VwGH 97/08/0506

VwGH97/08/050613.4.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde 1. des U in S sowie

2. des A in H, beide vertreten durch Dr. Gerhard Mory und Dr. Heinrich Schellhorn, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Salzburg vom 11. Juli 1997, Zl. LGSSBG/5/1218/1997, betreffend Anspruch auf Arbeitslosengeld,

Normen

AlVG 1977 §33;
AlVG 1977 §34;
AlVG 1977 §7 Abs1;
AlVG 1977 §7 Abs3 Z1;
AlVG 1977 §7 Abs4;
ARB1/80 Art6 Abs1;
ARB1/80 Art6 Abs2;
B-VG Art7;
FlKonv Art33 Abs1;
FrG 1993 §37;
FremdenG 1993;
FremdenG 1997;
EMRK Art14;
EMRK Art6;
MRKZP 01te Art1;
VwGG §47;
VwGG §48 Abs1 Z2;
VwGG §53;
AlVG 1977 §33;
AlVG 1977 §34;
AlVG 1977 §7 Abs1;
AlVG 1977 §7 Abs3 Z1;
AlVG 1977 §7 Abs4;
ARB1/80 Art6 Abs1;
ARB1/80 Art6 Abs2;
B-VG Art7;
FlKonv Art33 Abs1;
FrG 1993 §37;
FremdenG 1993;
FremdenG 1997;
EMRK Art14;
EMRK Art6;
MRKZP 01te Art1;
VwGG §47;
VwGG §48 Abs1 Z2;
VwGG §53;

 

Spruch:

1. den Beschluss gefasst:

Die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers wird zurückgewiesen.

Der Zweitbeschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) Aufwendungen von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2. zu Recht erkannt:

In Stattgebung der Beschwerde des Erstbeschwerdeführers wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat dem Erstbeschwerdeführer Aufwendungen von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Erstbeschwerdeführers vom 7. Jänner 1997 auf Arbeitslosengeld mangels Vorliegens der Voraussetzungen gemäß § 7 Abs. 1 und 4 AlVG abgewiesen. Nach der Begründung dieses Bescheides habe die zuständige regionale Geschäftsstelle anlässlich der Vorsprache des Erstbeschwerdeführers am 15. Mai 1997 festgestellt, dass dieser über keinen Reisepass, sondern nur über eine Bescheinigung des Bundesasylamtes (Außenstelle Salzburg) verfüge. Daraus gehe hervor, dass der Erstbeschwerdeführer den Status eines Asylwerbers habe und zum vorläufigen Aufenthalt im Bundesgebiet bis 20. Juli 1997 berechtigt sei. Über den Asylantrag sei bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht entschieden worden. Somit besitze der Beschwerdeführer lediglich eine vorläufige Aufenthaltsbewilligung gemäß § 7 des Asylgesetzes. Diese Aufenthaltsbewilligungen seien jedoch von der Bestimmung des § 7 Abs. 4 AlVG nicht erfasst. Der Beschwerdeführer erfülle nach seinen bisherigen Beschäftigungszeiten weder die Voraussetzungen für eine Arbeitserlaubnis, noch für einen Befreiungsschein. Weiters sei der Beschwerdeführer aufgrund seines Status als Asylwerber nicht vom Geltungsbereich des Ausländerbeschäftigungsgesetzes ausgenommen. Aufgrund der Tatsache, dass der Beschwerdeführer keine der in Abs. 4 des § 7 genannten Aufenthaltsbewilligungen besitze und auch die Punkte 5 und 6 der genannten Gesetzesstelle auf ihn nicht zuträfen, stehe er der Arbeitsvermittlung auch nicht zur Verfügung, weil er eine Beschäftigung in Österreich nach den "nunmehr geltenden Rechtsvorschriften" nicht aufnehmen dürfe.

Gegen diesen Bescheid richten sich die vorliegenden Beschwerden, wobei - wie aus dem Sachverhalt der Beschwerde hervorgeht - der Zweitbeschwerdeführer jene Person ist, die der letzte Arbeitgeber des Erstbeschwerdeführers vor dessen Arbeitslosigkeit vom 13. Mai 1996 bis 30. Jänner 1997 gewesen ist. Nach dem Beschwerdepunkt "erachtet sich der Beschwerdeführer" (gemeint wohl: die Beschwerdeführer) im gesetzlich gewährleisteten Recht auf Zuerkennung und Auszahlung des Arbeitslosengeldes als verletzt.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers ist nicht zulässig:

Zunächst ist es schon aufgrund des Beschwerdepunktes ausgeschlossen, dass der ehemalige Arbeitgeber des Erstbeschwerdeführers in seinem Recht auf Arbeitslosengeld durch den angefochtenen Bescheid verletzt sein kann, da der ehemalige Arbeitgeber des Arbeitslosen kein subjektiv-öffentliches Recht auf Gewährung des Arbeitslosengeldes an einen ehemaligen Arbeitnehmer, den nunmehr Arbeitslosen hat. Es wird auch in der Beschwerdeschrift nicht näher begründet, aus welchen besonderen Gründen der Zweitbeschwerdeführer meint, gegen den einen Anspruch auf Arbeitslosengeld an den Erstbeschwerdeführer versagenden Bescheid beschwerdelegitimiert zu sein. Die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers war sohin in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Fünfersenat mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof über die Beschwerde erwogen:

Der erkennende Senat hat in seinem Erkenntnis vom 22. Dezember 1998, Zl. 96/08/0314, mit näherer Begründung dargelegt, dass die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (Gaygusuz gg. Österreich, JBl. 1997,364 = ÖJZ 1996/37) und des Verfassungsgerichtshofes (Erkenntnis vom 11. März 1998, G 363-365/97 (ua)), wonach die Notstandshilfe als (teilweise) beitragsfinanzierte Geldleistung aus der Arbeitslosenversicherung den Eigentumsschutz des - in Österreich im Verfassungsrang stehenden - Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur EMRK genießt, auf das Arbeitslosengeld (arg. a minori ad maius) zu übertragen ist und ua zur Konsequenz hat, dass der Gesetzgeber diese Rechte nach Art 14 EMRK ohne Benachteiligung, die im Geschlecht, in der Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion, in den politischen oder sonstigen Anschauungen, in nationaler oder sozialer Herkunft, in der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, im Vermögen, in der Geburt oder im sonstigen Status begründet ist, zu gewährleisten hat.

Dies hindert - wie der Senat im erwähnten Erkenntnis weiter betonte - freilich weder die Vollziehung gesetzlich vorgesehener fremdenpolizeilicher Maßnahmen, noch bestehen an sich Zweifel daran, dass das Arbeitslosenversicherungsrecht an sich am Fremdenrecht anknüpfen darf, insoweit dies in sachlicher Weise geschieht.

Wer eine Beschäftigung aufnehmen "kann und darf", ist in § 7 Abs. 3 Z. 1 und 2 AlVG (in der genannten Fassung des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201) mit zwei Voraussetzungen näher definiert, nämlich mit dem "Bereithalten" zur Aufnahme einer solchen Beschäftigung, die den in dieser Bestimmung näher bezeichneten Kriterien entspricht, einerseits, und der Erlaubnis, sich im Inland dazu aufhalten zu dürfen, andererseits.

Es ist daher zwar nicht verfassungswidrig, wenn das Gesetz nun denjenigen Arbeitslosen, der sich im Ausland aufhält, mit jenem, der sich zwar tatsächlich im Inland aufhält, dies aber rechtlich nicht darf, der sich also - entgegen seinen Verpflichtungen - nicht in seinen Heimatstaat zurückbegibt, gleichstellt, sofern es nach dem Gesetz zulässig ist, eine aufenthaltsbeendende Maßnahme zu setzen und zu vollstrecken, dh den Ausländer gegebenenfalls zwangsweise außer Landes zu verschaffen.

In jenen Fällen jedoch, in denen sich ein Ausländer zwar einerseits formell nicht im Inland aufhalten darf, andererseits aber auch aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht gesetzt werden dürfen, trifft diese Argumentation nicht zu. Der Verwaltungsgerichtshof kam daher in dem erwähnten Erkenntnis vom 22. Dezember 1998, Zl. 96/08/0314, zum Ergebnis, dass nur unter der genannten Voraussetzung der Durchsetzbarkeit des "Auslandsaufenthaltes" keine im Sinne der Entscheidung des EGMR vom 16. September 1996 (Gaygusuz gegen Österreich JBl. 1997, 364 = ÖJZ 1996/37) unsachliche Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit, sondern eine sachliche Anknüpfung am zulässigen Inlandsaufenthalt als einer unmittelbaren Bedingung für die Möglichkeit einer Vermittlung auf dem inländischen Arbeitsmarkt vorläge. Nur unter diesen Umständen verstieße der Ausschluss von Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung weder gegen Art. 6 EMRK noch gegen Art. 1 des ersten Zusatzprotokolls zur EMRK, jeweils in Verbindung mit Art. 14 EMRK bzw. das BVG zur Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung.

Diese Verfassungslage verbietet umso mehr den Ausschluss von der Gewährung von Arbeitslosengeld in einem Fall wie dem vorliegenden: der Beschwerdeführer war im Zeitpunkt der Antragstellung ebenso wie im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nach den Feststellungen der belangten Behörde im Besitz einer - wenn auch nur vorläufigen und auf die Dauer des Asylverfahrens beschränkten - Aufenthaltsbewilligung.

Es trifft zwar zu, dass diese Art der Aufenthaltsbewilligung nicht in der Aufzählung des § 7 Abs. 4 AlVG enthalten ist. Wie der Verwaltungsgerichtshof aber schon wiederholt ausgesprochen hat, ist im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte des § 7 AlVG in der Fassung des Strukturanpassungsgesetzes, BGBl. Nr. 201/1996, davon auszugehen, dass der Gesetzgeber mögliche andere als die dort aufgezählten Aufenthaltstitel nicht bedacht hat (vgl. die Erkenntnisse vom 12. Mai 1998, Zl. 98/08/0033, vom 20. Oktober 1998, Zl. 98/08/0130, und vom 22. Dezember 1998, Zl. 96/08/00314). Auch aus dem Blickwinkel des vorliegenden Falles besteht somit kein Hindernis, eine sogar verfassungsrechtlich gebotene Ergänzung dieser Bestimmung dahin vorzunehmen, dass - vor dem Hintergrund der Zwecke der Arbeitslosenversicherung und der verfassungsrechtlichen Schranken, unter denen ihre beitragsfinanzierten Geldleistungen gesetzlich eingeschränkt oder aufgehoben werden dürfen - der Status eines Arbeitslosen, der über eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 7 des Asylgesetzes verfügt, und der sich daher erlaubterweise im Inland aufhält, jenem aufgrund eines Aufenthaltstitels im Sinne des § 7 Abs. 4 AlVG (nämlich: im Zusammenhang mit der Beurteilung der Verfügbarkeit) gleichzuhalten ist.

Der angefochtene Bescheid war daher in Stattgebung der Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994 (vgl. zur Unanwendbarkeit des § 53 VwGG das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 18. September 1967, VwSlg. Nr. 7175/A, sowie das Erkenntnis vom 1. Juli 1997, Zl. 96/17/0475).

Wien, am 13. April 1999

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