VwGH 92/10/0155

VwGH92/10/015522.3.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Kirschner, Dr. Novak und Dr. Bumberger als Richter, im Beiseindes Schriftführers Mag. Kopp, in der Beschwerdesache

1.) des F, 2.) des K, 3.) des L und 4.) des J, sämtliche in W und vertreten durch Rechtsanwalt Dr. D in W, gegen den Bundesminister für Unterricht und Kunst, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht hinsichtlich eines Antrages auf Anerkennung als Religionsgesellschaft, den Beschluß gefaßt:

Normen

AnerkennungsG 1874 §1;
AnerkennungsG 1874 §2;
AVG §56;
AVG §8;
B-VG Art132;
B-VG Art18;
EMRK Art13;
VwGG §27;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
AnerkennungsG 1874 §1;
AnerkennungsG 1874 §2;
AVG §56;
AVG §8;
B-VG Art132;
B-VG Art18;
EMRK Art13;
VwGG §27;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und den damit im Zusammenhang vorgelegten Beilagen ergibt sich im wesentlichen folgender Sachverhalt:

Die Beschwerdeführer leiten seit Jahren den österreichischen Zweig der unter dem Namen "Zeugen Jehovas" auf der ganzen Erde tätigen Religionsgemeinschaft. Mit Schriftsätzen vom 17. Juni 1987 und vom 21. Juli 1990 stellten sie bei der belangten Behörde gemäß § 2 des Gesetzes vom 20. Mai 1874, RGBl. Nr. 68, betreffend die gesetzliche Anerkennung von Religionsgesellschaften (in der Folge: AnerkennungsG), den Antrag auf Anerkennung als Religionsgesellschaft. Über diesen Antrag hat die belangte Behörde bis zum heutigen Zeitpunkt nicht entschieden.

Mit Beschluß vom 25. Juni 1992, G 282/91-14, wies der Verfassungsgerichtshof einen Antrag der Beschwerdeführer auf Aufhebung des § 2 erster Absatz des AnerkennungsG zurück. In der Begründung dieses Beschlusses führte der Verfassungsgerichtshof aus, daß der von den Antragstellern behauptete unmittelbare Eingriff in ihre Rechtssphäre nicht vorliege. Es stehe ihnen nämlich bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ein durchsetzbarer Rechtsanspruch zu, die Anerkennung der "Zeugen Jehovas" als Religionsgesellschaft nach dem AnerkennungsG zu erwirken. Unter Berufung auf sein Erkenntnis VfSlg. 11.931/1988 vertrat er dabei - in Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z. B. VwSlg. 2.965/A und 10.833/A) - die Auffassung, der zuständige Bundesminister ("Cultusminister") habe, wenn er das Vorliegen der Anerkennungsvoraussetzungen verneine, über den Antrag bescheidmäßig negativ abzusprechen; wenn er hingegen zum Ergebnis gelange, es seien alle Anerkennungsvoraussetzungen gegeben, so müsse er entweder die Anerkennung - zugleich - durch Verordnung aussprechen oder aber vorerst einen an den (die) Antragsteller adressierten positiven Bescheid und zusätzlich eine an die Allgemeinheit gerichtete Verordnung erlassen. Dabei könne dahingestellt bleiben, ob der (positive) Bescheid und die Verordnung in EINEM ("janusköpfiger") Verwaltungsakt zusammengefaßt werden dürfen (vgl. hiezu Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechtes, 5. Auflage, Rz 380). Die Anerkennungswerber hätten jedenfalls - sofern ihrem Antrag nicht ohnedies durch Erlassung einer Verordnung Rechnung getragen würde - einen individuellen Anspruch auf eine der Rechtskraft fähige und nachprüfbare Erledigung. Bleibe die Anerkennungsbehörde untätig, so hätten die Anerkennungswerber die Möglichkeit, beim Verwaltungsgerichtshof Säumnisbeschwerde gemäß Art. 132 B-VG zu erheben. Dies sei auch in Anbetracht des Art. 13 EMRK geboten, der den Trägern von durch die EMRK eingeräumten Rechten (s. Art. 9 und 14 EMRK) einen Anspruch auf individuellle Durchsetzung ihrer Konventionsrechte gewährleiste (vgl. insbesondere Holoubek, Das Recht auf eine wirksame Beschwerde bei einer nationalen Instanz, JBl. 1992, 137 ff).

Damit ginge auch der Einwand ins Leere, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei u.a. eine Säumnisbeschwerde dann unzulässig, wenn lediglich die negative, nicht hingegen die positive Erledigung eines Anbringens durch Bescheid zu erfolgen hätte (vgl. VwSlg. 9151/A und das Erkenntnis vom 20. Dezember 1978, Zl. 2701/77).

Der Verwaltungsgerichtshof habe - sofern er nicht (vorerst) von der im § 42 Abs. 4 erster Satz VwGG vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch mache, oder wenn die belangte Behörde dem vom Verwaltungsgerichtshof nach dieser Gesetzesbestimmung erteilten Auftrag nicht nachkomme - über die Säumnisbeschwerde durch Erkenntnis in der Sache selbst zu entscheiden, wobei er auch das sonst der Verwaltungsbehörde zustehende freie Ermessen handhabe (§ 42 Abs. 4 zweiter Satz VwGG). Das bedeute, daß der Verwaltungsgerichtshof an Stelle der säumigen Verwaltungsbehörde die von dieser bescheidmäßig zu treffende Sachentscheidung zu fällen habe (vgl. z.B. VwSlg. 8704/A). Der Verwaltungsgerichtshof sei zwar nicht ermächtigt, Verordnungen zu erlassen. Das hindere ihn aber nicht daran, über den nach dem AnerkennungsG gestellten Antrag - positiv oder negativ - abzusprechen und damit den verfassungsrechtlichen Anforderungen (insbesondere jenen der EMRK) zu entsprechen. Im Fall einer positiven Entscheidung werde der "Cultusminister" (nunmehr der Bundesminister für Unterricht und Kunst) sodann eine entsprechende Verordnung zu erlassen haben.

Mit der vorliegenden Säumnisbeschwerde wird die Verletzung der Entscheidungspflicht der belangten Behörde geltend gemacht. Diese habe über die Anträge der Beschwerdeführer vom 17. Juni 1987 und vom 27. Juni 1990 (gemeint offenbar: 21. Juli 1990) seit mehr als sechs Monaten nicht entschieden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß Art. 132 B-VG ist zur Erhebung einer Säumnisbeschwerde berechtigt, wer in einem Verwaltungsverfahren als Partei die Entscheidungspflicht geltend machen konnte. Die Beschwerde kann gemäß § 27 VwGG erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat.

Auf der Grundlage dieser Rechtsvorschriften ist es ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, daß eine Säumnisbeschwerde nur erhoben werden kann, wenn der Beschwerdeführer einen Rechtsanspruch auf BESCHEIDMÄßIGE Erledigung seines im Bereich der Verwaltung unerledigt gebliebenen Begehrens hatte (vgl. etwa den Beschluß vom 21. April 1986, Zl. 86/12/0010, und die dort angeführte Rechtsprechung).

Die §§ 1 und 2 AnerkennungsG lauten:

"§ 1.

Den Anhängern eines bisher gesetzlich nicht anerkannten Religionsbekenntnisses wird die Anerkennung als Religionsgesellschaft unter nachfolgenden Voraussetzungen erteilt:

1. Daß ihre Religionslehre, ihr Gottesdienst, ihre Verfassung, sowie die gewählte Benennung nichts Gesetzeswidriges oder sittlich Anstößiges enthält;

2. daß die Errichtung und der Bestand wenigstens einer nach den Anforderungen dieses Gesetzes eingerichteten Cultusgemeinde gesichert ist.

§ 2.

Ist den Voraussetzungen des § 1 genügt, so wird die Anerkennung von dem Cultusminister ausgesprochen. (Jetzt: Bundesminister für Unterricht und Kunst)

Durch diese Anerkennung wird die Religionsgesellschaft aller jener Rechte teilhaftig, welche nach den Staatsgesetzen den gesetzlich anerkannten Kirchen- und Religionsgesellschaften zukommen."

Der an die belangte Behörde gerichtete Antrag der Beschwerdeführer war auf Anerkennung der "Zeugen Jehovas" nach § 2 AnerkennungsG gerichtet.

Die Anerkennung eines Religionsbekenntnisses als Kirche oder Religionsgesellschaft ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 29. Februar 1988, V 11/87, VfSlg. 11624) - durch RECHTSVERORDNUNG auszusprechen (vgl. die Beschlüsse vom 11. Mai 1953, Zl. 908/53, VwSlg. 2965/A, und vom 27. September 1982, Zl. 82/10/0138 und 0144, VwSlg. 10833/A).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem bereits genannten Beschluß vom 27. September 1982 ausführlich begründend dargelegt, daß er der Auffassung, über die Ablehnung des Antrages auf Anerkennung müsse ein Bescheid ergehen, nicht beitritt. Der Gerichtshof sieht sich auch aufgrund der Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes nicht veranlaßt, von dieser Ansicht abzugehen. Die Entscheidung darüber, ob eine Verordnung zu erlassen ist, stellt seiner Ansicht nach - so lange vom Gesetzgeber nicht Gegenteiliges angeordnet ist - einen wesentlichen Teil des Verordnungsrechtes dar. Den Verordnunsgeber in seiner Entscheidung darüber, ob von ihm eine Verordnung erlassen wird, an einen individuellen Verwaltungsakt zu binden, ließe sich auch mit den von der Bundesverfassung vorausgesetzten Rechtsquellentypen der Verordnung und des Bescheides und ihres Verhältnisses zueinander mit dem hiefür eingerichteten, unterschiedlich ausgestalteten Rechtsschutzsystem sowie mit dem stufenförmigen Aufbau der Rechtsordnung nicht in Einklang bringen. Ebensowenig erscheint eine Auslegung des AnerkennungsG zulässig, nach der die Entscheidung über das "ob" der Erlassung der Verordnung nur für den Fall der Verneinung dem Verordnungsgeber entzogen und einem individuellen Verwaltungsakt vorzubehalten wäre.

Nach Ansicht des Gerichtshofes erscheint es aber auch nicht vertretbar, daß ein und derselbe Rechtsakt "Anerkennung" sowohl in der Rechtssatzform der Verordnung als auch der des Bescheides zu ergehen hätte. Der Gerichtshof pflichtet in diesem Zusammenhang vielmehr der vom Verfassungsgerichtshof vertretenen Auffassung bei, daß eine in Bescheidform intendierte Anerkennung auf einen Rechtsformenmißbrauch hinausliefe (vgl. VfSlg. 11624/1988). Im übrigen würde auch ein lediglich an die Anerkennungswerber adressierter positiver Bescheid nicht eine an die Allgemeinheit der Rechtsunterworfenen gerichtete Anerkennung bewirken. Eine solche kann nur im Wege einer Verordnung erfolgen, deren Erlassung jedoch mit dem vorhandenen Rechtsschutzinstrumentarium nicht erzwungen werden kann. Der vom Verfassungsgerichtshof beabsichtigte Rechtsschutz der Anerkennungswerber muß somit letztlich auch nach der von ihm gewählten Konzeption versagen.

Was den Hinweis auf Art. 13 EMRK anlangt, so ist dieser nach Auffassung des Gerichtshofes nicht stichhältig, da im Beschwerdefall die Verletzung von in der Konvention festgelegten Rechten und Freiheiten nicht zur Diskussion steht.

Auf die Erlassung einer generellen Norm, sei es in der Form eines Gesetzes oder in der einer Verordnung, steht niemandem ein Rechtsanspruch zu (vgl. etwa den Beschluß vom 31. März 1977, Zl. 425/77, mit weiteren Judikaturhinweisen). Auch nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. den bereits mehrfach genannten Beschluß vom 25. Juni 1992) ist der Verwaltungsgerichtshof nicht ermächtigt, Verordnungen zu erlassen.

Aufgrund dieser Erwägungen mußte daher die vorliegende Säumnisbeschwerde wegen des Mangels der Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in einem nach § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat als unzulässig zurückgewiesen werden.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte