VwGH 96/19/1010

VwGH96/19/101024.1.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,

Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des E in W, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. Februar 1996, Zl. 107.210/7-III/11/96, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992 §3 Abs1 Z1;
AufG 1992 §6 Abs2;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1995 §3 Z4 impl;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1996 §4 Z2;
AufG 1992 §3 Abs1 Z1;
AufG 1992 §6 Abs2;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1995 §3 Z4 impl;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1996 §4 Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren an Stempelgebührenersatz wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug im zweiten Rechtsgang ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der mit 11. Mai 1994 datierte, bei der österreichischen Botschaft in Preßburg eingebrachte Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 6 Abs. 2 und § 13 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. Die belangte Behörde, welche sich im nunmehr angefochtenen Bescheid nicht mehr auf den im ersten Rechtsgang herangezogenen Abweisungstatbestand des § 9 Abs. 3 AufG (in seiner Fassung vor Inkrafttreten der Novelle BGBl. Nr. 351/1995) stützte, führte begründend aus, gemäß § 6 Abs. 2 AufG sei der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Der Antrag auf Verlängerung könne auch im Inland gestellt werden. Gemäß § 13 Abs. 1 AufG seien Fremde, die sich bei Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten, berechtigt, mit Ablauf der Geltungsdauer dieser Berechtigung eine Bewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften zu beantragen.

Dem Beschwerdeführer seien in den Jahren 1990 und 1991 für kurze Zeiträume Sichtvermerke erteilt worden. Zwischen 10. März 1992 und 10. Dezember 1993 habe der Beschwerdeführer durchgehend über Sichtvermerke verfügt. Er sei daher im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Aufenthaltsgesetzes rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig gewesen. Er wäre daher berechtigt gewesen, die Verlängerung seiner Bewilligung bis 10. Dezember 1993 zu beantragen. Diese Frist habe er durch die Antragstellung am 11. Mai 1994 nicht gewahrt. Die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (Erkenntnis vom 16. Juni 1995, B 1611-1614/94) - wonach es im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung des durch § 6 Abs. 2 AufG geschaffenen Regelungssystems geboten sei, jene Fälle dem zweiten Satz des § 6 Abs. 2 AufG zu unterstellen, in denen der Fremde seit mehreren Jahren bzw. seit seiner Geburt in Österreich lebe und die Frist, innerhalb deren ein Antrag im Sinne des § 13 AufG zu stellen gewesen wäre, nur relativ geringfügig versäumt habe - sei auf den Beschwerdeführer nicht anwendbar, weil die Versäumung der Antragsfrist nicht bloß kurzfristig und der bisherige rechtmäßige Aufenthalt des Beschwerdeführers nicht lange genug gewesen sei. Die durch die Eheschließung des Beschwerdeführers mit einer österreichischen Staatsangehörigen am 15. April 1994 sowie durch die Geburt eines gemeinsamen Kindes am 22. Mai 1994 begründeten privaten und familiären Bindungen in Österreich seien gegenüber den öffentlichen Interessen hintanzustellen. Es könne daher dahingestellt bleiben, ob der illegale Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet eine Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit darstelle.

Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Das im § 6 Abs. 2 AufG normierte Erfordernis, einen Bewilligungsantrag vom Ausland aus zu stellen, wird in der Rechtsprechung nicht als bloße Formvorschrift gewertet (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1995, Zl. 95/19/1272).

Für die Beurteilung der Frage, ob der Erfolg eines Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung die Antragstellung vom Ausland aus voraussetzt, ist die Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde, nicht aber jene im Zeitpunkt der Antragstellung maßgeblich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. September 1996, Zl. 95/19/0677). Die belangte Behörde hatte daher im Hinblick auf das Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides (20. Februar 1996) § 6 Abs. 2 AufG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 sowie

§ 4 Z. 2 der am 22. Dezember 1995 kundgemachten Verordnung der Bundesregierung BGBl. Nr. 854/1995 über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1996 anzuwenden.

§ 6 Abs. 2 AufG in dieser Fassung lautet auszugsweise:

"(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Begründet eine Einbringung auf dem Postweg oder durch Vertreter die Vermutung, daß diese Regelung umgangen werden soll, kann die persönliche Einbringung verlangt werden. Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: ...; schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältigen Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z 4 festgelegt ist. ..."

§ 2 Abs. 3 Z. 4 AufG lautet:

"(3) Die Bundesregierung kann in dieser Verordnung insbesondere

...

4. in Österreich geborene Kinder von Fremden (§ 3 Abs. 1 Z 2), Angehörige österreichischer Staatsbürger (§ 3 Abs. 1 Z 1), ... insoweit von der Anrechnung auf die Zahl der Bewilligungen ausnehmen, als dadurch das Ziel der Zuwanderungsregelung nicht beeinträchtigt wird, ..."

§ 4 Z. 2 der Verordnung BGBl. Nr. 854/1995 lautet:

"§ 4. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung kann ausnahmsweise im Inland gestellt werden von:

  1. 1. ...
  2. 2. Angehörigen von österreichischer Staatsbürgern (§ 3 Abs. 1 Z 1 Aufenthaltsgesetz), die gemäß § 14 Abs. 3 FrG einreisen oder denen vor der Einreise ein gewöhnlicher Sichtvermerk erteilt wurde,"

    Nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid ist der Beschwerdeführer seit dem 15. April 1994 Ehegatte und damit Angehöriger einer österreischischen Staatsbürgerin im Sinne des § 3 Abs. 1 Z. 1 AufG. Daß die Angehörigeneigenschaft schon im Zeitpunkt der Sichtvermerkserteilung oder der Einreise vorliegen müsse, ist der Bestimmung des § 4 Z. 2 der Verordnung BGBl. Nr. 854/1995 nicht zu entnehmen (vgl. in diesem Zusammenhang das zur gleichlautenden Bestimmung des § 3 Z. 4 der Verordnung BGBl. Nr. 408/1995 ergangene hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1995, Zl. 95/19/0592). Unter der Voraussetzung , daß zumindestens einer der in Rede stehenden Sichtvermerke vor der (zuletzt erfolgten) Einreise des Beschwerdeführers erteilt wurde, wäre dieser zur Stellung des Antrages vom 11. Mai 1994 im Inland berechtigt gewesen. In Verkennung dieser Rechtslage unterließ es die belangte Behörde hiezu Feststellungen zu treffen, weshalb sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastete.

    Auf den Versagungsgrund des § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 des FrG hat die belangte Behörde ihren Bescheid mit den Ausführungen, es könne dahingestellt bleiben, ob der illegale Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet eine Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle, nicht gestützt. Aufgrund des von der belangten Behörde festgestellten illegalen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Anschluß an den Ablauf eines gewöhnlichen Sichtvermerkes alleine wäre der Tatbestand des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG auch nicht verwirklicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1996, Zl. 95/19/0907).

    Aus diesen Erwägungen war der Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

    Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Art. III Abs. 2 dieser Verordnung kommt nicht zur Anwendung, weil das gegenständliche Verfahren im Zeitpunkt ihres Inkrafttretens noch nicht anhängig war. Zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung wäre die Vorlage des angefochtenen Bescheides in einfacher Ausfertigung ausreichend gewesen.

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