VwGH Fr2014/20/0022

VwGHFr2014/20/002210.9.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie die Hofräte Mag. Eder und Mag. Straßegger, die Hofrätin Dr. Leonhartsberger sowie den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Ortner, über den Fristsetzungsantrag des A S S in W, vertreten durch Dr. Lennart Binder, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Rochusgasse 2/12, gegen das Bundesverwaltungsgericht, in einer Angelegenheit nach dem Asylgesetz 2005, den Beschluss gefasst:

Normen

BFA-VG 2014 §21 Abs2;
VwGG §24 Abs1;
VwGG §24;
VwGG §30a Abs1;
VwGG §30a Abs8;
VwGG §30b Abs1;
VwGG §38 Abs1;
VwGG §38;
VwGVG 2014 §14;
VwGVG 2014 §34 Abs1 zweiter Satz;
VwGVG 2014 §34 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

1. Der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 8. Juli 2014, mit dem die Zurückweisung des gegenständlichen Fristsetzungsantrages ausgesprochen wurde, wird aufgehoben.

  1. 2. Das Verfahren wird eingestellt.
  2. 3. Der Bund hat dem Antragsteller Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Antragsteller erhob mit Schriftsatz vom 18. April 2014 Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 7. April 2014, mit welchem sein Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und seine Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 FPG angeordnet worden waren. Die Beschwerde langte am 23. April 2014 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein und wurde mit Schreiben vom 5. Mai 2014 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt, wo sie am 7. Mai 2014 einlangte.

Der verfahrensgegenständliche Fristsetzungsantrag wurde am 2. Juli 2014 (um 13:28 Uhr) bei der Post aufgegeben und langte am 3. Juli 2014 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Begründend führte der Antragsteller aus, dass das Bundesverwaltungsgericht über seine Beschwerde trotz Ablaufs der achtwöchigen Entscheidungsfrist gemäß § 21 Abs. 2 BFA-VG noch nicht entschieden habe. Er beantragte, dem Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung eine Frist von zwei Wochen zu setzen und diesem den Kostenersatz in der gesetzlichen Höhe aufzuerlegen.

Mit Beschluss vom 8. Juli 2014 wies das Bundesverwaltungsgericht den Fristsetzungsantrag gemäß § 30a Abs. 1 und Abs. 8 VwGG als unzulässig zurück. Die Beschwerde des Antragstellers vom 18. April 2014 sei erst am 7. Mai 2014 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt, die Entscheidungsfrist gemäß § 21 Abs. 2 BFA-VG habe daher mit Ablauf des 2. Juli 2014 geendet und sei somit zum Zeitpunkt der Stellung des Fristsetzungsantrages noch nicht abgelaufen gewesen. Mit Erkenntnis vom selben Tag, dem Vertreter des Antragstellers zugestellt am 11. Juli 2014, entschied das Bundesverwaltungsgericht über die Beschwerde des Antragstellers.

Gegen den Zurückweisungsbeschluss richtet sich der gegenständliche Vorlageantrag, aufgrund dessen der Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung über den Fristsetzungsantrag berufen ist (§ 30b Abs. 1 VwGG).

Soweit der Antragsteller meint, dass die Entscheidungsfrist nicht am 7. Mai 2014, sondern "zumindest zwei Wochen früher" begonnen habe, ist ihm der eindeutige Wortlaut des § 34 Abs. 1 zweiter Satz VwGVG entgegenzuhalten, wonach im Verfahren über eine Beschwerde gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit die Entscheidungsfrist ausdrücklich mit der Vorlage der Beschwerde beginnt. Die Beschwerde ist im Sinn dieser Bestimmung zu dem Zeitpunkt als dem Verwaltungsgericht vorgelegt anzusehen, in dem sie beim Verwaltungsgericht eingelangt ist. Das Abstellen auf diesen Zeitpunkt stellt sich auch vor dem Hintergrund der der Verwaltungsbehörde zustehenden Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht als unionsrechtlich bedenklich dar.

Da die vom BFA vorgelegte Beschwerde am 7. Mai 2014 beim Bundesverwaltungsgericht einlangte, begann die Entscheidungsfrist - wie vom Bundesverwaltungsgericht richtig angenommen - an diesem Tag.

Die Frist zur Entscheidung über eine Beschwerde gegen die Zurückweisung eines Antrages im Zulassungsverfahren beträgt gemäß § 21 Abs. 2 BFA-VG acht Wochen. Die Entscheidungsfrist des Bundesverwaltungsgerichts endete daher mit Ablauf des 2. Juli 2014.

Der Antragsteller vertritt weiters die Ansicht, ein Fristsetzungsantrag sei erst gestellt, wenn er "beim Gericht" einlange. Der am 3. Juli 2014 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangte Fristsetzungsantrag sei daher nach Ablauf der Entscheidungsfrist gestellt worden und somit zulässig.

§ 24 VwGG lautet:

"Schriftsätze

§ 24 (1) Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind die Schriftsätze beim Verwaltungsgericht einzubringen. Unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof sind insbesondere einzubringen:

1. Schriftsätze im Revisionsverfahren ab Vorlage der

Revision an den Verwaltungsgerichtshof;

2. Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur

Abfassung und Einbringung einer Revision gegen ein Erkenntnis oder einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes, in dem es ausgesprochen hat, dass die Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.

..."

§ 38 Abs. 1 VwGG lautet:

"Ein Fristsetzungsantrag kann erst gestellt werden, wenn das Verwaltungsgericht die Rechtssache nicht binnen sechs Monaten, wenn aber durch Bundes- oder Landesgesetz eine kürzere oder längere Frist bestimmt ist, nicht binnen dieser entschieden hat."

Das Institut des Fristsetzungsantrages wurde mit dem Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013 (BGBl. I Nr. 33/2013) mit 1. Jänner 2014 eingeführt und ersetzt die Säumnisbeschwerde gemäß § 27 VwGG in der bis zum 31. Dezember 2013 geltenden Fassung (s. auch die Erläuterungen RV 2009 BlgNR, 24. GP, S. 11).

Schon der Wortlaut des § 38 Abs. 1 VwGG ("gestellt") legt nahe, dass es darauf ankommt, dass der Antrag der zuständigen Einbringungsstelle tatsächlich zugekommen ist. In den Materialien (vgl. wiederum RV 2009 BlgNR, 24. GP, S. 11) findet sich kein gegenteiliger Hinweis.

Das Ziel eines Fristsetzungsantrages ist es, ein Verwaltungsgericht, das seine Entscheidung nicht innerhalb der für die Entscheidung vorgesehenen Frist getroffen hat, zur Entscheidungsfällung zu veranlassen (vgl. Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, § 38 VwGG, K 1). Dieser Zweck ist schon dann erreicht, wenn das Verwaltungsgericht noch vor Einlangen des Fristsetzungsantrages (mag dieser Antrag auch schon früher einem Zustelldienst übergeben worden sein) entschieden hat. Die Durchführung eines weiteren Verfahrens, um den derart schon erreichten Zweck weiterhin zu verfolgen, geht sohin von vornherein ins Leere.

Ausgehend vom Wortlaut des § 38 Abs. 1 VwGG und von der Zielsetzung des Fristsetzungsverfahrens kann der Zeitpunkt der "Stellung" des Fristsetzungsantrages gemäß § 38 Abs. 1 VwGG daher nur so verstanden werden, dass es dabei auf den Zeitpunkt seines Einlangens bei der zuständigen Einbringungsstelle (dem jeweiligen Verwaltungsgericht) ankommt. Der für die Prüfung der Zulässigkeit des Fristsetzungsantrages allein maßgebliche Zeitpunkt ist somit jener des Einlangens beim zuständigen Verwaltungsgericht.

Da der gegenständliche Fristsetzungsantrag erst nach Ende der Entscheidungsfrist beim Bundesverwaltungsgericht einlangte, war er nicht "verfrüht" gestellt. Der Zurückweisungsbeschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 8. Juli 2014 erweist sich insofern als rechtswidrig und war daher gemäß § 30b Abs. 1 VwGG aufzuheben.

Die vom Antragsteller im Wege des Fristsetzungsantrags begehrte Entscheidung über seine Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 8. Juli 2014 getroffen und seinem Vertreter am 11. Juli 2014 zugestellt. Das Verfahren über den Fristsetzungsantrag war daher gemäß § 38 Abs. 4 letzter Satz VwGG einzustellen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 56 Abs. 1 zweiter Satz VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 10. September 2014

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