VwGH 94/16/0192

VwGH94/16/019216.3.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peternell, über die Beschwerde des Magistrates der Stadt Wien, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 1. Juli 1994, Zl. UVS-05/28/00156/94, betreffend Bestrafung des mitbeteiligten Peter Fuchs (Wien, B-Gasse 2), wegen Übertretung des Getränkesteuergesetzes 1971, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
AVG §13 Abs3;
AVG §63 Abs1;
VStG §24;
ZPO §38;
AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
AVG §13 Abs3;
AVG §63 Abs1;
VStG §24;
ZPO §38;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Am 28. Jänner 1994 erhielt der Mitbeteiligte in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Peter Fuchs GesmbH eine mit 26. Jänner 1994 datierte Aufforderung zur Rechtfertigung im Verwaltungsstrafverfahren zugestellt, wobei ihm zur Last gelegt wurde, Getränkesteuer verkürzt zu haben.

Am 24. März 1994 erließ der Magistrat der Stadt Wien gegen den Mitbeteiligten ein entsprechendes Straferkenntnis.

Am 1. April 1994 langte in der Magistratsabteilung 4 ein mit 28. März 1994 datiertes Schreiben ein, das auf die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 26. Jänner 1994 Bezug nimmt. Dieses Schreiben trägt als Briefkopf links oben die Bezeichnung "Peter FUCHS GesmbH, B-Gasse 2, Wien", ist mit den Worten "Hochachtungsvoll Peter FUCHS" gezeichnet, trägt weiters eine als "Peter Fuchs" lesbare Unterschrift und hat folgenden Inhalt:

"Betreffend die begangene Verwaltungsübertretung gebe ich nachstehend zu Protokoll:

Ich betreibe mit dem Standort Wien, B-Gasse 2 als verantwortlicher Geschäftsführer den Gastgewerbebetrieb "Fuchs GesmbH" seit 1987.

Bedingt durch die hohen Spesen und die Tatsache, daß laufend Verluste erarbeitet wurden, war ich gezwungen die begangene Verwaltungsübertretung in Szene zu setzen.

Dies vor allem deshalb, um dadurch die anfallenden Aufwendungen abdecken zu können.

Seit 1993 werden, wenn auch kleine Gewinne, erarbeitet.

Bei der Strafbemessung ersuche ich höflichst die Gegebenheiten entsprechend zu berücksichtigen.

Meine Geschäftsführerbezüge betrugen:

Im Jahre 1990 S 61.000.-

1991 S 96.000.-

1992 S 100.965.- + gewerbl.SV S 13.929.-

Die verspätete Beantwortung bitte ich höflichst zu

entschuldigen, umsomehr der Sachbearbeiter der

Steuerberatungskanzlei durch Implantation eines

Herzschrittmachers an der Bearbeitung verhindert war."

Am 6. April 1994 langte bei der Magistratsabteilung 4 eine mit 1. April 1994 datierte und am 5. April 1994 zur Post gegebene Berufung ein. Sie trägt als Briefkopf die Bezeichnung "Peter FUCHS GesmbH, B-Gasse 2, Wien", ist mit den Worten "mit freundlichen Grüßen Peter FUCHS GesmbH, Wien" gezeichnet und trägt unter Beisetzung der Bezeichnung "i.V." einen als "L....." lesbaren Schriftzug.

Der Magistrat der Stadt Wien legte die Berufung an die belangte Behörde mit dem Ersuchen um Zurückweisung vor.

Die belangte Behörde forderte daraufhin den Mitbeteiligten auf, bekanntzugeben, ob die mit "Peter FUCHS GmbH" übertitelte und nicht von ihm unterfertigte Berufung ihm zuzurechnen sei.

Daraufhin wurde eine Kopie der Berufung retourniert, auf der sich folgender Text befindet: "Dieses Schreiben ist mir zuzuordnen". Unterfertigt ist dieser Text mit einer (entsprechend der Rechtfertigung vom 28. März 1994) als "Peter Fuchs" lesbaren Unterschrift, wobei ein Stampiglienaufdruck beigesetzt ist, der den Text "Gasthaus Zum .....wirt PETER FUCHS GesmbH, Wien, B-Gasse 2, Tel. ....." trägt.

Die belangte Behörde ging in der Folge ausdrücklich davon aus, daß die Berufung dem Mitbeteiligten zuzurechnen sei, behandelte die Berufung meritorisch und setzte die in erster Instanz verhängte Geldstrafe herab. Sie nahm auch eine entsprechende Reduktion der Verfahrenskosten vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die von dem gemäß § 14a des Gesetzes über den UVS Wien (idF LGBl. Nr. 10/1994) beschwerdeberechtigten Magistrat erhobene Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 51 Abs. 1 VStG steht dem Beschuldigten das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat zu, in dessen Sprengel nach dem Ausspruch der Behörde erster Instanz die Tat begangen wurde.

§ 10 AVG (der gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden ist) lautet auszugsweise:

"(1) Die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter können sich, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch eigenberechtigte Personen vertreten lassen, die sich durch eine schriftliche Vollmacht auszuweisen haben ...

(2) Inhalt und der Umfang der Vertretungsbefugnis richten sich nach den Bestimmungen der Vollmacht; hierüber auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen. Die Behörde hat die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des § 13 Abs. 3 von Amts wegen zu veranlassen.

..."

Kern der Beschwerdeausführungen ist das (in Auseinandersetzung mit dem hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. Dezember 1984, Zl. 81/11/0119, Slg. N.F. Nr. 11.625/A vorgetragene) Argument, im vorliegenden Fall sei in Gestalt der erhobenen Berufung gar keine undeutliche Prozeßhandlung vorgelegen, sondern eine eindeutig der GmbH und nicht dem Mitbeteiligten zuzurechnende Eingabe. Im Wege der von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungen sei eine vom Mitbeteiligten versäumte Prozeßhandlung unzulässigerweise nachgeholt worden.

Dazu ist folgendes festzuhalten:

Der jetzt vorliegende Fall unterscheidet sich in der Tat von dem im oben zitierten Erkenntnis Slg. N.F. 11.625/A behandelten Fall, weil dort die betreffende Berufung unter Beisetzung der Geschäftsstampiglie der GmbH von deren Geschäftsführer (gegen den sich das erstinstanzliche Straferkenntnis gerichtet hatte) selbst unterfertigt worden war. Im vorliegenden Fall stellt sich daher nicht nur die Frage der Zuordnung der erhobenen Berufung an die GmbH oder an den mitbeteiligten Geschäftsführer sondern auch die im Falle der Bejahung der Zuordnung der Berufung an den Mitbeteiligten zu klärende (bislang von keiner der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens beachtete) Frage des Vorliegens einer Bevollmächtigung jener Person, die die Berufung unterfertigte, durch den Mitbeteiligten.

Zur Frage der Zuordnung der Berufung ist entsprechend den vom oben zitierten hg. Erkenntnis Slg. N.F. Nr. 11.625/A (auf das zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird) dargelegten Kriterien folgendes zu sagen: Die Beisetzung des Firmenwortlautes einer GmbH zu einer Unterschrift des Geschäftsführers läßt jedenfalls noch nicht zwingend immer den Schluß zu, daß eine solcherart abgegebene Erklärung jedenfalls der Gesellschaft zuzurechnen ist. Zu beachten sind neben dem verwendeten Briefpapier die "Wir-" oder "Ich-Form" der Textierung einer Erklärung sowie die Frage, gegen wen sich der mit einer Berufung bekämpfte erstinstanzliche Bescheid gerichtet hat. Ferner ist zu berücksichtigen, daß es der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich als verständlich angesehen hat, daß sich ein Geschäftsführer, dem Verwaltungsübertretungen im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für die Gesellschaft zur Last gelegt werden, auch gegenüber einem Strafbescheid, der an ihn persönlich gerichtet ist, einer Form bedient, die im geschäftlichen Verkehr den allgemeinen kaufmännischen Gepflogenheiten entspricht, sodaß daraus noch keine Zurechnung der Verfahrenshandlung an die Gesellschaft abzuleiten ist.

Es ist insbesondere zu beachten, daß durch Formvorschriften die Durchsetzung materieller Rechte nicht in größerem Ausmaß als unbedingt erforderlich eingeschränkt werden soll (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. April 1993, Zl. 92/09/0328).

In diesem Sinn konnte aber die belangte Behörde - anders als dies der beschwerdeführende Magistrat sieht - vor allem unter Berücksichtigung der Tatsache, daß sowohl die Aufforderung zur Rechtfertigung als auch das erstinstanzliche Straferkenntnis an den Mitbeteiligten pesönlich gerichtet waren und daß die Rechtfertigung (auf die sich wiederum der Text der erhobenen Berufung ausdrücklich bezieht) in der "Ich-Form" textiert ist, angesichts der sonstigen Gestaltung der Berufung noch das Vorliegen eines Zweifelsfalles annehmen und davon ausgehend iS des hg. Erkenntnisses Slg. N.F. Nr. 11.625/A weitere Erhebungen durchführen. Auf Grund der daraufhin in "Ich-Form" erfolgten Klarstellung durch den Mitbeteiligten (der wiederum die beigesetzte Stampiglie aus den gerade oben dargelegten Erwägungen keinen Abbruch zu tun vermag) durfte die belangte Behörde schließlich die erhobene Berufung dem Mitbeteiligten zuordnen.

Damit stellt sich aber die weitere Frage, ob die im vorliegenden Fall nicht vom Geschäftsführer selbst sondern von einer anderen Person unter Verwendung des Zusatzes "i.V."

vorgenommene Unterfertigung der Berufung eine für den mitbeteiligten Geschäftsführer wirksame Vertretungshandlung war.

Nach ständiger hg. Judikatur ist für die Wirksamkeit einer durch einen Vertreter vorgenommenen fristgebundenen Verfahrenshandlung das Vorliegen einer entsprechenden Bevollmächtigung durch den Vertretenen zum Zeitpunkt der Verfahrenshandlung erforderlich (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 26. Jänner 1982, Zl. 577/80, Slg. N.F. Nr. 10.641/A, die dort zitierte Vorjudikatur sowie die hg. Erkenntnisse vom 30. Jänner 1992, Zlen. 91/17/0101, 0102, und vom 25. Februar 1993, Zl. 92/18/0496).

Erfolgt hingegen die Begründung des Vollmachtsverhältnisses zur Vertretung bei einer fristgebundenen Verfahrenshandlung erst nach Fristablauf, so bewirkt dies nicht die Rechtswirksamkeit der von dem noch nicht Bevollmächtigten seinerzeit gesetzten Verfahrenshandlung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 1986, Zl. 86/08/0016). Da in den Verwaltungsverfahrensgesetzen eine dem § 38 ZPO vergleichbare Regelung nicht getroffen ist, kommt die nachträgliche Genehmigung einer (bis dahin) von einem Scheinvertreter gesetzten fristgebundenen Verfahrenshandlung nicht in Frage (vgl. dazu insbesondere das hg. Erkenntnis vom 4. Juli 1989, Zl. 88/08/0290).

Angewendet auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, daß es Aufgabe der belangten Behörde gewesen wäre, nach Zuordnung der mit dem Beisatz "i.V." gefertigten Berufung an den Mitbeteiligten durch eine Person namens L..... die Frage zu prüfen, ob die genannte Person zur Zeit der Erhebung der Berufung vom Mitbeteiligten dazu auch ausreichend bevollmächtigt war. Nur bei Bejahung dieser Frage wäre die weitere Erklärung des Mitbeteiligten (das Schreiben sei ihm zuzordnen) in Anwendung des Prinzips der Vermeidung unnötiger formaler Härten auch als nachträgliche Beurkundung eines schon zur Zeit der Unterfertigung der Berufung bestandenen Vollmachtsverhältnisses anzusehen und demzufolge die meritorische Behandlung der Berufung in Ansehung des Mitbeteiligten gerechtfertigt.

Da die belangte Behörde - offenbar ausgehend von der nichtzutreffenden Rechtsansicht, die positive Beurteilung der Zuordnungsfrage allein genüge - die Untersuchung der Frage der Bevollmächtigung unterließ, hat sie ihren Bescheid mit einem sogenannten sekundären Verfahrensmangel belastet, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu seiner Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes führen muß.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte