VwGH 97/10/0102

VwGH97/10/010215.9.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Suda, über die Beschwerde der U in Schwarzach, vertreten durch Dr. Andreas Brandtner, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Drevesstraße 6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 24. März 1997, Zl. 1-0138/97/K2, betreffend Übertretung des Vorarlberger Sittenpolizeigesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

SittenpolG Vlbg 1976 §18 Abs1 litc;
SittenpolG Vlbg 1976 §18 Abs1;
SittenpolG Vlbg 1976 §18 Abs2;
SittenpolG Vlbg 1976 §18 Abs3;
SittenpolG Vlbg 1976 §4 Abs1;
StGB §33 Z2;
VStG §11;
VStG §12 Abs1;
VStG §12;
VStG §19 Abs2;
VStG §19;
VStG §55 Abs1;
VStG §55 Abs2;
SittenpolG Vlbg 1976 §18 Abs1 litc;
SittenpolG Vlbg 1976 §18 Abs1;
SittenpolG Vlbg 1976 §18 Abs2;
SittenpolG Vlbg 1976 §18 Abs3;
SittenpolG Vlbg 1976 §4 Abs1;
StGB §33 Z2;
VStG §11;
VStG §12 Abs1;
VStG §12;
VStG §19 Abs2;
VStG §19;
VStG §55 Abs1;
VStG §55 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug erlassenen angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerdeführerin der Verwaltungsübertretung nach § 18 Abs. 1 lit. c iVm § 4 Abs. 1 des Vorarlberger Sittenpolizeigesetzes, LGBl. Nr. 6/1976 (VbG SittenpolG), schuldig erkannt. Gemäß § 18 Abs. 3 Vbg SittenpolG wurde eine Geldstrafe von S 25.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 25 Tage) und eine Freiheitsstrafe von 25 Tagen verhängt. Zur Begründung der verhängten Strafen führte die belangte Behörde aus: Gemäß § 11 VStG dürfe eine Freiheitsstrafe nur verhängt werden, wenn dies notwendig sei, um den Täter von weiteren Verwaltungsübertretungen gleicher Art abzuhalten. Diese Voraussetzung sei gegeben, da die Beschwerdeführerin in der Vergangenheit trotz mehrfacher Bestrafungen (sechs im Bescheid aufgezählte einschlägige Vorstrafen seit 1992) nicht habe veranlaßt werden können, von der Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht außerhalb eines Bordells Abstand zu nehmen. Nach § 12 Abs. 1 zweiter Satz VStG dürfe eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei Wochen nur verhängt werden, wenn dies wegen besonderer Erschwerungsgründe geboten sei. Solche Erschwerungsgründe sehe die belangte Behörde darin, daß Arreststrafen von zweimal 20 und einmal 14 Tagen (lit. a bis c einer in der Begründung des Bescheides dargestellten Aufzählung, zuletzt: Straferkenntnis vom 21. Februar 1995, 20 Tage Arrest und S 10.000,-- Geldstrafe) die Beschwerdeführerin nicht davon hätten abhalten können, die Gewerbsunzucht auszuüben. Aus dem Verhalten der Beschwerdeführerin komme weiters außergewöhnliche Nachhaltigkeit der wertwidrigen Einstellung und somit der atypisch schwerwiegende Schuldgehalt der Tat zum Ausdruck, der die verhängte Freiheitsstrafe rechtfertige. Es sei unwahrscheinlich, daß die Beschwerdeführerin durch eine geringere Arreststrafe noch zu beeindrucken sei. Nach § 18 Abs. 3 Vbg SittenpolG iVm § 12 VStG seien Verwaltungsübertretungen gemäß § 18 Abs. 1 lit. c bis f mit einer Geldstrafe bis zu S 30.000,-- oder Arrest bis zu sechs Wochen zu bestrafen. Bei besonders erschwerenden Umständen könnten Geld- und Arreststrafen nebeneinander verhängt werden. Nach Ansicht der belangten Behörde seien drei weitere einschlägige Vorstrafen (lit. d bis f der Aufzählung im Bescheid) solche besonders erschwerenden Umstände, die die Verhängung einer Arreststrafe und einer Geldstrafe rechtfertigten.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde macht inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 18 Abs. 1 lit. c Vbg SittenpolG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer dem Verbot der gewerbsmäßigen Unzucht gemäß § 4 Abs. 1 zuwiderhandelt, sofern nicht ein gerichtlich strafbarer Tatbestand vorliegt. Nach § 18 Abs. 3 leg. cit. sind solche Verwaltungsübertretungen mit einer Geldstrafe bis zu S 30.000,-- oder mit Arrest bis zu drei Monaten zu bestrafen. Bei besonders erschwerenden Umständen können Geld- und Arreststrafen nebeneinander verhängt werden.

Gemäß § 10 VStG richten sich Strafart und Strafsatz nach den Verwaltungsvorschriften, soweit im VStG nichts anderes bestimmt ist; nach § 12 Abs. 1 dritter Satz VStG darf eine längere als eine sechswöchige Freiheitsstrafe nicht verhängt werden.

Gemäß § 11 VStG darf eine Freiheitsstrafe nur verhängt werden, wenn dies notwendig ist, um den Täter von weiteren Verwaltungsübertretungen gleicher Art abzuhalten.

Gemäß § 12 Abs. 1 zweiter Satz VStG darf eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei Wochen nur verhängt werden, wenn dies wegen besonderer Erschwerungsgründe geboten ist.

Gemäß § 19 Abs. 2 erster Satz VStG sind im ordentlichen Verfahren die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Nach § 19 Abs. 1 dritter Satz VStG sind bei der Strafbemessung die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden.

Die §§ 11 und 12 VStG verlangen von der Behörde im Fall der Verhängung einer Freiheitsstrafe eine zweifache Prüfung:

Zunächst ist zu untersuchen, ob eine Freiheitsstrafe im Sinne des § 11 VStG notwendig ist. Wird dies bejaht und sieht die Verwaltungsvorschrift eine Strafdrohung von mehr als zwei Wochen vor, dann ist weiter zu prüfen, ob besondere Erschwerungsgründe bestehen, die die Verhängung einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Wochen gebieten (vgl. die Erkenntnisse vom 15. November 1993, Zlen. 93/10/0086, 0089, 0090, und vom 30. Mai 1994, Zl. 93/10/0040).

Bei der Entscheidung über die Strafe wegen einer in § 18 Abs. 1 lit. c bis f Vbg SittenpolG aufgezählten Verwaltungsübertretung ist nach § 18 Abs. 3 zweiter Satz leg. cit. weiters zu prüfen, ob besonders erschwerende Umstände bestehen, bei deren Vorliegen Geld- und Arreststrafen nebeneinander verhängt werden können. Zu dieser Vorschrift hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen, daß die Behörde dann, wenn sie wegen Vorliegens erschwerender Umstände im Sinne des § 18 Abs. 3 VbG SittenpolG eine Geld- und Arreststrafe nebeneinander verhängt, denselben Umstand nicht noch bei der im Sinne des § 12 Abs. 1 zweiter Satz VStG vorzunehmenden Strafbemessung berücksichtigen darf (vgl. das Erkenntnis vom 27. November 1995, Zlen. 95/10/0136, 0137).

Im vorliegenden Fall ist die Auffassung der belangten Behörde, wonach die Voraussetzungen für die Verhängung einer Freiheitsstrafe im Sinne des § 11 VStG im Hinblick darauf vorliegen, daß sich die Beschwerdeführerin durch die bisher verhängten Strafen nicht von der Begehung einer weiteren gleichartigen Straftat habe abhalten lassen, nicht zu beanstanden (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 19. März 1990, Zl. 89/10/0230, vom 6. Mai 1996, Zl. 95/10/0120, und vom 26. Mai 1997, Zl. 96/10/0183).

Eine Rechtswidrigkeit dieser Beurteilung kann nicht mit dem Hinweis der Beschwerde aufgezeigt werden, daß "die Vorstrafen längere Zeit zurückliegen", wobei die letzte Vorstrafe vom 21. Februar 1995 datiere. Maßgeblich war im vorliegenden Zusammenhang nämlich, daß die von der belangten Behörde zur Begründung ihrer soeben dargelegten Auffassung herangezogenen Verurteilungen im Zeitpunkt der Entscheidung über die Strafe (24. März 1997) nicht getilgt waren (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 27. Jänner 1997, Zl. 96/10/0149).

Es ist auch nicht zu beanstanden, daß die belangte Behörde die Verhängung von mehreren nicht getilgten Strafen wegen Verwaltungsübertretungen, die auf derselben schädlichen Neigung beruhten, als besonders erschwerende Umstände im Sinne des § 18 Abs. 3 zweiter Satz Vbg SittenpolG wertete, die sie berechtigten, kumulativ Geld- und Freiheitsstrafe zu verhängen; dagegen bringt die Beschwerde auch nichts vor.

Die Beschwerde trägt vor, nach § 12 Abs. 1 zweiter Satz VStG dürfe eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei Wochen nur dann verhängt werden, wenn dies wegen besonderer Erschwerungsgründe geboten sei; aus der Verwendung der Mehrzahl ("Erschwerungsgründe") folge, daß die Voraussetzung nur verwirklicht sei, wenn mindestens zwei Erschwerungsgründe vorlägen. Dies sei hier nicht der Fall.

Diese Auffassung ist nicht zu teilen. Ausschlaggebend ist das Ausmaß der Beeinträchtigung des geschützten Rechtsgutes durch die konkrete Tat; davon ausgehend kommt es auf das Gewicht des jeweiligen Erschwerungsgrundes und nicht auf die (ungewichtete) Anzahl der Erschwerungsgründe an. Der Verwendung der Mehrzahl kommt im vorliegenden Fall nicht die von der Beschwerde angenommene normative Bedeutung zu.

Es liegt hier auch kein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot vor. Die belangte Behörde hat das Vorliegen mehrerer nicht getilgter Vorstrafen (Verurteilungen wegen auf derselben schädlichen Neigung beruhenden Taten) zum Anlaß genommen, Geld- und Freiheitsstrafe nebeneinander zu verhängen. Das Doppelverwertungsverbot hindere sie nicht daran, bei der nach § 12 Abs. 1 zweiter Satz VStG vorzunehmenden Beurteilung auf den Umstand Bedacht zu nehmen, daß (zum Teil neben Geldstrafen verhängte) Freiheitsstrafen von 14 Tagen und (zweimal) 20 Tagen die Beschwerdeführerin nicht von der Begehung der Verwaltungsübertretung abhalten konnten. Dabei handelte es sich im Verhältnis zu den der Beurteilung nach § 18 Abs. 3 Vbg SittenpolG zugrundegelegten Vorstrafen nicht um "denselben Umstand" im Sinne des oben erwähnten Vorerkenntnisses vom 27. November 1995.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

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