Normen
61989CJ0192 Sevince VORAB;
61991CJ0237 Kazim Kus VORAB;
61993CJ0355 Hayriye Eroglu VORAB;
61993CJ0434 Ahmet Bozkurt VORAB;
ARB1/80 Art14 Abs1;
ARB1/80 Art6 Abs1;
ARB1/80 Art6;
ARB1/80 Art7 Abs1;
ARB1/80 Art7;
AufG 1992 §1 Abs3 Z1;
AufG 1992 §5 Abs1;
AufG 1992 §6 Abs2;
AufG 1992 §6;
AVG §13 Abs1;
AVG §13 Abs3;
AVG §37;
AVG §56;
AVG §59 Abs1;
AVG §6;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
FrG 1993 §7 Abs7;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
61989CJ0192 Sevince VORAB;
61991CJ0237 Kazim Kus VORAB;
61993CJ0355 Hayriye Eroglu VORAB;
61993CJ0434 Ahmet Bozkurt VORAB;
ARB1/80 Art14 Abs1;
ARB1/80 Art6 Abs1;
ARB1/80 Art6;
ARB1/80 Art7 Abs1;
ARB1/80 Art7;
AufG 1992 §1 Abs3 Z1;
AufG 1992 §5 Abs1;
AufG 1992 §6 Abs2;
AufG 1992 §6;
AVG §13 Abs1;
AVG §13 Abs3;
AVG §37;
AVG §56;
AVG §59 Abs1;
AVG §6;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
FrG 1993 §7 Abs7;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. Februar 1995 wurde der am 4. März 1994 gestellte Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. Diese Entscheidung wurde im wesentlichen damit begründet, daß die Notwendigkeit, in einem ohnedies sensiblen Bereich die weitere Zuwanderung sorgfältig zu steuern, es erforderlich mache, strenge Maßstäbe an die Beurteilung der gesicherten Unterhaltsmittel von Zuwanderern anzulegen. Diese Beurteilung zeige im Fall des Beschwerdeführers, daß einem grundsätzlichen Mindestbedarf gemäß dem Sozialhilferichtsatz des Bundeslandes Wien tatsächlich nur das Einkommen seiner Ehegattin gegenüberstehe. Angesichts dieser Tatsache könne eine Aufenthaltsbewilligung nicht erteilt werden. Die vom Beschwerdeführer beigebrachten Nachweise zur Sicherung seines Lebensunterhaltes hätten nicht berücksichtigt werden können, da sie als nicht tragfähig einzustufen gewesen seien.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher der Beschwerdeführer den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde; eine Gegenschrift wurde nicht erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 5 AufG darf eine Bewilligung Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist. Gemäß § 10 Abs. 3 Z. 2 des Fremdengesetzes (FrG) kann einem Fremden trotz des Umstandes, daß er nicht über ausreichende eigene Mittel zu seinem Unterhalt verfügt, u.a. dann ein Sichtvermerk erteilt werden, wenn aufgrund der Verpflichtungserklärung einer Person mit Hauptwohnsitz oder Sitz im Bundesgebiet die Tragung aller Kosten, die öffentlichen Rechtsträgern durch den Aufenthalt des Fremden entstehen könnten, gesichert erscheint. Das Erfordernis der Sicherung des Lebensunterhaltes gemäß § 5 Abs. 1 AufG kann durch das Vorliegen einer Verpflichtungserklärung gemäß § 10 Abs. 3 Z. 2 FrG ersetzt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. März 1996, Zl. 95/21/0483).
Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil aktenwidrig sei, daß die von ihm beigebrachten Nachweise zur Sicherung seines Unterhaltes als nicht tragbar einzustufen seien. Er verfüge vielmehr über eine gesicherte ortsübliche Unterkunft und einen gesicherten Lebensunterhalt.
Die Beschwerde ist im Ergebnis berechtigt. Der Beschwerdeführer hatte nämlich in seiner Berufung vom 6. Juni 1994 angegeben, daß seine Ehegattin seit Juli 1993 monatlich netto S 7.500,-- verdiene und zusätzlich dazu auch die Kinderbeihilfe für den mit dem Beschwerdeführer gemeinsamen Sohn erhalte. Im Akt liegt eine Arbeits- und Lohnbestätigung für die Ehegattin des Beschwerdeführers ein, wonach diese monatlich S 4.900,-- verdiene. Nach Ausweis der Verwaltungsakten lagen der belangten Behörde zugunsten des Beschwerdeführers abgegebene Verpflichtungserklärungen des R vom 2. März 1994 sowie des C vom 3. Juni 1994 sowie Lohnbestätigungen für den ersteren über monatlich netto S 9.578,32 sowie für den zweiteren über monatlich netto S 17.000,-- vor. Der Beschwerdeführer hat auch in seiner Berufung ausgeführt, daß er - im Falle der Erteilung der Bewilligung - bei einer bestimmten Firma zu arbeiten beginnen könne. Die belangte Behörde hat jede Begründung unterlassen, weshalb diese gemäß § 10 Abs. 3 Z. 2 FrG und § 5 Abs. 1 AufG grundsätzlich ausreichenden Nachweise für die Erfüllung der Voraussetzung für einen gesicherten Lebensunterhalt des Beschwerdeführers und seiner Familie im vorliegenden Fall nicht geeignet sein sollten. Sie hat damit ihre Begründungspflicht gemäß § 58 Abs. 2 sowie gemäß § 60 AVG auf gröbliche Weise verletzt.
Gemäß Art. 6 Abs. 1 des Beschlusses vom 19. September 1980, Nr. 1/80, des gemäß Art. 6 des Abkommens der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei eingerichteten Assoziationsrates hat ein türkischer Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehört, in diesem Mitgliedstaat - nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt; - nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung - vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs - das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern dieses Mitgliedstaates eingetragenes anderes Stellenangebot zu bewerben; - nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis. Gemäß Art. 7 Abs. 1 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 haben die Familienangehörigen eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehörenden türkischen Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, zu ihm zu ziehen - vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten einzuräumenden Vorrangs das Recht, sich auf jedes Stellenangebot zu bewerben, wenn sie dort seit mindestens drei Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben; - freien Zugang zu jeder von ihnen gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis, wenn sie dort seit mindestens fünf Jahre ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben. Gemäß Art. 14 Abs. 1 des genannten Beschlusses gilt dies vorbehaltlich jener Beschränkungen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind.
Wie der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 25. Juni 1996, Zl. 96/09/0088, - mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes - ausgesprochen hat, ist Art. 6 Abs. 1 des genannten Beschlusses integrierender Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung und hat in den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft - und damit auch in Österreich - unmittelbare Wirkung, weil darin genau bestimmte und an keine Bedingungen geknüpfte Rechte festgelegt sind, die den türkischen Arbeitnehmern unmittelbar zustehen. Die Mitgliedstaaten sind daher nicht ermächtigt, die Ausübung dieser Rechte an andere Bedingungen zu knüpfen oder sie einzuschränken als dies im genannten Beschluß selbst - insbesondere in dessen Art. 14 Abs. 1 - festgelegt ist.
Es ist Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zu Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80, daß diese Bestimmung zwar lediglich die beschäftigungsrechtliche und nicht die aufenthaltsrechtliche Stellung der türkischen Arbeitnehmer regelt, daß diese beiden Aspekte der persönlichen Situation türkischer Arbeitnehmer jedoch eng miteinander verknüpft sind. Indem die fraglichen Bestimmungen diesen Arbeitnehmern nach einem bestimmten Zeitraum ordnungsgemäßer Beschäftigung in dem betreffenden Mitgliedstaat das Recht auf Verlängerung einer Arbeitserlaubnis bzw. auf Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis beim gleichen Arbeitgeber, im gleichen Beruf oder auf dem gesamten Arbeitsmarkt gewähren, implizieren sie zwangsläufig, daß den türkischen Arbeitnehmern zumindest zu diesem Zeitpunkt ein Aufenthaltsrecht zusteht; andernfalls wäre das Recht, das sie diesen Arbeitnehmern zuerkennen, völlig wirkungslos (vgl. die Urteile des Europäischen Gerichtshofes vom 20. September 1990, C-192/89 , in der Rechtssache Sevince, Slg. 1990, I-3461 (Rand Nr. 8 f); vom 16. Dezember 1992, C-237/91 , in der Rechtssache Kus, Slg. 1992, I-6781 (Rand Nr. 29 f), vom 5. Oktober 1994, C-355/93 , in der Rechtssache Eroglu, Slg. 1994, I-5113 (Rand Nr. 18 f), und vom 6. Juni 1995, C-434/93 , in der Rechtssache Bozkurt, (Rand Nr. 28)).
Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid auch deswegen für inhaltlich rechtswidrig, weil er als Ehegatte einer seit mehr als vier Jahren in Österreich beschäftigten türkischen Staatsangehörigen, die die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 dritter Gedankenstrich des Beschlusses Nr. 1/80 erfülle, gemäß Art. 7 des genannten Assoziationsratsbeschlusses zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sei.
Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer einerseits deswegen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil er es erstmals in seiner Beschwerde erstattet. Der belangten Behörde kann auch kein Vorwurf gemacht werden, wenn sie die sachverhaltsmäßige Grundlage dieser Argumentation, nämlich die Art der Integration der Ehegattin des Beschwerdeführers in den österreichischen Arbeitsmarkt, nicht von Amts wegen ermittelte; dies vorzubringen wäre vielmehr dem Beschwerdeführer während des Verwaltungsverfahrens oblegen. Andererseits kann sich der Beschwerdeführer durch die Abweisung seines Antrages auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz in dem von ihm behaupteten, aus Art. 7 des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 abgeleiteten Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet deswegen nicht für verletzt erachten, weil türkische Staatsbürger, die nach dem genannten Assoziationsratsbeschluß zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sind, gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 AufG (auch in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 351/1995) insoferne vom Erfordernis einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz ausgenommen sind (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 95/19/1661, m.w.N.).
Soweit der Beschwerdeführer meint, die "belangte Behörde bzw. die ihr nachgeordnete Behörde erster Instanz" hätten seinen Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz als Antrag auf Erteilung eines Sichtvermerkes qualifizieren und an die hiefür zuständige Fremdenpolizeibehörde gemäß § 6 AVG weiterleiten müssen, ist der Beschwerdeführer aber nicht im Recht. Zwar ist die Behörde verpflichtet, den Antragsteller zu einer Präzisierung des nicht eindeutigen Umfanges eines Begehrens aufzufordern, wenn der Umfang des von ihm gestellten Antrages unklar ist. Solange ein eindeutiger Antrag der Partei nicht vorliegt, ist die Erlassung eines antragsbedürftigen Verwaltungsaktes inhaltlich rechtswidrig (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 10. September 1986, Zl. 85/09/0260, und vom 23. November 1993, Zl. 91/04/0313). Bei antragsbedürftigen Verwaltungsakten ist es aber unzulässig, entgegen dem erklärten Willen der Partei ihrem Begehren eine Deutung zu geben, die aus dem Wortlaut des Begehrens nicht unmittelbar geschlossen werden kann, mag auch das Begehren, so wie es gestellt worden ist, von vornherein aussichtslos oder gar unzulässig sein (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 27. Juni 1980, Zl. 2260/78, Slg. 10179 A, vom 27. Juni 1984, Zl. 82/11/0272, vom 7. Juli 1986, Zl. 85/10/0132, u.a. Zlen., und vom 21. Jänner 1994, Zl. 93/09/0406). Die Behörde darf nämlich nur über die durch den Antrag umschriebene "Angelegenheit" (§ 59 Abs. 1 AVG) entscheiden, nur darauf bezieht sich die Rechtskraft ihres Bescheides.
Vorliegend hat der Beschwerdeführer weder einen Antrag auf Erteilung eines Sichtvermerkes gestellt, noch wäre die belangte Behörde angesichts der dargestellten Rechtslage verhalten gewesen, seinen Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz in einen solchen umzudeuten; insoferne, als mit dem angefochtenen Bescheid über einen derartigen Antrag nicht abgesprochen wurde, ist er nicht rechtswidrig.
Der angefochtene Bescheid war jedoch aus den weiter oben dargelegten Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war im Hinblick darauf abzuweisen, daß zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung die Vorlage nur einer Kopie des angefochtenen Bescheides notwendig war.
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