VwGH 93/08/0257

VwGH93/08/025722.11.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde der V-Aktiengesellschaft in W, vertreten durch Rechtsanwalt H, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 30. September 1993, Zl. 122.431/9-7/93, betreffend Versicherungspflicht nach dem ASVG und dem AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. W, 2. Vorarlberger Gebietskrankenkasse, Dornbirn, Jahngasse 4, 3. Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, Wien II, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, 4. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Wien XX, Adalbert-Stifter-Straße 1), zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §1 Abs1;
ASVG §4 Abs1;
ASVG §4 Abs2;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §66 Abs4;
VwRallg;
AlVG 1977 §1 Abs1;
ASVG §4 Abs1;
ASVG §4 Abs2;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §66 Abs4;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Begehren auf Stempelgebührenersatz wird abgewiesen.

Begründung

Mit Punkt I des Bescheides vom 3. Juni 1992 stellte die mitbeteiligte Vorarlberger Gebietskrankenkasse fest, daß die Erstmitbeteiligte W für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Juli 1991 und 1. September bis 31. Oktober 1991 aufgrund ihrer Tätigkeit für die Beschwerdeführerin der Versicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 unterlegen sei.

Dem dagegen von der Beschwerdeführerin erhobenen Einspruch gab der Landeshauptmann von Vorarlberg mit Bescheid vom 23. März 1993 gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge.

Mit dem angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde in teilweiser Abänderung des Einspruchsbescheides fest, daß W. in der Zeit vom 1. Juli bis 31. Juli 1991 und vom 1. Oktober bis 31. Oktober 1991 der Versicherungspflicht in der Kranken-, Unfall-, Pensions- und Arbeitslosenversicherung unterlegen, in der Zeit vom 1. September bis 30. September 1991 jedoch gemäß § 5 Abs. 1 Z. 2 in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Z. 3 lit. a ASVG lediglich in der Unfallversicherung versichert gewesen sei.

Ihrer Entscheidung legte die belangte Behörde nachstehende Feststellungen zugrunde:

"(W.) ist in der Zeit vom 1.7.1991 bis 31.12.1991 für die (Beschwerdeführerin) tätig gewesen. Ihre Arbeitszeit betrug täglich von 8.30 Uhr bis spätestens 11.00 Uhr. Ihre Aufgabe war es, die von den Versicherungsvertretern und Maklern abgegebenen An- und Abmeldungen für Kraftfahrzeuge bei der Bezirkshauptmannschaft abzugeben. Die Anmeldungen mußten von (W.), bevor sie zur Bezirkshauptmannschaft gebracht wurden, bearbeitet werden, indem (W.) von der Bezirkshauptmannschaft ausgegebene Formulare ausfüllen und mit Stempelmarken versehen mußte. Anmeldungen bzw. Abmeldungen mußten bis spätestens

9.30 Uhr bei der Bezirkshauptmannschaft eingereicht werden, damit sie noch am selben Tag bearbeitet werden konnten. (W.) wurde für die Schreibarbeiten ein eigener Schreibtisch zur Verfügung gestellt, auf welchem eine Schreibmaschine und die erforderlichen Formulare untergebracht waren.

Laut Vertragstext konnte (W.) sich durch eine geeignete Person vertreten lassen, diese hatte über Verlangen der (Beschwerdeführerin) ihre Vertretungsbefugnis nachzuweisen. Gegenstand des Vertragsverhältnisses war laut Vertragstext die Erledigung von, im Zusammenhang mit der Anmeldung von Kundenkraftfahrzeugen stehenden, Aufgaben und Wegen. Die Anzahl der zu erledigenden Anmeldungen wurde von der (Beschwerdeführerin) bestimmt. (W.) wurde pro Anmeldung mit einem Entgelt von 31 S zuzüglich Mehrwertsteuer entlohnt. Ab 1.10.1991 erhöhte sich die pro Stückzahlentlohnung auf 35 S zuzüglich Mehrwertsteuer. (W.) erhielt eine monatliche Akontozahlung von 2.900 S. Eine Endabrechnung erfolgte am 31.12. des gleichen Jahres. Laut der Endabrechnung der (Beschwerdeführerin) hat (W.) im Juli 1991 112 KfZ-Anmeldungen erledigt, wofür ihr ein Entgelt von S 3.472 zustand. Im August 1991 erledigte sie 70 Anmeldungen, wofür ihr S 2.170 zustanden. Im September 1991 waren es 89 Anmeldungen für S 2.759, im Oktober 1991 108 Anmeldungen für S 3.780, im November 1991 72 Anmeldungen für S 2.520 und im Dezember 1991 63 Anmeldungen für S 2.205. Ab Oktober 1991 erhielt (W.) als Akontozahlung nur mehr S 2.700.

Die Tätigkeit von (W.) für die (Beschwerdeführerin) hat sich im einzelnen wie folgt abgespielt: (W.) erschien jeden Morgen um 8.30 Uhr bei der Filiale der (Beschwerdeführerin). Der Zeitpunkt des Arbeitsbeginns wurde mit (H.), dem Gebietsverkaufsleiter für Bregenz und den Bregenzerwald, zu Beginn ihrer Tätigkeit vereinbart. (W.) erhielt dann die An- und Abmeldungen der Versicherungsvertreter, welche sie in ein Formular der Bezirkshauptmannschaft mit Schreibmaschine eingetragen hatte. Sodann wurde das Formular mit Stempelmarken versehen und die erforderlichen Dokumente bzw. Unterlagen beigeheftet. Abschließend mußten die Meldungen noch in ein dafür vorgesehenes Heft eingetragen werden. Gegen 9.30 Uhr brachte (W.) die Meldungen zur Bezirkshauptmannschaft. Für den Fall, daß nur wenige Anmeldungen waren, konnte (W.) die Unterlagen, d.h. Nummerntafeln und Genehmigung, gleich wieder mitnehmen. In seltenen Fällen ging (W.) ein zweites Mal am selben Tag mit An- und Abmeldungen zur Bezirkshauptmannschaft. Abschließend hat (W.) ihre Tätigkeit noch einmal kontrolliert und ist um spätestens 11.00 Uhr nach Hause gegangen.

(W.) erschien jeden Tag bei der Arbeit, außer wenn sie selbst oder eines ihrer Kinder krank gewesen war. In diesem Fall hatte (W.) in der Filiale der (Beschwerdeführerin) angerufen, und mitgeteilt, daß sie nicht kommen könne. Die Arbeiten, welche (W.) zu erledigen gehabt hätte, wurden dann von Frau Renate Loch, einer Geschäftsstellenkraft übernommen."

Diesen Sachverhalt beurteilte die belangte Behörde in rechtlicher Hinsicht dahin, daß W. aus näher angeführten Gründen sowohl bezüglich des Arbeitsortes als auch hinsichtlich der Arbeitszeit an Weisungen bzw. Vorgaben der Beschwerdeführerin gebunden gewesen und hinsichtlich des Arbeitsablaufes der stillen Autorität der Beschwerdeführerin unterlegen sei. Vertraglich sei zwar eine freie Vertretungsmöglichkeit vereinbart worden, doch habe die Praxis so ausgesehen, daß ein Innendienstmitarbeiter der Beschwerdeführerin die Tätigkeit der W. mitübernommen und sich somit die Stellung eines Vertreters erübrigt habe. Die Beschwerdeführerin habe in ihrer Berufung selbst angegeben, daß bei mehrmaligem Fernbleiben der W. jemand anderer mit der in Frage stehenden Tätigkeit betraut worden wäre. Unter diesem Druck sei W. gestanden: Entweder sei sie regelmäßig erschienen und habe ihre Arbeit zur Zufriedenheit der Beschwerdeführerin erledigt oder sie habe gehen können und jemand anderer sei mit ihrer Tätigkeit betraut worden. Unter diesem Gesichtspunkt sei auch davon auszugehen, daß W. nicht die Möglichkeit gehabt habe, einzelne Aufträge abzulehnen. Es sei ferner im Interesse der Beschwerdeführerin gewesen, daß sämtliche An- und Abmeldungen bis spätestens 10.00 Uhr vormittags bei der Bezirkshauptmannschaft eingelangt seien, damit sie noch am selben Tag hätten bearbeitet werden können. Daraus sei zu schließen, daß es ein Teil der Vertragsbeziehung gewesen sei, daß die Aufträge noch am selben Tag erledigt würden und die regelmäßig anfallenden Vorarbeiten zeitgerecht fertiggestellt seien. Somit habe die Beschwerdeführerin von vornherein mit der Arbeitskraft der W. rechnen und entsprechend disponieren können. Da W. hinsichtlich Arbeitszeit, Arbeitsort und Arbeitsfolge ein so enger Rahmen bei der Erledigung ihrer Arbeit vorgegeben gewesen sei, nach dem sie sich zu richten gehabt habe, seien ihr nicht viele Möglichkeiten geblieben, ihre Arbeit nach eigenem Gutdünken zu erledigen. Die Art des Entgeltes spreche weder für noch gegen die persönliche Abhängigkeit. Da somit bei der Tätigkeit der W. die Merkmale persönlicher Abhängigkeit klar gegenüber den Merkmalen persönlicher Unabhängigkeit überwogen hätten, sei unter Bedachtnahme darauf, daß ihr Entgelt für den Monat September 1991 unter der Geringsfügigkeitsgrenze gelegen sei, spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm aber - ebenso wie die mitbeteiligten Parteien mit Ausnahme der Vorarlberger Gebietskrankenkasse, die in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragte - von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 4 Abs. 2 ASVG ist Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; dazu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. zuletzt die Erkenntnisse vom 25. Jänner 1994, Zl. 92/08/0226 und Zl. 93/08/0154, mit umfangreichen Judikaturhinweisen) schließt schon die Berechtigung eines Beschäftigten, die übernommene Arbeitspflicht generell durch Dritte vornehmen zu lassen, - unabhängig davon, ob er von dieser Berechtigung auch tatsächlich Gebrauch macht - wegen des in dieser Berechtigung zum Ausdruck kommenden Fehlens der für die persönliche Abhängigkeit wesentlichen (grundsätzlich) persönlichen Arbeitspflicht und damit der Ausschaltung seiner Bestimmungsfreiheit durch die übernommene Arbeitspflicht seine persönliche Abhängigkeit vom Empfänger der Arbeitsleistung und damit ein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG aus. Ob dann hinsichtlich der Beschäftigung selbst, sofern sie der Verpflichtete unter Verzicht auf seine Berechtigung, sich generell vertreten zu lassen, ausübt, ohne Bedachtnahme auf die genannte Berechtigung die sonstigen Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit überwögen, ist (abgesehen davon, daß ja zu prüfen wäre, ob diese Merkmale nicht im Hinblick auf die eingeräumte Vertretungsberechtigung einen inhaltlichen Bedeutungswandel erfahren) wegen der - schon in dieser Berechtigung zum Ausdruck kommenden - fehlenden Ausschaltung seiner Bestimmungsfreiheit bedeutungslos. Es ist auch unmaßgeblich, daß der Beschäftigte nur geeignete Dritte als Vertreter stellig machen darf, weil es ja bei der Vertretungsberechtigung immer um eine solche in bezug auf eine übernommene Arbeitspflicht und daher durch eine Person geht, die in der Lage ist, diese Arbeitspflicht gegenüber dem Empfänger der Arbeitsleistung zu erfüllen.

Die belangte Behörde geht in ihrer rechtlichen Beurteilung zwar davon aus, daß vertraglich eine "freie Vertretungsmöglichkeit" (im Zusammenhang gemeint: eine generelle Vertretungsbefugnis) vereinbart worden sei (dies mit Recht, weil weder die Verpflichtung, nur eine geeignete Person als Vertreter stellig zu machen, noch die Berechtigung der Beschwerdeführerin, vom Vertreter einen Nachweis seiner Vertretungsbefugnis zu verlangen, dem Bestehen einer generellen Vertretungsbefugnis entgegensteht); sie mißt aber dieser Vereinbarung aus den oben wiedergegebenen Gründen

- rechtsirrig, wie die Beschwerdeführerin zutreffend ausführte, - keine Bedeutung bei:

Nicht entscheidend ist zunächst die "Praxis" in der kurzen Zeit der Beschäftigung der W., die so ausgesehen habe, daß im Falle ihrer Verhinderung ein Innendienstmitarbeiter der Beschwerdeführerin ihre Tätigkeit mitübernommen und sich somit die Stellung eines Vertreters erübrigt habe. Denn unter der Voraussetzung, daß der W. tatsächlich im Sinne der Vereinbarung eine generelle Vertretungsbefugnis zustand, stellte der bloße Umstand, daß sie von dieser Berechtigung nicht einmal in Fällen tatsächlicher Verhinderung Gebrauch machte, sondern auch dann nur - zu ihren Lasten (weil unter Entfall des Entgelts) - die Beschwerdeführerin davon verständigte, die in der Folge einen Innendienstmitarbeiter mit den Aufgaben betraute, und sich deshalb die Stellung eines Vertreters "erübrigte", noch kein Abweichen der tatsächlichen Verhältnisse von der vertraglichen Vereinbarung dar, weil eine Berechtigung eben die Nichtgebrauchnahme von ihr einschließt (vgl. das schon zitierte Erkenntnis vom 25. Jänner 1994, Zl. 92/08/0226).

Sonstige Umstände, die berechtigt darauf schließen ließen, daß der W. entgegen der (zunächst) getroffenen Vereinbarung (tatsächlich) keine generelle Vertretungsbefugnis zugestanden sei, hat die belangte Behörde aber nicht festgestellt. Insbesondere vermag das - nur verkürzt wiedergegebene - Berufungsvorbringen der Beschwerdeführerin keinen solchen Schluß zu rechtfertigen. Denn das vollständige Berufungsvorbringen lautet: "Wäre sie (nämlich W.) öfters nicht gekommen UND hätte sie sich auch nicht durch geeignete Personen vertreten lassen, hätte man zunächst die ausfallenden Arbeiten durch Innendienstmitarbeiter (wie es ja auch gelegentlich vorgekommen ist) erledigen lassen und in weiterer Folge jemand anderen mit der in Frage stehenden Tätigkeit betraut." Selbst wenn man dies im Sinne der belangten Behörde so versteht, daß W. keine Möglichkeit hatte, einzelne Aufträge abzulehnen, sondern unter dem vertraglich übernommenen "Druck" stand, ihre Aufgaben entweder selbst oder durch einen geeigneten Vertreter zu erfüllen, spräche dies, eben wegen der generellen Vertretungsbefugnis, nicht für ein Überwiegen der persönlichen Abhängigkeit. Denn wie der Verwaltungsgerichtshof im schon zitierten Erkenntnis vom 25. Jänner 1994, Zl. 92/08/0226, unter Hinweis auf seine Vorjudikatur dargelegt hat, genügt es für den Ausschluß des für das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG konstitutiven Merkmales der persönlichen Abhängigkeit eines Beschäftigten schon, wenn ihm eine generelle Vertretungsbefugnis zusteht, er aber nicht das Recht hat, einzelne Arbeitsleistungen im Rahmen einer Gesamtverpflichtung sanktionslos abzulehnen.

Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse wendet in ihrer Gegenschrift zur Verteidigung der Auffassung der belangten Behörde Nachstehendes ein: W. sei zunächst offensichtlich über ihr Recht, sich frei vertreten lassen zu dürfen, nicht informiert gewesen. Der von ihr unterschriebene Werkvertrag spiegle in diesem Punkt nicht die tatsächlichen Verhältnisse wider. Praktisch wäre es ihr vermutlich auch gar nicht möglich gewesen, in ihrer Situation eine "geeignete Person" namhaft zu machen. Dazu sei auf zwei Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen: Nach dem Erkenntnis vom 10. November 1988, Zl. 84/08/0163, schließe eine generelle Vertretungsmöglichkeit zwar ein Dienstverhältnis aus, die Versicherungspflicht sei aber zu bejahen, wenn ein Dienstnehmer an einer Vertretung durch eine andere Person kein Interesse habe, weil er selbst die Aufträge abschließen und die ihm dafür zustehende Provision bekommen wolle, und nach sorgfältiger Abwägung ansonsten die Merkmale eines Dienstverhältnisses vorlägen. Nach dem Erkenntnis vom 8. Oktober 1991, Zl. 90/08/0057, sei die Bedeutung eines der Beschäftigung zugrundeliegenden Vertrages für die Dienstnehmereigenschaft eines Beschäftigten zwar nicht völlig unmaßgeblich, doch komme es bei der Beurteilung des Überwiegens der Merkmale persönlicher Abhängigkeit nicht entscheidend darauf an, auf welche Weise ein Beschäftigungsverhältnis vertraglich fundiert sei und wie es von den Vertragspartnern angesehen oder bezeichnet werde, sondern darauf, ob die (aufgrund des Vertrages durchgeführte) Beschäftigung in persönlicher Abhängigkeit ausgeübt werde; die vertragliche Gestaltung der Beschäftigung sei jedoch in die Beurteilung miteinzubeziehen, sofern keine Anhaltspunkte für ein Scheinverhältnis bestünden. Deshalb sei es bei der Beurteilung der persönlichen Abhängigkeit der W. nicht zulässig, wie dies die Beschwerdeführerin möchte, sich ausschließlich auf die theroretischen Bestimmungen des Werkvertrages zurückzuziehen, wenn die tatsächlichen Verhältnisse gegen eine realistische freie Vertretungsmöglichkeit sprächen.

Auch diese Argumente sind nicht geeignet, die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides zu erweisen. Zunächst hat die belangte Behörde nicht festgestellt, daß W. "offensichtlich nicht über das Recht, sich frei vertreten lassen zu dürfen, informiert" gewesen sei; sie ging vielmehr von einer diesbezüglich wirksamen vertraglichen Vereinbarung aus, stellte aber fest, daß sich die Stellung eines Vertreters im Hinblick auf die dargelegte Praxis "erübrigt" habe. Auf die praktische Möglichkeit der Namhaftmachung einer "geeigneten Person" durch einen dazu Berechtigten kommt es nicht an. Der von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse aus dem Erkenntnis vom 10. November 1988, Zl. 84/08/0163, abgeleitete Rechtssatz, findet sich in diesem Erkenntnis nicht. Der Gerichtshof gelangte vielmehr im Rahmen der Prüfung der Schlüssigkeit und Mängelfreiheit der Beweiswürdigung der damals belangten Behörde zum Ergebnis, daß die Aussagen der angeblichen Dienstnehmer (von denen einige eine generelle Vertretungsbefugnis verneint hatten) deswegen nicht in einem eindeutigen Widerspruch zur Behauptung eines Zeugen, es sei ihnen eine generelle Vertretungsbefugnis zugestanden, stünden, weil diese Frage nicht aktuell geworden sei; dies deshalb nicht, weil die angeblichen Dienstnehmer an einer Vertretung durch eine andere Person kein Interesse gehabt hätten, sondern selbst die Aufträge hätten abschließen und die ihnen dafür zustehende Provision hätten bekommen wollen. Dem Erkenntnis liegt demgemäß die Rechtsauffassung zugrunde, daß auch ein mangelndes Interesse einer Beschäftigten an einer Vertretung durch eine andere Person aus Gründen des Verdienstes das Bestehen einer generellen Vertretungsbefugnis nicht notwendig ausschließt. Die dem Erkenntnis vom 8. Oktober 1991, Zl. 90/08/0057, entnommenen Rechtssätze zur Bedeutung vertraglicher Vereinbarungen für die Beurteilung der Dienstnehmereigenschaft sind richtig zitiert, aber um den weiteren, in diesem Erkenntnis enthaltenen Rechtssatz zu ergänzen, daß das vertraglich Vereinbarte zunächst die Vermutung der Richtigkeit (im Sinne einer Übereinstimmung mit der Lebenswirklichkeit) für sich hat. Demgemäß trifft es zwar zu, daß es nicht zulässig ist, sich ausschließlich auf die "theoretischen Bestimmungen des Werkvertrages zurückzuziehen, wenn die tatsächlichen Verhältnisse gegen eine realistische freie Vertretungsmöglichkeit sprechen"; die Feststellungen bzw. Überlegungen der belangten Behörde zu den tatsächlichen Verhältnissen vermögen aber, wie bereits ausgeführt wurde, die Vermutung der Richtigkeit des vertraglich Vereinbarten nicht zu widerlegen.

Da somit die belangte Behörde der vertraglich vereinbarten generellen Vertretungsbefugnis der W. zu Unrecht keine entscheidende Bedeutung für die Beurteilung ihrer Dienstnehmereigenschaft beigemessen hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Unabhängig davon ist der angefochtene Bescheid aber auch insofern inhaltlich rechtswidrig, als die belangte Behörde hinsichtlich der Arbeitslosenversicherungspflicht der W. in der Zeit vom 1. Juli bis 31. Juli und vom 1. Oktober bis 31. Oktober 1991 und hinsichtlich ihrer Unfallversicherungspflicht in der Zeit vom 1. September bis 30. September 1991 außerhalb der "Sache" im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG (vgl. dazu das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 28. November 1983, Zl. 82/11/0270, VwSlg. 11237/A) entschieden hat (vgl. zur Unfallversicherungspflicht im Verhältnis zur Vollversicherungspflicht das Erkenntnis vom 16. April 1985, Zl. 83/08/0191, mit weiteren Judikaturhinweisen).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Das Begehren auf Ersatz der Stempelgebühren war im Hinblick auf die bestehende sachliche Abgabenfreiheit (§ 110 Abs. 1 Z. 2 ASVG) abzuweisen.

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