Normen
AsylG 2005 §75;
AVG §62;
AVG §8;
BFA-G 2014 §9;
BFA-VG 2014 §3 Abs2 Z1;
B-VG Art130 Abs1;
B-VG Art133 Abs1 Z2;
B-VG Art133 Abs7;
VwGG §21 Abs3;
VwGG §24;
VwGG §38 Abs1;
VwGG §38;
VwGG §58 Abs1;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §18;
VwGVG 2014 §19 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §29;
VwRallg;
Spruch:
Der Fristsetzungsantrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Der Antragsteller, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, brachte beim Bundesverwaltungsgericht einen Fristsetzungsantrag gemäß § 38 VwGG ein, der dort am 19. August 2014 einlangte. Er brachte vor, am 3. September 2012 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) gestellt zu haben. Das Bundesasylamt habe diesen Antrag mit Bescheid vom 11. März 2013 abgewiesen und seine Ausweisung nach Afghanistan ausgesprochen. Dagegen habe er am 25. März 2013 fristgerecht Beschwerde (an den damaligen Asylgerichtshof) erhoben. Über diese Beschwerde sei vom Bundesverwaltungsgericht bislang nicht entschieden worden. Da die Beschwerde "unverzüglich an den Asylgerichtshof, nunmehr Bundesverwaltungsgericht, weitergeleitet" worden sei, sei die sechsmonatige Entscheidungsfrist des § 38 VwGG abgelaufen. Daher möge der Verwaltungsgerichtshof dem Bundesverwaltungsgericht auftragen, innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten die versäumte Entscheidung nachzuholen, sowie den Rechtsträger zum Kostenersatz verhalten.
Das Bundesverwaltungsgericht legte den Fristsetzungsantrag samt den Verfahrensakten dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung vor und wies darauf hin, dass es über die in Rede stehende Beschwerde bereits mit Beschluss vom 30. Juli 2014 entschieden habe. Dieser Beschluss sei am 6. August 2014 abgefertigt worden.
Aus den vorgelegten Verfahrensakten ergibt sich, dass das Bundesverwaltungsgericht über die Beschwerde des Antragstellers mit Entscheidung vom 30. Juli 2014 Beschluss fasste. Demnach wurde der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen. Eine Ausfertigung dieses Beschlusses wurde dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Regionaldirektion Steiermark) am 8. August 2014 auf dem Postweg zugestellt. Des Weiteren ergibt sich aus den Verfahrensakten, dass das Bundesverwaltungsgericht angeordnet hat, eine weitere Ausfertigung des Beschlusses vom 30. Juli 2014 an den Antragsteller persönlich - nicht aber an seinen im Verfahrensakt ausgewiesenen Vertreter - zuzustellen. Ein Nachweis über diese Zustellung findet sich in den Verfahrensakten nicht.
Anlässlich des Verfahrens über den gegenständlichen Fristsetzungsantrag übermittelte das Bundesverwaltungsgericht am 8. September 2014 eine Ausfertigung des Beschlusses vom 30. Juli 2014 dem im Verfahren ausgewiesenen Vertreter per Telefax.
Nachdem der Verwaltungsgerichtshof dem Antragsteller die Gelegenheit eingeräumt hatte, zum erhobenen Sachverhalt Stellung zu nehmen, führte dieser aus, im Zeitpunkt der Einbringung des Fristsetzungsantrages sei die sechsmonatige Entscheidungsfrist bereits deutlich überschritten gewesen. Dass dem Antragsteller und seinem Vertreter der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Juli 2014 nicht bekannt gewesen sei, könne ihm nicht zum Vorwurf gemacht werden. Es wäre somit unbillig, wenn eine Kostenentscheidung zu Ungunsten des Antragstellers getroffen würde. Andernfalls bestünde die Verpflichtung eines Antragstellers, vor Versenden eines Fristsetzungsantrages Akteneinsicht zu nehmen. Telefonische Auskünfte würden in letzter Zeit zunehmend von den Behörden verweigert. Der Beschluss vom 30. Juli 2014 sei dem Vertreter des Antragstellers erstmals am 8. September 2014 per Telefax übermittelt worden. Eine frühere Zustellung an ihn habe nicht stattgefunden.
Der Fristsetzungsantrag erweist sich als nicht zulässig.
Nach Art. 133 Abs. 1 Z 2 B-VG erkennt der Verwaltungsgerichtshof über Anträge auf Fristsetzung wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch ein Verwaltungsgericht. Wegen Verletzung der Entscheidungspflicht kann gemäß Art. 133 Abs. 7 B-VG einen Antrag auf Fristsetzung stellen, wer im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt zu sein behauptet.
Gemäß § 38 Abs. 1 VwGG kann ein Fristsetzungsantrag erst gestellt werden, wenn das Verwaltungsgericht die Rechtssache nicht binnen sechs Monaten, wenn aber durch Bundes- oder Landesgesetz eine kürzere oder längere Frist bestimmt ist, nicht binnen dieser entschieden hat.
Das Ziel eines Fristsetzungsantrages ist es, ein Verwaltungsgericht, das seine Entscheidung nicht innerhalb der für die Entscheidung vorgesehenen Frist getroffen hat, zur Entscheidungsfällung zu veranlassen. Dieser Zweck ist aber schon dann erreicht, wenn das Verwaltungsgericht noch vor Einlangen des Fristsetzungsantrages (mag dieser Antrag auch schon früher einem Zustelldienst übergeben worden sein) entschieden hat. Die Durchführung eines weiteren Verfahrens, um den derart schon erreichten Zweck weiterhin zu verfolgen, geht sohin von vornherein ins Leere.
Ausgehend vom Wortlaut des § 38 Abs. 1 VwGG und von der Zielsetzung des Fristsetzungsverfahrens kann der Zeitpunkt der "Stellung" des Fristsetzungsantrages gemäß § 38 Abs. 1 VwGG daher nur so verstanden werden, dass es dabei auf den Zeitpunkt seines Einlangens bei der zuständigen Einbringungsstelle - dem jeweiligen Verwaltungsgericht (§ 24 Abs. 1 VwGG) - ankommt. Der für die Prüfung der Zulässigkeit des Fristsetzungsantrages allein maßgebliche Zeitpunkt ist somit jener des Einlangens beim zuständigen Verwaltungsgericht (vgl. zum Ganzen den hg. Beschluss vom 10. September 2014, Fr 2014/20/0022).
Im gegenständlichen Fall langte der Fristsetzungsantrag am 19. August 2014 beim - hier für die Einbringung zuständigen - Bundesverwaltungsgericht ein.
Bereits zuvor, nämlich am 8. August 2014, hatte das Bundesverwaltungsgericht eine Ausfertigung jenes Beschlusses, mit dem über die Beschwerde gegen den noch vom Bundesasylamt erlassenen Bescheid vom 11. März 2013 entschieden werden sollte, dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zugestellt. Diese Behörde, die die Aufgaben des seit Ablauf des 31. Dezember 2013 nicht mehr existenten Bundesasylamtes mit 1. Jänner 2014 übernommen hat (vgl. § 3 Abs. 2 Z 1 BFA-VG, § 9 BFA-Einrichtungsgesetz ) und sohin - was zwar nicht ausdrücklich gesetzlich bestimmt ist, sich aber zweifelsfrei aus den in § 75 Abs. 17 bis 22 AsylG 2005 enthaltenen Übergangsbestimmungen ergibt - im gegenständlichen (einen Übergangsfall betreffenden) Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht als belangte Behörde im Sinn des § 19 Abs. 2 Z 1 VwGVG anzusehen war, war im Verfahren über die Beschwerde gemäß § 18 VwGVG Partei.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum AVG und zur bis 31. Dezember 2013 geltenden Rechtslage betreffend Säumnisbeschwerden nach § 27 VwGG ist ein Bescheid im Mehrparteienverfahren als erlassen - und somit als rechtlich existent - anzusehen, wenn er wenigstens gegenüber einer der Parteien ordnungsgemäß erlassen wurde. Dies gilt auch dann, wenn der Bescheid jener Partei nicht wirksam zugestellt wurde, die die Säumnisbeschwerde erhoben hat. Eine Säumnis der zur Entscheidung verpflichteten Behörde liegt dann nicht (mehr) vor (vgl. etwa die hg. Beschlüsse vom 19. September 2013, 2013/01/0075, vom 27. Mai 2009, 2009/21/0001, und vom 29. September 2009, 2009/21/0046, jeweils mwN; vgl. auch Hengstschläger/Leeb, AVG, § 62 Rz 9f mit weiteren Hinweisen auf die hg. Rechtsprechung).
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 29 VwGVG sieht vor, dass Erkenntnisse eines Verwaltungsgerichts im Namen der Republik zu verkünden und auszufertigen sind, enthält Regelungen, wann die Verkündung zu erfolgen hat oder unterbleiben darf, und wem eine schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses zuzustellen ist. Auf die Beschlüsse eines Verwaltungsgerichts - falls sie nicht bloß verfahrensleitend sind - sind die Bestimmungen des § 29 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 4 und § 30 (letzterer betrifft die Notwendigkeit und den Inhalt einer Belehrung über die Möglichkeit, Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und Revision beim Verwaltungsgerichtshof erheben zu können) sinngemäß anzuwenden (§ 31 Abs. 3 VwGVG).
Es kann fallbezogen dahingestellt bleiben, ob sich der Zeitpunkt der Erlassung einer Entscheidung eines Verwaltungsgerichts aus § 29 VwGVG allein ergibt oder davon auszugehen ist, dass diese Bestimmung für sich genommen noch keine (allenfalls: hinreichende) Festlegung enthält, zu welchem Zeitpunkt eine Entscheidung über eine Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG als erlassen anzusehen ist, und sohin zur Lösung dieser Frage gemäß § 17 VwGVG die oben dargestellte Rechtslage des § 62 AVG als maßgeblich anzusehen ist. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes ist nämlich bei beiden Sichtweisen eine Entscheidung eines Verwaltungsgerichts jedenfalls (spätestens) dann als erlassen anzusehen und hat sohin rechtliche Existenz erlangt, wenn (wenigstens) einer Partei des Verfahrens eine schriftliche Ausfertigung dieser Entscheidung zugestellt wurde. Auf die vom Verfassungsgerichtshof in seinem Prüfungsbeschluss vom 8. Oktober 2014, E 163/2014-13, geäußerten Bedenken kommt es somit fallbezogen nicht an.
Die Erlassung jenes Beschlusses, womit über die vom Antragsteller erhobene Beschwerde entschieden wurde, war somit im vorliegenden Fall jedenfalls am 8. August 2014 mit der Zustellung einer Ausfertigung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl - eine mündliche Verkündung hat nicht stattgefunden - bewirkt. Für die Frage, ob dieser Beschluss rechtliche Existenz erlangt hat, kommt es nach dem Gesagten nicht darauf an, ob und wann sie auch dem Antragsteller zugestellt wurde.
Sohin wurde der Fristsetzungsantrag, der am 19. August 2014 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt ist, zu einem Zeitpunkt gestellt, zu dem das Bundesverwaltungsgericht nicht (mehr) säumig war.
Der Fristsetzungsantrag erweist sich daher als nicht zulässig. Er war - in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat - gemäß § 34 Abs. 1 iVm § 38 Abs. 4 erster Satz VwGG mit Beschluss zurückzuweisen, weil seiner Behandlung der Mangel der Berechtigung zu seiner Erhebung entgegenstand.
Bei diesem Ergebnis musste im vorliegenden Fall nicht weiter geprüft werden, ob in Anbetracht des § 2 BVwG-EVV die zwischenzeitig allein per Telefax erfolgte Übersendung einer Ausfertigung des Beschlusses vom 30. Juli 2014 an den rechtsfreundlichen Vertreter des Antragstellers eine gültige Zustellung an diesen bewirken konnte.
Der Antragsteller spricht schließlich noch die Frage des Kostenersatzes an. Ein solcher war ihm weder zuzuerkennen noch aufzuerlegen.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass im Verfahren über einen Fristsetzungsantrag gemäß § 21 Abs. 3 VwGG (ausschließlich) der Antragsteller Partei ist. Dementsprechend wurde vom Bundesverwaltungsgericht im Zuge der Vorlage des Fristsetzungsantrages auch nicht beantragt, den Antragsteller im Fall der Zurückweisung seines Fristsetzungsantrages zum Kostenersatz zu verpflichten.
Anders als es der Antragsteller offenbar vor Augen hat, kam es aber auch nicht in Betracht, jenen Rechtsträger, in dessen Namen das Bundesverwaltungsgericht gehandelt hat, zum Kostenersatz zu verpflichten, weil es für den Fall der Zurückweisung eines Fristsetzungsantrages dafür keine gesetzliche Grundlage gibt. Insbesondere kommt es in diesem Zusammenhang weder darauf an, ob es dem Antragsteller oder seinem Vertreter zum Vorwurf gemacht werden kann, dass er vor Einbringung des Fristsetzungsantrages von der Erlassung der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht - und sei es auch, weil ihm diese Entscheidung bis dahin von diesem nicht zugestellt wurde - keine Kenntnis hatte, noch, ob im Zeitpunkt der Antragstellung die dem Verwaltungsgericht vom Gesetz eingeräumte Frist für die Entscheidungsfällung bereits abgelaufen war. Mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung hat daher der Antragsteller in einem Fall, wie er hier vorliegt, den ihm im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erwachsenden Aufwand gemäß § 58 Abs. 1 VwGG selbst zu tragen.
Wien, am 12. November 2014
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