VwGH Ra 2014/10/0003

VwGHRa 2014/10/000327.1.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Rigler und Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Revision der S GmbH in G, vertreten durch die Altenweisl Wallnöfer Watschinger Zimmermann Rechtsanwälte GmbH in 6020 Innsbruck, Fallmerayerstraße 8, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 17. Februar 2014, Zl. LVwG- 2014/26/0374-2, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Zustellung eines forstrechtlichen Bewilligungsbescheides (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Schwaz; mitbeteiligte Parteien: 1. J H und 2. J H, beide in G, beide vertreten durch Mag. Egon Stöger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Bürgerstraße 20), den Beschluss gefasst:

Normen

ABGB §472;
AVG §37;
AVG §41;
AVG §42 Abs1;
AVG §42;
AVG §45 Abs3;
AVG §8;
B-VG Art132 Abs1 Z1;
B-VG Art133 Abs4;
ForstG 1975 §17;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §27;
VwGVG 2014 §28;
VwGVG 2014 §9 Abs1 Z3;
VwGVG 2014 §9;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die revisionswerbende Partei hat den Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 4. Juni 2013 wurde der revisionswerbenden Partei (unter anderem) die forstrechtliche Bewilligung für das Projekt "Piste Vorkogel" nach Maßgabe der vorgelegten Projektunterlagen erteilt.

Mit Bescheid vom 14. Oktober 2013 wies die belangte Behörde - soweit für das vorliegende Revisionsverfahren von Interesse - einen Antrag der Mitbeteiligten auf Zustellung des Bewilligungsbescheides vom 4. Juni 2013 mangels Parteistellung der Mitbeteiligten zurück, weil die Mitbeteiligten zu einer Verhandlung am 8. Oktober 2012 entsprechend § 42 Abs. 1 AVG geladen worden seien und mangels rechtzeitig erhobener Einwendungen ihre Parteistellung verloren hätten.

In der dagegen erhobenen Berufung vom 30. Oktober 2013 wandten sich die Mitbeteiligten gegen die von der belangten Behörde angenommene Präklusion und brachten dazu im Wesentlichen vor, sie wären zu der für den 8. Oktober 2012 anberaumten Verhandlung persönlich zu laden gewesen. Soweit sich die belangte Behörde in ihrem Bescheid auf eine doppelte Kundmachung, nämlich zum einen durch Anschlag an der Amtstafel der Gemeinde sowie zum anderen durch Veröffentlichung auf der Homepage der belangten Behörde stütze, werde dadurch den Anforderungen des § 42 Abs. 1 AVG nicht entsprochen, weil die Kundmachung der Verhandlung im Internet im vorliegenden Fall jedenfalls keine geeignete Form der Kundmachung darstelle. Der Verwaltungsgerichtshof habe nämlich ausgesprochen, dass es zur Kundmachung einer mündlichen Verhandlung im Internet maßgeblich sei, ob der Kreis der Beteiligten "vernetzt" sei, d.h. einen permanenten Internetzugang habe, und man davon ausgehen könne, dass die Betroffenen über dieses Medium von der Anberaumung der mündlichen Verhandlung voraussichtlich Kenntnis erlangten; dieses voraussichtliche Kenntniserlangen über das Internet sei auch immer nur dann zu bejahen, wenn diese mögliche Form der Kundmachung entsprechend allgemein bekannt geworden sei (Hinweis auf das Erkenntnis vom 9. November 2011, Zl. 2010/06/0131). Diese Voraussetzungen lägen bei den Mitbeteiligten, die als Landwirte nicht von Berufs wegen mit Computertechnik und Internet arbeiteten, nicht vor.

Die Berufung mündet in den Antrag, dem Antrag der Mitbeteiligten auf Bescheidzustellung unter Einräumung der Parteistellung möge stattgegeben werden.

Mit dem mit der vorliegenden außerordentlichen Revision angefochtenen Erkenntnis vom 17. Februar 2014 gab das Landesverwaltungsgericht Tirol der nunmehr als Beschwerde zu wertenden Berufung der Mitbeteiligten statt und behob den Bescheid der belangten Behörde in dem wiedergegebenen Umfang.

Dies begründete das Verwaltungsgericht im Wesentlichen damit, dass es nach der Verhandlung am 8. Oktober 2012 zu einer Projektänderung gekommen sei, welche den Verlust der Parteistellung der Mitbeteiligten wegen nicht rechtzeitig erhobener Einwendungen nach § 42 Abs. 1 und 2 AVG jedenfalls verhindere (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 21. November 2002, Zl. 2000/06/0192). Eine derartige Projektänderung sei im vorliegenden Fall eingetreten, weil die revisionswerbende Partei - infolge einer vom Amtssachverständigen für Forstwesen bei der Verhandlung am 8. Oktober 2012 abgegebenen Stellungnahme - mit Eingabe vom 11. Oktober 2012 die Rodungsunterlagen ausgetauscht und nunmehr statt wie ursprünglich vorübergehende Rodungen im Ausmaß von 5.451 m2 solche Rodungen im Ausmaß von 9.187 m2 sowie statt dauernden Rodungen im Ausmaß von 23.457 m2 nunmehr solche Rodungen im Ausmaß von 19.910 m2 beantragt habe. Damit sei auch die Gesamtrodungsfläche von 28.908 m2 auf 29.097 m2 geändert worden.

Mangels Verlust der Parteistellung der Mitbeteiligten durch Präklusion sei daher der Bescheid der belangten Behörde, mit dem diesen die Zustellung des forstrechtlichen Bewilligungsbescheides verwehrt worden sei, aufzuheben.

Das Absehen von der Durchführung einer Verhandlung begründete das Verwaltungsgericht damit, dass bereits aufgrund der Aktenlage feststehe, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben sei (§ 24 Abs. 2 Z. 1 zweiter Fall VwGVG), weil die von der revisionswerbenden Partei vorgenommene Projektänderung aktenkundig sei. Zudem lasse die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten (§ 24 Abs. 4 VwGVG). Auch stünden weder Art. 6 Abs. 1 MRK noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union einem Entfall der Verhandlung entgegen, weil mit dem vorliegenden Erkenntnis lediglich über die Frage der Parteistellung der Mitbeteiligten entschieden werde (nicht jedoch über eine allfällige Aufhebung der erteilten Rodungsbewilligung).

Die ordentliche Revision ließ das Verwaltungsgericht nicht zu, weil die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht vorlägen. Der Verwaltungsgerichtshof habe sich schon in mehreren Erkenntnissen mit den Voraussetzungen der Präklusion der Parteistellung nach §§ 4142 AVG auseinandergesetzt. Von dieser Judikatur weiche die vorliegende Entscheidung nicht ab.

2. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

3. Mit den Zulassungsausführungen der vorliegenden außerordentlichen Revision wird eine Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht dargetan:

3.1. Darin wird zunächst ausgeführt, das Verwaltungsgericht habe mit Blick auf § 27 iVm § 9 Abs. 1 Z. 3 und 4 VwGVG seine Kognitionsbefugnis überschritten, weil sich das Vorbringen in der Beschwerde der Mitbeteiligten ausschließlich auf die Ladungs- bzw. Kundmachungserfordernisse beziehe, die nach Auffassung der Mitbeteiligten nicht erfüllt seien, und darin von mangelnden Präklusionsfolgen aufgrund einer Projektänderung überhaupt keine Rede sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat allerdings mittlerweile zu § 27 VwGVG klargestellt, dass eine Auslegung dieser Bestimmung dahingehend, dass die Prüfbefugnis der Verwaltungsgerichte jedenfalls stark eingeschränkt zu verstehen wäre, unzutreffend ist. Von einem Beschwerdeführer kann nicht erwartet werden, dass er in seiner Beschwerde sämtliche rechtlichen Angriffspunkte aufzeigt. Ebenso wenig kann davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber den Prüfungsumfang ausschließlich an das Vorbringen des Beschwerdeführers binden wollte. Die Prüfungsbefugnis der Verwaltungsgerichte ist aber keine unbegrenzte. Der äußerste Rahmen für die Prüfbefugnis ist die "Sache" des bekämpften Bescheides. Innerhalb des so eingeschränkten Prüfungsumfanges findet noch einmal eine weitere Beschränkung insofern statt, als Parteibeschwerden im Sinn des Art. 132 Abs. 1 Z. 1 B-VG nur insoweit zu prüfen sind, als die Frage einer Verletzung von subjektiv-öffentlichen Rechten Gegenstand ist (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 17. Dezember 2014, Ro 2014/03/0066, sowie vom 26. März 2015, Ra 2014/07/0077, mwN).

Infolge dessen hat das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis seine Kognitionsbefugnis nach § 27 VwGVG nicht überschritten, weil sich seine Entscheidung innerhalb des nach der hg. Rechtsprechung gesteckten Rahmens der "Sache" des bekämpften Bescheides, nämlich der Frage, ob die Mitbeteiligten im Verfahren präkludiert waren, bewegt und das Verwaltungsgericht aufgrund der in der Beschwerde geltend gemachten Verletzung von subjektiv-öffentlichen Rechten der Mitbeteiligten befugt war, auch Rechtswidrigkeitsgründe aufzugreifen, die in der Beschwerde nicht vorgebracht wurden.

Mit dem wiedergegebenen Zulassungsvorbringen wird somit zum insofern maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes keine Rechtsfrage (mehr) aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 17. Dezember 2015, Zl. Ra 2014/07/0032, mwN).

3.2. Soweit sich die Zulassungsausführungen im Weiteren gegen die mangelnde Einräumung von Parteiengehör zu der Annahme einer Projektänderung und gegen das Unterbleiben einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht wenden, wird dabei die Relevanz des damit behaupteten Verfahrensmangels nicht konkret ausgeführt (vgl. etwa die hg. Beschlüsse vom 9. Oktober 2014, Zl. Ra 2014/18/0036 bis 0039, sowie vom 11. August 2015, Zl. Ra 2015/10/0077):

In diesem Zusammenhang bringt die revisionswerbende Partei nämlich selbst vor, durch die vorgenommene Projektänderung komme es zu einer Ausweitung der Rodungsfläche um 189 m2. Selbst bei Zugrundelegung des Revisionsvorbringens kann somit nicht gesagt werden, eine Berührung der subjektiv-öffentlichen Rechte der Mitbeteiligten - welche unstrittig Servitutsberechtigte an der zur Rodung beantragten Waldfläche sind - sei "von vornherein ausgeschlossen" (vgl. dazu das von der Revision hervorgehobene hg. Erkenntnis vom 23. November 2009, Zl. 2008/05/0111, mwN; vgl. weiters Hengstschläger/Leeb, AVG2 Rz 15 ff zu § 42).

Im Übrigen war die Tatsache der Projektänderung der revisionswerbenden Partei als der Projektwerberin naturgemäß bekannt; auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstreckt sich das einzuräumende Parteiengehör - wie der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat - nur auf die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts, nicht aber auf die von der Behörde vorzunehmende rechtliche Beurteilung (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis zur Zl. Ro 2014/03/0066, mwN).

4. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Ein Streitgenossenzuschlag ist danach allerdings nicht vorgesehen, die Umsatzsteuer wiederum im Pauschalbetrag nach § 1 Z. 3 lit. a VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 bereits enthalten, weshalb das diesen Pauschalbetrag übersteigende Mehrbegehren abzuweisen war.

Wien, am 27. Jänner 2016

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