VwGH 94/02/0152

VwGH94/02/015228.11.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerden des E in S, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in S, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 1. März 1994, Zl. UVS-8/79/1-1994 (hg. Zl. 94/02/0152) und vom 16. März 1994, Zl. UVS-8/97/2-1994 (hg. Zl. 94/02/0192), betreffend Schubhaft, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §41 Abs1;
FrG 1993 §48;
FrG 1993 §51 Abs1;
FrG 1993 §41 Abs1;
FrG 1993 §48;
FrG 1993 §51 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von "Restjugoslawien" und gehört der ethnischen Minderheit der Kosovo-Albaner an. Der Beschwerdeführer war am 25. Dezember 1993 mit einem gefälschten Reisepaß - seinen Angaben zufolge - über Rumänien, Ungarn und Slowenien nach Österreich eingereist. Am 26. Dezember 1993 versuchte er mit dem gefälschten Reisepaß nach Deutschland weiterzureisen, wurde jedoch von der deutschen Grenzpolizei kontrolliert und zurückgewiesen. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 26. Dezember 1993 wurde über ihn die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bzw. der Abschiebung verhängt.

Mit Schreiben vom 5. Jänner 1994 wandte sich die Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung an das jugoslawische Konsulat, um die Ausstellung eines Heimreisezertifikats für den Beschwerdeführer zu erwirken. Am 24. Jänner 1994 ersuchte das jugoslawische Generalkonsulat die Daten des Beschwerdeführers zu überprüfen, worauf dieser am 26. Jänner 1994 die Daten seiner Eltern ergänzte.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 3. Jänner 1993 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des Gebrauches fremder Ausweise nach § 231 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Wochen verurteilt. Der Vollzug dieser Freiheitsstrafe wurde für die Dauer von zwei Jahren bedingt nachgesehen. Dies wurde der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung am 7. Februar 1994 telefonisch bekanntgegeben. Mit Bescheid vom 7. Februar 1994 verhängte diese über den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.

Am 18. Februar 1994 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung nach Serbien und Ungarn.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 1. März 1994 hat die belangte Behörde der vom Beschwerdeführer erhobenen Schubhaftbeschwerde keine Folge gegeben, die Rechtmäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft seit dem 28. Dezember 1993 festgestellt und ausgesprochen, daß die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorliegen (Beschwerde protokolliert zur hg. Zl. 94/02/0152).

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 16. März 1994 wurde die Beschwerde für den Zeitraum ab 4. März 1994 als unbegründet abgewiesen und die weitere Anhaltung in Schubhaft als rechtmäßig festgestellt (Beschwerde protokolliert zur hg. Zl. 94/02/0l92).

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbunden und hierüber erwogen:

1. Zu der zu Zl. 94/02/0152 protokollierten Beschwerde:

Der Beschwerdeführer führt zunächst aus, die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der über ihn verhängten Schubhaft durch die belangte Behörde hätte auch eine Prüfung der Zulässigkeit der Abschiebung zu umfassen gehabt. Die Rechtmäßigkeit der Abschiebung sei eine wesentliche Bedingung für die Rechtmäßigkeit der Schubhaft, weshalb die Unzulässigkeit der Abschiebung auch die Unzulässigkeit der Schubhaft nach sich ziehe. Eine Abschiebung nach Slowenien und Ungarn sei unzulässig, weil in diesen Staaten für den Beschwerdeführer keinerlei Gewähr bestehe, nicht nach Jugoslawien weiter abgeschoben zu werden. Die Abschiebung nach Jugoslawien sei rechtlich und faktisch unmöglich. Auf dem Luftwege würden derartige Abschiebungen schon seit Monaten nicht mehr durchgeführt. Eine Abschiebung auf dem Landwege über Ungarn würde nur dann eine Abschiebung im Rechtssinne darstellen, wenn diese Abschiebung unter Mithilfe der ungarischen Exekutive vollzogen würde. Es bestehe jedoch seitens der österreichischen Behörden keine rechtliche Handhabe, eine derartige Mitwirkung der ungarischen Exekutive an einer "Durchschiebung durch Ungarn" zu erzwingen.

Mit diesem Vorbringen übersieht der Beschwerdeführer, daß es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entspricht, daß im Hinblick auf die Möglichkeit einer Antragstellung nach § 54 FrG die Überprüfung der Unzulässigkeit einer Abschiebung in ein bestimmtes Land nicht im Rahmen der Prüfung einer Schubhaftbeschwerde durch den unabhängigen Verwaltungssenat zu erfolgen hat (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 10. Februar 1994, Zl. 93/18/0410, vom 22. April 1994, Zl. 94/02/0082, vom 8. Juli 1994, Zlen. 94/02/0l24, 0127, und vom 12. August 1994, Zl. 94/02/0123). Von dieser Möglichkeit der Antragstellung auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung durch die Fremdenbehörde hat der Beschwerdeführer im übrigen auch Gebrauch gemacht, indem er das Vorliegen von Abschiebungshindernissen hinsichtlich der Länder Ungarn und Serbien behauptete.

Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, eine Abschiebung sei aus tatsächlichen Gründen unmöglich, ist ihm zu entgegnen, daß nach § 36 Abs. 2 erster Satz FrG die Abschiebung eines Fremden auf Antrag oder von Amts wegen auf bestimmte jeweils ein Jahr nicht übersteigende Zeit aufzuschieben (Abschiebungsaufschub) ist, wenn sie unter anderem aus tatsächlichen Gründen unmöglich scheint. Für einen solchen Fall ist daher ein eigenes Verfahren vorgesehen, welches vor den Fremdenbehörden (§ 65 Abs. 1 FrG) zu führen ist. Die Überprüfung, ob eine Abschiebung eines Fremden aus tatsächlichen Gründen unmöglich ist (scheint), hat daher nicht im Rahmen der Prüfung einer Schubhaftbeschwerde durch den unabhängigen Verwaltungssenat zu erfolgen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. Juli 1994, Zl. 94/02/0227).

Der Beschwerdeführer meint, daß die belangte Behörde die Zulässigkeit einer Abschiebung solange selbst zu beurteilen habe, solange keine rechtskräftige Entscheidung der Fremdenpolizeibehörde über einen Antrag nach § 54 FrG vorliege. Auch dieses Vorbringen vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Die Durchführung eines Verfahrens im Sinne des § 54 Abs. 1 FrG obliegt der zuständigen Verwaltungsbehörde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. März 1994, Zl. 94/02/0038); eine diesbezügliche Prüfungskompetenz der unabhängigen Verwaltungssenate besteht nicht; es ist ihnen diesfalls - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - auch die vorfrageweise Beurteilung dieses Umstandes verwehrt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Dezember 1994, Zl. 94/02/0351).

Den Ausführungen, die Fremdenpolizeibehörde habe die Schubhaft nur "auf Vorrat" verhängt, ohne daß konkret geprüft worden sei, zu welchem Zweck die Schubhaft verhängt werde und ob überhaupt ein Aufenthaltsverbot erlassen werden dürfe oder die Abschiebung zulässig sei, ist zu entgegnen, daß die Schubhaft verhängt bzw. aufrechterhalten werden darf, solange die begründete Annahme besteht, ein Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung sei durchzuführen, und bedürfe aus bestimmten Gründen zu seiner Sicherung der Anhaltung des Fremden in Schubhaft. Durch die bloße Darlegung der an eine Schubhaftbeschwerde (seiner Meinung nach) anzulegenden Prüfungsmaßstäbe, die zudem mit der Rechtslage nicht in Einklang stehen, vermag der Beschwerdeführer nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu entkräften, daß im Beschwerdefall die dargestellten Voraussetzungen für die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft gegeben waren.

Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, daß seit dem 14. Februar 1994 die Schubhaft ausschließlich der Sicherung seiner Abschiebung diene, die zuständige Fremdenpolizeibehörde aber bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht geklärt habe, in welchen Staat er tatsächlich abgeschoben werden solle und ob dieser Staat (die ehemalige Teilrepublik Serbien) bereit sei, ein Heimreisezertifikat auszustellen. Auch sei der Fremdenbehörde vorzuwerfen, daß sie hinsichtlich der Abschiebung des Beschwerdeführers nach Slowenien untätig geblieben sei. Es sei daher der Fremdenpolizeibehörde eine Verletzung ihrer Verpflichtung, darauf hinzuwirken, daß die Schubhaft so kurz wie möglich dauerte, vorzuwerfen. Dieses Vorbringen ist im Hinblick darauf nicht zielführend, daß die Fremdenbehörde bereits am 9. Februar 1994 die Ausstellung eines Heimreisezertifikates urgierte und auch Gründe für die Verlängerung der Schubhaft vorlagen: einerseits fehlte die für die Einreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates (Heimreisezertifikat), andererseits war auch über den Antrag des Beschwerdeführers, gemäß § 54 FrG ua. die Unzulässigkeit der Abschiebung nach Serbien festzustellen, noch nicht rechtskräftig entschieden. Da sich die Dauer der Schubhaft auch innerhalb der zeitlichen Schranken des § 48 Abs. 4 FrG bewegte, liegt die behauptete Rechtsverletzung nicht vor (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 1995, Zlen. 94/02/0188, 0189, 0285).

2. zu der zur Zl. 94/02/0192 protokollierten Beschwerde:

Der Beschwerdeführer führt in diesem Beschwerdefall aus, daß die Fremdenpolizeibehörde dem Verhältnismäßigkeitsgebot des § 48 Abs. 1 FrG zuwider gehandelt habe, weil auch bei Zulässigkeit der Abschiebung eine mehrmonatige Anhaltung des fast noch jugendlichen Beschwerdeführers in Schubhaft in keinem Verhältnis zu einer derartigen Maßnahme stehe, zumal schon zu Beginn der Schubhaft gegen den Beschwerdeführer ein Aufenthaltsverbot hätte erlassen werden können. Ferner hätte sie bereits seit dem 28. Dezember 1993 definitiv in Erfahrung bringen müssen, ob seitens der Republik Jugoslawien in Ansehung der Person des Beschwerdeführers überhaupt eine Einreisebewilligung erteilt werde. Die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft könne für den beschwerdegegenständlichen Zeitraum nicht damit begründet werden, daß die verhängte Haft nicht nur der Sicherung einer Abschiebung in die Republik Jugoslawien, sondern auch der Sicherung der Abschiebung des Beschwerdeführers in einen anderen Zielstaat dienen könne.

Wie der Beschwerdeführer selbst darlegt, wurde die Ausstellung eines Heimreisezertifikates durch die Fremdenbehörden urgiert. Dem Verwaltungsgerichtshof ist nicht nachvollziehbar, welche anderen Mittel außer schriftliche Urgenzen bei der diplomatischen Vertretung der Republik Jugoslawien die Fremdenpolizeibehörden zur Beschaffung eines Heimreisedokumentes einsetzen hätten können, sodaß auch in diesem Falle ein Verstoß gegen § 48 Abs. 1 FrG nicht zu erkennen ist.

Wenn sich der Beschwerdeführer schließlich durch die Unterlassung der Verständigung im Sinne des § 48 Abs. 5 FrG und der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung durch die belangte Behörde beschwert erachtet, ist er darauf zu verweisen, daß Verstöße gegen Verfahrensvorschriften nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen, wenn sie wesentlich sind und ihre Wesentlichkeit vom Beschwerdeführer dargetan wird (vgl. auch hiezu das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 1995, Zlen. 94/02/0188, 0189, 0285). Da es dem Beschwerdeführer jedoch nicht gelungen ist, die Relevanz dieser behaupteten Verletzungen von Verfahrensvorschriften darzutun, erübrigt es sich, auf die diesbezüglichen Ausführungen einzugehen.

Die Beschwerden erweisen sich daher insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG - die zur hg. Zl. 94/02/0152 protokollierte Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG - abzuweisen waren.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

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