VwGH 90/18/0155

VwGH90/18/015520.11.1990

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Präsident Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Pichler und Dr. Domittner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hollinger, über die Beschwerde des Karl S in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 30. Mai 1990, Zl. MA 70-11/692/90/Str, betreffend Berichtigung eines Berufungsbescheides in einer Verwaltungsstrafsache nach der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
AVG §62 Abs1;
AVG §62 Abs4;
AVG §68 Abs2;
AVG §68 Abs3;
VStG §44a litb;
VStG §44a Z2;
VStG §51 Abs5;
VStG §62 Abs4;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §56;
VwRallg;
AVG §56;
AVG §62 Abs1;
AVG §62 Abs4;
AVG §68 Abs2;
AVG §68 Abs3;
VStG §44a litb;
VStG §44a Z2;
VStG §51 Abs5;
VStG §62 Abs4;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §56;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt (Land) Wien Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Der Berufungsbescheid der Wiener Landesregierung vom 24. August 1989, ergangen in einer Verwaltungsstrafsache nach der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) enthielt drei sinnstörende Fehler: Der erste Vokal im Familiennamen des Beschwerdeführers war sowohl in der Anschrift des Bescheides als auch in seinem ersten Absatz unrichtig mit "u" statt richtig mit "e" geschrieben. Im vierten Absatz des Spruches des Berufungsbescheides hieß es, der Beschwerdeführer habe hiedurch Verwaltungsübertretungen gemäß 1) § 5 Abs. 1, 2) § 13 Abs. 1,

3) § 4 Abs. 5 und 4) § 4 Abs. 1 lit. c begangen, ohne daß eine auf diese Paragraphenzitate Bezug habende Gesetzesstelle zitiert worden wäre. Aus Anlaß der Einleitung des Vorverfahrens im hg. Beschwerdeverfahren zu Zl. 90/18/0001 bemerkte der Verwaltungsgerichtshof, daß, sofern die Voraussetzungen für eine Berichtigung gegeben seien, hinsichtlich dieser Fehler mit Berichtigungsbescheid vorgangen werden möge. Mit Bescheid vom 30. Mai 1990, dem Vertreter des Beschwerdeführers zugestellt am 31. Mai 1990, wurde einerseits der Familienname des Beschwerdeführers an den zwei genannten Stellen in Sprengnagel richtiggestellt und es wurde andererseits im vierten Absatz des Spruches des Berufungsbescheides die Bezeichnung des Gesetzes mit "StVO 1960" eingefügt. Nach der Begründung des Berichtigungsbescheides handelte es sich einerseits um einen Übertragungsfehler von der Reinschrift in die Ausfertigung des Bescheides dahin, daß in der Reinschrift die richtige, in der Ausfertigung aber die falsche Schreibweise aufgeschienen sei. Die Unterlassung der Zitierung eines Gesetzes in Absatz 4 des Bescheidspruches des Berichtigungsbescheides sei eine offenbar auf einem Versehen beruhende Unrichtigkeit; nach dem ersten Absatz des Bescheidspruches sei es völlig klar, daß als verletztes Gesetz nur die dort zitierte Straßenverkehrsordnung 1960 in Frage komme.

Mit hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1990, Zl. 90/18/0001, wurde der Berufungsbescheid der Wiener Landesregierung vom 24. August 1989 in der Fassung des erwähnten Berichtigungsbescheides vom 30. Mai 1990 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Hiebei ging der Verwaltungsgerichtshof, seiner Rechtsprechung entsprechend (Beschluß eines verstärkten Senates vom 10. Dezember 1986, Slg. N.F. Nr. 12329/A) von der berichtigten Fassung des Berufungsbescheides aus. Das aufhebende Erkenntnis wurde dem Rechtsanwalt des Beschwerdeführers am 19. Juli 1990 zugestellt.

Am 12. Juli 1990 gab der Beschwerdeführer, vertreten durch seinen Rechtsanwalt, die vorliegende Beschwerde gegen den Berichtigungsbescheid vom 30. Mai 1990 zur Post. In der Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und es werden "Verfahrensmängel" geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die Rechtsansicht vertreten, "zum Zeitpunkt der Zustellung der Beschwerde an die belangte Behörde" habe dem Beschwerdeführer die Beschwer gemangelt, der Verwaltungsgerichtshof habe gar keine Prüfungsbefugnis mehr hinsichtlich des angefochtenen Bescheides. Im übrigen möge die Beschwerde als unbegründet abgewiesen werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 62 Abs. 4 AVG 1950 kann die Behörde Schreib- und Rechenfehler oder diesen gleichzuhaltende, offenbar auf einem Versehen beruhende Unrichtigkeiten in Bescheiden jederzeit von Amts wegen berichtigen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom 13. April 1984, Zl. 84/02/0033) kann ein Bescheid, der nicht mehr dem Rechtsbestand angehört, nicht mehr berichtigt werden, wobei es jeweils auf die Bescheiderlassung - die regelmäßig durch Zustellung erfolgt - ankommt. Legt man diesen Maßstab an den vorliegenden Fall an, so erkennt man, daß der Berichtigungsbescheid am 31. Mai 1990 erlassen wurde, hingegen wurde der zu berichtigende Bescheid erst später, nämlich mit Erkenntnis vom 27. Juni 1990, zugestellt am 19. Juli 1990, aufgehoben, sodaß der vom vorerwähnten Erkenntnis behandelte Sachverhalt hier nicht vorliegt. Da die Berichtigung einen zur Zeit der Erlassung des Berichtigungsbescheides durchaus dem Rechtsbestand angehörenden Bescheid betraf, war die Beschwerde gegen den Berichtigungsbescheid zulässig. Es kommt auch nicht, wie die belangte Behörde meint, auf den Zeitpunkt der Zustellung der Beschwerde an sie an.

Die im Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 29. Oktober 1990 abgegebene Erklärung, er erachte sich als klaglos gestellt, begehre aber Zuspruch von Aufwandersatz gemäß § 56 VwGG, hinderte aus folgenden Gründen nicht die Sacherledigung:

Eine Klaglosstellung iS der §§ 33 Abs. 1 und 56, erster Satz VwGG liegt nur vor, wenn der mit Beschwerde angefochtene Bescheid mit einem formellen Akt aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird. Die bloße Erklärung eines Beschwerdeführers, klaglos gestellt zu sein, reicht zum Eintritt der Rechtsfolgen der §§ 33 Abs. 1, 56, erster Satz VwGG nicht aus (Beschluß eines verstärkten Senates vom 9. April 1980, Slg. N.F. Nr. 10.092/A).

Zu prüfen war ferner, ob das Verfahren über die Beschwerde als gegenstandslos einzustellen war:

Die Rechtsrichtigkeit des seinerzeitigen Berufungsbescheides war nach dem Zeitpunkt seiner Erlassung unter Bedachtnahme auf den späteren Berichtigungsbescheid zu prüfen. Auch dessen Rechtsrichtigkeit war nach dem Zeitpunkt seiner Erlassung zu prüfen. Dieser Zeitpunkt liegt aber, wie oben dargestellt, vor der Aufhebung des Berufungsbescheides durch den Verwaltungsgerichtshof.

Da das aufhebende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Juni 1990 den Berufungsbescheid in der Fassung des Berichtigungsbescheides prüfte und daher Rechtswidrigkeiten des Berufungsbescheides in seiner unberichtigten Fassung bewußt außer acht ließ - es war ja inzwischen Berichtigung erfolgt -, kann nicht gesagt werden, die Überprüfung des Berichtigungsbescheides sei "gegenstandslos".

Die zulässige Beschwerde erweist sich aus folgenden Gründen als nicht gerechtfertigt:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (z.B. Erkenntnis vom 3. Juli 1986, Zlen. 85/02/0232, 86/02/0077 und die darin zitierte weitere Rechtsprechung) ist die Berichtigung auf die Fälle eingeschränkt, in denen die Unrichtigkeit eine offenkundige ist. Dabei ist es ausreichend, daß die Unrichtigkeit von der Behörde bei entsprechender Aufmerksamkeit bereits bei der Erlassung des Bescheides hätte vermieden werden können, und daß die Personen, für die der Bescheid bestimmt ist, die Unrichtigkeit des Bescheides erkennen können.

Beide Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben:

Der Beschwerdeführer wird wohl am besten die richtige Schreibweise seines Familiennamens kennen und mußte daher die Unrichtigkeit hiebei - die im übrigen nur in der Ausfertigung, nicht in der Urschrift des Bescheides unterlief - sogleich erkennen. Da ferner das gesamte Strafverfahren nur wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 geführt worden war, da das erstinstanzliche Straferkenntnis als verletzte Verwaltungsvorschriften ausschließlich Paragraphen der Straßenverkehrsordnung 1960 nannte und da die Berufungsbehörde im ersten - referierenden - Absatz ihres Bescheidspruches die "StVO 1960" ausdrücklich nannte, ist es offenkundig und war es für den Beschwerdeführer leicht erkennbar, daß die im vierten Absatz des Bescheidspruches zitierten verletzten Paragraphen nur solche der Straßenverkehrsordnung 1960 sein konnten.

Der Beschwerde ist zuzustimmen, daß bloße Zitierung von Paragraphen ohne Nennung der verletzten Verwaltungsvorschrift (Gesetz oder Verordnung) den Anforderungen des § 44a lit. b VStG 1950 nicht entspricht und daß solche Mängel - sofern sie eben nicht berichtigt werden - Rechtswidrigkeit des Inhaltes des betreffenden Bescheides bewirken würden. Es entspricht aber weder dem eingangs zitierten § 62 Abs. 4 AVG 1950 noch der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, daß solche Fehler - unter den Voraussetzungen des § 62 Abs. 4 AVG 1950Ü - nicht berichtigbar wären.

Die ferner in der Beschwerde vertretene Rechtsansicht, eine innerhalb der Frist des § 51 Abs. 5 VStG 1950 ergangene Berufungsentscheidung dürfe außerhalb dieser Frist nicht berichtigt werden, entspricht nicht der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom 23. Oktober 1985, Slg. N.F. Nr. 11922/A).

Sofern der Beschwerdeführer dem angefochtenen Berichtigungsbescheid Rechtswidrigkeiten zum Vorwurf macht, die gar nicht Gegenstand der Berichtigung waren, sondern auf den - inzwischen vom Verwaltungsgerichtshof aufgehobenen - Berufungsbescheid vom 24. August 1989 zurückgehen, kann er auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Juni 1990, Zl. 90/18/0001 verwiesen werden. Außerhalb des Rahmens des § 62 Abs. 4 AVG 1950 wäre nämlich die Abänderung des Berufungsbescheides durch einen bloßen Berichtigungsbescheid rechtswidrig gewesen.

Was die vom Beschwerdeführer gerügte Verletzung des Parteiengehörs im Berichtigungsverfahren anlangt, so ist zu sagen, daß es der Beschwerdeführer unterlassen hat, in seiner Beschwerde darzustellen, was er vorgebracht hätte, wäre er im Berichtigungsverfahren gehört worden. Die Kausalität der Verletzung des Parteiengehörs zum Bescheidinhalt im Sinne ds § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wurde somit nicht dargetan.

Da es der Beschwerde somit nicht gelungen ist, die von ihr behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlichen Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

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