Normen
ASVG §67 Abs10;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
ASVG §67 Abs10;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- und der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 5. November 1992 verpflichtete die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse den Beschwerdeführer als Geschäftsführer der Firma B GmbH gemäß § 67 Abs. 10 ASVG, den Betrag von S 461.076,85 zuzüglich 10,5 % Verzugszinsen ab 24. November 1992 aus dem Betrag von S 442.921,60 zu bezahlen. Nach der Begründung schulde die im Spruch genannte Gesellschaft in ihrer Eigenschaft als Dienstgeberin für zur Sozialversicherung angemeldete Dienstnehmer Sozialversicherungsbeiträge und Nebengebühren für den Zeitraum September 1990 bis Oktober 1991 in der Höhe von insgesamt S 745.347,84 einschließlich 10,5 % Verzugszinsen bis 16. Juni 1991. Der Beschwerdeführer sei im bezeichneten Zeitraum Geschäftsführer der Gesellschaft und als solcher für die Abfuhr der vorgeschriebenen Sozialversicherungsbeiträge verantwortlich gewesen. Da mit Beschluß des LG Graz vom 17. Juni 1991 über die Gesellschaft das Konkursverfahren eröffnet worden sei, könne dem Beschwerdeführer die Nichtentrichtung der Sozialversicherungsbeiträge ab dem Beitragszeitraum Juni 1991 nicht mehr angelastet werden. Durch Einsichtnahme in den gegenständlichen Konkursakt sei festgestellt worden, daß eine Beendigung des Insolvenzverfahrens durch Abschluß eines Zwangsausgleiches angestrebt werde. Die zu erwartende 20 %ige Quote betrage für den gemäß § 67 Abs. 10 ASVG relevanten Zeitraum S 115.269,21 und sei bereits in der Haftungssumme berücksichtigt worden. Der Restbetrag sei bei der Gesellschaft als Primärschuldnerin als uneinbringlich anzusehen. Mit Schreiben vom 1. Juni 1992 sei der Beschwerdeführer unter ausdrücklichem Hinweis auf die Haftungsbestimmung des § 67 Abs. 10 ASVG aufgefordert worden, für die Begleichung der Beitragsschuld binnen einer Nachfrist von 14 Tagen Sorge zu tragen oder Einwendungen gegen seine persönliche Haftung vorzubringen. Eine Reaktion auf dieses Schreiben sei nicht erfolgt. Der Beschwerdeführer sei daher der ihm auferlegten Pflicht nicht ordnungsgemäß nachgekommen, weshalb seine Haftung auszusprechen gewesen sei.
Der Beschwerdeführer erhob Einspruch, wobei er in erster Linie rügte, daß der Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse in keiner Weise darlege, weshalb ihn ein Verschulden an der Haftung treffe. Eine Haftung könne nur angenommen werden, wenn ein Strafverfahren mit einer rechtskräftigen Verurteilung beendet worden sei. Im übrigen sei die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse in keiner Weise benachteiligt worden.
Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse widersprach im Vorlagebericht der Auffassung des Beschwerdeführers, daß eine Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG eine rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung voraussetze. Es liege am Beschwerdeführer, entsprechende Beweise für sein nicht schuldhaftes Verhalten vorzulegen, insbesondere Unterlagen bzw. Liquiditätsaufstellungen, aus denen sich die Gleichbehandlung der Sozialversicherungsbeiträge mit anderen Verbindlichkeiten für den haftungsrelevanten Zeitraum September 1990 bis Mai 1991 schlüssig ergeben müßte.
Mit Schreiben vom 4. März 1993 legte der Beschwerdeführer eine Aufstellung der Einnahmen und Ausgaben in den Monaten September 1990 bis Dezember 1990 vor. Nach seinem Vorbringen seien in den Aufstellungen "lediglich die größeren Beträge aufgelistet". Unter Berücksichtigung der weiteren Zahlungen lasse sich aus der Buchhaltung, in die jederzeit Einsicht genommen werden könne, erkennen, daß faktisch von September 1990 an kein aktives Unternehmen mehr geführt worden sei, obwohl der Beschwerdeführer in dieser Zeit regelmäßig Eigeneinlagen getätigt habe.
In ihrer Stellungnahme vom 5. April 1993 verwies die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse darauf, daß es dem Beschwerdeführer obliege, nachzuweisen, daß er Mittel anteilig zur Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet und somit die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt habe als andere Verbindlichkeiten. Der Beschwerdeführer habe nunmehr zwar entsprechende Einnahmen- und Ausgabenposten für die angeführten Monate vorgelegt, jedoch selbst angegeben, lediglich die größeren Beträge aufgelistet zu habe. Es seien somit wohl weitere Zahlungen erfolgt, die offensichtlich in der übermittelten Aufstellung nicht berücksichtigt worden seien. Der Beschwerdeführer müßte eine Auflistung aller im haftungsbezogenen Zeitraum getätigten Zahlungen an andere Gläubiger vorlegen und diese mit den diesem Zeitraum zuzuordnenden Forderungen aller Gläubiger in ein Verhältnis setzen. Erst danach lasse sich die exakte Bedeckungsquote der Gläubigerschaft feststellen.
Mit Schreiben vom 29. April 1993 legte der Beschwerdeführer daraufhin Kopien aus dem Kassabuch für die Zeit vom 1. September 1990 bis Mai 1991 vor.
In einer Stellungnahme vom 2. Juni 1993 erklärte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse, daß aus den vorgelegten Unterlagen lediglich Einnahmen- und Ausgabenposten innerhalb eines bestimmten Zeitraumes hervorgingen. Ein Rückschluß über die im haftungsrelevanten Zeitraum bestehenden Gesamtverbindlichkeiten und die auf diese erfolgten Zahlungen könne daraus nicht gezogen werden. Im haftungsrelevanten Zeitraum September 1990 bis Mai 1991 hätten gegenüber der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse für die Beitragsmonate Februar 1990, Mai 1990 bis Mai 1991 Beitragsverbindlichkeiten (einschließlich Verzugszinsen und Kosten) in der Höhe von S 1,007.721,20 bestanden. Diese seien durch "Gutbuchungen" von insgesamt S 592.083,10 teilweise berichtigt worden. Demnach seien die Kassenforderungen mit einer Quote von 58,8 % bedient worden. Um diese Bedeckungsquote mit jener der übrigen Gläubigerschaft vergleichen zu können, sei es notwendig, die jeweiligen fälligen Gesamtforderungen der einzelnen Gläubiger zu kennen und diese mit den im Haftungszeitraum getätigten Zahlungen in ein Verhältnis zu setzen.
In der schriftlichen Äußerung vom 30. Juni 1993 erwiderte der Beschwerdeführer, daß das Begehren der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse darauf hinauslaufe, daß "faktisch der Zeitraum jeglicher Zahlung in Form eines Status erfaßt werden" müsse. Dies sei eine seiner Ansicht nach unzumutbare Aufgabe, die nur mit einem Buchsachverständigen gelöst werden könne. Er sei jederzeit bereit, in die gesamte Buchhaltung Einsicht zu geben. Er sei aber schon vom Wissensstand her nicht in der Lage, den von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse geforderten Status zu erstellen.
Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse vertrat in einer abschließenden Stellungnahme vom 29. Juli 1993 die Auffassung, daß - wie der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 30. Juni 1993 richtig bemerkt habe - ein konkreter Status über die Gesamthöhe der bestehenden Verbindlichkeiten aller Gläubiger im haftungsbezogenen Zeitraum (September 1990 bis Mai 1991) und der diesem Zeitraum zuzuordnenden Zahlungen erstellt werden müsse, wobei von einer monatsweisen Erfassung der fälligen Verbindlichkeiten auszugehen wäre. Da der Beschwerdeführer dazu nach seinen Ausführungen nicht in der Lage sei, müßte der Haftungsausspruch bestätigt werden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Einspruch des Beschwerdeführers keine Folge gegeben und der Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse bestätigt. Nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensgeschehens vertrat die belangte Behörde im wesentlichen die Auffassung, daß es dem Beschwerdeführer nicht gelungen sei, den ihm obliegenden Beweis der Gleichbehandlung der Sozialversicherungsbeitragsschulden mit anderen Verbindlichkeiten zu erbringen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen.
Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 67 Abs. 10 ASVG haften u.a. die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Da § 67 Abs. 10 ASVG den §§ 9 und 80 BAO nachgebildet wurde, können die zu diesen Bestimmungen von Rechtsprechung und Lehre entwickelten Grundsätze nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf § 67 Abs. 10 ASVG übertragen werden (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 14. April 1988, Zl. 88/08/0025, vom 25. April 1989, Zl. 89/08/0013, und vom 24. Oktober 1989, Zl. 89/08/0044).
Die Haftung der gemäß § 67 Abs. 10 ASVG Verantwortlichen ist ihrem Wesen nach eine dem Schadenersatzrecht nachgebildete Verschuldenshaftung, die daran anknüpft, daß die gegenüber dem Sozialversicherungsträger bestehenden gesetzlichen Bestimmungen zur rechtzeitigen Abfuhr von Sozialversicherungsbeiträgen verletzt wurden. Eine solche Pflichtverletzung - für deren Beurteilung ebenfalls die von der Rechtsprechung zu den §§ 9 und 80 BAO entwickelten Grundsätze herangezogen werden können (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Februar 1991, Zl. 90/08/0100, mit weiteren Judikaturhinweisen) - kann darin liegen, daß der Verantwortliche die Beitragsschulden insoweit schlechter behandelt als sonstige Gesellschaftsschulden, als er diese bedient, jene aber unberichtigt läßt bzw. - im Falle des Fehlens ausreichender Mittel - nicht für eine zumindest anteilige Befriedigung auch der Forderungen des Sozialversicherungsträgers Sorge trägt (vgl. das Erkenntnis vom 28. April 1992, Zl. 92/08/0055, mit zahlreichen Hinweisen auf die Rechtsprechung).
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht seine Zugehörigkeit zum Personenkreis des § 67 Abs. 10 ASVG aufgrund seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der im Spruch der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse genannten GmbH.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Sache des Geschäftsführers einer GmbH die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegenden Verpflichtungen zu erfüllen, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf. Als schuldhaft im Sinne des § 67 Abs. 10 ASVG gilt jede Form des Verschuldens, somit auch die leichte Fahrlässigkeit (vgl. das Erkenntnis vom 25. April 1989, Slg. Nr. 12911/A, mit weiteren Hinweisen).
Der Beschwerdeführer bringt in diesem Zusammenhang vor, über den gesamten Zeitraum die Kassenberichte über Ein- und Ausgänge vorgelegt zu haben. Daraus lasse sich sehr wohl errechnen, welche Zahlungen durch den Beschwerdeführer geleistet worden seien bzw. wie weit er alten Verbindlichkeiten gegenüber nachgekommen sei. Kein Gläubiger habe mehr erhalten oder sei besser gestellt worden als die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse. Es könne nicht Zweck des Verfahrens sein, dem Beschwerdeführer über den Haftungszeitraum faktisch täglich die Erstellung eines Status aufzubürden, um die Verteilung der Gewinne auf die ausstehenden Verbindlichkeiten nachzuweisen. Nach Ansicht des Beschwerdeführers sei durch Einsicht in die Kassenberichte der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse jedenfalls alles an die Hand gegeben worden, um sich davon zu überzeugen, daß eine Begünstigung eines anderen Gläubigers nicht geschehen sei.
Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun.
Die belangte Behörde hat dem zur Haftung herangezogenen Geschäftsführer einer GmbH im Haftungsverfahren Gelegenheit zu geben, bezogen auf den strittigen Zeitraum darzulegen und entsprechend unter Beweis zu stellen, welche Verbindlichkeiten der GmbH aushafteten, welche Mittel ihr an sich zur Verfügung standen und welche Zahlungen für sie jeweils geleistet wurden. Mit Hilfe dieser vom haftungspflichtigen Geschäftsführer darzulegenden Berechnungsgrößen kann durch eine Gegenüberstellung eines Verhältnisses der gesamten Verbindlichkeiten der Gesellschaft und der darauf von ihr oder für sie geleisteten Zahlungen einerseits mit den aushaftenden Beitragsverbindlichkeiten andererseits festgestellt werden, ob der haftungspflichtige Geschäftsführer dem ihm obliegenden Gleichbehandlungsgebot entsprochen hat. Erfolgt eine solche Darlegung und ein entsprechender Nachweis konkreter, auf den genannten Zeitraum bezogener Berechnungsgrößen nicht, so ist die belangte Behörde ohne weiteres zur Annahme einer schuldhaften Pflichtverletzung mit der Konsequenz einer Haftung des haftungspflichtigen Geschäftsführers für die gesamten offenen Beitragsverbindlichkeiten berechtigt (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 12. April 1994, Zlen. 93/08/0259 bis 0261, mit weiteren Judikaturhinweisen).
Eine solche Aufforderung im Sinne der zitierten Rechtsprechung ist an den Beschwerdeführer nach Lage der Verwaltungsakten mehrmals aufgrund der Stellungnahmen der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse ergangen. Der Beschwerdeführer hat dem jedoch nicht entsprochen, sondern in seiner abschließenden Stellungnahme vom 30. Juni 1993 ausdrücklich erklärt, von seinem Wissensstand her nicht in der Lage zu sein, einen solchen Nachweis zu erbringen. Die in der Beschwerde erwähnten Kassenberichte über Ein- und Ausgänge lassen - worauf die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse im Verwaltungsverfahren wiederholt hingewiesen hat - keinerlei Rückschluß über die im haftungsrelevanten Zeitraum bestehenden Gesamtverbindlichkeiten der Gesellschaft zu. Die belangte Behörde handelte daher im Sinne der zitierten Rechtsprechung nicht rechtswidrig, wenn sie annahm, daß der Beschwerdeführer seiner Pflicht in schuldhafter Weise nicht nachgekommen ist.
Aufgrund dieser Erwägungen erweist sich die Beschwerde zur Gänze als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
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