VwGH 96/19/1068

VwGH96/19/106831.10.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerden 1.) der 1947 geborenen M S und 2.) des 1946 geborenen V S, beide in Wien, beide vertreten durch Dr. Eva Maria Barki, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Landhausgasse 4, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres vom 13. Februar 1996, Zlen. 101.638/7-III/11/95 (betreffend die Erstbeschwerdeführerin) und 101.638/8-III/11/95 (betreffend den Zweitbeschwerdeführer), jeweils betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992 §1 Abs1;
AufG 1992 §5 Abs1;
AufG 1992 §6 Abs2;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1995 §3 Z1;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1995 §3 Z3;
FrG 1993 §10 Abs1 Z6;
AufG 1992 §1 Abs1;
AufG 1992 §5 Abs1;
AufG 1992 §6 Abs2;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1995 §3 Z1;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1995 §3 Z3;
FrG 1993 §10 Abs1 Z6;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführer brachten am 30. November 1994 jeweils durch ihren Sohn bei der österreichischen Botschaft in Preßburg Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ein, die am 7. Dezember 1994 beim Magistrat der Stadt Wien einlangten. Der Landeshauptmann von Wien wies diese Anträge mit gleichlautenden Bescheiden gemäß § 6 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz (AufG) ab, weil sie vom Sohn der Antragsteller in der österreichischen Botschaft in Preßburg eingebracht worden seien, womit das gesetzliche Erfordernis einer Antragstellung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus nicht erfüllt werde, zumal auch keinerlei Grund zur Annahme bestehe, daß sich die Antragsteller zum Zeitpunkt der Antragstellung im Ausland befunden hätten.

In ihren dagegen erhobenen Berufungen bestritten die Beschwerdeführer, daß § 6 AufG ein persönliches Erscheinen bei der Antragstellung erfordere, und brachten vor, ihre Anträge seien gemäß § 13 AufG als Verlängerungsanträge zu werten, weil die Abweisung ihrer Asylanträge erst am 29. Oktober 1993 erfolgt sei, sie sich daher zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des AufG rechtmäßig in Österreich aufgehalten hätten.

Mit gleichlautenden Bescheiden vom 13. Februar 1996, zugestellt am 26. Februar 1996, wurden die Berufungen vom Bundesminister für Inneres gemäß § 6 Abs. 2 AufG abgewiesen.

Begründend führte der Bundesminister für Inneres aus, die Behörde erster Instanz habe die Anträge mit der Begründung abgewiesen, daß der Erstantrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen sei. Da die Beschwerdeführer sich bei der Antragstellung in Österreich aufgehalten hätten, komme die Stellung eines Erstantrages nicht in Frage.

Gegen diese Beurteilung hätten die Beschwerdeführer im wesentlichen eingewendet, daß die Vertretung durch ihren Sohn gerechtfertigt gewesen wäre, da sich dieser beim Ausfüllen des Formulares besser auskenne. Außerdem handle es sich bei den gegenständlichen Anträgen nicht um einen Erstantrag, sondern um einen Verlängerungsantrag.

Diese Annahme - so heißt es in der Bescheidbegründung weiter - sei unzutreffend. Die Beschwerdeführer hätten nach der auf ihren eigenen Angaben beruhenden Aktenlage ihre Anträge nicht vor der Einreise, mit der ihr derzeitiger Aufenthalt begonnen habe, gestellt. Die bloße Einbringung des Antrages durch Dritte bei einer österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland sei keinesfalls ausreichend; die Vorgangsweise der Beschwerdeführer widerspreche auch dem in § 6 Abs. 2 AufG zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers, daß Fremde die Entscheidung über ihren Antrag grundsätzlich vom Ausland aus abzuwarten hätten.

Aus diesem Grund und infolge der Verfahrensvorschrift des § 6 Abs. 2 AufG sei die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung jeweils ausgeschlossen und sei auf das Vorbringen der Beschwerdeführer - auch im Zusammenhang mit ihren persönlichen Verhältnissen - nicht weiter einzugehen gewesen.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden, mit denen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Gemäß § 10 AVG könnten sich Beteiligte, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert sei, durch eigenberechtigte Personen vertreten lassen; gemäß § 6 Abs. 2 AufG könne die Behörde die persönliche Einbringung verlangen, wenn die Vermutung bestehe, daß die Regelung umgangen werden solle. Sowohl die Behörde erster Instanz als auch die belangte Behörde hätten sich auf die bloße Vermutung gestützt, daß die Einbringung des Antrages vor der Einreise vom Ausland umgangen werden solle. Sie hätten daher eine persönliche Einbringung zu verlangen gehabt. Ohne ein solches vorheriges Verlangen sei eine Abweisung der Anträge unzulässig gewesen.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:

§ 6 Abs. 2 und § 13 Abs. 1 und 2 AufG lauten in der im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides maßgebenden Fassung der Novelle BGBl. Nr. 351/1995:

"§ 6.

...

(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Begründet eine Einbringung auf dem Postweg oder durch Vertreter die Vermutung, daß diese Regelung umgangen werden soll, kann die persönliche Einbringung verlangt werden. Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: Im Fall des Verlustes der österreichischen Staatsbürgerschaft, des Asyls oder des Aufenthaltsrechts gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1; weiters in den Fällen des § 7 Abs. 2, des § 12 Abs. 4 und einer durch zwischenstaatliche Vereinbarung oder durch eine Verordnung gemäß § 14 FrG ermöglichten Antragstellung nach Einreise; schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältigen Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z. 4 festgelegt ist. Der Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung und auf Änderung des Aufenthaltszwecks kann bis zum Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung auch vom Inland aus gestellt werden.

§ 13. (1) Die Berechtigungen zum Aufenthalt von Fremden, auf die dieses Bundesgesetz Anwendung findet und die sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, bleiben unberührt. Sie können mit Ablauf ihrer Berechtigung die Erteilung einer Bewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften (§ 4 Abs. 2) beantragen.

(2) Abs. 1 findet auf die in § 1 Abs. 3 genannten Fremden keine Anwendung."

§ 4 Z. 4 der am 22. Dezember 1995 im Bundesgesetzblatt kundgemachten Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1996, BGBl. Nr. 854/1995, lautet:

"§ 4. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung kann ausnahmsweise im Inland gestellt werden von:

...

4. Personen, für die eine Beschäftigungsbewilligung, eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt ist, und deren Familienangehörigen im Sinne des § 3 des Aufenthaltsgesetzes, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten."

Da die Beschwerdeführer noch nie über Aufenthaltsbewilligungen verfügten, kam die Stellung von Verlängerungsanträgen nicht in Frage. Auch eine Erteilung von Bewilligungen unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften gemäß § 13 Abs. 1 AufG schied für die Beschwerdeführer aus, weil nach ihrem Vorbringen im Verwaltungsverfahren ihre Asylanträge im Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht abgewiesen waren, sie daher gemäß § 13 Abs. 2 AufG von der Anwendung des § 13 Abs. 1 AufG ausgenommen waren. Die belangte Behörde wertete die Anträge daher zu Recht als Erstanträge, für die die Vorschriften des § 6 Abs. 2 AufG maßgeblich waren. Eine ausnahmsweise Zulässigkeit der Antragstellung im Inland ergab sich für die Beschwerdeführer schließlich auch nicht aus dem Umstand, daß ihnen nach der Aktenlage jeweils eine Arbeitserlaubnis ausgestellt worden war. Nach § 4 Z. 4 der Verordnung BGBl. Nr. 854/1995 ist die Inlandsantragstellung für Inhaber einer Arbeitserlaubnis nur zulässig, wenn diese eine Aufenthaltsbewilligung hatten. Dies war bei den Beschwerdeführern nicht der Fall. Sollten sie zum Zeitpunkt der Antragstellung über vorläufige Aufenthaltsberechtigungen nach § 7 Abs. 1 des Asylgesetzes 1991 verfügt haben, wäre daraus für sie nichts gewonnen, weil der Begriff "Aufenthaltsbewilligung" in § 4 Z. 4 der Verordnung BGBl. Nr. 854/1995 nur die in § 1 Abs. 1 AufG als "Bewilligung" bezeichnete besondere Berechtigung erfaßt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. September 1995, Zl. 95/19/0743).

Gemäß § 6 Abs. 2 erster Satz AufG ist der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Mit "der Einreise nach Österreich" im Sinne dieser Bestimmung ist - unbeschadet der Möglichkeit, den Antrag durch einen Vertreter einzubringen - die Einreise des Antragstellers gemeint (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1996, Zl. 95/19/1168, mwN). Die Antragstellung durch einen Vertreter vom Ausland aus, während sich der Fremde selbst im Inland aufhält, erfüllt entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführer die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 erster Satz AufG nicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. September 1997, Zl. 96/19/1794).

Nach dem u.a. aus den Gesetzesmaterialen erschließbaren Normzweck des § 6 Abs. 2 AufG wird für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung überdies nicht nur vorausgesetzt, daß der Antrag vor der Einreise in das Bundesgebiet gestellt wird, sondern auch, daß die Entscheidung über den Antrag grundsätzlich vom Ausland aus abgewartet wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 95/19/1703, mwN).

Die Beschwerdeführer bestreiten in ihren Beschwerden nicht die Feststellung der belangten Behörde, ihre Anträge nicht vor der Einreise nach Österreich gestellt zu haben.

Steht wie in den vorliegenden Fällen aufgrund der unangefochtenen Bescheidfeststellungen fest, daß sich ein Antragsteller im Zeitpunkt der Antragstellung durch den Vertreter im Inland befindet, bleibt für die Anwendung der auf die bloße Vermutung eines solchen Umstandes abstellenden Verfahrensbestimmung des § 6 Abs. 2 zweiter Satz AufG kein Raum (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 1997, Zl. 96/19/1133).

Da das im § 6 Abs. 2 AufG normierte Erfordernis, einen Bewilligungsantrag vom Ausland aus zu stellen, nicht als bloße Formvorschrift zu werten ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/19/1010), sondern als Voraussetzung, deren Nichterfüllung die Abweisung eines Antrages nach sich zieht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 95/19/0895), hatte die belangte Behörde die unter Mißachtung des § 6 Abs. 2 AufG gestellten Anträge auf Aufenthaltsbewilligung abzuweisen.

Dieses Ergebnis steht auch im Hinblick darauf, daß die Beschwerdeführer nach der Aktenlage abgewiesene Asylwerber sind, mit Art. 8 MRK in Einklang. Der Gesetzgeber der Novelle zum AufG BGBl. Nr. 351/1995 hat in § 6 Abs. 2 AufG bereits auf die während eines berechtigten Aufenthaltes nach dem Asylgesetz 1991 begründeten privaten und familiären Interessen eines Fremden im Inland Bedacht genommen und sich dafür entschieden, die Antragstellung vom Inland aus nur im Falle des Verlustes des Asyls zu erlauben. Eine weitere Bedachtnahme auf Art. 8 MRK durch die Behörde kommt daher nicht in Betracht. Verfassungsmäßige Bedenken dagegen, daß der Gesetzgeber die Antragstellung vom Inland aus auf Fälle des Verlustes von Asyl beschränkt hat, sind beim Verwaltungsgerichtshof auch aus Anlaß der vorliegenden Fälle nicht entstanden. Die aus den Erläuterungen zum Aufenthaltsgesetz (vgl. RV 525 BlgNR 18. GP) erkennbare Zielvorstellung des Gesetzgebers, die Umgehung von Einwanderungsvorschriften durch die Stellung von Asylanträgen zu verhindern, welche zum Schutz der öffentlichen Ordnung auch im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK gerechtfertigt erscheint, verbietet es, abgewiesene Asylwerber in Ansehung ihrer privaten und familiären Interessen im Inland besser zu stellen als Fremde, die erstmals eine Aufenthaltsbewilligung beantragen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Februar 1997, Zl. 95/19/0371). Eine Einschränkung des durch Art. 8 Abs. 1 MRK allenfalls geschützten Rechtes auf Neuzuwanderung zur Wahrung der durch einen Voraufenthalt begründeten persönlichen oder familiären Interessen durch § 6 Abs. 2 AufG ist - aus dem Gesichtspunkt der öffentlichen Ordnung und des damit verbundenen Rechtes des Staates auf Regelung der Neuzuwanderung - durch Art. 8 Abs. 2 MRK gerechtfertigt. Die Fälle der Beschwerdeführer sind auch nicht mit jener Konstellation vergleichbar, die dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Juni 1995, Slg.Nr. 14.148, zu Grunde lag.

Die Beschwerden waren somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

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