Normen
SittenpolG Vlbg 1976 §18 Abs1 litc;
SittenpolG Vlbg 1976 §18 Abs3;
VStG §11;
VStG §19;
VStG §31 Abs2;
VStG §32 Abs2;
VStG §51h Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
SittenpolG Vlbg 1976 §18 Abs1 litc;
SittenpolG Vlbg 1976 §18 Abs3;
VStG §11;
VStG §19;
VStG §31 Abs2;
VStG §32 Abs2;
VStG §51h Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 15. Dezember 1995 wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, sie habe sich am 3. April 1995 um 21.30 Uhr in Feldkirch in der Neustadt vor der jetzigen Baustelle der Hypo-Bank in ihrem PKW sitzend zur Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht angeboten, indem sie dem Freier Ö für die Durchführung eines Geschlechtsverkehrs einen Betrag von S 500,-- genannt habe. Die Beschwerdeführerin habe dadurch eine Übertretung des § 18 Abs. 1 lit. c in Verbindung mit § 4 Abs. 1 des Vorarlberger Sittenpolizeigesetzes, LGBl. Nr. 6/1976 (SPG), begangen. Es wurde eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 10 Tagen verhängt.
In der Begründung heißt es, die Beschwerdeführerin habe um
21.30 Uhr des 3. April 1995 in der Neustadt in Feldkirch auf Höhe der Baustelle der Hypo-Bank ihren PKW zu Anbahnungszwecken angehalten. Um die genannte Zeit habe sich der Freier Ö dem PKW genähert, worauf die Beschwerdeführerin die Beifahrertüre geöffnet und ihm die Durchführung eines Geschlechtsverkehrs gegen ein Entgelt von 500 S angeboten habe. Der Freier Ö sei mit dem Preis einverstanden gewesen und zur Beschwerdeführerin in das Fahrzeug gestiegen. Als die Beschwerdeführerin sodann mit ihrem PKW weiterfahren (anfahren) habe wollen, sei sie vom Meldungsleger einer Amtshandlung unterzogen worden.
Dieser Sachverhalt werde auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere auf Grund der Aussagen der Zeugen GI J von der städtischen Sicherheitswache Feldkirch sowie des Freiers Ö als erwiesen angenommen. Der Meldungsleger GI J habe ausgesagt, daß er am 3. April 1995 gegen 21.15 Uhr auf dem Jahnplatz in Feldkirch Dirnenpatrouillendienst versehen habe. Er habe dann in weiterer Folge beobachtet, wie der spätere Freier Ö, nachdem er aus einem PKW mit türkischen Insassen ausgestiegen sei, vom Jahnplatz über eine Straßenunterführung in die Straße "Neustadt" gegangen sei. Er sei dann mit seinem Dienstfahrzeug nachgefahren. Um 21.30 Uhr habe er aus einer Entfernung von ca. 30 m wahrgenommen, wie die amtsbekannte und ihm persönlich bekannte Beschwerdeführerin mit ihrem Fahrzeug an dem Dienstfahrzeug vorbeigefahren sei. Eine Minute später sei sie dann wieder an ihm vorbeigefahren und direkt beim türkischen Freier vor der damaligen vor der Hypo-Bank befindlichen Baustellenabsicherung stehengeblieben. Die Beschwerdeführerin habe die Tür geöffnet und mit dem Türken geredet. In der Folge sei dann der Türke in das Fahrzeug eingestiegen. Der Meldungsleger sei dann aus der Parklücke herausgefahren und habe sein Fahrzeug direkt vor das der Beschwerdeführerin hingestellt, welche gerade im Begriff gewesen sei, mit ihrem Fahrzeug anzufahren. An der Identität der Beschwerdeführerin habe für den Meldungsleger kein Zweifel bestanden. Die Kontaktaufnahme der Beschwerdeführerin mit dem türkischen Freier habe lediglich wenige Sekunden betragen, der Freier habe sich ca. 20 Sekunden im Fahrzeug befunden.
Der Zeuge Ö habe in der mündlichen Verhandlung ausgesagt, er habe gewußt, daß in dem betreffenden Fahrzeug eine Dirne sitze. Er sei deshalb auch gleich zum Fahrzeug hingegangen, weil er mit der Beschwerdeführerin einen Geschlechtsverkehr habe durchführen wollen. Von einem Kollegen sei er - unter Bekanntgabe des Fahrzeugkennzeichens der Beschwerdeführerin - in Kenntnis gesetzt worden, in welchem Fahrzeug sich eine Dirne befinde. Nachdem die Beschwerdeführerin dann auf Höhe der Hypo-Bank mit ihrem Fahrzeug angehalten habe, sei er zu ihr in das Fahrzeug eingestiegen, nachdem die Beschwerdeführerin ihm gesagt habe, daß es S 500,-- koste.
Der Verwaltungssenat folge - so die belangte Behörde in der Begründung weiter - den glaubwürdigen und sicheren Angaben der einvernommenen Zeugen. Somit sei erwiesen, daß sich die Beschwerdeführerin zur Tatzeit am Tatort einem Mann zur Durchführung eines Geschlechtsverkehrs gegen ein Entgelt von S 500,-- angeboten habe. Damit habe sie den Tatbestand des § 18 Abs. 1 lit. c SPG in Verbindung mit § 4 Abs. 1 leg. cit. verwirklicht.
Die Voraussetzungen für die Verhängung einer Freiheitsstrafe seien schon deshalb gegeben, weil die Beschwerdeführerin sich trotz der über sie verhängten Geldstrafen in Höhe von S 10.000,-- (im Jahr 1992) und von S 20.000,-- (im Jahre 1993) nicht davon habe abhalten lassen, weiterhin der Gewerbsunzucht nachzugehen.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluß vom 19. Juni 1996, B 920/96-10, ihre Behandlung ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin bringt vor, die belangte Behörde habe gegen § 72 Abs. 3 AVG verstoßen, weil sie vor der Entscheidung über den von der Beschwerdeführerin gestellten Wiedereinsetzungsantrag gegen die Versäumung der mündlichen Verhandlung über die Berufung entschieden habe. Außerdem datiere der angefochtene Bescheid vom 15. Dezember 1995; die mündliche Bescheidverkündung habe am 19. Dezember 1995 stattgefunden. Somit habe die belangte Behörde vor der mündlichen Bescheidverkündung die Sache entschieden, was ebenfalls rechtswidrig sei.
Hat eine Partei Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der mündlichen Verhandlung beantragt und gegen den Bescheid Berufung eingelegt, so ist nach § 72 Abs. 3 AVG auf die Erledigung der Berufung erst einzugehen, wenn der Antrag auf Wiedereinsetzung abgewiesen worden ist.
Die mündliche Verkündung des angefochtenen Bescheides erfolgte am 19. Dezember 1995 um 8.15 Uhr. Der Wiedereinsetzungsantrag der Beschwerdeführerin wurde erst nach der mündlichen Bescheidverkündung, nämlich am 19. Dezember 1995 um 17.48 Uhr bei der belangten Behörde per Telefax eingebracht.
§ 72 Abs. 3 AVG konnte daher keine Anwendung finden. Schon aus diesem Grund geht der diesbezügliche Einwand der Beschwerdeführerin ins Leere.
Der angefochtene Bescheid trägt das Datum des 15. Dezember 1995; es ist dies der Tag der - nach mündlicher Verhandlung am 5. Dezember 1995 erfolgten - Beschlußfassung in der Kammer. Die mündliche Verkündung des Bescheides erfolgte am 19. Dezember 1995.
Nach § 51h Abs. 4 VStG zieht sich im Verfahren vor einer Kammer diese nach Schluß der Verhandlung zur Beratung und Abstimmung zurück. Der Spruch des Bescheides und seine wesentliche Begründung sind nach Möglichkeit sofort zu beschließen und zu verkünden.
§ 51h Abs. 4 VStG sieht demnach als Regelfall die sofortige Verkündung des Bescheides nach Schluß der Verhandlung vor. In Ausnahmefällen, nämlich dann, wenn eine solche sofortige Verkündung nicht möglich ist, kann die Verkündung auch zu einem anderen Zeitpunkt erfolgen.
Ob im Beschwerdefall die Voraussetzungen für die Bescheidverkündung zu einem späteren Zeitpunkt vorlagen, braucht nicht geprüft zu werden. Selbst dann nämlich, wenn diese Voraussetzungen nicht vorgelegen wären, wäre die Beschwerdeführerin in keinem Recht verletzt. § 51h Abs. 4 VStG ist eine Verfahrensvorschrift. Ihre Verletzung kann nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen, wenn die Behörde bei ihrer Einhaltung zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Dafür, daß dies im vorliegenden Fall möglich gewesen wäre, fehlt jeder Anhaltspunkt.
Die Beschwerdeführerin meint, der Tatort sei nicht ausreichend konkretisiert worden. In der Aufforderung zur Rechtfertigung als Beschuldigte vom 11. April 1995 sei als Tatort Feldkirch, Neustadt, angeführt worden. Erstmals im Straferkenntnis der Erstbehörde vom 27. September 1995 sei der Tatort durch die Beifügung der Angabe "vor der jetzigen Baustelle der Hypo-Bank" etwas konkretisiert worden, was jedoch zu spät erfolgt sei, weshalb Verfolgungsverjährung eingetreten sei. Im übrigen sei auch die Tatortbeschreibung im erstinstanzlichen Straferkenntnis nicht gesetzmäßig. Eine Doppelbestrafung sei im Hinblick auf die mangelnde Konkretisierung des Tatortes nicht ausgeschlossen.
Warum die Tatortumschreibung "in Feldkirch in der Neustadt vor der jetzigen Baustelle der Hypo-Bank" nicht ausreichend konkretisiert sein soll, ist nicht ersichtlich. Die Beschwerdeführerin bleibt dafür auch jede Begründung schuldig.
Die Behauptung, die Konkretisierung "vor der jetzigen Baustelle der Hypo-Bank" sei zu spät erfolgt, trifft nicht zu.
Diese Formulierung findet sich im erstinstanzlichen Straferkenntnis vom 27. September 1995. Dieses wurde laut dem im Akt erliegenden Zustellnachweis am 2. Oktober 1995, also noch vor Ablauf der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist, zur Post gegeben, hat damit die Innensphäre der Behörde verlassen, und stellt somit eine taugliche Verfolgungshandlung im Sinne de § 32 Abs. 2 VStG dar (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens5, 926, angeführte Rechtsprechung). Verfolgungsverjährung ist daher nicht eingetreten.
Die Beschwerdeführerin hält die Aussagen der Zeugen J und Ö für unglaubwürdig. Der Zeuge Ö habe in der mündlichen Verhandlung am 5. Dezember 1995 angegeben, er habe seinerzeit die Beschwerdeführerin gefragt, wieviel es koste. Er habe der Beschwerdeführerin einen Betrag von S 500,-- genannt und die Beschwerdeführerin habe akzeptiert. In der Folge habe sich der Zeuge über Vorhalt korrigiert und angegeben, daß die von ihm in der Niederschrift vor der städtischen Sicherheitswache Feldkirch am 3. April 1995 gemachten Angaben richtig seien, wonach die Beschwerdeführerin ihm gesagt habe, daß es S 500,-- koste. Der Zeuge habe sich daher in Widersprüche verwickelt.
Der Zeuge J habe ausgesagt, die Beschwerdeführerin sei mit ihrem Fahrzeug an seinem Fahrzeug vorbeigefahren; sie sei auch am Zeugen Ö vorbeigefahren. Eine Minute später sei sie wieder am Meldungsleger vorbeigefahren. Auf Grund des Straßenverlaufes und der Straßenverhältnisse sei es technisch nicht möglich, daß die Beschwerdeführerin eine Minute nach 21.30 Uhr wieder am Fahrzeug des Meldungslegers vorbeigefahren sei.
Die mündliche Verhandlung vor der belangten Behörde fand ca. 8 Monate nach der ersten Einvernahme des Zeugen Ö durch die städtische Sicherheitswache statt. Wenn der Zeuge daher bei der mündlichen Verhandlung zunächst in einem Detail, was die Lohnverhandlungen zwischen ihm und der Beschwerdeführerin betraf, eine andere Darstellung gab als in seiner ersten Vernehmung, dann kann daraus nicht eine Beeinträchtigung seiner Glaubwürdigkeit abgeleitet werden.
Die Behauptung, auf Grund der Straßenverhältnisse sei es nicht möglich, daß die Beschwerdeführerin eine Minute nach
21.30 Uhr wieder am Meldungsleger vorbeigefahren sei, stellt eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung dar. Schon aus diesem Grund ist die diesbezügliche Behauptung der Beschwerdeführerin nicht geeignet, die Beweiswürdigung der belangten Behörde in Zweifel zu ziehen.
Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch Nichteinvernahme im Verfahren vor der belangten Behörde als in ihrem Recht auf Parteiengehör verletzt.
Die Beschwerdeführerin war im Verfahren vor der belangten Behörde rechtsfreundlich vertreten. Sie wurde im Wege ihres Rechtsvertreters zur Verhandlung ordnungsgemäß geladen. Von einer Verletzung des Parteiengehörs kann keine Rede sein.
Schließlich bekämpft die Beschwerdeführerin Strafbemessung. Ihrer Meinung nach sei die Verhängung einer Freiheitsstrafe nicht gerechtfertigt. Diese sei nicht notwendig, um sie von weiteren Verwaltungsübertretungen abzuhalten. Die beiden Bestrafungen in den Jahren 1992 und 1993 lägen lange zurück und könnten keinesfalls die Verhängung einer Freiheitsstrafe rechtfertigen.
Nach § 18 Abs. 3 SPG sind Verwaltungsübertretungen gemäß Abs. 1 lit. c bis f von der Bezirkshauptmannschaft mit einer Geldstrafe bis zu S 30.000,-- oder mit Arrest bis zu drei Monaten zu bestrafen.
Der Bestimmung über die Arreststrafe wurde durch § 12 Abs. 1 VStG in der Fassung der VStG-Novelle 1987 derogiert. Nach dem letzten Satz dieser Bestimmung darf eine längere als eine sechswöchige Freiheitsstrafe nicht verhängt werden. An die Stelle der angedrohten Arreststrafe bis zu drei Monaten im § 18 Abs. 3 SPG ist daher die Höchstdauer von sechs Wochen Freiheitsstrafe nach § 12 Abs. 1 letzter Satz VStG getreten.
Nach § 11 VStG darf eine Freiheitsstrafe nur verhängt werden, wenn dies notwendig ist, um den Täter von weiteren Verwaltungsübertretungen gleicher Art abzuhalten.
Die belangte Behörde hat die Verhängung einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 10 Tagen deshalb für notwendig erachtet, weil die Beschwerdeführerin in der Vergangenheit trotz zweier Bestrafungen (mit empfindlich hoher Geldstrafe) nicht dazu veranlaßt werden konnte, von der Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht Abstand zu nehmen. Diese Erwägung entspricht nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Bestimmung des § 11 VStG (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. Mai 1996, Zl. 95/10/0120, u.a.). Die Strafen aus den Jahren 1992 und 1993 waren zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Strafbemessung noch nicht getilgt (§ 55 VStG) und waren daher bei der Strafbemessung heranzuziehen.
Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. Nr. 416/1994.
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