VwGH 94/07/0172

VwGH94/07/017221.2.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bachler, über die Beschwerde des W in N, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 6. Juni 1994, Zl. VwSen - 260032/24/Gf/Km, betreffend Übertretung des Wasserrechtsgesetzes 1959 (weitere Partei des Verfahrens: Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §68 Abs1 impl;
VwRallg;
WRG 1959 §137 Abs2 lith;
WRG 1959 §32 Abs4;
AVG §68 Abs1 impl;
VwRallg;
WRG 1959 §137 Abs2 lith;
WRG 1959 §32 Abs4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seines Schuldspruches bezüglich des Tatzeitraumes vom 20. Juni 1990 bis zum 30. Juni 1990 sowie im Umfang seines Straf- und Kostenausspruches wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im übrigen, somit im Umfang der Bekämpfung auch des Schuldspruches bezüglich des Tatzeitraumes vom 1. Juli 1990 bis zum 6. Juli 1990, wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf das hg. Erkenntnis vom 18. März 1994, 93/07/0011, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis hat der Gerichtshof es als rechtswidrig beurteilt, daß der Beschwerdeführer wegen der ihm für den Zeitraum vom 20. Juni 1990 bis 6. Juli 1990 zur Last gelegten konsenslosen Ableitung betrieblicher Abwässer aus der Lederfabrik seiner Gesellschaft in die Ortskanalisationsanlage der Marktgemeinde N. bzw. in der Folge des Reinhaltungsverbandes N. und Umgebung nach der Bestimmung des § 137 Abs. 2 lit. h WRG 1959 auch für den Zeitraum vom 20. Juni 1990 bis zum 30. Juni 1990 bestraft worden war, obwohl für diesen Tatzeitraum weder die der Bestrafung zugrunde gelegte Strafnorm, noch die als verletzte Verwaltungsvorschrift herangezogene Bestimmung des § 32 Abs. 4 WRG 1959 in der von der belangten Behörde zugrunde gelegten Fassung der Wasserrechtsgesetz-Novelle 1990, BGBl. Nr. 252, gegolten hatte. Es hat der Verwaltungsgerichtshof im genannten Erkenntnis darauf hingewiesen, daß es im vorliegenden Fall einer Teilung des Deliktszeitraumes entsprechend dem Geltungsbereich der Strafnormen und der verletzten Verwaltungsvorschrift in ihren unterschiedlichen Fassungen bedurft hätte, welche zu getrennten Schuldsprüchen hätte führen müssen, wobei eine Bestrafung angesichts des unveränderten Charakters der dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Handlung als fortgesetztes Delikt dabei auf der Basis des Straftatbestandes des § 137 Abs. 2 lit. h WRG 1959 allein hätte erfolgen können.

Mit dem nunmehr angefochtenen, in seinen Ausfertigungen nicht datierten, dem Inhalt der Verwaltungsakten nach aber auf einem am 6. Juni 1994 gefaßten Kollegialbeschluß beruhenden Ersatzbescheid entschied die belangte Behörde über die Berufung des Beschwerdeführers gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 1. Juli 1992 mit folgendem Spruch:

"I. Der Berufung wird gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG insoweit stattgegeben, als die verhängte Geldstrafe auf

S 10.000,-- und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 112 Stunden herabgesetzt werden; im übrigen wird diese hingegen abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß in dessen Spruch an die Stelle der Wortfolge "eine Verwaltungsübertretung nach § 137 Abs. 1 WRG 1959 i.d.F. BGBl. Nr. 693/1988" nunmehr die Wendung "im Zeitraum vom 20. Juni 1990 bis zum 30. Juni 1990 eine Verwaltungsübertretung nach § 137 Abs. 1 WRG 1959 i.d.F. BGBl. Nr. 693/1988 und im Zeitraum vom 1. Juli 1990 bis zum 6. Juli 1990 eine Verwaltungsübertretung nach § 137 Abs. 2 lit. h i.V.m. § 32 Abs. 4 WRG 1959 i.d.F. BGBl. Nr. 252/1990" sowie an die Stelle der Wortfolge "Gemäß § 137 Abs. 1 WRG 1959 in der Fassung des BGBl. Nr. 693/1988 iVm §§ 1 und 9 VStG" nunmehr die Wendung "§ 137 Abs. 2 lit. h WRG 1959 i.d.F. BGBl. Nr. 252/1990" zu treten hat.

II. Gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG hat der Beschwerdeführer einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde in Höhe von 1.000 S binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 24 AVG iVm § 66 Abs. 4 AVG, § 63 Abs. 1 VwGG."

In der Begründung ihres Bescheides ging die belangte Behörde von ihren im hg. Erkenntnis vom 18. März 1994, Zl. 93/07/0011, bereits wiedergegebenen Sachverhaltsfeststellungen aus und gelangte auf deren Basis, abgesehen von der in der Bindung an die Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes vorgenommenen Aufteilung des Tatzeitraumes in Tatzeitstrecken vor und nach dem Inkrafttreten der Wasserrechtsgesetz-Novelle 1990, BGBl. Nr. 252, zur nämlichen rechtlichen Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes wie in ihrem, den Gegenstand des

hg. Vorerkenntnisses bildenden Bescheid vom 4. Dezember 1992.

Gegen den nunmehr angefochtenen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher mit seinem Beschluß vom 5. Oktober 1994, B 1469/94, deren Behandlung jedoch abgelehnt und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat. Vor diesem Gerichtshof begehrt der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder jener infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde oder Verletzung von Verfahrensvorschriften; der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten auf "Nichterlassung eines Erkenntnisses des unabhängigen Verwaltungssenates wegen Unzuständigkeit gemäß § 1 i.V.m. § 67a Abs. 1 AVG, Nichterlassung eines Erkenntnisses des unabhängigen Verwaltungssenates wegen entschiedener Sache gemäß § 21 i.V.m.

§ 45 AVG, auf Beachtung des Rechtsgrundsatzes ne bis in idem im Verwaltungsstrafverfahren, auf genaue Zitierung der Gesetzesstelle, die dem Täter die "Strafen", gegen die er verstoßen hat, nennt, gemäß § 44a VStG, auf Nichtbestrafung gemäß § 70 Abs. 2 GewO 1973 i.V.m. § 366 Abs. 1 Einleitungssatz GewO (?) und auf Nichterlassung eines neuerlichen Straferkenntnisses gemäß § 63 Abs. 1 VwGG" als verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gänzlich fehl gehen die Folgerungen des Beschwerdeführers, welche er aus dem Umstand herleitet, daß mit dem mehrfach erwähnten hg. Vorerkenntnis vom 18. März 1994, 93/07/0011, der Bescheid der belangten Behörde vom 4. Dezember 1992 aufgehoben worden war. Der Beschwerdeführer vermeint, daß die Aufhebung des Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof es der belangten Behörde verwehrt habe, über ihn neuerlich einen Schuldspruch zu verhängen; der belangten Behörde habe es nunmehr an der Zuständigkeit zur Erlassung eines neuerlichen verurteilenden Bescheides gefehlt, das aufhebende Vorerkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes stehe als eine der Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens - offenbar - gleichkommende Entscheidung einer neuerlichen Entscheidung der belangten Behörde in derselben Sache hindernd entgegen. Davon kann nicht die Rede sein. Das vom Beschwerdeführer zur Rechtfertigung dieser verfehlten Auffassung ins Treffen geführte

hg. Erkenntnis vom 4. September 1992, 92/18/0353, bietet den vom Beschwerdeführer geäußerten Vorstellungen keinerlei Stütze. Diesem Erkenntnis lag vielmehr der Bescheid eines unabhängigen Verwaltungssenates zugrunde, welcher ein erstinstanzliches Straferkenntnis "gemäß § 66 Abs. 4 AVG behoben" hatte. Diesem Ausspruch hat der Gerichtshof in dem vom Beschwerdeführer zitierten Erkenntnis die Wirkung der Einstellung des Strafverfahrens zugemessen. Mit der Aufhebung eines Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof hat der beschriebene Fall nichts zu tun. Durch die Aufhebung eines angefochtenen Bescheides nach § 42 Abs. 2 VwGG durch den Verwaltungsgerichtshof tritt nach dem dritten Absatz dieses Paragraphen die Rechtssache in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung des angefochtenen Bescheides befunden hatte. Die vor der belangten Behörde anhängige Berufung war damit wieder unerledigt, sodaß die belangte Behörde Zuständigkeit, Recht und Pflicht traf, über diese Berufung neuerlich zu entscheiden, wobei sie gemäß § 63 Abs. 1 VwGG die vom Verwaltungsgerichtshof im stattgebenden Erkenntnis geäußerte Rechtsanschauung zu beachten hatte.

Gemäß § 137 Abs. 2 lit. h WRG 1959 in der Fassung der Wasserrechtsgesetz-Novelle 1990, BGBl. Nr. 252, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist, sofern die Tat nicht nach Abs. 3, 4 oder 5 einer strengeren Strafe unterliegt, mit einer Geldstrafe bis zu S 30.000,-- zu bestrafen, wer eine bewilligungspflichtige Einleitung in eine Kanalisation (§ 32 Abs. 4) ohne Bewilligung oder entgegen einer solchen vornimmt. Nach der Bestimmung des § 32 Abs. 4 WRG 1959 in der Fassung der Wasserrechtsgesetz-Novelle 1990, BGBl. Nr. 252, bedarf, wer Einbringungen in eine bewilligte Kanalisation vornimmt (Indirekteinleiter), bei Zustimmung des Kanalisationsunternehmens dann keiner wasserrechtlichen Bewilligung, wenn auf die einzuleitenden Abwässer und Stoffe bei der Bewilligung der Kanalisationsanlage Bedacht genommen wurde und eine Beeinträchtigung der Wirksamkeit der Reinigungsanlage, bauliche Schäden oder Beeinträchtigungen der Funktionsfähigkeit der Kanalisationsanlage oder zusätzliche Gefahren für das Wartungs- und Betriebspersonal nicht zu besorgen sind.

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage gehen auch die den Schuldspruch für den Tatzeitraum vom 1. bis zum 6. Juli 1990 bekämpfenden Beschwerdeausführungen ins Leere. Daß die Gesellschaft des Beschwerdeführers über eine wasserrechtliche Bewilligung im Sinne der wiedergegebenen Bestimmung des § 32 Abs. 4 WRG 1959 zur Indirekteinleitung verfügt hätte, konnte er ebensowenig behaupten wie eine seiner Gesellschaft gegenüber erklärte Einwilligung des Kanalisationsunternehmens; sich um eine solche Einwilligung ohne Erfolg bemüht zu haben, hat der Beschwerdeführer selbst zugestanden. Aus einer dem Rechtsvorgänger der Gesellschaft des Beschwerdeführers aber erteilten wasserrechtlichen Bewilligung oder einer diesem Rechtsvorgänger erteilten Zustimmung des Kanalisationsunternehmens wäre für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen gewesen. Sowohl die Zustimmung des Kanalisationsunternehmens zur Einleitung als auch eine dazu erforderlichenfalls erteilte wasserrechtliche Bewilligung konnte nicht in der vom Beschwerdeführer nunmehr behaupteten dinglichen Weise wirken. Der privatrechtliche Akt der Zustimmung des Kanalisationsunternehmens durfte ebenso wie der hoheitliche Akt der wasserrechtlichen Bewilligung nur auf jene Einleitungen bezogen werden, die gegebenenfalls zur Beurteilung anstanden. Demnach konnte die für die Einleitungen aus einem Metzgereibetrieb gegebenenfalls erteilte Zustimmung und/oder wasserrechtliche Bewilligung den Beschwerdeführer nicht dazu berechtigen, sich für seine ganz anders beschaffenen Einleitungen aus der Lederfabrik seiner Gesellschaft auf solche, dem Rechtsvorgänger seiner Gesellschaft gegebenüber gegebenenfalls gesetzten Akte zu berufen. Dementsprechend bedurfte es auch nicht der Beischaffung der vom Beschwerdeführer als Beweismittel für das Vorliegen eines dinglich wirkenden Vorbescheides beantragten Verwaltungsakten durch die belangte Behörde.

Mit dem Vorbringen, es habe sich der Beschwerdeführer mit der Ansicht einer Geltung der dem Rechtsvorgänger seiner Gesellschaft gegenüber gesetzten Akte auch für ihn in einem schuldbefreienden Irrtum befunden, verstößt der Beschwerdeführer gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot. Es erübrigen sich damit Betrachtungen über die angesichts der erdrückend entgegenstehenden Aktenlage auf der Hand liegende Unglaubwürdigkeit dieser Behauptung.

Es wurde der Beschwerdeführer im Umfang des über ihn ergangenen Schuldspruches bezüglich des Tatzeitraumes vom 1. Juli bis zum 6. Juli 1990 in seinen Rechten somit nicht verletzt, weshalb seine Beschwerde insoweit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Anders verhält es sich allerdings in bezug auf den Schuldspruch für den Tatzeitraum vom 20. bis zum 30. Juni 1990. In der Formulierung des diesen Zeitraum betreffenden Schuldspruches ist der belangten Behörde ein Versehen insoweit unterlaufen, als sie es verabsäumt hat, die verletzte Verwaltungsvorschrift im Sinne des § 44a Z. 2 VStG anzuführen, was nach der Gestalt der Bestimmung des § 137 Abs. 1 WRG 1959 in der Fassung vor dem Inkrafttreten der Wasserrechtsgesetz-Novelle 1990, BGBl. Nr. 252, aber für die Gesetzmäßigkeit des Spruches eines Straferkenntnisses jedenfalls unerläßlich war. Es hat die belangte Behörde ihren auf den Zeitraum vom 20. bis zum 30. Juni 1990 bezogenen Schuldspruch aus diesem Grunde mit einer vom Beschwerdepunkt umfaßten Rechtswidrigkeit belastet, was zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides im Umfang dieses Schuldspruches und damit zwangsläufig auch im Umfang des Straf- und Kostenausspruches nach § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu führen hatte. Aus verwaltungsökonomischen Gründen sieht sich der Gerichtshof zu dem Hinweis veranlaßt, daß § 137 WRG 1959 in seiner für den Tatzeitraum vom 20. bis 30. Juni 1990 anzuwendenden Fassung eine Regelung mit dem Inhalt des § 137 Abs. 9 erster Satz WRG 1959 in seiner nunmehr geltenden Fassung noch nicht enthalten hatte.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994; gemäß § 59 Abs. 1 VwGG gebunden an den gestellten Antrag konnte der Gerichtshof nur den verzeichneten Pauschbetrag für Schriftsatzaufwand zusprechen. Die Abweisung des Kostenmehrbegehrens beruht auf überhöht verzeichnetem Stempelgebührenaufwand, weil die Vorlage hier nicht angefochtener weiterer Bescheide der belangten Behörde zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich war.

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