Normen
EMRK Art7 Abs1;
VStG §1 Abs1;
VStG §22;
VStG §31 Abs2;
VStG §44a Z1;
VStG §44a Z2;
VwRallg;
WRG 1959 §137 Abs2 lith;
WRG 1959 §32 Abs4;
EMRK Art7 Abs1;
VStG §1 Abs1;
VStG §22;
VStG §31 Abs2;
VStG §44a Z1;
VStG §44a Z2;
VwRallg;
WRG 1959 §137 Abs2 lith;
WRG 1959 §32 Abs4;
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Straferkenntnis vom 1. Juli 1992 stellte die Bezirkshauptmannschaft G. (BH) fest, daß die GW. Gesellschaft m.b.H. in N. in der Zeit vom 20. Juni 1990 bis 6. Juli 1990 eine bewilligungspflichtige Ableitung betrieblicher Abwässer aus der Lederfabrik in N. in die Ortskanalisationsanlage der Marktgemeinde N. bzw. in der Folge des Reinhaltungsverbandes N. und Umgebung ohne wasserrechtliche Bewilligung vorgenommen habe. Der Beschwerdeführer wurde als das nach außen vertretungsbefugte Organ dieser Gesellschaft in seiner Funktion als handelsrechtlicher Geschäftsführer deswegen einer Verwaltungsübertretung nach § 137 Abs. 1 WRG 1959 in der Fassung des BGBl. Nr. 693/1988 in Verbindung mit § 9 VStG schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe in Höhe von S 20.000,--, im Falle deren Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 480 Stunden, sowie gemäß § 64 VStG zum Kostenersatz verurteilt.
In seiner gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer Verjährung geltend, bestritt das Vorliegen des von der BH angenommenen Geständnisses und führte überdies ins Treffen, daß die Gesellschaft das Einleitungsrecht der Metzgerei M. durch Erwerb der betreffenden, jetzt zum Betriebsgelände gehörigen Liegenschaft samt Gebäude und Anbindung an die Ortskläranlage erworben habe; die Marktgemeinde N. bestreite dies zu Unrecht, sei doch ein Kanalanschluß und die Berechtigung zur Einleitung von Abwässern nicht von jedem Liegenschaftseigentümer neu zu erwerben und zu bezahlen, könne vielmehr der Rechtsnachfolger die betreffenden Rechte übernehmen.
In der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde brachte der Vertreter der BH vor, daß die Metzgerei M. nie über eine wasserrechtliche Bewilligung zur Ableitung von Abwässern in den Ortskanal verfügt habe, wogegen der Beschwerdeführer einwendete, daß ein Recht der Metzgerei zur Ableitung bestanden habe, wobei das Einleitungsrecht des Beschwerdeführers durch Bewilligung der Marktgemeinde N. bzw. des Reinhalteverbandes N. behauptet werde, ohne daß eine wasserrechtliche Bewilligung erforderlich wäre. Der Beschwerdeführer beantragte die Beischaffung des Aktes der Marktgemeinde N., "womit die Einleitung bzw. das Einleitungsrecht der Firma Metzgerei M. bewilligt" worden sei und die Beiziehung eines Sachverständigen für Abwassertechnik und Chemie.
Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 24 VStG in Verbindung mit § 66 Abs. 4 AVG insoweit statt, als die verhängte Geldstrafe auf S 10.000,-- und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 112 Stunden herabgesetzt wurde; im übrigen wies die belangte Behörde die Berufung ab und bestätigte das von ihr bekämpfte Straferkenntnis mit der Maßgabe, daß in dessen Spruch an die Stelle der Wortfolge "§ 137 Abs. 1 WRG 1959 in der Fassung des BGBl. Nr. 693/1988" nunmehr jeweils die Wendung "§ 137 Abs. 2 lit. h in Verbindung mit § 32 Abs.4 des Wasserrechtsgesetzes 1959, BGBl. Nr. 215/1959, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 252/1990," zu treten und im Zusammenhang mit der Strafnorm die Zitierung des § 1 VStG zu entfallen habe.
Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung dabei im wesentlichen folgende Sachverhaltsfeststellungen zugrunde:
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 17. September "1992" (gemeint: "1982") sei dem Reinhaltungsverband N. und Umgebung die wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung und Inbetriebnahme einer Kanalisationsanlage u.a. mit der Auflage erteilt worden, daß Abwässer aus gewerblichen, industriellen und sonstigen Betrieben, die in ihrer Zusammensetzung von häuslichen Abwässern wesentlich verschieden seien, erst dann in die Kanalisationsanlage übernommen werden dürften, wenn hiefür eine gesonderte wasserrechtliche Bewilligung vorliege. Die G.W. GesmbH habe gegen Ende des Jahres 1989 eine Verbindungsleitung von ihrer Lederfabrik zu der Kanalisationsanlage des Reinhaltungsverbandes herstellen lassen und in der Folge auf diesem Weg in diese Anlage auch betriebliche Abwässer abgegeben. Die Menge habe dabei anfangs zwischen 5 und 10 m3 Abwässer in Abständen von 2 bis 3 Tagen betragen und sei "bis zum Tatzeitraum (20. Juni 1990 bis 6. Juli 1990)" auf teilweise 60 bis 70 m3 Abwässer pro Tag gesteigert worden. Mit Schreiben vom 26. Jänner 1990 habe die Gesellschaft den Reinhaltungsverband um die Genehmigung der Einleitung betrieblicher Abwasser in dessen Kläranlage ersucht, diesem Ansuchen sei in der Folge vom Reinhaltungsverband nicht entsprochen worden. Der Reinhaltungsverband habe von der Gesellschaft den Ersatz von Kosten in Höhe von über S 700.000,-- begehrt, die dem Verband durch die Entsorgung der von der Gesellschaft in die Kanalisationsanlage eingebrachten Abwässer und Schlämme als Sonderabfall entstanden seien; weder zu einer Bezahlung dieser Kosten durch die Gesellschaft, noch zu einer Klageführung gegen die Gesellschaft durch den Reinhaltungsverband sei es gekommen.
In der rechtlichen Beurteilung der getroffenen Sachverhaltsfeststellungen ging die belangte Behörde vom Vorliegen eines fortgesetzten Deliktes aus, welches lediglich eine selbständig strafbare Handlung darstelle, die mit dem Ende des Tatzeitraumes als abgeschlossen anzusehen sei. Da das Ende des Tatzeitraumes bereits im Geltungsbereich des Wasserrechtsgesetzes 1959 in der Fassung der am 1. Juli 1990 in Kraft getretenen WRG-Novelle 1990 liege, sei der Fall damit zur Gänze unter dem Aspekt der neuen Rechtslage zu beurteilen. Einer Bedachtnahme auf die ohnehin nur die Sanktion betreffende Anordnung des § 1 Abs. 2 VStG habe es demnach nicht bedurft. Verfolgungsverjährung sei aus näher dargelegten Gründen nicht eingetreten. Daß die Gesellschaft des Beschwerdeführers Abwässer in die Kanalisationsanlage des Reinhalteverbandes eingeleitet habe, ohne hiefür über eine wasserrechtliche Bewilligung zu verfügen, sei unbestritten. Da das Tatbild des § 137 Abs. 2 lit. h in Verbindung mit § 32 Abs. 4 WRG 1959 allein den Aspekt der genehmigungslosen Einleitung pönalisiere, komme es auf die im Verfahren umstritten gebliebene Beschaffenheit der Abwässer nicht an. Ebenso unerheblich sei die Frage, ob der Voreigentümer jener Liegenschaft, die nunmehr im Eigentum der Gustav W. GesmbH stehe, und von der aus die Einleitung im gegenständlichen Fall vorgenommen worden sei, über eine Bewilligung dazu verfügt habe; käme doch einer derartigen wasserrechtlichen Bewilligung keinesfalls eine absolut dingliche Wirkung mit Übergang auf einen späteren Erwerber zu, weil eine solche Bewilligung schon ihrer Zwecksetzung nach stets an die Art des Betriebes, den der Bewilligungsinhaber führe, gebunden sei, wobei es evident sei, daß die von der Gustav W. GesmbH geführte Lederfabrik mit der vom Voreigentümer geführten Metzgerei im Hinblick auf die dabei jeweils entstehenden Abwässer nicht vergleichbar sei. Vollends wäre für den Beschwerdeführer nichts aus dem Umstand zu gewinnen gewesen, daß der Rechtsvorgänger seiner Gesellschaft über eine Bewilligung lediglich des Reinhalteverbandes zur Abwässereinleitung verfügt hätte. Die vom Beschwerdeführer gestellten Beweisanträge seien deshalb abzuweisen gewesen. Das vergeblich gebliebene Ersuchen an den Reinhalteverband dokumentiere, daß der Beschwerdeführer die Einleitung seiner betrieblichen Abwässer in die Ortskanalisationsanlage in dem Bewußtsein vorgenommen habe, über die erforderliche Bewilligung nicht nur nicht zu verfügen, sondern diese in absehbarer Zeit auch nicht zu erhalten; dem Beschwerdeführer sei demnach vorsätzliches Handeln anzulasten. Die von der BH in der Strafbemessung angestellten Überlegungen seien aus näher dargelegten Gründen nicht zu teilen gewesen.
Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, es aus dem Grunde der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder jener infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben; der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht darauf verletzt, nicht entgegen der Bestimmung des § 137 Abs. 2 lit. h in Verbindung mit § 32 Abs. 4 WRG 1959 bestraft zuwerden.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die behördliche Beurteilung der Strafbarkeit seines Verhaltens mit der Behauptung, daß die dingliche Wirkung des von der belangten Behörde nicht geprüften Vorliegens eines dem Rechtsvorgänger seiner Gesellschaft erteilten wasserrechtlichen Bewilligungsbescheides ihn zu der ihm vorgeworfenen Einleitung berechtigt habe. Eine solche dingliche Wirkung leitet er aus dem von ihm behaupteten Umstand ab, daß die von ihm eingeleiteten Abwässer wesentlich unbedenklicher als jene des Rechtsvorgängers gewesen seien. Des weiteren stellt er die im Verwaltungsverfahren unterlassene Behauptung auf, sich über die ihm vorgeworfene Verwirklichung eines Straftatbildes im Irrtum befunden zu haben.
Ob das dargestellte Beschwerdevorbringen der Sachlage nach rechtlich geeignet sein konnte, die Beschwerde zu einem Erfolg zu führen, bleibe dahingestellt. Es leidet das angefochtene Erkenntnis nämlich aus nachstehenden Gründen an einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit, deren Vorliegen vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen des vom Beschwerdeführer geltend gemachten Beschwerdepunktes aufzugreifen war:
Gemäß § 1 Abs. 1 VStG kann als Verwaltungsübertretung eine Tat nur bestraft werden, wenn sie vor ihrer Begehung mit Strafe bedroht war. Diese Bestimmung verbietet es, als Grundlage der Bestrafung eine Verwaltungsvorschrift heranzuziehen, welche zum Zeitpunkt der Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes noch nicht galt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 15. Juni 1984, Slg. Nr. 11471/A). Erst recht steht die Bestimmung des § 1 Abs. 1 VStG der Anwendung einer ein bestimmtes Verhalten unter Strafe stellenden Norm auf ein Verhalten entgegen, das zu einer Zeit gesetzt wurde, zu welcher das die Strafbarkeit eines solchen Verhaltens normierende Gesetz noch nicht in Kraft getreten war.
Durchaus zutreffend hat die belangte Behörde das dem Beschwerdeführer vorgeworfene Verhalten als fortgesetztes Delikt beurteilt (vgl. die bei Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze II, E 81 ff zu § 22 VStG wiedergegebene Judikatur). Richtig ist, daß bei einem fortgesetzten Delikt die Verjährungsfrist, unabhängig davon, wann die strafbare Tätigkeit begann, im Sinne des § 31 Abs. 2 VStG erst von dem Zeitpunkt an berechnet wird, an dem diese Tätigkeit abgeschlossen wurde (vgl. die bei Ringhofer aaO E 17 ff zu § 31 VStG angeführte hg. Judikatur). Das bedeutet aber nicht, daß dieser Zeitpunkt jenem der Vollendung des Deliktes gleichgehalten werden könnte; diese besteht beim fortgesetzten Delikt vielmehr aus der Summe aller einzelnen Tathandlungen und liegt schon zu Beginn des Tatzeitraumes vor. Dementsprechend wurde der Beschwerdeführer auch nicht wegen Begehung der ihm vorgeworfenen Tat AM 6. Juli 1990, sondern in der Zeit VOM 20. Juni 1990 BIS 6. Juli 1990 bestraft. Während der innerhalb dieses Tatzeitraumes gelegenen Zeitstrecke vom 20. Juni bis zum 30. Juni 1990 galt aber weder die der Bestrafung des Beschwerdeführers zugrundegelegte Strafnorm des § 137 Abs. 2 lit. h WRG 1959 noch die als verletzte Verwaltungsvorschrift herangezogene Bestimmung des § 32 Abs.4 WRG 1959 in der von der belangten Behörde zugrundegelegten Fassung, weil die Wasserrechtsgesetznovelle 1990, BGBl. Nr. 252 gemäß Art. IV Abs. 1 dieses Gesetzes erst mit dem 1. Juli 1990 in Kraft getreten ist.
Der dem Beschwerdeführer gegenüber ausgesprochene Schuldspruch verstößt somit ungeachtet der Rechtsrichtigkeit der behördlichen Beurteilung des ihm vorzuwerfenden Verhaltens als fortgesetztes Delikt in Ansehung des Tatzeitraumes vom 20. Juni 1990 bis zum 30. Juni 1990 gegen die Bestimmung des § 1 Abs. 1 VStG und verletzt ihn in seinem Recht darauf, nicht auf Grund einer Strafnorm und unter Heranziehung einer verletzten Verwaltungsvorschrift bestraft zu werden, welche zum Zeitpunkt der Begehung der Tat noch nicht in Geltung gestanden war. Der Vollständigkeit halber sei klar gestellt, daß auch die im Straferkenntnis der BH vorgenommene rechtliche Beurteilung aus spiegelgleich geltenden Überlegungen gegen § 1 Abs. 1 VStG verstoßen hatte. Es hätte im vorliegenden Fall einer Teilung des Deliktzeitraumes entsprechend dem Geltungsbereich der Strafnormen und der verletzten Verwaltungsvorschrift in ihren unterschiedlichen Fassungen bedurft, welche zu zwei getrennten Schuldsprüchen führen hätte müssen. Eine Bestrafung hätte angesichts des unveränderten Charakters der dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Handlung als fortgesetztes Delikt dabei auf der Basis des von der Behörde auch als verwirklicht angesehenen Straftatbestandes des § 137 Abs. 2 lit. h WRG 1959 allein erfolgen können.
Das angefochtene Erkenntnis war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1992; die Abweisung des Kostenmehrbegehrens gründet sich auf geltend gemachten Stempelaufwand für eine zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderliche Beilage.
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