VwGH 98/21/0294

VwGH98/21/029420.3.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde des A in H, geboren am 25. Juni 1964, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 7. Mai 1998, Zl. Frb-4250a-6/96, betreffend Aufhebung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

11992E048 EGV Art48;
11992E049 EGV Art49;
11992E050 EGV Art50;
31964L0221 Koordinierung-RL EWGVArt56 ordre public;
ARB1/80 Art 14 Abs1;
FrG 1997 §114 Abs3;
FrG 1997 §36;
11992E048 EGV Art48;
11992E049 EGV Art49;
11992E050 EGV Art50;
31964L0221 Koordinierung-RL EWGVArt56 ordre public;
ARB1/80 Art 14 Abs1;
FrG 1997 §114 Abs3;
FrG 1997 §36;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Aufhebung des mit Bescheid derselben Behörde vom 8. Mai 1996 unbefristet erlassenen Aufenthaltsverbotes gemäß § 44 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ab.

Diese Entscheidung begründete sie im Wesentlichen wie folgt:

Dem Aufenthaltsverbot liege die Verurteilung des Beschwerdeführers vom 19. April 1995 wegen des Verbrechens nach den §§ 15 StGB, 12 Abs. 1 und Abs. 3 Z. 3 SGG und 297 Abs. 1 zweiter Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren zu Grunde. Erschwerend seien u.a. die Tatwiederholung nach dem Suchtgiftgesetz und die Größe der zu verantwortenden Suchtgiftmenge gewertet worden. Der Beschwerdeführer habe von Ende 1993 bis Frühjahr 1994 750 g Heroin zu verkaufen versucht. Er halte sich seit April 1989 in Österreich auf und lebe seit 1991 mit seiner Ehegattin und einem Sohn zusammen. Seine Tochter sei in Österreich geboren worden. Der Beschwerdeführer sei vom 21. Juni 1994 bis 19. Dezember 1997 in Haft gewesen. Ein "Wohlverhalten" während dieser Zeit könne nicht wesentlich zu seinen Gunsten ins Gewicht fallen. Seit seiner Haftentlassung seien erst ca. vier Monate vergangen. Dieser Zeitraum sei zu kurz, um davon ausgehen zu können, dass sich der Beschwerdeführer in Zukunft wohlverhalten werde. Dies insbesondere unter dem Gesichtspunkt, dass gerade im Bereich der Suchtgiftkriminalität eine hohe Rückfallquote bestehe. Seine familiären Verhältnisse hätten sich im Vergleich zum Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht geändert. Der Assoziationsratsbeschluss (ARB) Nr. 1/80 stehe der Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegen, weil ein solches aus Gründen der öffentlichen Ordnung erlassen werden dürfe. Der Beschwerdeführer könne sich als türkischer Staatsangehöriger nicht auf Begünstigungen von Gemeinschaftsbürgern berufen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Für - auf das Fremdengesetz BGBl. Nr. 838/1992 gegründete - Aufenthaltsverbote, die vor dem Inkrafttreten des FrG mit 1. Jänner 1998 erlassen wurden, normiert § 114 Abs. 3 leg. cit. Folgendes:

"Aufenthaltsverbote, deren Gültigkeitsdauer bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes noch nicht abgelaufen sind, gelten als nach diesem Bundesgesetz erlassene Aufenthaltsverbote mit derselben Gültigkeitsdauer. Solche Aufenthaltsverbote sind auf Antrag oder - wenn sich aus anderen Gründen ein Anlass für die Behörde ergibt, sich mit der Angelegenheit zu befassen - von Amts wegen aufzuheben, wenn sie nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes nicht erlassen hätten werden können."

Es kommt also darauf an, ob der zur Begründung des Aufenthaltsverbotes herangezogene Sachverhalt auch bei fiktiver Geltung des FrG diese Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Verhängung gerechtfertigt hätte.

Eine Unzulässigkeit des Aufenthaltsverbotes sieht die Beschwerde im Hinblick auf die Richtlinie 64/221/EWG .

Vorweg ist klarzustellen, dass zwar die im Rahmen der Art. 48, 49 und 50 des EG-Vertrages geltenden Grundsätze soweit wie möglich als Leitlinien für die Behandlung türkischer Arbeitnehmer, die die im ARB Nr. 1/80 eingeräumten Rechte besitzen, herangezogen werden müssen, dass jedoch aus dem Assoziationsratsbeschluss berechtigte türkische Staatsangehörige nicht die aus den Art. 48 ff des EG-Vertrages erfließenden Freizügigkeitsrechte der Arbeitnehmer unmittelbar geltend machen können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1997, Zl. 97/21/0394, mit Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH).

Bei Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen einen nach dem ARB Nr. 1/80 berechtigten türkischen Staatsangehörigen ist auf Art. 14 Abs. 1 dieses Beschlusses Bedacht zu nehmen. Gemäß der genannten Bestimmung ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zulässig, wenn dieses - was hier nicht zweifelhaft sein kann - aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gerechtfertigt ist. Der Gerichtshof führte bereits über Beschwerde gegen die Erlassung des vorliegenden unbefristeten Aufenthaltsverbotes im Erkenntnis vom 13. November 1996, Zl. 96/21/0564, aus, dass die Unterbindung schwerster Suchtgiftkriminalität im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit und im Interesse der Gesundheit Anderer liegt. An diesem Ergebnis ändert - wie der Gerichtshof ebenfalls im genannten Erkenntnis ausgeführt hat - die vom Beschwerdeführer gewünschte Einbeziehung des Art. 3 der Richtlinie 64/221/EWG zur Auslegung des ARB nichts, dem zufolge bei Maßnahmen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ausschließlich das persönliche Verhalten der in Betracht kommenden Einzelpersonen ausschlaggebend sein darf und strafrechtliche Verurteilungen allein ohne Weiteres diese Maßnahmen nicht begründen können. Es begründete nämlich nicht die strafrechtliche Verurteilung des Beschwerdeführers allein die Erlassung des Aufenthaltsverbotes, sondern sein dieser Verurteilung zu Grunde liegendes, der schwersten Suchtgiftkriminalität zuzurechnendes Fehlverhalten. Dessen Unterbindung liegt - wie bereits ausgeführt -

gewichtig und unverzichtbar im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit. Die belangte Behörde folgte - zutreffend - nicht nur generalpräventiven Erwägungen, sondern auch solchen der Spezialprävention, indem sie auf die hohe Rückfallquote im Bereich der Suchtgiftkriminalität verwies. Gegen diese Beurteilung bestehen keine Bedenken (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Juni 2000, Zl. 2000/21/0034).

Entgegen der Beschwerdeansicht ist auch die fehlende Befristung des Aufenthaltsverbotes nicht rechtswidrig. Abgesehen davon, dass - wie dargelegt - dem Beschwerdeführer die gemeinschaftsrechtlichen Freizügigkeitsbestimmungen nicht zugute kommen, verkennt der Beschwerdeführer den Inhalt des von ihm angesprochenen Urteils des EuGH vom 17. Juni 1997, C-65/95 und C- 111/95 , wenn er meint, dass nach gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen die Erlassung bzw. Aufrechterhaltung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes unzulässig sei. Im genannten Urteil führt der EuGH nämlich unter Hinweis auf Vorjudikatur aus (Rzen. 39 ff), dass es dem Gemeinschaftsangehörigen gestattet sein müsse, nach einer angemessenen Frist nach Entfernung aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates erneut eine Aufenthaltserlaubnis zu beantragen und dieser Antrag in materieller Hinsicht geprüft werden müsse. Ein Gemeinschaftsangehöriger, dem die Einreise in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats auf Dauer verboten wurde, habe daher das Recht, eine erneute Prüfung seines Falles zu verlangen, wenn die Umstände, die das Einreiseverbot gerechtfertigt hatten, seines Erachtens entfallen sind. In diesem Sinn kann - wie der Gerichtshof ausführt - eine Entscheidung nicht (unabdingbar) auf unbegrenzte Zeit gelten. Unzulässig wäre somit ein dauerndes Aufenthaltsverbot, wenn eine Aufhebungsmöglichkeit nicht bestünde. Genau diesem Erfordernis ist aber durch die Bestimmungen des § 44 FrG und im Übergangsbereich des § 114 Abs. 3 FrG Genüge getan. Bemerkt sei, dass der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 26. Juni 1997, Zl. 95/21/0937, die Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes gegen einen Angehörigen eines Mitgliedstaats als zulässig gewertet hat.

Das Aufenthaltsverbot erweist sich somit entgegen der Beschwerdeansicht auch unter fiktiver Geltung des FrG (einschließlich einer Einbeziehung des ARB Nr. 1/80 und der Richtlinie 64/221/EWG) als zulässig.

Gemäß § 44 FrG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein solcher Antrag nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. Bei der Beurteilung nach § 44 FrG ist maßgeblich, ob eine Gefährlichkeitsprognose im Grund des § 36 Abs. 1 FrG dergestalt (weiterhin) zu treffen ist, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes erforderlich ist, um eine vom Fremden ausgehende erhebliche Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden, und ob die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes nach § 37 FrG zulässig ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2001, Zl. 98/21/0339).

Der belangten Behörde ist zuzustimmen, dass der seit Begehung der strafbaren Handlungen bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides verstrichene Zeitraum unter Beachtung der vom Beschwerdeführer verwirklichten Straftatbestände noch viel zu kurz ist, um einen Wegfall der gegen den Beschwerdeführer getroffenen Gefährlichkeitsprognose annehmen und dem entgegen eine Prognose über sein künftiges Wohlverhalten stellen zu können. Zu Recht wies die belangte Behörde in diesem Zusammenhang auf den Umstand hin, dass sich der Beschwerdeführer in diesem Zeitraum überwiegend in Haft befunden hat. Dass sich die privaten und familiären Beziehungen des Beschwerdeführers in Österreich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes entscheidend verstärkt hätten, wird in keiner Weise behauptet.

Nach dem Gesagten kann die Ansicht der belangten Behörde, die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes sei zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten und im Hinblick auf das das gegenläufige persönliche Interesse des Beschwerdeführers überwiegende öffentliche Interesse an der Verhinderung schwerster Suchtgiftkriminalität zulässig, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Da dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 20. März 2001

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