Normen
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
BauO Wr §79 Abs6;
BauO Wr §86 Abs1;
BauO Wr §86 Abs3;
BauO Wr §86;
VwRallg;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
BauO Wr §79 Abs6;
BauO Wr §86 Abs1;
BauO Wr §86 Abs3;
BauO Wr §86;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.010,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer beantragte mit Eingabe vom 3. August 1994 die Erteilung einer Baubewilligung zur Errichtung einer ca. 14 m langen Holzplanke entlang der nördlichen Grenze seines Grundstückes 323/74, EZ 923, KG P, sowie für eine 2 m hinter dieser Holzplanke verlaufende, nach Süden entlang der seitlichen Grundgrenzen verlängerte, bis zu 2 m hohe Stützmauer und die Anschüttung der vorhandenen Böschung hinter der Stützmauer.
Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14. November 1994, in der sich die Mitbeteiligten gegen die Erteilung der Baubewilligung für die Stützmauer aussprachen, gab ein Vertreter der Magistratsabteilung 19 (Stadtgestaltung) mit Schreiben vom 22. November 1994 folgende Stellungnahme ab:
"Nach Besichtigung an Ort und Stelle kann die geplante Stützmauer im Sinne des § 85 BO nur abgelehnt werden. Die bestehende durchgrünte Hanglage sollte aus stadtgestalterischer Sicht unbedingt erhalten bleiben."
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 37/19 vom 6. April 1995 wurde unter Spruchpunkt I gemäß § 70 der Bauordnung für Wien die nachträgliche Bewilligung zur Herstellung einer Holzplanke in der Länge von 14 m als Einfriedung an der hinteren Grundgrenze erteilt. Unter Spruchpunkt II wurde gemäß §§ 70 und 71 BO die nachträgliche Bewilligung versagt, auf der genannten Liegenschaft im hinteren Bereich, in der Abstandsfläche, eine Stützmauer mit einer Höhe bis zu 2 m herzustellen und die vorhandene Böschung hinter der Stützmauer anzuschütten.
In der ausschließlich gegen den Spruchpunkt II gerichteten Berufung führte der Beschwerdeführer aus, das Stadtbild werde sicher nicht gestört, da das Bauwerk (Stützmauer) weder von der K-Gasse noch von der unterhalb liegenden Parallelgasse sichtbar sei; wenn für die rückwärtige Abstandsfläche eine Begrünung herzustellen sei, so sei dies auf einer nahezu ebenen Fläche auch durchführbar; zudem solle die Stützmauer ebenfalls begrünt werden, die nötigen Vorkehrungen hiefür seien getroffen. Eine Hanglage in der ursprünglichen Form (Neigung ca. 30 Grad) sei insbesondere bei Nässe mit Unfallgefahren verbunden. Zu § 79 Abs. 6 BO wies der Beschwerdeführer auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, insbesondere auf dessen Erkenntnis vom 17. Februar 1981, Zl. 05/1285/80, und weiters darauf hin, daß an den Grundgrenzen Einfriedungsmauern bis zu einer Höhe von 2,5 m errichtet werden können, die als Stützmauern ausgebildet sein können. Auch dazu verwies er auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.
Mit Bescheid vom 20. Juni 1995 hat die Bauoberbehörde für Wien die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen. Nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens wurde im wesentlichen ausgeführt, der gegenständlichen Mauer komme nur zu einem geringen Teil die Eigenschaft einer Einfriedung zu. Die Zulässigkeit der Stützmauer sei daher nach der Bestimmung des § 79 Abs. 6 BO zu beurteilen; eine 25 m lange und 2 m hohe Mauer, an der ein 1 m hohes Stahlgeländer angebracht sei und die nur zur Abstützung der vorgenommenen Anschüttung diene, überschreite jedenfalls das zur Nutzung der Liegenschaft und ihrer Anlagen unbedingt erforderliche Ausmaß und stehe der gärtnerischen Ausgestaltung der Abstandsfläche entgegen. Da schon aus diesem Grunde die Baubewilligung versagt werden mußte, sei auf die Frage, inwieweit durch die bauliche Anlage das örtliche Stadtbild gestört oder beeinträchtigt werde, nicht näher einzugehen. Auch die Voraussetzungen für eine Bewilligung nach § 71 BO lägen nicht vor.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und ebenso wie die mitbeteiligte Partei die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die hier maßgeblichen Bestimmungen der Bauordnung für Wien, LGBl. Nr. 11/1930 in der Fassung LGBl. Nr. 2/1995 (BO), lauten:
"Einfriedungen§ 86.
(1) Wo dies aus Gesundheitsrücksichten, aus Sicherheitsgründen oder zum Schutze des örtlichen Stadtbildes notwendig ist, ist dem Eigentümer des anliegenden Grundes aufzutragen, seine Liegenschaft gegen die Verkehrsfläche einzufrieden.
(2) Einfriedungen müssen so ausgestaltet werden, daß sie das örtliche Stadtbild nicht beeinträchtigen. Sie dürfen den Boden der höher gelegenen, anschließenden Grundfläche nicht um mehr als 2,50 m überragen.
(3) Einfriedungen von Vorgärten gegen die Verkehrsfläche und an den seitlichen Grundgrenzen auf die Tiefe des Vorgartens dürfen den freien Durchblick nicht hindern; Abweichungen hievon können zugelassen werden, wenn dadurch das örtliche Stadtbild nicht beeinträchtigt wird. Sonstige Grundgrenzen dürfen, wenn der Bebauungsplan nicht anderes bestimmt, durch volle Wände abgeschlossen werden."
"§ 79.
...
(6) Vorgärten und Abstandsflächen sind, soweit auf diesen Flächen zulässige Baulichkeiten, Gebäudeteile oder bauliche Anlagen nicht errichtet werden, gärtnerisch auszugestalten und in gutem Zustand zu erhalten. Befestigte Wege und Zufahrten, Stützmauern, Stufenanlagen, Rampen u.ä. sind nur im unbedingt erforderlichen Ausmaß zulässig."
Kern der Auffassungsdifferenzen zwischen dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde ist die Frage, ob die beantragte Stützmauer als Einfriedungsmauer im Sinne des § 86 BO oder als Stützmauer im Sinne des § 79 Abs. 6 BO zu qualifizieren ist.
Den eingereichten Plänen zufolge, die einen Bestandteil des angefochtenen Bescheides bilden, verläuft die nach Süden führende Stützmauer in ihrem westlichen Teil in einer Tiefe von 1,5 m und in ihrem östlichen Bereich in einer Tiefe von ca. 4,50 m unmittelbar an der Grundstücksgrenze.
Aus der Bestimmung des § 86 Abs. 1 im Zusammenhalt mit Abs. 3 BO, ist abzuleiten, daß eine Einfriedung im Sinne des § 86 BO dann vorliegt, wenn sie an der Grundgrenze errichtet wird. Im westlichen und östlichen Bereich der hier beantragten Stützmauer liegt somit jedenfalls eine Einfriedung im Sinne des § 86 BO vor. Diese darf, wenn das örtliche Stadtbild nicht beeinträchtigt wird, den Boden der höhergelegenen, anschließenden Grundfläche nicht um mehr als 2,50 m überragen, unter der Voraussetzung des Absatzes 3 dieser Gesetzesstelle darf sie auch den freien Durchblick hindern.
In seinem Erkenntnis vom 4. April 1966, Slg. Nr. 6899/A kam der Verwaltungsgerichtshof zu der Auffassung, daß eine nach § 88 BO (entspricht dem derzeitigen § 86 BO) zulässige Einfriedung nicht deshalb unzulässig sein könne, weil sie auch eine Stützmauer sei und als solche die unbedingt erforderlichen Ausmaße überschreiten würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat an dieser Rechtsansicht weiterhin festgehalten (vgl. das Erkenntnis vom 24. Juni 1986, Zl. 86/05/0040, BauSlg. Nr. 715) und sieht auch nunmehr keine Veranlassung, davon abzurücken. Weil die beantragte Stützmauer zum Teil unmittelbar an der Grundgrenze verläuft, sind in diesem Bereich für ihre Bewilligungsfähigkeit einzig die Kriterien des § 86 BO heranzuziehen.
Die Frage, ob einer beantragten Bewilligung Gesichtspunkte des Stadtbildes entgegenstünden, ist Gegenstand des Beweises durch Sachverständige. Dem Sachverständigen obliegt es hiebei, aufgrund seines Fachwissens ein Urteil (Gutachten) abzugeben. Aufgrund des Sachverständigengutachtens hat sodann die Behörde zu entscheiden, ob die beantragte Bewilligung eine diesbezügliche Beeinträchtigung entfaltet, wobei die Behörde das abgegebene Gutachten auf seine Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit zu überprüfen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Februar 1992, Zl. 91/06/0213, u.a.). Die Äußerung des Sachverständigen vom 22. November 1994 zum Ortsbild enthält weder einen Befund noch eine darauf aufbauende schlüssige und nachvollziehbare Folgerung. Diese Stellungnahme ist nicht geeignet, eine Entscheidungsgrundlage dafür zu bieten, daß die beantragte Stützmauer in den seitlichen Bereichen (und im nördlichen Bereich 2 m hinter der Grundgrenze) eine negative Auswirkung auf das Stadtbild entfaltet. Da die belangte Behörde verkannte, daß die Stützmauer zum Teil als Einfriedung zu qualifizieren und daher diesbezüglich die Bestimmung des § 86 BO als lex specialis heranzuziehen ist, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist die Stützmauer im nördlichen Bereich, in dem sie 2 m hinter der Grundstücksgrenze liegt, aus den oben angeführten Gründen nicht als Einfriedungsmauer anzusehen. In diesem Bereich ist die Stützmauer nur dann bewilligungsfähig, wenn die Voraussetzungen des § 79 Abs. 6 BO gegeben sind. Mit der Auslegung des Begriffes "im unbedingt erforderlichen Ausmaß" hat sich der Verwaltungsgerichtshof wiederholt auseinandergesetzt. So hat er in seinem Erkenntnis vom 17. Februar 1981, Zl. 05/1285/80, ausgeführt, diese Worte dürften nicht so ausgelegt werden, daß befestigte Wege und Zufahrten, Stützmauern, Stufenanlagen, Rampen u.ä. im Seitenabstand nur dann errichtet werden dürfen, wenn ihre Errichtung an anderer Stelle des Bauplatzes unmöglich, weil technisch undurchführbar sei, da die Vorschrift des § 79 Abs. 6 zweiter Satz auch im Falle einer derartigen Betrachtungsweise im Hinblick darauf gegenstandslos wäre, daß die Errichtung dieser erwähnten Anlagen außerhalb der Abstandsflächen bei entsprechendem finanziellen Aufwand fast immer möglich sein wird. In Verfolgung dieser Rechtsansicht hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 26. Juni 1990, Zlen. 88/05/0109, 86/05/0033, ausgesprochen, dies bedeute letztlich, daß eine vernünftige wirtschaftliche Wertung, auch unter Einbeziehung der Interessen der Nachbarn, die Anspruch auf Einhaltung der gärtnerischen Ausgestaltung hätten, vorzunehmen sein werde.
Nun hat sich die belangte Behörde im Beschwerdefall weder mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach eine gärtnerische Ausgestaltung der ursprünglichen Abstandsfläche, die eine Neigung von 30 Grad aufgewiesen habe, nur unter Gefahren möglich sei, auseinandergesetzt, noch hat sie eine Wertung unter Einbeziehung der Nachbarinteressen vorgenommen. Sie hat auch keinerlei Feststellungen darüber getroffen, wo der Geländeverlauf eine Stützmauer erfordert oder wo dies nicht der Fall ist. Die lapidare Feststellung, eine Stützmauer in der beantragten Länge überschreite jedenfalls das unbedingt erforderliche Ausmaß, ist in dieser allgemeinen Form nicht nachvollziehbar. In dieser Hinsicht ist der Sachverhalt daher ergänzungsbedürftig.
Aus den angeführten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Mit der Erledigung der Beschwerde ist der Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos geworden.
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