VwGH 96/10/0183

VwGH96/10/018326.5.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Suda, über die Beschwerde der A in L, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 11. Dezember 1995, Zl. 1-1122/95/K2, betreffend Übertretung des Vorarlberger Sittenpolizeigesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §58 Abs2;
SittenpolG Vlbg 1976 §18 Abs1 litc;
SittenpolG Vlbg 1976 §18 Abs3;
SittenpolG Vlbg 1976 §4 Abs1;
StGB §33 Z2;
VStG §11;
VStG §12 Abs1;
VStG §19 Abs2;
VStG §19;
VStG §44a Z1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §58 Abs2;
SittenpolG Vlbg 1976 §18 Abs1 litc;
SittenpolG Vlbg 1976 §18 Abs3;
SittenpolG Vlbg 1976 §4 Abs1;
StGB §33 Z2;
VStG §11;
VStG §12 Abs1;
VStG §19 Abs2;
VStG §19;
VStG §44a Z1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug erlassenen Bescheid der belangten Behörde wurde die Beschwerdeführerin wegen der Übertretung gemäß § 18 Abs. 1 lit. c in Verbindung mit § 4 Abs. 1 des Vorarlberger Sittenpolizeigesetzes, LGBl. Nr. 6/1976 (SPG), schuldig erkannt. Es wurde eine Freiheitsstrafe von 15 Tagen verhängt. Nach Darlegung des Sachverhaltes wurde begründend die Auffassung vertreten, es stehe zweifelsfrei fest, daß die Beschwerdeführerin die gewerbsmäßige Unzucht ausgeübt habe. Auf die Gewerbsmäßigkeit könne schon deshalb geschlossen werden, weil die Beschwerdeführerin selbst zugegeben habe, daß sie schon seit drei Jahren als Prostituierte tätig sei. Ein weiteres Indiz für die Gewerbsmäßigkeit sei das Verlangen eines Entgelts für die Durchführung unzüchtiger Handlungen, die dann tatsächlich mit einem Freier in seinem PKW auf einem Firmengelände vorgenommen worden seien. Auf Grund der Anbahnungstätigkeit der Beschwerdeführerin und des daran anschließenden Geschlechtsverkehrs gegen Entgelt sei die Gewerbsmäßigkeit des Verhaltens der Beschwerdeführerin auch der Öffentlichkeit gegenüber in Erscheinung getreten. Schließlich habe diese zum Tatzeitpunkt schon drei einschlägige rechtskräftige Vorstrafen aufgewiesen. Zur Strafbemessung wurde nach Darstellung der Rechtslage dargelegt, die Beschwerdeführerin habe sich schon bisher durch Freiheitsstrafen im Ausmaß von sieben und zehn Tagen und einer Geldstrafe von S 6.000,-- nicht davon abhalten lassen, eine gleichartige Straftat zu begehen. Der Effekt einer Geldstrafe reiche offensichtlich nicht aus, die Beschwerdeführerin von der Begehung solcher Straftaten abzuhalten; es müsse somit eine Freiheitsstrafe verhängt werden. Besondere Erschwerungsgründe, die die Verhängung einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Wochen im Sinne des § 12 Abs. 1 zweiter Satz VStG rechtfertigten, lägen jedenfalls dann vor, wenn drei einschlägige Vorstrafen verhängt worden seien. Die nunmehr festgesetzte Dauer der Freiheitsstrafe sei gerechtfertigt, weil eine Freiheitsstrafe von zehn Tagen ihre spezialpräventive Wirkung offensichtlich verfehlt habe. Es sei unwahrscheinlich, daß die Beschwerdeführerin durch eine geringere Freiheitsstrafe zu beeindrucken sei. Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde mit seinem Beschluß vom 6. März 1995, B 440/94, B 1680/94, ab und trat die Beschwerde über nachträglichen Antrag dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Vor dem Verwaltungsgerichtshof macht die Beschwerde Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerde referiert zunächst die Darlegungen des angefochtenen Bescheides, wonach sich die Beschwerdeführerin durch eine Geldstrafe von S 6.000,-- und Freiheitsstrafen von sieben und zehn Tagen nicht habe abhalten lassen, eine gleichartige Straftat zu begehen. Diese Vorstrafen der Beschwerdeführerin habe - so die Auffassung der Beschwerde - die belangte Behörde herangezogen, um die Gewerbsmäßigkeit des Handelns im Sinne des § 18 Abs. 1 lit. c SPG zu begründen, und ein weiteres Mal, um die Verhängung einer Primärarreststrafe nach § 11 VStG zu legitimieren. Es sei unzulässig, die Vorstrafen ein drittes Mal heranzuziehen, um im Sinne des § 12 Abs. 1 letzter Satz VStG die Verhängung einer zwei Wochen übersteigenden Primärarreststrafe zu begründen. Darin liege ein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot. Das Vorliegen eines besonderen Erschwerungsgrundes werde gar nicht behauptet.

Gemäß § 18 Abs. 1 lit. c SPG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer dem Verbot der gewerbsmäßigen Unzucht gemäß § 4 Abs. 1 zuwiderhandelt, sofern nicht ein gerichtlich strafbarer Tatbestand vorliegt.

Gemäß § 18 Abs. 3 SPG sind Verwaltungsübertretungen gemäß Abs. 1 lit. c bis f von der Bezirkshauptmannschaft mit einer Geldstrafe bis zu S 30.000,-- oder mit Arrest bis zu drei Monaten zu bestrafen. Bei besonders erschwerenden Umständen können Geld- und Arreststrafen nebeneinander verhängt werden.

Nach § 11 VStG darf eine Freiheitsstrafe nur verhängt werden, wenn dies notwendig ist, um den Täter von weiteren Verwaltungsübertretungen gleicher Art abzuhalten.

Eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei Wochen darf nach § 12 Abs. 1 zweiter Satz VStG nur verhängt werden, wenn dies wegen besonderer Erschwerungsgründe geboten ist.

Das sogenannte "Doppelverwertungsverbot" bedeutet, daß ein Tatbestandsmerkmal bei der Strafbemessung weder als erschwerender noch als mildernder Umstand gewertet werden darf (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 19. Jänner 1995, Zl. 94/09/0224, und die dort zitierte Vorjudikatur). Im Beschwerdefall kann von einem Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot nicht die Rede sein.

Die Annahme der Gewerbsmäßigkeit der Unzucht (vgl. hiezu das Erkenntnis vom 30. Mai 1994, Zl. 94/10/0059, und die dort zitierte Vorjudikatur) entsprach im Beschwerdefall dem Gesetz; sie beruht auf einer im einzelnen dargelegten schlüssigen Beweiswürdigung, die auch von der Beschwerde nicht bekämpft wird. Daß die belangte Behörde als einen (der Darstellung nach untergeordneten) Aspekt der Beweiswürdigung im erwähnten Zusammenhang auch auf die Vorstrafen der Beschwerdeführerin Bedacht genommen hat, bedeutet nicht, daß diese damit zum Tatbestandsmerkmal geworden wären, das bei der Strafbemessung wegen des Doppelverwertungsverbotes nicht gewertet werden dürfte.

Zutreffend hat die belangte Behörde auch die in der Frage, ob gemäß § 11 VStG mit der Verhängung einer Freiheitsstrafe vorzugehen sei, maßgebenden Gesichtspunkte der Spezialprävention in der Richtung dargelegt, daß sich die Beschwerdeführerin durch die bisher verhängten Strafen nicht von der Begehung einer weiteren gleichartigen Straftat habe abhalten lassen (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 19. März 1990, Zl. 89/10/0230, und vom 6. Mai 1996, Zl. 95/10/0120).

Von den genannten Gesichtspunkten der Spezialprävention zu unterscheiden ist die Wertung der einschlägigen Vorstrafen als besonderer Erschwerungsgrund im Sinne des § 12 Abs. 1 zweiter Satz VStG. Es entspricht dem Gesetz, solche Vorstrafen, die über den Täter wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Taten verhängt wurden, unabhängig davon, ob sie auch zur Begründung des Tatbestandsmerkmales der Gewerbsmäßigkeit herangezogen wurden oder nicht, deshalb als erschwerend zu werten, weil sich in dem trotz der Verurteilungen fortgesetzten Verhalten die besondere Uneinsichtigkeit und ablehnende Haltung des Täters gegenüber rechtlich geschützten Werten manifestiert (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 29. September 1981, Zl. 81/11/0023, und vom 27. November 1995, Zlen. 95/10/0136, 0137).

Der von der Beschwerde angenommene Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot liegt im Beschwerdefall somit nicht vor.

Die Beschwerde zeigt auch mit ihrem Vorbringen, die von der belangten Behörde bezeichneten "präsumtiven Verwaltungsstrafen sind mangels Anführung der konkreten Geschäftszahlen für die Beschwerdeführerin nicht überprüfbar", keinen relevanten Verfahrensmangel auf. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es grundsätzlich nicht erforderlich, die dem Beschuldigten bekannten Vorstrafen detailliert anzuführen (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 24. Juni 1985, Zl. 85/10/0041, vom 18. September 1991, Zl. 92/02/0079, und vom 11. November 1992, Zl. 92/02/0207); besondere Umstände, die eine solche Darstellung im Einzelfall erforderlich machen könnten (vgl. auch hiezu das bereits erwähnte Erkenntnis vom 27. November 1995, Zlen. 95/10/0136, 0137), sind im Beschwerdefall nicht ersichtlich. In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird dargelegt, daß über die Beschwerdeführerin "einschlägige rechtskräftige Vorstrafen von S 6.000,-- Geldstrafe und sieben sowie zehn Tagen Freiheitsstrafe" verhängt worden seien. Die Beschwerde tritt dem nicht entgegen; sie legt auch nicht dar, inwiefern die fehlende Angabe der Geschäftszahlen sie gehindert hätte, im Zusammenhang mit den Vorstrafen ihre Rechte geltend zu machen. Ein relevanter Verfahrensmangel liegt somit nicht vor.

Die Beschwerde vertritt - ohne näher darzulegen, inwiefern aus dem im folgenden dargestellten Vorbringen eine auf einfachgesetzlicher Ebene gelegene Rechtswidrigkeit folgen sollte - die Auffassung, der Unabhängige Verwaltungssenat sei kein "Tribunal" im Sinne des Art. 6 MRK. Sie sucht dies mit dem Zitat von Entscheidungen des EGMR zu belegen, die die Verfahrensgarantien des Art. 6 MRK, insbesondere den Grundsatz eines fairen Verfahrens, betreffen, und macht geltend, daß "der Staatsanwalt in den Köpfen der Mitglieder des UVS sitzt, denn diese haben ja in Personalunion gleichzeitig Richter und Ankläger zu spielen".

Diese (im übrigen die Grundsätze des Verfahrens vor dem UVS verkennenden) Darlegungen bieten keinen Anhaltspunkt für eine vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmende Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides. Die Beschwerde zielt auch nicht erkennbar darauf ab, eine Verfassungswidrigkeit einfachgesetzlicher Regelungen aufzuzeigen, die Anlaß für eine Antragstellung im Sinne des Art. 140 Abs. 1 B-VG sein könnte. Sollten die Darlegungen der Beschwerde - wie dies bei der Darstellung der "verletzten Rechte" angedeutet wird - dahin gehen, eine Verletzung im "Recht auf ein faires Verfahren (Art. 6 MRK)" geltend zu machen, ist darauf zu verweisen, daß für die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte im Hinblick auf Art. 144 Abs. 1 iVm Art. 133 Z. 1 B-VG die ausschließliche Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes gegeben ist. Dieser hat im vorliegenden Fall die Behandlung der Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG abgelehnt.

Das oben Gesagte gilt sinngemäß, soweit die Beschwerde einen Widerspruch von § 5 Abs. 1 VStG zu Art. 6 MRK annimmt. Im übrigen liegt hier kein Anwendungsfall des § 5 Abs. 1 VStG vor. Nur der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, daß der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung § 5 Abs. 1 VStG als mit Art. 6 MRK vereinbar ansieht (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 20. Juni 1994, Slg. 13.790).

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behaupteten Rechtswidrigkeiten nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

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