Normen
AsylG 1991 §1 Z1;
AVG §37;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1991 §1 Z1;
AVG §37;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Nigeria, der am 2. Februar 1996 in das Bundesgebiet eingereist ist, beantragte mit Schreiben vom selben Tag die Gewährung von Asyl. Er gab anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme am 27. Februar 1996 an, er habe seit 1992 für eine Druckerei in Lagos als Vorarbeiter gearbeitet. Seit 1994 hätten sie begonnen, auch für eine Menschenrechtsorganisation zu arbeiten. Am 19. Dezember 1995 seien zivile Sicherheitsbeamte gekommen, welche die Druckereiangestellten zu einer Polizeistation zur Befragung mitgenommen hätten. Dort sei ihnen ein von ihnen gedrucktes Flugblatt vorgelegt worden, welches gegen die Regierung gerichtet gewesen sei. Sie hätten alle bestritten, dieses Flugblatt gedruckt zu haben, was von den staatlichen Organen nicht geglaubt worden sei. Sie seien drei Tage lang alle in einer Zelle inhaftiert gewesen. Danach sei er alleine zu einem Gefängnis in Lagos gebracht worden. Wohin man die anderen Druckereiangestellten gebracht habe, wisse er nicht. Er sei bis 31. Jänner 1996 in Haft gewesen. In dieser Zeit sei er dadurch gefoltert worden, daß er mit zum Tode verurteilten Kriminellen in einer Zelle inhaftiert gewesen sei, welche ihn beleidigt und mit den Fäusten geschlagen hätten. Auch durch die Polizeibeamten sei er gefoltert worden. Diese seien gekommen, als er gerade geschlagen worden sei, hätten Stop geschrieen, mit den Holzstöcken alle Inhaftierten geschlagen und Tränengas versprüht. Er sei von einem Polizeibeamten aus dem Gefängis gebracht worden. Ein anderer Mann habe auf ihn gewartet, und er habe sich im Busch umgezogen. Er sei von diesem Mann mit einem Taxi zum Flughafen gebracht worden und geflüchtet. Über Vorhalt der Unglaubwürdigkeit gab der Beschwerdeführer an, daß die Flucht organisiert worden sei. Er habe nichts dafür bezahlt. Er vermute, daß die Menschenrechtsorganisation dies gemacht habe. Er glaube, daß nach drei Wochen zwei Personen der Menschenrechtsorganisation das Gefängis besucht hätten. Mit diesen habe er nicht sprechen können, da die Gefängniswächter anwesend gewesen seien. Seine Annahme stütze er darauf, daß er die Leute gekannt habe. Seine Befreier hätten ihm mitgeteilt, daß er die Heimat verlassen solle, da bereits zwei Leute getötet worden seien und er auch getötet werden könnte. Über Vorhalt der Unglaubwürdigkeit, daß er aus Angst vor Verfolgung aus dem Heimatland geflüchtet sei und sich trotzdem der verstärkten Kontrolle beim Flughafen ausgesetzt habe, antwortete der Beschwerdeführer, daß der Mann, der ihn begleitet habe, ihm versprochen habe, ihm zu helfen, und er diesem geglaubt habe.
Die Behörde erster Instanz wies den Asylantrag unter anderem mit der Begründung ab, daß wesentliche Teile der Angaben des Beschwerdeführers unglaubwürdig seien und er somit keine Verfolgung im Sinne der Genfer Konvention habe glaubhaft machen können. Der Beschwerdeführer erhob hiegegen Berufung, welche von der belangten Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid abgewiesen wurde. Die belangte Behörde erachtete - anders als die Erstbehörde - die Angaben des Beschwerdeführeres nicht als unglaubwürdig. Sie begründete ihrerseits, es sei davon auszugehen, daß die Behörden des Heimatstaates nicht aus den im § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 genannten Gründen an der Person des Beschwerdeführers interessiert gewesen seien, sondern vielmehr deshalb, "um Ermittlungen hinsichtlich der regimefeindlichen Flugblätter vorzunehmen", weshalb auch andere Mitarbeiter inhaftiert worden seien. Es müsse festgehalten werden, daß der Beschwerdeführer als Drucker lediglich seine Arbeit verrichtet, also einen Auftrag ausgeführt habe. Seinen Ausführungen sei nicht zu entnehmen, daß er persönlich die Texte verfaßt bzw. den Druck der Flugblätter veranlaßt habe. Die Beamten seien lediglich ihrer Ermittlungspflicht nachgekommen. Der Beschwerdeführer habe auch nicht behauptet, daß ihm bei der behaupteten Festnahme bzw. Inhaftierung eine, aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen, differenzierte Behandlung zuteil geworden sei. Es sei ihm im Gegenteil die Polizei sogar zur Seite gestanden, als er von Zellengenossen angegriffen worden sei. Die Übergriffe seitens der Zellengenossen könnten nicht als Foltermethoden der staatlichen Behörden angesehen werden. Es handle sich hiebei um Übergriffe von Privatpersonen, welche sich nicht als politisch, religiös oder ethnisch motivierte, vom Staat initierte oder geduldete Verfolgungshandlungen darstellten. Die Polizei habe zwar im Rahmen der Unruhen in der Zelle Tränengas eingesetzt, doch habe dies offensichtlich nur zum Schutz der Person des Beschwerdeführers vor den Zellengenossen gedient.
Die belangte Behörde erblickte in den Ausführungen des Beschwerdeführers keine Verfolgung im Sinne des Asylgesetzes 1991.
Als nicht verfahrensentscheidend wies die belangte Behörde darauf hin, daß er anläßlich seiner Einvernahme vor der Bundespolizeidirektion Graz (Inhaftierung wegen Verdachts der Begehung einer strafgerichtlich zu ahndenden Handlung) am 16. Juli 1996 ersucht habe, die nigerianische Botschaft von seiner Festnahme zu verständigen, woraus zu schließen sei, daß der Beschwerdeführer bereit sei, sich freiwillig unter den Schutz seines Heimatstaates zu stellen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Nach dem gemäß § 67 AVG auch von der Berufungsbehörde anzuwendenden § 60 leg. cit. sind in der Begründung des Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Demnach muß in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes zugänglichen Weise dargetan werden, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zu der Ansicht gelangte, daß gerade dieser Sachverhalt vorliege und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtete (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 30. Mai 1985, Zl. 84/08/0047, und vom 28. Juni 1988, Zl. 87/11/0066, und vom 26. Juli 1995, Zl. 94/20/0722). Diesen Erfordernissen wird der angefochtene Bescheid insoweit nicht gerecht, als diesem nicht entnommen werden kann, aufgrund welcher Erwägungen die belangte Behörde zur Ansicht gelangte, daß die Behörden des Heimatstaates am Beschwerdeführer nicht aus den im § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 genannten Gründen an seiner Person interessiert gewesen seien, sondern nur deshalb, um Ermittlungen hinsichtlich der regimefeindlichen Flugblätter vorzunehmen. Denn mit einer reinen Ermittlungstätigkeit ist ohne weitere Begründung nicht vereinbar, daß der Beschwerdeführer nach erster Einvernahme auf einer Polizeistation für einen Zeitraum von mehr als einem Monat in einem anderen Gefängnis inhaftiert geblieben sein solle, ohne daß weitere Ermittlungsschritte unter Einbeziehung seiner Person vorgenommen worden seien. Das Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner niederschriftlichen Einvernahme erweckt eher - alleine für sich gesehen - den Eindruck, daß die Behörden seiner Heimat ihm eine gleichartige, das heißt gegen die Regierung gerichtete, politische Gesinnung unterstellt hätten, wie sie in dem angeblich gedruckten Flugblatt der Menschenrechtsorganisation zum Ausdruck gekommen sei. Da es zur Begründung asylrechtlich relevanter Verfolgung nicht darauf ankommt, ob der Asylwerber selbst die politische Gesinnung teilt, die ihm von den Behörden unterstellt wird, sondern lediglich darauf, ob Verfolgungsmaßnahmen auf der Ansicht der belangten Behörde beruhen, dem Asylwerber sei eine bestimmte politische Gesinnung eigen, erweist sich dieser Begründungsmangel auch als relevant. Denn eine Haft vom 19. Dezember 1995 bis zum 31. Jänner 1996, welche ohne Beendigung durch die behauptete Flucht noch länger fortgedauert hätte, ohne daß es zu einer strafrechtlichen Anklage und einem nach rechtsstaatlichen Prinzipien geführten Strafverfahren gekommen wäre, ist ein Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen. Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, daß die belangte Behörde bei Verneinung der vom Beschwerdeführer behaupteten Folterungen übersieht, daß der Beschwerdeführer bereits die Tatsache als Folter behauptet hat, daß er mit zum Tode verurteilten Kriminellen zusammen in einer Zelle inhaftiert worden sei, welche ihn beleidigt und geschlagen hätten. Der Beschwerdeführer bringt hiezu in der Beschwerde vor, daß eine solche Maßnahme in Gewaltregimen als subtile Form der Verfolgung angewendet werde, um mißliebige, aus politischen Gründen inhaftierte Personen unter Druck zu setzen. Die belangte Behörde hat sich mit der behaupteten Maßnahme der Zusammenlegung des Beschwerdeführers mit Kriminellen nicht befaßt, sondern nur mit den Folgen dieser Zusammenlegung.
Da somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
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