VwGH 83/08/0191

VwGH83/08/019116.4.1985

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident DDr. Heller und die Hofräte Dr. Liska, Dr. Knell, Dr. Puck und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Gerscha, über die Beschwerde der Maria W in L, vertreten durch Dr. Wilfried Haidacher, Rechtsanwalt in Graz, Tummelplatz 7, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Verwaltung vom 22. Juni 1983, Zl. 121.938/2-6/1980, betreffend Versicherungspflicht (mitbeteiligte Parteien: 1. Steiermärkische Gebietskrankenkasse in Graz, Josef Pongratz-Platz 1, 2. Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten in Wien II, Friedrich Hillegeist-Straße 1, und 3. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in Wien XX, Adalbert Stifter-Straße 65), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §4 Abs2;
ASVG §4 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 8.060,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die genaue Sachverhaltsdarstellung ist dem die gegenständliche Angelegenheit betreffenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Jänner 1979, Zl. 366/78, zu entnehmen. Danach schloß die Beschwerdeführerin, deren Unternehmen im Handelsregister protokolliert ist, mit Karl und Angelika L. am 30. August 1971 folgenden Gesellschaftsvertrag:

"Karl und Angelika L. treten mit Wirkung vom 1. September 1971 als unechte stille Gesellschafter in obige Firma ein. Als Betriebseinlage wird die Mittätigkeit in der Firma gewertet, und zwar:

Volle Mitarbeit für Karl L. mit einer Gewinnbeteiligung von 20 %, Teil-Mitarbeit für Angelika L. mit einer Gewinnbeteiligung von 10 %.

Als Mindestbetrag für die Mitarbeit der Ehegatten Karl und Angelika L. ist ein Jahresbetrag von S 40.000,-- festgesetzt. Dieser festgesetzte Mindestbetrag ist auf den derzeitigen Verbraucherindex bezogen und wird alljährlich am 1. September dem Verbraucherpreisindex angeglichen. Da sich die Vertragsteilnehmer einig sind, einen unechten stillen Gesellschaftsvertrag abgeschlossen zu haben, besteht der Anteil der beiden unechten stillen Gesellschafter nicht nur in einer Gewinnbeteiligung, sondern im Fall einer Liquidation des Betriebes sind auch die unechten stillen Gesellschafter an den stillen Reserven des Betriebes zu beteiligen."

Die Vertragsteile änderten diesen Gesellschaftsvertrag am 3. September 1972 "hinsichtlich des Mindestbetrages ab 1. September 1972" wie folgt:

"Volle Mitarbeit für Karl L. 5 %

Teil-Mitarbeit für Angelika L. 2 %

berechnet vom steuerbaren Waren- und Provisionsumsatz."

Die 'übrigen Vereinbarungen' blieben "unverändert bestehen".

Karl L. war vom 1. September 1971 bis 31. Dezember 1973 zur Weiterversicherung in der Krankenversicherung gemeldet.

Das Gesellschaftsverhältnis endete - nach der der mitbeteiligten Steiermärkischen Gebietskrankenkasse von der Beschwerdeführerin erstatteten Mitteilung - mit Ablauf des 31. Dezember 1973.

Seit 1. Jänner 1974 ist Angelika L. Dienstgeber des zur Voll- und Arbeitslosenversicherung gemeldeten Karl L.

Die mitbeteiligte Steiermärkische Gebietskrankenkasse sprach mit ihrem Bescheid vom 5. März 1974 aus, "daß Karl und Angelika L. ab 1. 9. 1971 aus ihrer Tätigkeit in der Handelsagentur und im Maschinenhandelsbetrieb der Beschwerdeführerin der Vollversicherung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz und der Arbeitslosenversicherung nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz 1958 unterliegen". Karl und Angelika L seien "seit 1. 9. 1971 als stille Gesellschafter im Handelsunternehmen der Beschwerdeführerin beschäftigt". Die "Betriebseinlage" sei ausschließlich ihre Arbeitskraft. Sollten - später behauptete - Bareinlagen tatsächlich geleistet worden sein, seien sie "nicht geeignet, die Dienstnehmerqualifikation der Ehegatten L. in Frage zu stellen". Die Einlage eines stillen Gesellschafters gehe in das Vermögen des Inhabers des Handelsgeschäftes über und es ergebe sich daraus keineswegs eine Berechtigung des stillen Gesellschafters, das Geschick des Unternehmens zu beeinflussen. Der stille Gesellschafter werde nicht Mitunternehmer, "womit aber die Mittragung eines Betriebsrisikos völlig ausgeschlossen bleibt"; er könne "immer nur seinen Einlageanteil verlieren". Wenn "die stillen Gesellschafter bei dem Unternehmen, an dem sie mit einer Einlage beteiligt, gleichzeitig auch in einem Beschäftigungsverhältnis gegen Entgelt tätig sind, tritt - unabhängig von der geleisteten Vermögenseinlage und dem daraus zufließenden Gewinn - im Hinblick auf das Fehlen eines Unternehmerrisikos Vollversicherungspflicht nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz und Arbeitslosenversicherungspflicht nach dem Allgemeinen Arbeitslosenversicherungsgesetz 1958 ein".

Aufgrund des dagegen von der Beschwerdeführerin erhobenen Einspruches erkannte der Landeshauptmann von Steiermark mit seinem Bescheid vom 17. Februar 1977, daß der Bescheid der mitbeteiligten Steiermärkischen Gebietskrankenkasse vom 5. März 1974 "bestätigt, jedoch insofern abgeändert wird, als auszusprechen ist, daß Angelika L. in den Monaten Jänner und April 1973 nicht vollversicherungspflichtig und arbeitslosenversicherungspflichtig war, sondern nur gemäß § 7 Abs. 3 lit. a ASVG der Unfallversicherungspflicht unterlag".

Der dagegen von der Beschwerdeführerin, von Karl und von der Angelika L. erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit ihrem seinerzeitigen Bescheid vom 12. Dezember 1977 keine Folge und bestätigte den Bescheid des Landeshauptmannes Steiermark vom 17. Februar 1977 "aus seinen zutreffenden Gründen".

Dieser seinerzeitige Bescheid der belangten Behörde vom 12. Dezember 1977 wurde aufgrund der dagegen von der Beschwerdeführerin erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof mit dessen Erkenntnis vom 26. Jänner 1979, Zl. 366/78, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Nach der Begründung dieses Erkenntnisses bestätigte die belangte Behörde zwar den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark "aus seinen zutreffenden Gründen", distanzierte sich aber offensichtlich von diesen durch die Einschränkung, daß "der Landeshauptmann von Steiermark die Entscheidung der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse, in der eine ausführliche Darstellung des Sachverhaltes gegeben war, bestätigt und damit auch inhaltlich übernommen hat". Die Ausführungen des Landeshauptmannes von Steiermark konnten deshalb schon aus diesem Grund - die Steiermärkische Gebietskrankenkasse bezweifelte im übrigen in ihrer Stellungnahme zur Berufung der Beschwerdeführerin vorsichtig, aber zutreffend den "Grad der Überzeugungskraft" des "angefochtenen Bescheides der Einspruchsbehörde" - auf sich beruhen. Den - so heißt es in der Begründung des hg. Erkenntnisses vom 26. Jänner 1979 weiter - von der belangten Behörde allein übernommenen und nicht weiter ergänzten Sachverhaltsfeststellungen der mitbeteiligten Steiermärkischen Gebietskrankenkasse war aber nur zu entnehmen, daß Karl und Angelika L. "als stille Gesellschafter im Handelsunternehmen der Beschwerdeführerin beschäftigt" waren, daß sie zunächst am Gewinn und dann später am Umsatz beteiligt waren und daß sie lediglich ihre Arbeitskraft eingebracht hatten. Hingegen fehlten klare und ausreichende Sachverhaltsfeststellungen, die zu einer einwandfreien rechtlichen Beurteilung notwendig waren, ob und wodurch - wie es die Beschwerdeführerin vermeinte - Karl und Angelika L., die im Gesellschaftsvertrag als unechte, also atypische stille Gesellschafter bezeichnet werden, eine "unternehmerische, d.h. selbständige Mittätigkeit im Unternehmen" ausübten, oder ob und wodurch - wie es die mitbeteiligte Steiermärkische Gebietskrankenkasse vermeinte - Karl und Angelika L. Dienstnehmer im Sinne des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes im Betrieb der Beschwerdeführerin waren.

Nach Durchführung eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Berufung der Beschwerdeführerin, des Karl und der Angelika L. gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 17. Februar 1977, betreffend die Versicherungspflicht des Karl L. und der Angelika L. nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz und Arbeitslosenversicherungsgesätz 1958, keine Folge gegeben und dieser Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark bestätigt.

Nach der Begründung dieses nunmehr angefochtenen Bescheides sei die belangte Behörde in Entsprechung des aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Jänner 1979 bemüht gewesen, eine Ergänzung der Sachverhaltsfeststellungen in der Richtung herbeizuführen, ob und wodurch eine selbständige unternehmerische Tätigkeit bzw. ob und wodurch eine dienstnehmerhafte Beschäftigung im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG ausgeübt worden sei. Ziel der ergänzenden Ermittlungen der belangten Behörde sei es sohin gewesen, die Frage zu klären, ob bei Karl L. und Angelika L. die unternehmerische Mitarbeit oder die dienstnehmerhafte Tätigkeit im Vordergrund gestanden sei. Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, daß die stillen Gesellschafter lediglich am Gewinn, nicht aber am Verlust des Unternehmens beteiligt gewesen seien. Nach der ständigen Rechtsprechung seien stille Gesellschafter, deren Einlage lediglich in der entlohnten Arbeitsleistung bestehe, als versicherungspflichtige Dienstnehmer im Sinne des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes anzusehen. Die Einvernahme im Zuge des ergänzenden Ermittlungsverfahrens der Beschwerdeführerin, der Helga N, des Ehepaares Karl und Angelika L., des Leo W, der Maria O und des Erich K hätten eindeutig ergeben, daß die Tätigkeit des Karl L. und der Angelika L. durch den Firmenprokuristen Leo W überwacht worden sei und nach Auffassung der Beschwerdeführerin als Betriebsinhaberin das Ehepaar L. am Verlust des Unternehmens in keiner Weise beteiligt gewesen sei. Es sei ausdrücklich festgestellt worden, daß in dem gegenständlichen Gesellschaftsvertrag bewußt von einer Verlustbeteiligung nicht gesprochen worden sei. Ein von der Beschwerdeführerin angebotener Beweis, daß Karl L. vor dem 10. September 1973 bei der Sparkasse Leibnitz die volle Zeichnungsberechtigung besessen habe, sei in der Folge nicht erbracht worden. Hingegen habe die Sparkasse der Stadt Leibnitz erklärt, daß der Genannte lediglich ab 10. September 1973 bis zum 3. Jänner 1974 die Zeichnungsberechtigung am Girokonto der Beschwerdeführerin als Betriebsinhaberin besessen habe. Karl L. habe angegeben, er und seine Ehegattin hätten Privateinlagen in die Firma getätigt, jedoch könne er über den Zeitpunkt und über die Höhe der Einlagen keine Angaben mehr machen. Eine Beteiligung am allfälligen Verlust sei von ihm ausdrücklich in Abrede gestellt worden. Prokurist Leo W habe die Ehegatten Karl L. und Angelika L. ausdrücklich als Mitarbeiter, nicht aber als Gesellschafter bezeichnet. Auch daraus könne geschlossen werden, daß der Betriebsinhaber in der Hauptsache an der Arbeitsleistung der Ehegatten und weniger an deren Einlage als Gesellschafter Interesse genommen habe. Zusammenfassend ergebe sich, daß die stillen Gesellschafter Karl L. und Angelika L. hauptsächlich ihre Arbeitskraft am Unternehmen zur Verfügung gestellt hätten, daß sie aber an der eigentlichen Geschäftsführung keinen Anteil genommen hätten. Eine schuldrechtliche Beteiligung am Vermögen des Unternehmens, d.h. eine Haftung der stillen Gesellschafter für einen allfälligen Verlust, sei - wie das Verwaltungsverfahren eindeutig ergeben habe - nicht vorgelegen. Aus dem Mangel an eigenen Betriebsmitteln und aus dem Fehlen der Verfügungsgewalt über die Betriebsmittel im Sinne eines Eigentümers sei abzuleiten, daß den stillen Gesellschaftern Karl L. und Angelika L. eine freie wirtschaftliche Entfaltung nicht möglich gewesen sei. Weil sich daraus ein Zustand wirtschaftlicher Gebundenheit ergeben habe und auch die persönliche Abhängigkeit sowie die Unterwerfung unter die stille Autorität der Beschwerdeführerin als Betriebsinhaberin gegeben gewesen sei, habe sich die belangte Behörde außerstande gesehen, dem Berufungsbegehren zu entsprechen.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Nach den Beschwerdeausführungen entspreche der nunmehr angefochtene Bescheid nicht den Anforderungen, die im aufhebenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Jänner 1979 aufgestellt wurden. Die Begründung des angefochtenen Bescheides enthalte so wenige Elemente von Sachverhaltsfeststellungen, daß eine verläßliche Beurteilung der Art und Weise der Tätigkeit des Karl L. und der Angelika L. nicht möglich sei. Die wenigen als Sachverhaltsfeststellungen bezeichenbaren Ausführungen enthielten nur bruchstückhafte Elemente. Keine Feststellungen enthalte der angefochtene Bescheid über Inhalt sowie Art und Weise der Ausübung der Tätigkeit der Ehegatten L. Dieser Mangel beziehe sich insbesondere auf die Bindung oder Nichtbindung an eine bestimmte Arbeitszeit und an einen bestimmten Arbeitsort. Im Laufe des Verwaltungsverfahrens seien nicht nur entsprechende Behauptungen über die Freizügigkeit der beiden Ehegatten aufgestellt worden, sondern es lägen auch entsprechende Erhebungsergebnisse vor. So erkläre etwa der Prokurist Leo W am 16. Oktober 1979, daß Karl L. keine geregelte Arbeitszeit gehabt habe. Die Arbeitszeit sei einmal mehr, einmal weniger gewesen, ohne daß dies jemals kontrolliert worden sei. Es sei die feste Absicht gewesen, den Ehegatten L. gänzlich freie Hand zu gewähren. Hingegen sei die von der belangten Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides angeführte Überwachung nicht näher präzisiert. Kein Abhängigkeitskriterium sei das im angefochtenen Bescheid behauptete Interesse der Beschwerdeführerin an der Arbeitsleistung der Ehegatten L., da dies über die Art und Weise der Gestaltung der Arbeitsleistung noch nichts aussage. Überhaupt nicht als Beweis für die Existenz eines abhängigen Dienstverhältnisses lasse sich schließlich die Bezeichnung als Mitarbeiter ins Treffen führen. In der gegenständlichen Angelegenheit sei durch diese sprachliche Präzisierung sogar der der Meinung der belangten Behörde gegenteilige Schluß zu ziehen. Leo W spreche nämlich in seiner Aussage vom 16. Oktober 1979 davon, daß die Beschwerdeführerin stets freie und in jeder Beziehung gleichgestellte Mitarbeiter für die Firma habe gewinnen wollen. Die belangte Behörde sei nicht imstande gewesen, in der Begründung des angefochtenen Bescheides echte Merkmale für eine überwiegend persönliche Abhängigkeit ins Treffen zu führen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.) Die mitbeteiligte Steiermärkische Gebietskrankenkasse entschied in ihrem Bescheid vom 5. März 1974 ausschließlich über die Vollversicherung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz und die Arbeitslosenversicherung nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz 1958.

Der Landeshauptmann von Steiermark war daher funktionell unzuständig, in seinem Bescheid vom 17. Februar 1977 über die Teilversicherungspflicht in der Unfallversicherung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz abzusprechen. Die Unfallversicherungspflicht ist nämlich im Verhältnis zur Vollversicherungspflicht keine modifizierte, sondern eine andere Rechtsfrage (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. April 1980, Zl. 1291/76, und vom 21. März 1985, Zl. 83/08/0179, auf die unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 der hg. Geschäftsordnung, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen wird).

Die belangte Behörde hätte daher mit dem angefochtenen Bescheid diesen Abspruch im Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark beheben müssen. Weil dies nicht geschah, wurde der angefochtene Bescheid in diesem Punkt mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

2.) Gemäß § 63 Abs. 1 VwGG sind die Verwaltungsbehörden, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Beschwerde gemäß Art. 131 oder 131 a B-VG stattgegeben hat, verpflichtet, in dem betreffenden Fall mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

Nach dem aufhebenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Jänner 1979 seien in der gegenständlichen Angelegenheit zu einer einwandfreien rechtlichen Beurteilung klare und ausreichende Sachverhaltsfeststellungen darüber notwendig, ob und wodurch Karl und Angelika L. eine selbständige Mittätigkeit im Betrieb der Beschwerdeführerin ausüben, oder ob und wodurch die beiden Genannten Dienstnehmer im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG in diesem Betrieb waren.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides führt die belangte Behörde diesbezüglich folgende Umstände an: Karl und Angelika L. seien lediglich am Gewinn, nicht aber am Verlust des Unternehmens beteiligt gewesen. Sie seien in ihrer Tätigkeit vom Firmenprokuristen Leo W überwacht worden. Karl L. habe lediglich wenige Monate die Zeichnungsberechtigung am Girokonto der Beschwerdeführerin besessen. Prokurist Leo W habe die Ehegatten Angelika und Karl L. ausdrücklich als Mitarbeiter, nicht aber als Gesellschafter bezeichnet. Die Beschwerdeführerin habe in der Hauptsache an der Arbeitsleistung der Ehegatten und weniger an deren Einlage als Gesellschafter Interesse genommen. Sie hätten an der eigentlichen Geschäftsführung keinen Anteil gehabt. Ebenso fehlte ihnen die Verfügungsgewalt über die Betriebsmittel. Sie seien der stillen Autorität der Beschwerdeführerin unterworfen gewesen.

Die Kriterien, die für die (überwiegende) Annahme persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit im einzelnen beachtlich sind, hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem grundlegenden Erkenntnis vom 4. Dezember 1957, Slg. N.F. Nr. 4495/A ausführlich dargelegt und darnach in zahlreichen Erkenntnissen differenzierend erweitert. Dementsprechend sind bei der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung des Gesamtbildes einer Beschäftigung für das Rechtsverhältnis der persönlichen Abhängigkeit des Beschäftigten vom Dienstgeber - allerdings als Ausdruck der weitgehenden Ausschaltung der Bestimmungsfreiheit nur die Bindung an Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit, das arbeitsbezogene Verhalten und die sich darauf beziehenden Weisungs- und Kontrollbefugnisse sowie die damit eng verbundene (grundsätzliche) persönliche Arbeitspflicht unterscheidungskräftige Kriterien zur Abgrenzung von anderen Formen rechtlicher Gestaltung der Beschäftigung (vgl. u.a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Oktober 1984, Zl. 82/08/0173, auf das unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 der hg. Geschäftsordnung, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen wird).

Zu diesen unterscheidungskräftigen Kriterien macht die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides nur in zwei Punkten eine Aussage, nämlich daß Karl und Angelika L. bei ihrer Tätigkeit überwacht worden und der stillen Autorität der Beschwerdeführerin unterworfen gewesen seien. Diese von der belangten Behörde als erwiesen betrachteten Sachverhaltsannahmen stimmen jedoch nach der Niederschrift vom 16. Oktober 1979 mit den damals gemachten Angaben des Leo W nicht überein. Der Genannte erklärte, daß stets beabsichtigt gewesen sei, Karl und Angelika L. als freie und in jeder Beziehung gleichgestellte Mitarbeiter für die Firma zu gewinnen. Angelika L. sei in der Woche ca. 1 bis 2 Stunden beschäftigt gewesen, während Karl L. keine geregelte Arbeitszeit gehabt habe. Seine Arbeitszeit sei einmal mehr, einmal weniger gewesen, ohne daß dies jemals kontrolliert worden sei. Es sei die feste Absicht der Betriebsführung gewesen, den Ehegatten L. gänzlich freie Hand zu gewähren, um sie mit der Führung eines derartigen Betriebes als zukünftige Chefs vertraut zu machen.

Aber von diesem Widerspruch ganz abgesehen, unterließ es die belangte Behörde entsprechend dem aufhebenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Jänner 1979 klare und ausreichende Sachverhaltsfeststellungen zu treffen, wodurch (noch) Karl und Angelika L. Dienstnehmer im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG im Betrieb der Beschwerdeführerin seien. Insbesondere fehlen in der Begründung des angefochtenen Bescheides Aussagen zu der Bindung an Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die - schon oben erwähnte - Arbeitszeit, das arbeitsbezogene Verhalten und die sich darauf beziehenden Weisungs- und Kontrollbefugnisse sowie die persönliche Arbeitspflicht. Weil im angefochtenen Bescheid diesbezüglich keine klaren und ausreichenden Sachverhaltsfeststellungen getroffen wurden, verletzte die belangte Behörde die Bestimmung des § 63 Abs. 1 und belastete auch damit den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

3.) Dieser war daher zur Gänze gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 221.

Wien, am 16. April 1985

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