VwGH Ra 2015/06/0125

VwGHRa 2015/06/012528.2.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Dr. Bayjones und Mag. Rehak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber, über die Revision der Gemeinde Goldegg, vertreten durch Dr. Gerhard Lebitsch, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Rudolfskai 48, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 1. Oktober 2015, LVwG-3/262/8-2015, betreffend Versagung der aufsichtsbehördlichen Genehmigung für die Teilabänderung eines Flächenwidmungsplanes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Salzburger Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §18 Abs3;
AVG §18 Abs4;
AVG §56;
AVG §58;
VwGG §42 Abs2 Z2;
VwGVG 2014 §28 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2015060125.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes aufgehoben.

Das Land Salzburg hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit am 21. März 2014 bei der belangten Behörde eingelangtem Antrag ersuchte die revisionswerbende Gemeinde um Erteilung der aufsichtsbehördlichen Genehmigung für die von der Gemeindevertretung der revisionswerbenden Gemeinde am 19. Februar 2014 beschlossene Teilabänderung des Flächenwidmungsplanes im Bereich Ö. im Umfang von ca. 2.280 m2 auf Teilflächen näher bezeichneter Grundstücksparzellen der KG W. von "Grünland-Ländliches Gebiet" in "Reines Wohngebiet".

2 Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens versagte die belangte Behörde mit Erledigung vom 22. April 2015 dieser von der revisionswerbenden Gemeinde beschlossenen Änderung des Flächenwidmungsplanes die aufsichtsbehördliche Genehmigung.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg (im Folgenden: Verwaltungsgericht) wurde die dagegen von der revisionswerbenden Gemeinde erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 In seinen Erwägungen hielt das Verwaltungsgericht im Wesentlichen fest, die belangte Behörde habe die Versagung der aufsichtsbehördlichen Genehmigung auf die Versagungstatbestände Z 1, 4 und 5 des § 75 Abs. 1 Salzburger Raumordnungsgesetz 2009 gestützt und dazu ausgeführt, dass die Gemeindevertretung vor allem die Raumordnungsgrundsätze der Vermeidung der Zersiedelung und des Vorranges der öffentlichen Interessen vor Einzelinteressen nicht beachtet und auch keine ausreichende Interessenabwägung durchgeführt habe. Unter dem Begriff der "Zersiedelung" sei nach der ständigen höchstgerichtlichen Judikatur eine "ohne funktionales Erfordernis oder ohne ortsplanerische Konzeption vorgenommene Bebauung außerhalb geschlossener Siedlungen" zu verstehen (vgl. VwGH 14.7.2011, 2009/10/0192). Der Ortsplaner der revisionswerbenden Gemeinde habe sich in seinem Gutachten nicht damit auseinander gesetzt, dass es sich bei der bestehenden Bebauung im Bereich Ö. um keine geschlossene Siedlung handle. Die Anbindung an den öffentlichen Verkehr und die vorhandene Infrastruktur könne ein funktionales Erfordernis für die sonst zersiedelnd wirkende geplante Wohnbebauung nicht ausreichend darlegen. Insbesondere sei die revisionswerbende Gemeinde den Ausführungen der belangten Behörde zu den Bebauungsmöglichkeiten auf den bereits gewidmeten unbebauten Baulandflächen im nahegelegenen Ortsteil W. inhaltlich nicht entgegen getreten.

5 Auf Grund des Vorbringens der revisionswerbenden Gemeinde, wonach die umzuwidmenden unbebauten Flächen den betroffenen Grundeigentümern als Bauplätze für weichende Kinder dienen sollen, liege für das Verwaltungsgericht auf der Hand, dass die gegenständliche Umwidmung in Bauland vor allem privaten Interessen der Grundeigentümer diene.

6 Im aufsichtsbehördlichen Genehmigungsverfahren seien zudem mehrere Aspekte hervorgekommen, welche eher gegen als für eine Bebauung im gegenständlichen Bereich sprechen würden (wird näher ausgeführt), wobei die revisionswerbende Gemeinde zu diesen Aspekten eine Interessenabwägung nicht bzw. nur unzureichend vorgenommen habe.

7 Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil keine Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen gewesen sei, der grundsätzliche Bedeutung zukomme. Weder weiche die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen (näher bezeichneten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, welche auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen sei, noch fehle es an Rechtsprechung.

8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision mit dem Begehren, es wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, in eventu wegen Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes kostenpflichtig aufzuheben.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

9 Die vorliegende Revision erweist sich auf Grund des Vorbringens zur mangelnden Bescheidqualität der vor dem Verwaltungsgericht angefochtenen Erledigung der belangten Behörde als zulässig.

10 Die im Revisionsfall maßgeblichen Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51 - § 18 in der Fassung BGBl. I Nr. 5/2008 und § 58 in der Stammfassung - lauten auszugsweise:

"Erledigungen

§ 18. ...

(3) Schriftliche Erledigungen sind vom Genehmigungsberechtigten mit seiner Unterschrift zu genehmigen; wurde die Erledigung elektronisch erstellt, kann an die Stelle dieser Unterschrift ein Verfahren zum Nachweis der Identität (§ 2 Z 1 E-GovG) des Genehmigenden und der Authentizität (§ 2 Z 5 E-GovG) der Erledigung treten.

(4) Jede schriftliche Ausfertigung hat die Bezeichnung der Behörde, das Datum der Genehmigung und den Namen des Genehmigenden zu enthalten. Ausfertigungen in Form von elektronischen Dokumenten müssen mit einer Amtssignatur (§ 19 E-GovG) versehen sein; Ausfertigungen in Form von Ausdrucken von mit einer Amtssignatur versehenen elektronischen Dokumenten oder von Kopien solcher Ausdrucke brauchen keine weiteren Voraussetzungen zu erfüllen. Sonstige Ausfertigungen haben die Unterschrift des Genehmigenden zu enthalten; an die Stelle dieser Unterschrift kann die Beglaubigung der Kanzlei treten, dass die Ausfertigung mit der Erledigung übereinstimmt und die Erledigung gemäß Abs. 3 genehmigt worden ist. Das Nähere über die Beglaubigung wird durch Verordnung geregelt.

(5) Für Bescheide gilt der III. Teil, für Ladungsbescheide überdies § 19."

"Inhalt und Form der Bescheide

§ 58. (1) Jeder Bescheid ist ausdrücklich als solcher zu bezeichnen und hat den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung zu enthalten.

(2) Bescheide sind zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird.

(3) Im übrigen gilt auch für Bescheide § 18 Abs. 4."

11 Die im Verwaltungsakt der revisionswerbenden Gemeinde aufliegende Ausfertigung der Erledigung der belangten Behörde vom 22. April 2015 wurde ihr laut der in den Verfahrensakten aufliegenden Bestätigung am 30. April 2015 per Post übermittelt. Die im Verwaltungsakt der belangten Behörde aufliegende Urschrift der Erledigung ("Entwurf Abt. 10") ist nicht mit einer Amtssignatur versehen und die an die revisionswerbende Gemeinde übermittelte Ausfertigung dieser Erledigung enthält demgemäß weder einen Hinweis darauf, dass das elektronische Original des Dokuments amtssigniert worden sei, noch eine Bildmarke. Bei der gegenständlichen Ausfertigung handelt sich somit um eine "sonstige Ausfertigung" im Sinn des § 18 Abs. 4 dritter Satz AVG, die dementsprechend zu unterschreiben oder zu beglaubigen ist (vgl. VwGH 25.11.2015, Ra 2015/16/0102, mwN).

12 Die der revisionswerbenden Gemeinde zugegangene Ausfertigung der Erledigung der belangten Behörde vom 22. April 2015 weist jedoch weder eine Unterschrift noch eine Kanzleibeglaubigung auf. Wurde der revisionswerbenden Gemeinde aber eine dem § 18 Abs. 4 AVG entsprechende Ausfertigung der angefochtenen Erledigung nicht zugestellt, dann ist der von der belangten Behörde intendierte Bescheid als noch nicht erlassen anzusehen (vgl. VwGH 13.10.1994, 93/09/0302).

13 Liegt kein Bescheid vor, so hat dies den Mangel der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes zu einem meritorischen Abspruch über das gegen die Erledigung erhobene Rechtsmittel zur Folge. Die Zuständigkeit reicht in derartigen Fällen nur so weit, das Rechtsmittel wegen Unzulässigkeit zurückzuweisen (vgl. VwGH 30.8.2017, Ra 2016/18/0324, und VwGH 13.8.2012, 2009/08/0209, jeweils mwN).

14 Mangels Bescheidqualität der betreffenden Erledigung hätte das Verwaltungsgericht die Beschwerde somit wegen Unzulässigkeit zurückweisen müssen und wäre nicht zu einem meritorischen Abspruch befugt gewesen.

15 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes aufzuheben, wodurch sich ein Eingehen auf das weitere Revisionsvorbringen erübrigt.

16 Im Hinblick auf das auf der ersten Seite der Urschrift der betreffenden Erledigung angebrachte handschriftliche Namenskürzel wird im Übrigen bemerkt, dass eine Unterschrift im Sinn des § 18 AVG nach der ständigen hg. Rechtsprechung ein Gebilde aus Buchstaben einer üblichen Schrift ist, aus der ein Dritter, der den Namen des Unterzeichneten kennt, diesen Namen aus dem Schriftbild noch herauslesen kann; eine Unterschrift muss nicht lesbar, aber ein "individueller Schriftzug" sein, der entsprechend charakteristische Merkmale aufweist. Die Anzahl der Schriftzeichen muss der Anzahl der Buchstaben des Namens nicht entsprechen. Eine Paraphe ist keine Unterschrift (vgl. VwGH 20.4.2017, Ra 2017/20/0095).

17 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 28. Februar 2018

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