Normen
AVG §58 Abs2;
SittenpolG Vlbg 1976 §18 Abs1 litc;
SittenpolG Vlbg 1976 §18 Abs3;
SittenpolG Vlbg 1976 §4 Abs1;
StGB §33 Z2;
VStG §12 Abs1;
VStG §19 Abs2;
VStG §19;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §58 Abs2;
SittenpolG Vlbg 1976 §18 Abs1 litc;
SittenpolG Vlbg 1976 §18 Abs3;
SittenpolG Vlbg 1976 §4 Abs1;
StGB §33 Z2;
VStG §12 Abs1;
VStG §19 Abs2;
VStG §19;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Spruch:
Der Bescheid vom 17. Jänner 1994 wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bescheid vom 21. März 1994 wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Das Land Vorarlberg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 25.840,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren an Stempelgebührenersatz wird abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bregenz (BH) vom 27. Oktober 1993 wurde die Beschwerdeführerin u.a. wegen einer Übertretung gemäß § 18 Abs. 1 lit. c in Verbindung mit § 4 Abs. 1 des Vorarlberger Sittenpolizeigesetzes, LGBl. Nr. 6/1976 (SPG), am 7. September 1993, schuldig erkannt; über sie wurde eine Arreststrafe in der Dauer von 21 Tagen und eine Geldstrafe in der Höhe von S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 240 Stunden) verhängt. Zur Begründung des Strafausmaßes verwies die BH auf den Umstand, daß im Strafregister drei rechtskräftige ungetilgte Bestrafungen nach § 18 Abs. 1 lit. c SPG aufschienen. Das gegenständliche Delikt bilde daher bereits das vierte einschlägige, auf derselben schädlichen Neigung beruhende. Nach Wiedergabe der §§ 11 und 12 Abs. 1 zweiter Satz VStG sowie des § 18 Abs. 3 SPG heißt es wörtlich:
"Die Interessen, deren Schutz das Sittenpolizeigesetz dient, sind von Frau ... erheblich verletzt worden.
Als Erschwerungsgrund war ihr anzulasten, daß sie bereits mehrfach wegen des gleichen, auf derselben schädlichen Neigung beruhenden Deliktes bestraft wurde. Nach Ansicht der Behörde ist die Verhängung einer Freiheitsstrafe unbedingt notwendig, um die Beschuldigte von der Begehung weiterer Übertretungen gleicher Art hinkünftig abzuhalten. Nach Ansicht der Behörde liegen auch die besonderen Erschwernisgründe des § 12 Verwaltungsstrafgesetz vor, da die mehrfache Bestrafung auf eine besondere Hartnäckigkeit schließen läßt. Auch die besonderen Erschwernisgründe des § 18 Abs. 3 Sittenpolizeigesetz sind nach Ansicht der Behörde gegeben, sodaß die gleichzeitige Verhängung einer Geld- und Arreststrafe geboten erscheint. Dies insbesondere im Hinblick darauf, daß die Beschuldigte bereits in der Vergangenheit zu einer gleichzeitigen Geld- und Arreststrafe verurteilt wurde und dies sie nicht von der weiteren Ausübung der Prostitution abhalten konnte."
Die Beschwerdeführerin erhob (mündlich) Berufung, wobei sie sich ausschließlich gegen die Verhängung der Arreststrafe aussprach.
Mit dem Bescheid der belangten Behörde vom 17. Jänner 1994 wurde der Berufung keine Folge gegeben und das Straferkenntnis der BH hinsichtlich des Strafausmaßes bestätigt. Nach Wiedergabe der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen vertrat die belangte Behörde die Auffassung, daß die Beschwerdeführerin bisher keinerlei Einsicht hinsichtlich ihres Fehlverhaltens gezeigt habe. Nicht einmal eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 14 Tagen habe sie dazu veranlassen können, von der Ausübung gewerbsmäßiger Unzucht außerhalb eines Bordells Abstand zu nehmen und sich gesetzeskonform zu verhalten. Die belangte Behörde sei daher der Auffassung, daß eine Arreststrafe im gegenständlichen Fall angebracht sei. Ferner sei angebracht, eine mehr als zweiwöchige Arreststrafe zu verhängen, zumal - wie bereits festgestellt - sie die über sie verhängte vierzehntägige Freiheitsstrafe noch nicht zu einem gesetzeskonformen Verhalten habe veranlassen können. Es werde daher die Ansicht vertreten, daß eine Arreststrafe von 21 Tagen nicht überhöht sei und die in § 12 VStG (gemeint: Abs. 1 zweiter Satz) für die Verhängung einer mehr als zweiwöchigen Freiheitsstrafe genannten Voraussetzungen vorlägen, zumal im Hinblick auf drei einschlägige Vorstrafen von besonderen Erschwerungsgründen im Sinne der zitierten Gesetzesbestimmung gesprochen werden könne.
2. Mit Straferkenntnis der BH vom 1. Februar 1994 wurde die Beschwerdeführerin einer weiteren Übertretung gemäß § 18 Abs. 1 lit. c in Verbindung mit § 4 Abs. 1 SPG, begangen am 13. Jänner 1994, schuldig erkannt. Über die Beschwerdeführerin wurden gemäß § 18 Abs. 3 SPG eine Arreststrafe in der Dauer von 20 Tagen und eine Geldstrafe in der Höhe von S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 10 Tagen) verhängt. Die Begründung der verhängten Strafe entsprach dabei im wesentlichen der Begründung des Straferkenntnisses vom 27. Oktober 1993.
Die Beschwerdeführerin erhob auch diesmal eine (mündliche) Berufung.
Mit dem Bescheid der belangten Behörde vom 21. März 1994 wurde der Berufung keine Folge gegeben und das Straferkenntnis der BH bestätigt. Begründend vertrat die belangte Behörde die Auffassung, daß auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens die der Beschwerdeführerin vorgeworfene Verwaltungsübertretung als erwiesen anzunehmen sei. Bezüglich der verhängten Strafen verwies die belangte Behörde auf § 11 VStG, wonach eine Freiheitsstrafe nur verhängt werden dürfe, wenn dies notwendig sei, um den Täter von weiteren Verwaltungsübertretungen gleicher Art abzuhalten. Diese Voraussetzung sei gegeben, weil die Beschwerdeführerin in der Vergangenheit trotz mehrfacher Bestrafung nicht dazu habe veranlaßt werden können, von der Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht außerhalb eines Bordells Abstand zu nehmen und sich gesetzeskonform zu verhalten. Die zum Tatzeitpunkt rechtskräftigen einschlägigen Vorstrafen in der Dauer von sieben, zehn und vierzehn Tagen seien besondere Erschwerungsgründe im Sinne des § 12 Abs. 1 VStG und des § 18 Abs. 3 SPG, sodaß die zwei Wochen übersteigende Dauer der Freiheitsstrafe und die gleichzeitig verhängte Geldstrafe in der Höhe von S 10.000,-- geboten seien. Die belangte Behörde sei auch der Ansicht, daß im Verhalten der Beschwerdeführerin eine außergewöhnliche Nachhaltigkeit der wertwidrigen Einstellung zum Ausdruck komme und auch auf generalpräventive Überlegungen Bedacht zu nehmen sei. Die Höhe der Strafe sei daher angemessen, die Höhe der Geldstrafe auch in Anbetracht der persönlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin - sie verdiene nach eigenen Angaben monatlich ca. 5.000,-- netto und habe aus der Prostitution ein "gelegentliches" Einkommen; sie habe weder Schulden noch Sorgepflichten und sei Besitzerin eines PKWs der Marke Golf.
3. Gegen die Bescheide der belangten Behörde hat die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof erhoben. Dieser hat die Behandlung der Beschwerden mit Beschluß vom 6. März 1995, B 440/94 und
B 1680/94, abgelehnt und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
4. In den auftragsgemäß ergänzten Beschwerden vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Beachtung der Höchststrafe (Recht auf Nichtverhängung einer unzulässig langen Haftstrafe) verletzt. Sie vertritt in beiden Beschwerden (im wesentlichen wortgleich) die Auffassung, daß die wiederholte Begehung ein- und desselben Deliktes kein "besonderer Erschwerungsgrund" nach § 12 Abs. 1 zweiter Satz VStG sei, sondern die elementare Voraussetzung dafür, daß überhaupt eine Freiheitsstrafe verhängt werden könne. Prostitution werde schon ihrem Wesen nach erwerbsmäßig betrieben, also wiederkehrend, weshalb das Wiederholungsmoment bereits im eigentlichen Tatbild erfaßt sei. Die wiederholte Tatbegehung könne daher kein "besonderer Erschwerungsgrund" sein.
5. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die vorliegenden Beschwerden wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbunden und darüber wie folgt erwogen:
1. Zum erstangefochtenen Bescheid (hg. Zl. 95/10/0136):
Gemäß § 18 Abs. 1 lit. c SPG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer dem Verbot der gewerbsmäßigen Unzucht gemäß § 4 Abs. 1 zuwiderhandelt, sofern nicht ein gerichtlich strafbarer Tatbestand vorliegt.
Gemäß § 18 Abs. 3 SPG sind Verwaltungsübertretungen gemäß Abs. 1 lit. c bis f von der Bezirkshauptmannschaft mit einer Geldstrafe bis zu S 30.000,-- oder mit Arrest bis zu drei Monaten zu bestrafen. Bei besonders erschwerenden Umständen könnten Geld- und Arreststrafen nebeneinander verhängt werden.
Nach § 11 VStG darf eine Freiheitsstrafe nur verhängt werden, wenn dies notwendig ist, um den Täter von weiteren Verwaltungsübertretungen gleicher Art abzuhalten.
Die Mindestdauer der Freiheitsstrafe beträgt gemäß § 12 Abs. 1 VStG 12 Stunden. Eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei Wochen darf nur verhängt werden, wenn dies wegen besonderer Erschwerungsgründe geboten ist. Eine längere als eine sechswöchige Freiheitsstrafe darf nicht verhängt werden.
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid zunächst zutreffend die für die Verhängung einer Primärfreiheitsstrafe vorliegenden Gründe der Spezialprävention angeführt (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 22. Mai 1989, Zlen. 89/10/0083, 0084). Diese werden von der Beschwerdeführerin nicht bestritten.
Die Begründung einer mehr als zweiwöchigen Freiheitsstrafe entspricht jedoch nicht dem Gesetz.
Im Hinblick auf drei einschlägige Vorstrafen seien nach Auffasssung der belangten Behörde besondere Erschwerungsgründe im Sinne des § 12 Abs. 1 zweiter Satz VStG gegeben. Die belangte Behörde hätte allerdings zu berücksichtigen gehabt, daß die Behörde dann, wenn sie wegen Vorliegens erschwerender Umstände im Sinne des § 18 Abs. 3 SPG eine Geld- und Arreststrafe nebeneinander verhängt hat, denselben Umstand nicht noch bei der im Sinne des § 12 Abs. 1 zweiter Satz VStG vorzunehmenden Strafbemessung berücksichtigen darf (vgl. zu einer vergleichbaren Rechtslage nach dem Kraftfahrgesetz 1955 schon das Erkenntnis vom 13. Mai 1959, VwSlg. Nr. 4969/A). Auf diese Problematik ist die belangte Behörde allerdings nicht eingegangen. Sie hat es dadurch unterlassen, im Hinblick auf das in der zitierten Rechtsprechung zum Ausdruck kommende Doppelverwertungsverbot in einem der nachprüfenden Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes zugänglichen Weise darzulegen, welche Vorstrafen für eine Kumulierung im Sinne des § 18 Abs. 3 SPG bzw. eine mehr als zweiwöchige Freiheitsstrafe im Sinne des § 12 Abs. 1 zweiter Satz VStG herangezogen worden sind. Wenn es auch nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes grundsätzlich nicht erforderlich ist, die zur Strafbemessung als Erschwerungsgrund herangezogenen einschlägigen und dieselbe schädliche Neigung indizierenden Vorstrafen, die dem Beschuldigten ja bekannt sind, einzeln anzuführen, (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Oktober 1984, Zl. 84/02/0008), so wird dies jedoch bei Verhängung einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Wochen und gleichzeitiger Verhängung einer Geldstrafe nicht zu gelten haben.
Auf Grund dieser Erwägungen hat die belangte Behörde ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften verletzt, wobei nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei Vermeidung des Verfahrensmangels zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Was allerdings die Auffassung der Beschwerdeführerin anlangt, daß eine wiederholte Begehung ein- und desselben Deliktes kein "besonderer Erschwerungsgrund" nach § 12 Abs. 1 zweiter Satz VStG sei, so ist zunächst darauf hinzuweisen, daß die belangte Behörde nicht die wiederholte Begehung, sondern die einschlägigen Vorstrafen der Beschwerdeführerin als Erschwerungsgründe gewertet hat. In sinngemäßer Anwendung des § 33 Z. 2 StGB sind auch solche Vorstrafen, die über den Täter wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Taten verhängt wurden, unabhängig davon, ob sie auch zur Begründung des Tatbestandsmerkmals der Gewerbsmäßigkeit herangezogen wurden oder nicht, deshalb als erschwerend zu werten, da sich in dem trotz der Verurteilung fortgesetzten Verhalten die besondere Uneinsichtigkeit und ablehnende Haltung des Täters gegenüber rechtlich geschützten Werten manifestiert (vgl. das Erkenntnis vom 29. September 1981, Zl. 81/11/0023).
2. Zum zweitangefochtenen Bescheid (hg. Zl. 95/10/0137):
In der Begründung dieses Bescheides hat die belangte Behörde die Auffassung vertreten, daß die zum Tatzeitpunkt rechtskräftigen einschlägigen Vorstrafen in der Dauer von sieben, zehn und vierzehn Tagen besondere Erschwerungsgründe im Sinne des § 12 Abs. 1 VStG und des § 18 Abs. 3 SPG wären, sodaß eine zwei Wochen übersteigende Dauer der Freiheitsstrafe und die gleichzeitige Verhängung einer Geldstrafe von S 10.000,-- geboten seien.
Die belangte Behörde hat somit die rechtskräftigen einschlägigen Vorstrafen in der Dauer von sieben, zehn und vierzehn Tagen sowohl als besondere Erschwerungsgründe im Sinne des § 12 Abs. 1 VStG und besonders erschwerende Umstände im Sinne des § 18 Abs. 3 SPG gewertet. Damit verstieß sie jedoch gegen das in den bereits zitierten Erkenntnis vom 13. Mai 1959 zum Ausdruck kommende Doppelverwertungsverbot.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
3. Die Entscheidung über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. Nr. 416/1994. Stempelgebührenersatz konnte nur für jeweils drei Beschwerdeausfertigungen und eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides zugesprochen werden.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)