VwGH 86/05/0040

VwGH86/05/004024.6.1986

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Straßmann und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Domittner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Gehart, über die Beschwerde der HC in W, vertreten durch Dr. Erhart Weiss, Rechtsanwalt in Wien I, Kohlmarkt 1, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 31. Jänner 1986, Zl. MDR‑B XIII‑22/85, betreffend Anrainereinwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: RW in W, vertreten durch Dr. Manfred Lamplmayer, Rechtsanwalt in Wien I, Elisabethstraße 15), zu Recht erkannt:

Normen

BauO Wr §82 Abs1
BauO Wr §84 Abs3
BauO Wr §86 Abs2
BauO Wr §86 Abs3
BauO Wr §87 Abs3

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1986:1986050040.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,‑ ‑ und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 8.986,‑ ‑ binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Mag. Abt. 37, vom 30. Mai 1985 wurde der mitbeteiligten Partei dieses verwaltungsgerichtlichen Verfahrens unter Berufung auf § 70 der Bauordnung für Wien die Bewilligung erteilt, an der Westseite des Einfamilienhauses in Wien 13, H-Hauptstraße nn, einen ebenerdigen Zubau als Nebengebäude, eine Schwimmhalle und zum überwiegenden Teil unterirdisch gelegene zugehörige Technikräume enthaltend, zu errichten. Die maximale Gebäudehöhe des Zubaues soll 2,50 m betragen. Im Bereich des Hauseinganges an der Südwestfront des Wohnhauses soll nach Abtragung des Stiegenaufganges durch Errichtung von Umfassungsmauern eine Terrassenanschüttung hergestellt und eine neue Stiegenanlage errichtet werden. Längs der nordwestlichen Grundgrenze wird 5 m hinter der Baulinie beginnend und rechtwinkelig dazu längs der südwestlichen Grundgrenze im Anschluß daran auf eine Länge von ca. 8,20 m eine volle Einfriedungsmauer mit einer Höhe von 1,65 m errichtet. Im Kellergeschoß des Wohnhauses wird die Waschküche aufgelassen und zu einem Vorraum mit Zugang zu dem Technikraum im Nebengebäude geändert. Der Heizraum wird zu einem Saunaraum umgewidmet.

Die gegen die vollflächige Einfriedung und die Errichtung einer Schwimmhalle samt Nebengebäude gerichteten Einwendungen der Beschwerdeführerin wurden abgewiesen.

Mit Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 31. Jänner 1986 wurde die dagegen gerichtete Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, daß sich die Bewilligung auf die geänderten, zum Bestandteil des Berufungsbescheides erklärten Pläne bezieht. Entsprechend dieser Änderung des Einreichplanes sollen die Technikräume das anschließende Niveau nicht mehr überragen.

Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei erwogen:

Zu der einleitend vertretenen Auffassung der Beschwerdeführerin, bei der in Rede stehenden Schwimmhalle einschließlich der dazu gehörenden Nebenräume handle es sich nicht um ein Nebengebäude, ist Nachstehendes zu bemerken:

Nebengebäude sind zufolge § 82 Abs. 1 der Bauordnung für Wien Gebäude oder gesondert in Erscheinung tretende Teile eines Gebäudes, wenn sie nicht mehr als ein über dem anschließenden Gelände liegendes Geschoß aufweisen, keine Aufenthaltsräume enthalten und eine bebaute Grundfläche von nicht mehr als 100 m2, in Gartensiedlungsgebieten von nicht mehr als 5 m2 haben. Zufolge Abs. 4 dieser Gesetzesstelle dürfen Nebengebäude auch auf den kraft Gesetzes oder des Bebauungsplanes ansonsten unbebaut zu belassenden Flächen des Bauplatzes errichtet werden, wenn deren Gebäudehöhe nicht mehr als 2,50 m und die Firsthöhe nicht mehr als 3,50 m beträgt und sie in einer Tiefe von mindestens 10 m ab der Vorgartentiefe errichtet werden.

Die Beschwerdeführerin geht selbst davon aus, daß der der Schwimmhalle vorgelagerte Gebäudeteil unterirdisch ausgeführt werden soll, also nur die Schwimmhalle über dem anschließenden Gelände liegt, weshalb einerseits der zitierten Vorschrift des Abs. 1 in dieser Hinsicht Rechnung getragen wird und andererseits davon auszugehen ist, daß keine Verletzung von Rechten der Beschwerdeführerin eintritt, weil der Nachbar in bezug auf unterirdische Bauwerke nicht zu Recht eine Abstandsverletzung geltend machen kann (vgl. dazu aus der ständigen hg. Judikatur die Erkenntnisse vom 21. Jänner 1966, Slg. N. F. Nr. 7030/A, und vom 15. Juni 1976, Zl. 229/76).

Im übrigen kann sich der Gerichtshof der Meinung der Beschwerdeführerin nicht anschließen, eine Schwimmhalle sei als Aufenthaltsraum zu qualifizieren, weil sich aus § 87 Abs. 3 der Bauordnung für Wien ergibt, daß Wohnräume, Arbeitsräume und Küchen, also offenbar lediglich solche Räume als Aufenthaltsräume gelten, welche derartigen Zwecken dienen. Auch wenn man der Ansicht der Beschwerdeführerin folgend davon ausginge, daß „der Benützungsgrad einer Schwimmhalle jedenfalls abstrakt betrachtet dem eines Arbeitsplatzes gleichzuhalten sein wird“, dann darf auch die im selben Satz getroffene Feststellung der Beschwerdeführerin nicht übersehen werden, daß die Schwimmhalle „lediglich zu Erholungszwecken und zur Ausübung des Schwimmsportes“, also jedenfalls nicht als „Arbeitsraum“ benützt wird. Ob der von der Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang als Beispiel ins Treffen geführte Kellerraum mit der Bezeichnung „Hobbyraum“ oder ein „Fitnessraum“ als Nebengebäude im Sinne des § 82 Abs. 1 der Bauordnung für Wien in Frage kommen, braucht im Beschwerdefall nicht entschieden zu werden.

Auf das Vorbringen in der Beschwerde, die in Rede stehende Schwimmhalle weise Fenster auf, welche gegen die Grundgrenze der Beschwerdeführerin gerichtet und von dieser nicht mindestens 2 m entfernt seien, kann der Gerichtshof nicht eingehen, weil die Beschwerdeführerin keine diesbezügliche rechtzeitige Einwendung erhoben hat, und daher in dieser Hinsicht Präklusion im Sinne des § 42 Abs. 1 AVG 1950 eingetreten ist, welche auch den Gerichtshof bindet (vgl. dazu u. a. das hg. Erkenntnis vom 11. Oktober 1965, Slg. N. F. Nr. 6777/A).

Die Beschwerdeführerin wirft der belangten Behörde in der Folge vor, unrichtigerweise davon ausgegangen zu sein, daß die in Rede stehende Baulichkeit in einer Tiefe von mindestens 10 m ab der Vorgartentiefe errichtet werden soll. Aus den Projektunterlagen ergebe sich jedoch, daß ein Teil der Baulichkeit, der mit dem verbleibenden in funktionellem Zusammenhang stehe, nicht mindestens 10 m von der Vorgartentiefe entfernt sei.

Wie schon ausgeführt worden ist, liegt nur die Schwimmhalle über dem anschließenden Gelände, wobei sich aus den Einreichplänen ergibt, daß sie von dem 5 m breiten Vorgarten mehr als 10 m entfernt sein soll. Auf unterirdische Gebäudeteile ist in diesem Zusammenhang nicht Bedacht zu nehmen, weil diese zufolge der ‑ sinngemäß auch für Nebengebäude anzuwendenden ‑ Regelung des § 84 Abs. 3 der Bauordnung für Wien über Baufluchtlinien in die Abstandsflächen und in die Vorgärten vorragen dürfen, sofern die allenfalls festgesetzte gärtnerische Ausgestaltung der Grundflächen nicht behindert wird, was von der Beschwerdeführerin gar nicht behauptet worden ist.

Zu den unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 22. September 1975, Zl. 763/75 (= Slg. N. F. Nr. 8887/A), angestellten Erwägungen der Beschwerdeführerin ist zu bemerken, daß sie durch den angefochtenen Bescheid nicht in ihren vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmenden Rechten im Sinne des Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B‑VG verletzt worden ist, wenn die belangte Behörde von der baurechtlichen Zulässigkeit der im Seitenabstand zu errichtenden Schwimmhalle ausgegangen ist, weil diese Entscheidung ebenso dem Gesetz entspricht, wie die in dem erwähnten hg. Erkenntnis zum Ausdruck kommende Auffassung, daß ein nicht als Gebäude zu qualifizierendes (nicht überdachtes) Schwimmbecken im Hinblick auf die Regelung des § 84 Abs. 6 der Bauordnung für Wien (in der Fassung vor der Novelle 1976) über die gärtnerische Gestaltung der Seitenabstände unzulässig ist. Ungeachtet dessen soll nicht unerwähnt bleiben, daß für die Unzulässigkeit eines offenen Schwimmbeckens im Seitenabstand auch die ‑ aus der Sicht der Interessen der Beschwerdeführerin nicht unwesentliche ‑ Erwägung spricht, daß im Fall einer allseits umschlossenen Schwimmhalle für die Eigentümer benachbarter Liegenschaften (vgl. § 134 Abs. 3 der Bauordnung) erheblich geringere oder überhaupt keine Lärmbelästigungen zu erwarten sind.

Eine weitere inhaltliche Rechtswidrigkeit erblickt die Beschwerdeführerin in dem Umstand, daß eine 1,65 m hohe volle Einfriedungsmauer zu Unrecht genehmigt worden sei. Die belangte Behörde habe die Regelung des § 79 Abs. 6, zweiter Satz, der Bauordnung für Wien, auf deren Anwendung der Nachbar ein Recht habe, gänzlich unerwähnt gelassen. Wenn nach dieser Bestimmung Stützmauern nur im unbedingt erforderlichen Ausmaß zulässig seien, so gelte dies auch für Einfriedungsmauern, deren Funktionsgrad als höherwertig anzusehen sei. Eine Notwendigkeit zur Errichtung einer Einfriedungsmauer ergebe sich weder aus dem Verfahrensergebnis noch aus dem angefochtenen Bescheid. Die Bezugnahme der belangten Behörde auf den Bebauungsplan sei im Hinblick auf die nach dem Stufenbau der Rechtsordnung höher stehende gesetzliche Regelung des § 79 Abs. 6 der Bauordnung für Wien gänzlich verfehlt.

In Erwiderung auf dieses Vorbringen genügt ein ‑ auch schon in der Begründung des angefochtenen Bescheides gegebener ‑ Hinweis auf die Bestimmungen des § 86 Abs. 3 der Bauordnung für Wien, wonach Einfriedungen von Vorgarten gegen die Verkehrsfläche und an den seitlichen Grundgrenzen auf die Tiefe des Vorgartens den freien Durchblick nicht hindern dürfen; Abweichungen hievon können zugelassen werden, wenn dadurch das örtliche Stadtbild nicht beeinträchtigt wird. Sonstige Grundgrenzen dürfen, wenn der Bebauungsplan nicht anderes bestimmt, durch volle Wände abgeschlossen werden. In der Begründung des angefochtenen Bescheides wurde überdies bereits ‑ unwidersprochen ‑ ausgeführt, daß der Bebauungsplan keine Bestimmungen über die Gestaltung der seitlichen Einfriedungen enthalt, sodaß die belangte Behörde zutreffend davon ausgegangen ist, daß es der mitbeteiligten Partei freigestanden ist, an der seitlichen Grundgrenze ab der vorderen Baufluchtlinie eine volle Einfriedung zu errichten. Die Einfriedung dürfte zufolge § 86 Abs. 2 der Bauordnung den Boden der höher gelegenen, anschließenden Grundfläche sogar bis zu 2,50 m überragen, wobei dieser ‑ gegenüber der von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Bestimmung des § 79 Abs. 6 leg. cit. als lex specialis anzusehenden ‑ Regelung nicht zu entnehmen ist, daß Einfriedungsmauern nur im unbedingt erforderlichen Ausmaß zulässig sind, weshalb auch die diesbezügliche Verfahrensrüge der Beschwerdeführerin unbegründet ist.

Abschließend ist zu der behaupteten Aktenwidrigkeit festzustellen, daß die belangte Behörde in Übereinstimmung mit der Aktenlage und dem diesbezüglichen ausdrücklichen Beschwerdevorbringen ohnedies von der unter dem Gesichtspunkt der Anwendung des § 82 Abs. 1 der Bauordnung für Wien wesentlichen Tatsache ausgegangen ist, daß das in Rede stehende Nebengebäude nur ein über dem anschließenden Gelände liegendes Geschoß aufweist. Eine im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a VwGG relevante aktenwidrige Sachverhaltsannahme liegt somit nicht vor.

Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 sowie Abs. 3 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit den Bestimmungen der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am 24. Juni 1986

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