VwGH 94/20/0817

VwGH94/20/081727.6.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Baur und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des H, wohnhaft in G, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. September 1994, Zl. 4.344.820/2-III/13/94, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §11;
AsylG 1991 §16;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
FlKonv Art1 AbschnA;
FlKonv Art1 AbschnB lita;
FlKonv Art1 AbschnB;
FlKonv Art33;
FlKonv Art43;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §11;
AsylG 1991 §16;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
FlKonv Art1 AbschnA;
FlKonv Art1 AbschnB lita;
FlKonv Art1 AbschnB;
FlKonv Art33;
FlKonv Art43;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Türkei, der am 16. August 1994 in das Bundesgebiet eingereist ist und am darauffolgenden Tag den Asylantrag gestellt hat, hat den Bescheid des Bundesasylamtes vom 17. August 1994, mit dem sein Asylantrag abgewiesen worden war, mit Berufung bekämpft.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 29. September 1994 wies die belangte Behörde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab (Spruchpunkt 1 des angefochtenen Bescheides) und sprach aus, dem Beschwerdeführer werde der befristete Aufenthalt im Bundesgebiet bis zum 20. März 1995 gemäß § 8 Abs. 1 und 2 AsylG 1991 bewilligt (Spruchpunkt 2 des angefochtenen Bescheides).

Der Beschwerdeführer hat bei seiner Einvernahme durch das Bundesasylamt am 17. August 1994, zu seinen Fluchtgründen befragt, angegeben, er sei Kurde und lebe seit 1989 in Istanbul. Seit dieser Zeit sei er auch Mitglied der TKPML; eingeschriebenes Mitglied dieser Partei sei er jedoch erst seit 1991. Seine Aufgabe innerhalb dieser Partei habe darin bestanden, Propaganda für diese zu machen und Sympathisanten anzuwerben. Seit 1991 "bzw. davor" seien ständig verschiedene Mitglieder dieser Partei von der Polizei festgenommen worden, weshalb das Operationsfeld in Istanbul immer kleiner geworden sei, zumal die Inhaftierten vielfach gefoltert worden seien und im Anschluß daran Namen der weiteren Mitglieder bekanntgegeben hätten. Der Beschwerdeführer sei seit 1991 auch Beschäftigter dieser Partei gewesen und von dieser auch entlohnt worden. Am 1. Mai 1994 habe er an einer illegalen Demonstration teilgenommen und sei dabei derart von der Polizei geschlagen worden, daß er eine schwere Kopfverletzung am Hinterkopf davongetragen habe und in Ohnmacht gefallen sei. Freunde hätten ihn weggebracht. Wie er erfahren habe, seien Anfang bis Mitte Juli 1994 50 bis 60 Mitglieder bzw. "Kämpfer" der Tikko (dies sei der militärische Flügel der TKPML) festgenommen und gefoltert worden, wodurch den Polizeibehörden wiederum viele Namen von Sympathisanten und Mitgliedern seiner Partei bekanntgeworden seien. Auch sein Deckname "Cemo" bzw. "Cemal" sei zu diesem Zeitpunkt bekanntgeworden, weshalb er seither von der Polizei gesucht werde. Vor den von ihm genannten Vorfällen hätte er keinerlei Schwierigkeiten mit türkischen Behörden oder deren Organen gehabt. Er sei auch niemals zuvor in Haft gewesen.

Zu seinem Fluchtweg über Bulgarien und Rumänien, Ukraine und Ungarn sowie darüber befragt, warum er in diesen Ländern nicht bereits um Asyl angesucht habe, verwies der Beschwerdeführer darauf, all diese Staaten würden von "Faschisten regiert", die ein Abkommen mit der Türkei insofern hätten, als türkische Asylwerber in die Türkei zurückgestellt würden. Österreich sei ihm als das "sicherste Land" erschienen.

In seiner gegen den abweislichen Bescheid des Bundesasylamtes gerichteten Berufung ergänzte der Beschwerdeführer sein Vorbringen dahingehend, die Teilnahme an der Demonstration vom 1. Mai 1994 könne wohl kaum als terroristische Aktivität bezeichnet werden, wie dies das Bundesasylamt offenbar getan habe, zumal er selbst an bewaffneten Kampfhandlungen gegen die türkische Regierung nicht teilgenommen habe bzw. solche von ihm auch nicht behauptet worden seien. In der Türkei werde jedoch deutlich zwischen politischen Tätern (für die eine Inhaftierung ohne Haftbefehl für 15 bzw. 30 Tage im Ausnahmezustandsgebiet für zulässig erklärt worden sei) und anderen Straftätern (für die diese Frist auf 24 Stunden bzw. maximal 8 Tage begrenzt werde) unterschieden. Ebenso sei bekannt, daß politisch Inhaftierte im ersten Zeitraum der Inhaftierung systematisch gefoltert würden, sodaß es sich weder um einen auf einen ungenügenden Ausbildungsstand der polizeilichen Ermittler oder unzureichende kriminaltechnische Ermittlungsmethoden oder eine "tradierte Praxis" in der Türkei handle, sondern um staatlich geförderte und gedeckte Folter. Im übrigen übersehe die belangte Behörde auch, daß nach Art. 168 Abs. 2 des türkischen Strafgesetzbuches, welche Bestimmung eine rein politische Sanktionsnorm sei, selbst eine Person erfaßt werde, die unbewaffnet und nicht aktiv sei, die jedoch - und sei es auch nur aufgrund einer Meinungsäußerung - der bewaffneten Gruppierung zugerechnet werde, und die für ein solches einfaches Mitglied immerhin eine Strafdrohung von 10 bis 12 Jahren Zuchthaus vorsehe. Ein derart erheblicher, die Verhältnismäßigkeit überschreitender Strafrahmen sei weiters Indiz und Ausdruck dafür, daß auf die politische Überzeugung Zugriff genommen werden solle. Strafzweck sei daher nicht Verfolgung kriminellen Unrechts, sondern Innehaben und Betätigen einer politischen Überzeugung. Daher müsse sich auch ein Mitglied oder Sympathisant der TKPML, selbst wenn er sich an gewaltsamen terroristischen Aktivitäten nicht beteiligt habe, auf die Asylrelevanz seiner Mitgliedschaft zu dieser Partei mit Erfolg berufen können.

Zu der vom Bundesasylamt darüber hinaus angenommenen Verfolgungssicherheit in Bulgarien, Rumänien und Ungarn verwies er auf der Berufung beigelegte Dossiers des UNHCR, nach deren Inhalt weder in den Nachfolgestaaten der früheren Sowjetunion, noch in Rumänien oder Bulgarien Verfolgungssicherheit bzw. Abschiebungsschutz bestünde.

Die belangte Behörde begründete ihre abweisliche Entscheidung sowohl mit dem Nichtvorliegen der Flüchtlingseigenschaft als auch mit dem Eintritt der Verfolgungssicherheit in Bulgarien, Rumänien und Ungarn. Im einzelnen führte sie im Rahmen ihrer rechtlichen Überlegungen aus, die allein auf Grund der Tatsache der Mitgliedschaft bzw. der Tätigkeit für die TKPML gegründete Vermutung, der Name bzw. Deckname des Beschwerdeführers sei Anfang bis Mitte Juli 1994 der türkischen Polizei bekanntgeworden, eigne sich nicht, seine Flüchtlingseigenschaft zu indizieren, da aus der bloßen Behauptung allein, die der Beschwerdeführer "vor allem in bezug auf" seine "Quellen für diese Vermutungen in keiner Weise näher zu konkretisieren" vermocht habe, könne nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit geschlossen werden, er habe tatsächlich Verfolgung im Sinne des Asylgesetzes 1991 zu befürchten gehabt. Im Hinblick auf die lediglich politische Propaganda betreibende und Symphatisanten werbende Tätigkeit des Beschwerdeführers sei auch ein schlüssiges Motiv für eine nachhaltige Verfolgung durch seinen Heimatstaat nicht ersichtlich. Die anläßlich der Demonstration am 1. Mai 1994 von Polizeiorganen empfangene Verletzung stelle keine staatliche Verfolgung dar, weil es sich bei einer derartigen Maßnahme um keine individuell, konkret gegen die Person des Beschwerdeführers gerichtete "Verfolgungsintention" gehandelt habe, sondern lediglich um eine Maßnahme zur Wiederherstellung der öffentlichen Ruhe und Ordnung. Im übrigen seien dem Beschwerdeführer daraus keine weiteren Nachteile erwachsen. Es erscheine sein gesamtes Vorbringen angesichts der Tatsache, daß sich der Beschwerdeführer bereits im April 1994 einen türkischen Personalausweis und im Mai 1994 einen türkischen Reisepaß (lautend auf A) ausstellen habe lassen, also bereits mehrere Monate vor den behaupteten Festnahmen von Gesinnungsgenossen offenkundig die Absicht gehabt habe, seine Heimat zu verlassen, als wenig glaubwürdig. Zur Frage der Verfolgungssicherheit verwies die belangte Behörde auf die Mitgliedschaft Rumäniens und Bulgariens bei der Genfer Flüchtlingskonvention sowie Ungarns bei der Europäischen Menschenrechtskonvention und ging auf die der Berufung beigelegten Dossiers des UNHCR im wesentlichen - abgesehen von der generellen Vermutung der Beachtung des "Nonrefoulementrechtes" wie folgt ein:

"Insbesondere ist es, da der Begriff der "Verfolgungssicherheit" bloß auf gesichertes Nonrefoulement hinausläuft, völlig gleichgültig und eine bloße Frage der Normökonomie, ob dieser Rückschiebeschutz in einer nationalen Rechtsordnung durch ein formalisiertes Feststellungsverfahren mit Bindungswirkung entfaltender Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sich manifestiert oder aber ob von der zuständigen Fremdenpolizeibehörde im Einzelfall inzidenter die allfällige Flüchtlingseigenschaft des von einer beabsichtigten Maßnahmen Betroffenen zu beurteilen ist.

Auch konnte der UNHCR keinen konkreten, ihm namentlich bekannten Fall nennen, in welchem eine Verletzung des Völkerrechts stattgefunden hat, sondern hat dieser in seinem Schreiben lediglich allgemeine Betrachtungen über die Asylpolitik in diesen Staaten angestellt. Insbesondere ist im Fall Bulgariens zu bemerken, daß Asylwerber als solche durchaus zurückgeschoben werden können und dies auch keine Verletzung des Völkerrechtes darstellen muß. Kommt es doch wesentlich auf die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers an und vermochte der UNHCR in keinem konkreten Fall darzutun, daß diese nicht geprüft und eine Zurückschiebung in einen Drittstaat oder den Heimatstaat zu unrecht und unter Läsion des Refoulementverbotes erfolgt wäre."

Der Bestreitung der vom Bundesasylamt angenommenen Verfolgungssicherheit in Ungarn durch den Beschwerdeführer hielt die belangte Behörde entgegen, er stamme ja aus Istanbul, geographisch gesehen also aus Europa, weshalb der von Ungarn erklärte Vorbehalt auch nicht anwendbar sei, daher auch von Ungarn seine Flüchtlingseigenschaft zu prüfen gewesen wäre. Gleichzeitig habe Ungarn auch die europäische Menschenrechtskonvention unterfertigt und sich damit insbesondere auch deren Art. 3 verpflichtet. Nichts spreche dafür, daß Ungarn dieser seiner völkerrechtlichen Verpflichtung, die auf ein spezielles Refoulementverbot hinauslaufe, zuwidergehandelt hätte. In dieser Feststellung werde die belangte Behörde auch durch die Stellungnahme des UNHCR vom 4. Juli 1994 gegenüber dem deutschen Bundesverfassungsgericht bestärkt, wonach auf Grund einer informellen Vereinbarung zwischen UNHCR und der ungarischen Regierung auch außereuropäische Asylwerber jedenfalls an den UNHCR verwiesen würden. Sei ein Flüchtlingseigenschaftsfeststellungsverfahren beim UNHCR anhängig, dürften die Betroffenen so lange in Ungarn verbleiben, bis eine endgültige Entscheidung durch den UNHCR getroffen sei.

Der Beschwerdeführer hält dem in der Beschwerde nunmehr unter Verweis auf seine Einvernahme am 2. September 1994 durch die Bundespolizeidirektion (im Zuge des fremdenpolizeilichen Verfahrens) in bezug auf seine Flüchtlingseigenschaft entgegen, er sei gefoltert worden, habe dies auch angegeben, dies sei jedoch anläßlich seiner Ersteinvernahme im Asylverfahren unvollständig übersetzt worden. Er sei schriftstellerisch tätig gewesen und habe politische Texte in der Zeitung unter seinem Decknamen "C" publiziert. Die Kopie eines diesbezüglichen, ihn auch als Guerilla-Kämpfer ausweisenden Zeitungsartikels habe er mit Schriftsatz vom 26. September 1994 vorgelegt. Notorisch sei darüber hinaus, daß im Sommer 1994 eine Verhaftungswelle unter den Mitgliedern der TKPML stattgefunden habe und daß es im Zuge von Massenverhaftungen regelmäßig zu Folter gekommen sei, sodaß sich der Beschwerdeführer in berechtigter Furcht befinde, verhaftet und ebenfalls gefoltert zu werden. Dieses Vorbringen werde dadurch unterstrichen, daß sich der Beschwerdeführer zur Ausreise aus seinem Heimatlande falscher Reisedokumente bedient habe.

Zur von der belangten Behörde angenommenen Verfolgungssicherheit machte er im wesentlichen Mangelhaftigkeit des Verfahrens durch Verletzung der Ermittlungspflicht der belangten Behörde und eine Verletzung des Parteiengehörs, insbesondere im Hinblick auf das der belangten Behörde zur Verfügung stehende, Ungarn betreffende Dokument, geltend.

Ausgehend von seiner Beschwerdeerklärung richtet sich die Beschwerde lediglich gegen den Spruchpunkt 1 des angefochtenen Bescheides, wobei Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie Rechtswidrigkeit des Inhaltes des bekämpften Bescheides geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerde erwogen:

1.) Zunächst zur Frage der Flüchtlingseigenschaft:

Der belangten Behörde ist zwar zuzugeben, daß allein die Teilnahme an einer verbotenen Demonstration und deren gewaltsame Auflösung durch die staatlichen Sicherheitskräfte sowie die dabei erfolgten Verletzungen die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991 nicht zu begründen vermögen, doch kann ihrer weiteren Argumentation, aus der nicht näher konkretisierten Vermutung, durch Bekanntgabe seines Decknamens bzw. seiner Mitgliedschaft bei der verbotenen Organisation der TKPML könne nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit auf eine Verfolgung des Beschwerdeführers geschlossen werden, nicht gefolgt werden. Die belangte Behörde hätte sich vielmehr auch im Zusammenhang mit dem im Berufungsverfahren vorgelegten Zeitungsausschnitt, der nicht nur die Mitgliedschaft des Beschwerdeführers bei der verbotenen TKPML, sondern dadurch auch deren Bekanntwerden dokumentiert, mit den Behauptungen des Beschwerdeführers in diesem Zusammenhang auseinanderzusetzen gehabt, die dafür vom Staat vorgesehene Strafandrohung sei nicht nur unangemessen, sondern auch im Hinblick auf die regelmäßig angewendete Folter als ein Akt der Verfolgung politisch anders Gesinnter zu werten. Ohne ergänzende Ermittlungsergebnisse kann daher nicht davon ausgegangen werden, daß das vom Beschwerdeführer auch auf seine Person bezogene Vorgehen seines Heimatlandes gegen alle Mitglieder der TKPML nicht aus Gründen der politischen Gesinnung droht (vgl. dazu u.a. auch hg. Erkenntnis vom 6. Juli 1994, Zl. 94/20/0212). Daß selbst der Verdacht der Teilnahme an bewaffneten Kampfhandlungen gegen türkische Regierungstruppen - wie dies der der Berufung beigelegte Zeitungsartikel möglicherweise indizieren könnte - die Anerkennung als Konventionsflüchtling nicht hindert, wurde bereits im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. November 1992, Zl. 92/01/0703, ausgesprochen.

Insoweit die belangte Behörde dem Vorbringen des Beschwerdeführers mangelnde Glaubwürdigkeit lediglich aus dem Grunde zumißt, er habe sich bereits im April 1994 um einen Personalausweis und im Mai 1994 um einen türkischen Reisepaß bemüht, also zu einem Zeitpunkt, in dem die behaupteten Festnahmen von Gesinnungsgenossen noch nicht erfolgt gewesen seien, er daher bereits vor diesem Zeitpunkt offenkundig die Absicht gehabt habe, seine Heimat zu verlassen, wird übersehen, daß allein aus der Tatsache der Besorgung dieser (auf falschen Personalangaben beruhenden) Dokumente auf das Nichtvorliegen der Flüchtlingseigenschaft nicht rückgeschlossen werden kann, zumal nicht geklärt wurde, ob es lediglich die beabsichtigte Flucht war, die den Beschwerdeführer dazu veranlaßte. Die diesbezüglichen Erwägungen der belangten Behörde erweisen sich demnach als nicht schlüssig.

2. Zur Frage der Verfolgungssicherheit:

Die belangte Behörde wiederholt die aus der Mitgliedschaft Rumäniens und Bulgariens bei der Genfer Flüchtlingskonvention abgeleitete allgemeine Vermutung der Beachtung des Refoulementverbots und die allgemeinen Betrachtungen über die "Normökonomie" dieser "sicheren" Drittstaaten. Den Ausführungen des UNHCR begegnet die belangte Behörde lediglich mit dem Hinweis darauf, dieser habe "keinen konkreten, ihm namentlichen bekannten Fall nennen können, in welchem eine Verletzung des Völkerrechtes stattgefunden" habe. Diese Argumentation entbehrt nicht einer gewissen Inkonsequenz, verwendet die belangte Behörde doch zur STÜTZUNG ihrer Annahme der Verfolgungssicherheit des Beschwerdeführers in Ungarn eine ebenso generelle Stellungnahme des UNHCR. Wie der Verwaltungsgerichtshof in zahlreichen Erkenntnissen bereits dargelegt hat, geht die Mitwirkungspflicht einer Partei nicht soweit, daß sich die Behörde ein ordnungsgemäßes Verfahren ersparen könnte, zu dessen Durchführung sie (hier gemäß § 11 und 16 AsylG 1991 in Verbindung mit § 39, 40 und 60 AVG) verpflichtet ist (vgl. als Beispiel für viele hg. Erkenntnis vom 21. Februar 1995, Zl. 94/20/0397, und die dort angegebene Judikatur). Der Mitwirkungspflicht kommt dort Bedeutung zu, wo es der Behörde nicht möglich ist, von sich aus und ohne Mitwirkung der Partei tätig zu werden. Dies trifft auf die im allgemeinen in Rumänien und Bulgarien beobachtete Vorgangsweise betreffend den Schutz von Flüchtlingen vor Rückschiebung in ihrem Heimatstaat nicht zu. Der Pflicht des Beschwerdeführers zur Mitwirkung im Verwaltungsverfahren ist dadurch entsprochen worden, daß er in Bestreitung der Annahme der Verfolgungssicherheit in Rumänien und Bulgarien das auch von der belangten Behörde zitierte Dossier des UNHCR diese Länder betreffend vorgelegt hat. Sollte die belangte Behörde an der Richtigkeit oder Anwendbarkeit der darin enthaltenen Informationen Zweifel hegen, hätte sie weitere Ermittlungen anstellen müssen. Es kann dem einzelnen Beschwerdeführer nicht zugemutet werden, konkrete Fälle von Verletzungen des Refoulementverbotes nachzuweisen, ganz davon abgesehen, daß auch die belangte Behörde ihrerseits in Beantwortung der vorgelegten UNHCR-Dossiers keinerlei konkrete Ermittlungsergebnisse entgegenhält.

Was die von der belangten Behörde angenommene Verfolgungssicherheit in Ungarn anlangt, ist darauf zu verweisen, daß es nicht darauf ankommt, woher der betreffende Asylwerber im geographischen Sinne kommt - im übrigen liegt Istanbul sowohl in Asien als auch in Europa -, sondern im Sinne des Art. 1 Abschnitt B lit. a der Genfer Flüchtlingskonvention darauf, wo die fluchtauslösenden EREIGNISSE eintreten. In diesem Sinne ist es ohne Belang, ob der Beschwerdeführer seinen Wohnsitz im europäischen oder im asiatischen Teil seines Heimatlandes hatte, wenn die "Ereignisse", die seine Furcht vor Verfolgung begründen, im gesamten Heimatland Auswirkungen haben können. Ungarn hat seine Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention jedoch auf Ereignisse beschränkt, die in Europa - und nur dort - eintreten. Die aus der Mitgliedschaft Ungarns zur Genfer Flüchtlingskonvention resultierenden Überlegungen betreffend die Verfolgungssicherheit des Beschwerdeführers als türkischen Staatsangehörigen vermögen daher ebenso wenig zu überzeugen wie der bloße Verweis auf die EMRK.

Insoweit die belangte Behörde eine Stellungnahme des UNHCR vom 4. Juli 1994 gegenüber dem deutschen Bundesverfassungsgericht zitiert und darauf die Annahme der Verfolgungssicherheit des Beschwerdeführers in Ungarn zu stützen sucht, rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seines Parteiengehörs zu Recht, ganz davon abgesehen, daß eine derartige Stellungnahme auch im Akt nicht aufzufinden ist. Wendet sich daher der Beschwerdeführer gegen die Annahme der Verfolgungssicherheit in Ungarn mit der Behauptung, wäre ihm die Möglichkeit einer Stellungnahme eingeräumt worden, hätte er allenfalls selbst weitere Ermittlungen durch den UNHCR oder durch Amnesty International vornehmen lassen können, was zum Ergebnis geführt hätte, daß es sich auch bei Ungarn nicht um ein "sicheres Drittland" handle, verstößt dieses Vorbringen nicht gegen das gemäß § 41 Abs. 1 VwGG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren grundsätzlich geltende Neuerungsverbot.

Da die belangte Behörde dadurch, daß sie den angefochtenen Bescheid ohne Vorliegen von - unter dem Blickwinkel der Beschwerdeausführungen - entsprechenden Ergebnissen eines unter Wahrung des Parteiengehörs durchgeführten Ermittlungsverfahrens erlassen hat, hat sie diesen mit wesentlichen Verfahrensmängeln belastet.

Da somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

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