VwGH 97/05/0304

VwGH97/05/030420.1.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde 1. des Engelbert Freudenschuß, 2. der Leopoldine Freudenschuß, 3. des Karl Brandstätter, 4. der Christine Brandstätter, 5. des Anton Jandl, 6. der Maria Jandl, 7. der Maria-Luise Lakatos, 8. des Karl Kropfreiter und 9. der Anna Kropfreiter, alle in Zeillern, sämtliche vertreten durch Mag. Dr. Josef Kattner, Rechtsanwalt in Amstetten, Burgfriedstraße 17, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 6. Dezember 1995, Zl. R/1-V-94107/04, betreffend Kanalanschlußverpflichtung (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Zeillern, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs4;
B-VG Art119a Abs5;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art119a Abs5;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerde und dem angefochtenen Bescheid ist folgender Sachverhalt zu entnehmen:

Den Beschwerdeführern wurde mit den im innergemeindlichen Instanzenzug der mitbeteiligten Gemeinde ergangenen Bescheiden der Anschluß ihrer in den Bescheiden näher bezeichneten Grundstücke der KG Zeillern an den in Zeillern, Nebensammler Kirchholz, neu errichteten Schmutzwasserkanal aufgetragen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 6. Dezember 1995 wurde der Vorstellung der Beschwerdeführer gegen die Bescheide des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde, mit welchen die vorgenannte Anschlußverpflichtung aufgetragen wurde, behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde verwiesen. In der Begründung führte die belangte Behörde hiezu aus, die Berufungsbehörde habe das Ermittlungsverfahren zur Feststellung einer Anschlußverpflichtung erst durchgeführt, nachdem sie in der Gemeinderatssitzung bereits darüber entschieden hatte. Die Beschwerdeführer seien durch diese gleichsam antizipative Beweiswürdigung in ihren Rechten verletzt worden. Eine Ergänzung des Ermittlungsverfahrens nach der Beschlußfassung erfordere eine neuerliche Beschlußfassung durch den Gemeinderat. Das Verfahren vor dem Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde erweise sich weiters deshalb als mangelhaft, weil den Beschwerdeführern gemäß § 45 Abs. 3 AVG die entscheidungsrelevanten Feststellungen des Ermittlungsverfahrens nicht zur Kenntnis gebracht worden seien und sie deshalb nicht Gelegenheit gehabt hätten, ihre Stellungnahme hiezu abzugeben. In diesem Umfang werde das Ermittlungsverfahren zu ergänzen sein. Bezüglich der Siebtbeschwerdeführerin werde darauf hingewiesen, daß die Vorschreibung der Duldung einer Kanalführung eines Dritten auf eigenem Grund nur dann zulässig sei, wenn eine Anschlußverpflichtung überhaupt bestehe. Da die Liegenschaft der Siebtbeschwerdeführerin jedoch nicht an die Verkehrsfläche, in welcher der Kanal verlegt werde, angrenze, sei deren Anschlußverpflichtung überhaupt zu verneinen; die Berufungsbehörde werde daher den mit Berufung bekämpften Bescheid des Bürgermeisters vom 30. September 1994 ersatzlos zu beheben haben. Aufgrund der derzeitigen Ermittlungsergebnisse dürfte auch eine Anschlußpflicht der Liegenschaft der Fünft- und Sechstbeschwerdeführer zu verneinen sein.

"Aus inhaltlicher Sicht" wurde seitens der belangten Behörde "zum übrigen Vorstellungsvorbringen" weiters ausgeführt, der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde habe an der Entscheidung des Gemeinderates nicht mitgewirkt; die Unterfertigung des Intimationsbescheides durch den Bürgermeister stelle keine Mitwirkung an der Entscheidung dar. Die behauptete Nichtigkeit und Unzuständigkeit liege ebenfalls nicht vor, weil der Bürgermeister bis zur Angelobung des neugewählten Bürgermeisters am 24. April 1995 die Amtsgeschäfte zu führen gehabt habe. Das Vorbringen der Beschwerdeführer, es läge eine Gefährdung des Grundwassers bei Errichtung der vorgeschriebenen Kanalanschlußverpflichtung vor, sei im vorliegenden Verfahren nicht zielführend. Eine mehr als 50 m lange Anschlußleitung berechtige lediglich die Gemeinde, von der ihrerseits bestehenden Anschlußverpflichtung Abstand zu nehmen; die Erforderlichkeit eines Pumpvorganges wiederum sei nur als Schutzbestimmung für den Anschlußverpflichteten zu verstehen. Die Behörde habe zwar grundsätzlich Amtssachverständige beizuziehen; worin eine Befangenheit des von der Berufungsbehörde beigezogenen Sachverständigen liegen solle, werde von den Beschwerdeführern nicht ausgeführt. Es sei auch kein Grund dargetan worden, welcher die Fachkunde des Sachverständigen in Zweifel ziehen könnte. Gehe man vom bewilligten Verwendungszweck der hier zu beurteilenden Räumlichkeiten auf den Grundstücken der Beschwerdeführer aus, sei festzustellen, daß lediglich der Keller des Wohnhauses der Fünft- und Sechstbeschwerdeführer derzeit mit einem Wasseranschluß versehen und ohne Pumpvorgang nicht entsorgbar sei. Im Hinblick auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Dezember 1990, Zl. 87/05/0078, wonach dem NÖ Kanalgesetz 1977 eine geschoßweise Anschlußpflicht nicht zu entnehmen sei, werde daher für dieses Gebäude die Anschlußpflicht zu verneinen sein. Für die Behauptung, daß die Milchkammern der Grundstücke der Erst-, Zweit-, Dritt-, Viert-, Acht- und Neuntbeschwerdeführer von der Anschlußpflicht ausgenommen seien, fände sich jedoch kein Hinweis. Der Hauptkanal sei im Hinblick auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Oktober 1995, Zl. 94/05/0247, nunmehr auch materiell rechtskräftig baubewilligt.

Wirtschaftliche Erwägungen könnten lediglich zu einer Verlängerung der im § 17 Abs. 3 des NÖ Kanalgesetzes 1977 angeführten Fristen führen, für weitere Überlegungen über eine finanzielle Zumutbarkeit fände sich im Gesetz selbst kein Hinweis. Auch das Argument, bereits Vorsorge für die Beseitigung der Abwässer getroffen zu haben, vermöge an der Zulässigkeit des Ausspruches der Anschlußverpflichtung nichts zu ändern, da § 56 Abs. 2 der NÖ Bauordnung ausdrücklich einen Anschluß bei Vorliegen öffentlicher Kanäle anordne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 30. September 1997, B 393/96-4, nach Ablehnung der Behandlung derselben gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde. Vor dem Verwaltungsgerichtshof erachten sich die Beschwerdeführer in dem Recht "auf Aufhebung der uns gegenüber verfügten Verpflichtung, für unsere Grundstücke an den Schmutzwasserkanal, Nebensammler Kirchholz, anzuschließen sowie um eine Baubewilligung für die Errichtung eines Hauskanales (bis zur Liegenschaftsgrenze) zum Anschluß an den Schmutzwasserkanal anzusuchen", weiters in dem Recht "auf Beachtung der bindenden Wirkung der Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde verletzt". Sie machen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Bekämpft werden - dem Vorbringen in der Beschwerdeergänzung zufolge - "die tragenden Gründe des angefochtenen Bescheides", soweit die Einwendungen bezüglich Gefährdung der Grundwasserqualität, Gefährdung der Gesundheit, Länge der Anschlußleitung, Notwendigkeit eines Pumpvorganges, mangelnde Berücksichtigung der Keller, Ablehnung des Sachverständigen, wirtschaftliche Zumutbarkeit, bestehende Vorsorge für die Beseitigung der anfallenden Abwässer und unzulässige Verquickung zweier Verpflichtungen im Bescheidspruch verworfen worden seien. Die Unterbehörden hätten bezüglich der Verpflichtung zum Kanalanschluß kein Ermittlungsverfahren durchgeführt. Die belangte Behörde gehe weiter davon aus, daß Liegenschaften der Beschwerdeführer ohne die Notwendigkeit einer Ableitung aufgrund eines Pumpvorganges angeschlossen werden könnten. Hiezu fehlten jedoch die entsprechenden Ermittlungsergebnisse. Der Hauskanal umfasse die Hausleitung bis zur Grenze des anschlußpflichtigen Grundstückes. Die Anschlußleitung wiederum umfasse das Verbindungsstück zwischen dem Hauskanal und dem Straßenrohrstrang. Maßgeblich für den Beginn der Anschlußleitung sei daher insbesondere die Grenze jener Punktparzelle, auf welcher das anschlußpflichtige Gebäude errichtet sei. Die belangte Behörde lege den Begriff der Anschlußleitung unrichtig aus und verkenne, daß im Fall einer mehr als 50 m langen Anschlußleitung ein zwangsweiser Anschluß nicht verfügt werden dürfe. § 56 Abs. 1 der NÖ Bauordnung komme ausschließlich für Sachverhalte zur Anwendung, bezüglich derer noch keine Vorsorge zur Beseitigung der Abwässer getroffen sei. Aufgrund der Einwände der Beschwerdeführer betreffend Gefährdung der Qualität des Grundwassers und Gesundheitsgefährdung infolge des starken Gefälles wären die Gemeindebehörden verpflichtet gewesen, ein gesetzmäßiges wasserrechtliches Verfahren durchführen zu lassen und die Einholung eines hydrogeologischen und medizinischen Gutachtens zu veranlassen. Der Verwaltungsgerichtshof habe mit Erkenntnis vom 17. September 1996, Zl. 96/05/0099, die baurechtliche Bewilligung in bezug auf den Kanalstrang aufgehoben; derzeit sei von einem nicht bewilligten Kanal auszugehen, bezüglich dessen bereits ein Antrag auf Erlassung eines Abbruchauftrages eingebracht worden sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 61 Abs. 4 der NÖ Gemeindeordnung 1973 hat die Aufsichtsbehörde den Bescheid, wenn durch ihn Rechte des Einschreiters verletzt werden, aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zu verweisen.

Gemäß Abs. 5 dieser Gesetzesstelle ist die Gemeinde bei der neuerlichen Entscheidung an die Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde gebunden.

Die Bindung sowohl der Gemeinde als auch der anderen Parteien des Verfahrens erstreckt sich ausschließlich auf die die Aufhebung tragenden Gründe des aufsichtsbehördlichen Bescheides, nicht aber auf jene Ausführungen der Gemeindeaufsichtsbehörde, die in Wahrheit zu einer Abweisung der Vorstellung hätten führen müssen. Die Partei des Verfahrens kann gegen einen aufsichtsbehördlichen Bescheid auch dann, wenn ihrer Vorstellung stattgegeben worden ist, Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erheben, wenn ihrem Rechtsstandpunkt nicht voll entsprochen worden ist, allerdings nur insoweit, als damit eine die Aufhebung tragende Rechtsansicht bekämpft wird. Soweit die Vorstellungsbehörde der Rechtsansicht der Gemeindebehörden beigetreten ist, stellen die Ausführungen der Vorstellungsbehörde in dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid keinen tragenden Grund für die Aufhebung des gemeindebehördlichen Bescheides dar; sie können daher im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht bekämpft werden. Nur dann, wenn die Aufsichtsbehörde einen die Aufhebung tragenden Grund anders beurteilt hat als der Vorstellungswerber, ist er berechtigt und zur Wahrung seines Rechtsstandpunktes genötigt, diesen Bescheid anzufechten, obwohl dem Spruch nach festgestellt wurde, daß der Vorstellungswerber in seinen Rechten verletzt worden ist (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1996, Zl. 96/05/0150, mwN). Bindungswirkung tritt dann nicht ein, wenn sich der Sachverhalt (in einem wesentlichen Punkt) oder die Rechtslage geändert haben. Die Bindungswirkung des aufsichtsbehördlichen Bescheides reicht nur soweit, als die Behörde nicht im zweiten Rechtsgang den (tragenden) Aufhebungsgrund beachtet hat. Für das Vorliegen anderer entscheidungswesentlicher Gründe hat der Ausspruch der Aufsichtsbehörde keine Rechtswirkungen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 27. August 1996, Zl. 96/05/0078, mwN).

Tragender Aufhebungsgrund des angefochtenen Bescheides war die Verletzung von Verfahrensvorschriften im Verfahren vor der Berufungsbehörde. Die Gründe im angefochtenen Bescheid, welche nicht zur Aufhebung des bekämpften Bescheides geführt haben, stellen keine tragenden Aufhebungsgründe dar, welche eine Bindungswirkung für das weitere Verfahren nach sich ziehen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 29. April 1997, Zl. 96/05/0158). Die im angefochtenen Bescheid "aus inhaltlicher Sicht ..." enthaltenen Ausführungen zum übrigen Vorstellungsvorbringen stellen somit keine tragenden Aufhebungsgründe dar, welche eine Rechtsverletzung der Beschwerdeführer bewirken könnten. Eben diese Ausführungen, die die Beschwerdeführer in der Sache selbst vortragen, können zum Gegenstand ihres Vorbringens vor den Verwaltungsbehörden gemacht werden (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 1997, Zl. 95/05/0323). Bezüglich der von den Beschwerdeführern zu § 56 der NÖ Bauordnung 1976 aufgeworfenen Rechtsfragen verweist der Verwaltungsgerichtshof auf die hg. Erkennnisse vom 16. September 1997, Zl. 97/05/0091, und vom 19. November 1996, Zl. 94/05/0098.

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von den Beschwerdeführern behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

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