VwGH 93/05/0220

VwGH93/05/022018.1.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Degischer, Dr. Giendl, Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Marktgemeinde Podersdorf am See, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 3. August 1993, Zl. X-T-30-1993, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Partei: Michael T in X, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in Y), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §1 Abs9;
AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs4;
GdO Bgld 1965 §25 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
AVG §1 Abs9;
AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs4;
GdO Bgld 1965 §25 Abs1;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Marktgemeinde hat dem Land Burgenland Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.360,--, jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der beschwerdeführenden Marktgemeinde vom 26. Mai 1992 wurde das Ansuchen des mitbeteiligten Bauwerbers um Erteilung der baubehördlichen Bewilligung zur Errichtung eines Verkaufskioskes auf dem Grundstück Nr. nnnn/38, EZ. nnnn des Grundbuches über die Kat. Gem. Podersdorf am See, im wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, daß das Bauvorhaben hinsichtlich Bauform, Bebauungsweise und Baustoff nicht den bisher in diesem Gebiet angewendeten Bebauungsbestimmungen "Obere Weingartenwiesen II" und der "einheitlichen Gestaltung der gegenständlichen Bebauung (Ortsbild)" entspreche.

Der dagegen eingebrachten Berufung des Mitbeteiligten wurde mit Bescheid des Gemeinderates der beschwerdeführenden Marktgemeinde vom 25. Juni 1992 keine Folge gegeben und der erwähnte erstinstanzliche Bescheid bestätigt.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 25. Februar 1993 wurde der gegen diesen Berufungsbescheid eingebrachten Vorstellung des Mitbeteiligten Folge gegeben, der Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der beschwerdeführenden Marktgemeinde zurückverwiesen. Die Aufsichtsbehörde begründete ihre Entscheidung im wesentlichen damit, daß den erwähnten Bebauungsbestimmungen "Obere Weingartenwiesen II" mangels Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde nicht die Wirkung eines Bebauungsplanes zukäme und im übrigen hinsichtlich der Frage der Störung des Ortsbildes durch das in Aussicht genommene Bauvorhaben sowie hinsichtlich der Frage der Lärm- und Geruchsbelästigung Verfahrensmängel vorlägen, weshalb die Berufungsbehörde den zur Erledigung der Bauangelegenheit maßgeblichen Sachverhalt unter Berücksichtigung der Bestimmungen des § 37 AVG festzustellen haben werde.

Mit dem in der Folge ergangenen Bescheid des Gemeinderates der beschwerdeführenden Marktgemeinde vom 15. Juli 1993 wurde unter Hinweis auf § 66 Abs. 2 AVG der Berufung des mitbeteiligten Bauwerbers gegen den erwähnten Bescheid des Bürgermeisters der beschwerdeführenden Marktgemeinde vom 26. Mai 1992 Folge gegeben, dieser Bescheid aufgehoben "und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Baubehörde I. Instanz verwiesen".

Dieser Berufungsbescheid wurde auf Grund der dagegen eingebrachten Vorstellung des mitbeteiligten Bauwerbers mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 3. August 1993 aufgehoben und die Angelegenheit neuerlich zur Sachentscheidung an den Gemeinderat der beschwerdeführenden Marktgemeinde verwiesen. Die Aufsichtsbehörde verwies in der Begründung dieses Bescheides auf die Bindungswirkung ihres Bescheides vom 25. Februar 1993 und pflichtete der Auffassung des mitbeteiligten Bauwerbers bei, wonach der Gemeinderat der beschwerdeführenden Marktgemeinde entgegen der in diesem aufhebenden aufsichtsbehördlichen Bescheid geäußerten Rechtsauffassung kassatorisch entschieden habe.

Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei erwogen:

Zunächst ist zu dem Umstand, daß im vorliegenden Fall der Gemeinderat und nicht die Marktgemeinde Podersdorf am See Beschwerde erhoben hat, im Sinne des zu dieser Frage zuletzt ergangenen hg. Erkenntnisses vom 7. September 1993, Zl. 93/05/0038, und der darin zitierten Vorjudikatur festzustellen, daß eine vom Gemeinderat erhobene Beschwerde als eine dem Rechtsträger der Gemeinde zuzurechnende Organhandlung anzusehen ist, weshalb die Bezeichnung des Gemeinderates der erwähnten Marktgemeinde als Beschwerdeführer nicht zu einer Zurückweisung der Beschwerde führt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht, daß - nur - den tragenden Aufhebungsgründen eines aufsichtsbehördlichen Bescheides für das fortgesetzte Verfahren bindende Wirkung zukommt (vgl. die hg. Erkenntnisse eines verstärkten Senates vom 22. Oktober 1971, Slg. Nr. 8091/A, und vom 11. Dezember 1984, Zl. 84/05/0133, BauSlg. Nr. 351, u.a.), weshalb im Beschwerdefall vorerst entscheidend ist, in welcher Hinsicht durch den - nach der Aktenlage bei keinem der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts bekämpften - aufhebenden aufsichtsbehördlichen Bescheid vom 25. Februar 1993 für das fortgesetzte Verfahren und sohin auch für den Verwaltungsgerichtshof (vgl. auch dazu das zitierte hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 1971) eine Bindungswirkung entstanden ist.

Der Erwägungsteil dieses aufhebenden Bescheides hat nachstehenden Wortlaut:

"Der § 31 der Bgld. Bauordnung legt in seinem Absatz 1 fest, daß Bauten in allen Teilen so geplant und ausgeführt werden müssen, daß sie den Bestimmungen dieses Gesetzes und den Erkenntnissen der Wissenschaften entsprechen. Sie müssen daher insbesonders den Anforderungen der Sicherheit, der Festigkeit, des Brandschutzes, des Wärme- und Schallschutzes sowie der Hygiene entsprechen. Darüber hinaus müssen sie sich dem Charakter der Landschaft anpassen und dürfen das Ortsbild nicht stören.

Der Verwaltungsgerichtshof hat hiezu wiederholt ausgeführt, daß die Frage, ob eine bauliche Anlage das Orts- und/oder Landschaftsbild beeinträchtigt (stört, verunstaltet), Gegenstand des Beweises durch Sachverständige ist, wobei der Befund alle jene Grundlagen nennen muß, die für das Gutachten, also das sich auf den Befund stützende Urteil des Sachverständigen erforderlich sind. Das Gutachten selbst muß begründet sein. (Scheinecker, Burgenländische Bauordnung, Eisenstadt 1988, Seite 127, 1))

Nimmt man nun die handschriftlichen Notizen auf der Beilage "Vorschreibungen der Baubehörde" zum Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Podersdorf als Baubehörde erster Instanz (Bescheid vom 26. 5. 1992, Zl. 6/3-1990) als Grundlage, so ergibt sich aber, daß erstens diese handschriftlichen Notizen weder einer Person noch einem konkreten Verfahren zugeordnet werden können und zweitens als Begründung für die Abweisung die "Bebauungsbestimmungen Obere Weingartenwiesen II" verwendet wurden, die ihrerseits jedoch zur Entfaltung der rechtlichen Gültigkeit unter anderem gemäß § 23 (5) Raumplanungsgesetz dem Amt der Burgenländischen Landesregierung zur Genehmigung vorzulegen gewesen wären, was wiederum nicht passiert ist, weswegen diesen Bebauungsbestimmungen die rechtlichen Wirkungen eines Bebauungsplanes niemals zuzusprechen sind.

Nimmt man jedoch die Verhandlungsniederschrift der Gemeinde Podersdorf am See vom 9. 5. 1992, insbesonders deren letzte Seite, als Grundlage, ergibt sich, daß ebenfalls die Bestimmungen betreffend der aufzunehmenden Sachverständigenbeweise zumindest vernachlässigt erscheinen. So liegt neben der in der Niederschrift protokollierten Bemerkung des Bürgermeisters, wonach im gegenständlichen Siedlungsgebiet keine Gewerbebetriebe errichtet werden dürfen, kein Anhaltspunkt vor, die die These einer empfindlichen Störung des Ortsbildes rechtfertigen würde. Auch ist nicht nachvollziehbar, von wem die Feststellungen hinsichtlich der Lärm- und Geruchsbelästigung stammen und inwieweit diese Feststellungen trotz der weiter unten in der Niederschrift protokollierten Verletzung der Parteirechte durch Fehlen eines Bauplanes mit Baubeschreibung die elementaren Grundsätze im Hinblick auf Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit der Feststellung - unterstellt man, daß sie vom anwesenden Amtssachverständigen stammen - erfüllen.

Ebenfalls nicht nachvollziehbar erscheint der Umstand, warum im handschriftlichen Protokoll der Verhandlung vom 9. 5. 1992 der Umstand, daß die "Bebauungsbestimmungen" vom Amt der Burgenländischen Landesregierung nicht genehmigt wurden, zwar festgehalten wurde, der daraus resultierende Bescheid in seiner Begründung aber derart abgefaßt wurde, als ob den "Bebauungsbestimmungen" der Charakter eines rechtswirksamen Bebauungsplanes zukomme. Auch diesbezüglich erscheinen die Grundsätze der Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit wohl verletzt.

Abschließend darf noch ausgeführt werden, daß die rechtliche Würdigung der Einwendungen der Nachbarn in der oben angeführten Verhandlung, wonach diese als Anrainer schon alleine dadurch beeinträchtigt seien, da der Würstelstand weder "ihrer noch der Erholung des Konsenswerbers diene" wohl auch mißverständlich ist. Es kann ja der maßgebliche Personenkreis im Rahmen des als "Bauland - Erholungsgebiet" gewidmeten Gebietes wohl nicht dermaßen eng, sondern muß wohl weiter gesehen werden, zumal eine enge Auslegung und nicht ein Erstrecken des Begriffes auf einen weiteren Personenkreis (die Allgemeinheit) nach Meinung des Verwaltungsgerichtshofes wohl auch den wesensmäßigen Zielen jeder Raumplanung widerstreiten würde. (Scheinecker, Burgenländische Bauordnung, Eisenstadt 1988, § 14 Raumplanungsgesetz, Seite 520, 1))

Zusammenfassend kann daher gesagt werden, daß neben der stellenweise zumindest problematischen rechtlichen Würdigung schon alleine aus den oben angeführten Gründen Rechtswidrigkeit infolge Verfahrensmängeln vorliegt, der Bescheid daher zu beheben und somit spruchgemäß zu entscheiden war.

Im fortgesetzten Verfahren wird die Berufungsbehörde unter Bindung an die oben skizzierten Mängel in der Durchführung des Ermittlungsverfahrens insbesondere den zur Erledigung der Bauangelegenheit maßgeblichen Sachverhalt unter Berücksichtigung der Bestimmungen des § 37 AVG festzustellen haben."

Der Bescheid des Gemeinderates der beschwerdeführenden Marktgemeinde wurde also im wesentlichen deshalb aufgehoben, weil die Berufungsbehörde zu Unrecht von der Rechtswirksamkeit von Bebauungsbestimmungen ausgegangen ist, ferner die Frage der Störung des Ortsbildes durch den den Gegenstand des Bauansuchens des mitbeteiligten Bauwerbers bildenden Verkaufskiosk Gegenstand des Beweises durch einen Sachverständigen zu sein hat, und überdies Verfahrensmängel hinsichtlich der Frage der Lärm- und Geruchsbelästigungen vorliegen.

Wenngleich sich die Bindungswirkung des erwähnten aufsichtsbehördlichen Bescheides sohin auf diese die Aufhebung tragenden Erwägungen beschränkt und daher dem vorstehend wiedergegebenen abschließenden Hinweis der Aufsichtsbehörde,

daß "die Berufungsbehörde ... den zur Erledigung der

Bauangelegenheit maßgeblichen Sachverhalt unter Berücksichtigung der Bestimmungen des § 37 AVG festzustellen haben wird", keine bindende Wirkung zukommt, kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie den Gemeinderatsbescheid vom 15. Juli 1993 aufgehoben und "die

Angelegenheit neuerlich zur Sachentscheidung ... an den

Gemeinderat verwiesen" hat, weil entgegen der Auffassung der beschwerdeführenden Gemeinde kein Anwendungsfall des § 66 Abs. 2 AVG vorliegt. Die Mangelhaftigkeit des Verfahrens berechtigt nämlich die Berufungsbehörde nach dieser Bestimmung nur dann zur Aufhebung des bekämpften Bescheides, wenn sich der Mangel nicht anders als mit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung beheben läßt. In allen anderen Fällen hat die Berufungsbehörde immer in der Sache selbst zu entscheiden und die dafür notwendigen Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens unter Heranziehung der Behörde erster Instanz (siehe § 66 Abs. 1 AVG) oder selbst vorzunehmen (vgl. das bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Aufl., auf S. 522 unter Z. 1b wiedergegebene hg. Erkenntnis vom 13. Jänner 1988, Zl. 87/03/0011). Weder die von der Aufsichtsbehörde im Zusammenhang mit der Frage der Störung des Ortsbildes bindend für erforderlich erachtete Einholung eines Sachverständigengutachtens noch die hinsichtlich der Lärm- und Geruchsbelästigungen als weiterer tragender Aufhebungsgrund herangezogenen, ebenfalls durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu beseitigenden Verfahrensmängel lassen eine neuerliche Verhandlung unvermeidlich erscheinen (vgl. dazu die a.a.O. auf S. 524 unter Z. 8 wiedergegebenen hg. Erkenntnisse), weshalb dem im Zusammenhang mit der Regelung des § 66 Abs. 3 AVG, wonach die Berufungsbehörde die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen kann, wenn hiemit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist, in der Beschwerde vorgebrachten Argument, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme durch den Gemeinderat wäre im Hinblick auf "die Schwerfälligkeit eines Kollegialorganes" sowie wegen der Möglichkeit, "daß Abstimmungen vereitelt werden können", mit keinerlei Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden gewesen, schon aus diesem Grunde keine entscheidende Bedeutung zukommen kann.

Zusammenfassend ist daher davon auszugehen, daß die beschwerdeführende Marktgemeinde durch die Aufhebung ihres Bescheides vom 15. Juli 1993 nicht in ihren Rechten verletzt worden ist, weshalb sich die vorliegende Beschwerde als unbegründet erweist. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei war abzuweisen, weil an Schriftsatzaufwand für die eingebrachte Gegenschrift auf Grund der erwähnten Verordnung lediglich ein Pauschalbetrag von S 11.120,-- (und nicht, wie beantragt, S 11.210,--) zugesprochen werden kann und an Stempelgebühr für lediglich zwei erforderliche Ausfertigungen der Gegenschrift nur S 240,-- zuzusprechen waren.

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