2080/08, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt. Der Beschwerdeführer hat auf die Gegenschrift repliziert.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die - gemäß § 58 Abs. 6 zweiter Satz AKG zulässige - Beschwerde erwogen:
Gemäß § 39 Abs. 1 AKG machen sich Apotheker eines Disziplinarvergehens schuldig, wenn sie (Z. 1) durch ihr Verhalten der Allgemeinheit, den Kunden oder den Kollegen gegenüber die Ehre oder das Ansehen der Apothekerschaft beeinträchtigen oder (Z. 2) Berufspflichten verletzen, zu deren Einhaltung sie nach diesem Bundesgesetz oder nach anderen Vorschriften verpflichtet sind.
Gemäß § 39 Abs. 4 AKG genügt, soweit in diesem Bundesgesetz nichts anderes bestimmt ist, für die Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten (§ 6 StGB).
Gemäß § 39 Abs. 5 AKG ist ein Disziplinarvergehen vom Disziplinarrat nicht zu verfolgen, wenn die Schuld des Apothekers gering ist und sein Verhalten keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat.
Gemäß § 41 Abs. 1 AKG sind Disziplinarstrafen (Z. 1) der schriftliche Verweis, (Z. 2) Geldstrafen bis zur Höhe des 15fachen Betrages der Gehaltskassenumlage, die für einen im Volldienst angestellten Apotheker aufgrund der Bestimmungen des Gehaltskassengesetzes jeweils zu leisten ist, (Z. 3) die zeitliche oder dauernde Entziehung des Rechtes auf Ausbildung von Aspiranten, (Z. 4) die zeitliche oder dauernde Entziehung des Wahlrechtes und der Wählbarkeit zur Apothekerkammer, (Z. 5) die zeitliche oder dauernde Entziehung des Rechtes zur Leitung einer Apotheke sowie (Z. 6) das Verbot der Ausübung des Apothekerberufes bis zur Dauer von drei Jahren.
Welche dieser Strafen zu verhängen ist, ist ebenso wie die Bemessung der Strafe gemäß § 41 Abs. 2 AKG insbesondere nach der Größe des Verschuldens und der daraus entstandenen oder drohenden Nachteile, vor allem auch für die Kunden und Patienten, sowie dem Ausmaß der Beeinträchtigung des Standesansehens zu beurteilen. Bei Bemessung der Geldstrafe ist auch auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschuldigten Bedacht zu nehmen. Die §§ 32 bis 34 StGB sind sinngemäß anzuwenden. Die Disziplinarstrafen können auch nebeneinander verhängt werden.
Disziplinarstrafen nach § 41 Abs. 1 Z. 2 bis 5 AKG können gemäß § 41 Abs. 3 AKG bedingt unter Festsetzung einer Bewährungsfrist von einem bis zu drei Jahren verhängt werden, wenn anzunehmen ist, dass ihre Androhung genügen werde, um den Beschuldigten von weiteren Disziplinarvergehen abzuhalten, und es nicht der Vollstreckung der Strafe bedarf, um der Begehung von Disziplinarvergehen durch andere Apotheker entgegenzuwirken.
Die Beschwerde bringt zunächst vor, der angefochtene Bescheid beschäftige sich "in keiner erkennbaren Weise" mit der Schuld des Beschwerdeführers; so suche man darin vergeblich Begriffe wie "Fahrlässigkeit" oder "Vorsatz".
Damit verkennt die Beschwerde allerdings, dass den oben wiedergegebenen Ausführungen der belangten Behörde - u.a. im Zusammenhang mit der Strafbemessung - gerade mit Blick auf die von der Beschwerde nicht bestrittene frühere Verurteilung des Beschwerdeführers aus 2004 wegen ähnlicher Verhaltensweisen wie den hier vorliegenden durchaus Ausführungen zu dessen Verschulden zu entnehmen sind. Für das Vorliegen der Disziplinarvergehen nach § 39 Abs. 1 AKG ist im Übrigen gemäß § 39 Abs. 4 AKG die Annahme von Vorsatz nicht erforderlich.
Soweit die Beschwerde erkennbar wiederum als Verfahrensmängel rügt, zwei Beweisanträgen des Beschwerdeführers sei nicht entsprochen worden, legt sie die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel nicht konkret dar. Das in diesem Zusammenhang in der Beschwerde erstattete Vorbringen, der Beschwerdeführer sei wegen der in der nach § 8 Abs. 5 ApG erlassenen Verordnung festgelegten Arbeitsbelastung dermaßen erschöpft gewesen, dass er das Läuten nicht gehört habe, und das Vorbringen in Bezug auf angeblich übliche Vereinbarungen zwischen Landapothekern und Ärzten können schon in Hinblick auf das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot (§ 41 Abs. 1 erster Satz VwGG) nicht Beachtung finden.
Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang sein Verschulden mit dem Hinweis auf eine mit der Einhaltung seiner Verpflichtungen nach § 8 Abs. 3 und 5 ApG verbundenen unzumutbaren Arbeitsbelastung oder aber unzumutbaren finanziellen Belastung zu bagatellisieren versucht, hat schon die belangte Behörde zutreffend ausgeführt, dass diese Argumente am Bestehen der genannten gesetzlichen Verpflichtungen nichts zu ändern vermögen. Darauf, ob es zahlreichen anderen Landapothekern gelingt, diese Pflichten einzuhalten oder nicht, kommt es daher nicht an.
Im Weiteren behauptet die Beschwerde wiederum eine Befangenheit von zwei Mitgliedern der Behörde erster Instanz, weil diese den Beschwerdeführer in dem vorangegangenen Disziplinarverfahren "nicht einmal gegrüßt" hätten. Zutreffend hat die belangte Behörde angesichts dieses dürftigen Vorbringens das Vorliegen einer (relativen) Befangenheit im Sinn des § 7 Abs. 1 Z. 4 AVG verneint, ist doch dafür maßgebend, ob ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller konkreten Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Organwalters zu zweifeln (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetz I2 § 7 AVG E 56, mwN). Die bloße Unhöflichkeit eines unterlassenen Grußes für sich alleine kann dafür nicht ausreichen.
Im Übrigen wäre allerdings nach der hg. Rechtsprechung selbst der durch die Mitwirkung eines befangenen Organwalters an der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides begründete Mangel durch die ausreichend begründete Sachentscheidung der - unbefangenen - Berufungsbehörde saniert (vgl. die Nachweise bei Hengstschläger/Leeb, AVG § 7 Rz 23).
Schließlich wendet sich die Beschwerde gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Strafbemessung, wobei sie im Wesentlichen ausführt, "bloße Unhöflichkeiten" gegenüber Kunden stellten keine schweren Berufspflichtenverletzungen dar, die den Entzug der Leiterbefugnis rechtfertigen könnten.
Mit diesem Vorbringen lässt allerdings die Beschwerde zum einen außer Acht, dass die mit dem angefochtenen Bescheid vorgenommene Bestrafung auch auf den oben unter den Punkten 1. und 2. festgestellten Verletzungen der Bestimmungen des § 8 Abs. 3 und 5 ApG beruhte. Zum anderen hat die belangte Behörde zur Begründung ihrer Strafzumessung zutreffend besonders auf den in der Beschwerde nicht bestrittenen Umstand hingewiesen, der Beschwerdeführer habe ungeachtet seiner ersten Verurteilung mit Disziplinarerkenntnis vom 21. Jänner 2004 wiederum ganz ähnliche Verstöße gesetzt. Gerade mit Blick darauf ist es vom Gerichtshof nicht zu beanstanden, wenn die belangte Behörde im vorliegenden Fall eine befristete Disziplinarstrafe nach § 41 Abs. 1 Z. 5 AKG verhängt hat; bei dieser Beurteilung ist auch die von der belangten Behörde ohnehin gewährte bedingte Strafnachsicht nach § 41 Abs. 3 AKG mit einzubeziehen.
Die sich somit insgesamt als unberechtigt erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 27. März 2012
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